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Die CDU, das Projekt Untergang

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Ja, ich habe es der Kanzlerin abgenommen, dass sie nach Fukushima neu über die Nutzung der Atomenergie nachgedacht hat. Ja, ich fand ihre Einwände gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Kontext der Errichtung einer Flugverbotszone in Libyen nachvollziehbar.

Ein paar Monate später kann ich das nicht mehr. Nicht, weil ich diese Entscheidungen nicht mehr verstünde, sondern weil daraus keine Handlungen abgeleitet und konsequent durchgezogen wurden.

Nach dem Moratorium hätte kein Komplettausstieg aus der Atomenergie stehen dürfen, sondern ein gut strukturierter Rückbau dieser Brückentechnologie. Jetzt geht es nur noch darum, das Thema schnell abzuräumen. Dass man sich als Unionswähler allerdings anstelle dessen die Augen reibt und sich fragt, warum die Parteien, die die Atomenergie weiter nutzen wollten, nach monatelangem Federlassen und Kämpfen nun aber genau wieder an dem Punkt stehen, wo sie zu Beginn der Legislatur standen, nämlich beim rot-grünen Ausstiegsbeschluss, ist bitter.

In Sachen Libyen mäanderte es nach dem Nein der Bundesregierung zwischen mehr Engagement in Afghanistan und – man musste einen Soundcheck machen – der Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten, die auf libyschem Territorium die Ausgabe von Hilfslieferungen schützen sollten.

Die Sache ist im Sand verlaufen, zum Glück, denn mittlerweile wissen wir, dass die Bundeswehr so schlecht strukturiert und selbstparalysierend aufgestellt ist, dass sie zu solchen Abenteuern gar nicht mehr in der Lage ist.

Da sind wir beim Thema Bundeswehrreform: Auch hier lag die Kanzlerin eigentlich meiner Meinung nach richtig, als sie sagte, dass die Union, die immer für die Wehrpflicht war, dieselbe nicht an einem Samstag aus Spargründen abschaffen könne.

Wenig später tat sie es doch. Das geneigte Publikum war – auch hier – nicht wenig überrascht, als die Luftbuchung aus Franken wenige Wochen später erklärte, dass die Reform der Bundeswehr erst mal teurer würde als billiger. Und auch hier mäandert die CDU nunmehr zwischen den verschiedensten Positionen hin und her. Und die Union-Wähler wissen, dass es in ihrer Partei kein wirkliches Konzept für die Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee gibt. Das ist eine Bankrotterklärung für die Partei der Wiederbewaffnung. Konrad Adenauer rotiert im Grabe.

Zum Glück hat Frau Merkel in den vergangenen Wochen ausnahmsweise mal nicht den Papst beleidigt und sich dadurch die letzten tapferen Stammwähler vergrätzt. Wobei: Bei der Präimplantationstechnik (PID) ist die Partei des Lebensschutzes auch nicht eindeutig aufgestellt. Hier bin ich nun selber, obschon katholischer Konfession, der Auffassung, dass man nicht hinter aller technischer Neuerung einen Dammbruch wittern muss. Aber: Mein Eindruck ist, dass die CDU-Vorsitzende nicht ausreichend in der Lage ist, die Implikationen dieser neuen technologischen Möglichkeiten (lassen Sie mich hier den Themenkreis PID um das Feld der Stammzellforschung erweitern) auf das christliche Menschenbild herauszustellen. Das würde ich dann doch erwarten.

Der von mir so geschätzte ZDF-Kommentator Gernot Hassknecht hat in seiner Replik zu einem Jahr Schwarz-Gelb eigentlich alles gesagt (sein bester Kommentar ist übrigens der zu Thilo Sarrazin), was zur Bilanz der CDU-geführten Bundesregierung zu sagen ist. Aber indem ich ihm beipflichte, stellt sich mir die Frage, warum ich 2013 die Union eigentlich noch einmal wählen sollte.

Sicher, die Partei ist lange noch nicht so am Ende wie die SPD: 44 Prozent in Bayern, 39 Prozent in Baden-Württemberg, 35 Prozent in Rheinland-Pfalz sind alles keine schlechten Ergebnisse. Aber mit welchem Projekt bringen Sie denn die zweite Regierung Merkel in Verbindung?

Gerhard Schröder hat die Agenda 2010 mit Überzeugung (war auch schon alternativlos) durchgezogen. Dafür gab’s die Quittung. Aber der Niedersachse hat seinerzeit gezeigt, dass politische Entscheidungen länger halten können und müssen, als eine Ladung Buntwäsche wäscht. Das hat er übrigens mit Helmut Kohl gemein.

Auf allen vier genannten Feldern – Atomausstieg, Libyen, Bundeswehr, Lebensschutz – hätte die CDU durchaus alte Positionen räumen und einen neuen Weg beschreiten können. Die Christdemokraten wären vielleicht abgestraft worden für diese neue Marschrichtung. Aber wie süß ist es, für seine eigenen Überzeugungen zu sterben!

Jetzt werden sie hingegen ziemlich sicher dafür abgewählt, dass sie keine Richtung hatten. Es gibt nichts, womit es die Kanzlerin in die Geschichtsbücher schafft. Wenn sie so weiter macht, schafft sie es nach dem Wahltag 2013 noch nicht einmal mehr in die „Bild“-Zeitung.

Zuerst erschienen auf www.theeuropean. de. Alexander Görlach ist Herausgeber und Chefredakteur des Debatten-Magazins The European.

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9 Gedanken zu “Die CDU, das Projekt Untergang;”

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    Aber der Niedersachse hat seinerzeit gezeigt, dass politische Entscheidungen länger halten können und müssen, als eine Ladung Buntwäsche wäscht. Das hat er übrigens mit Helmut Kohl gemein.

    So ist es! Wir brauchen wieder mehr Regieren mit der ruhigen Hand und weniger Herumgeflippere mit ungewissem Ausgang. Die Energiewende ist ein volkswirtschaftlich-politisches Vabanque-Spiel, weil gar nicht klar ist, ob bis 2022 genügend Ersatz-Energieproduktionsanlagen geschaffen werden können. Weiteres Herumflippern kann also erwartet werden.

    Und die von mir favorisierte Energiegewinnungsmethode, unterirdische Pumpspeicherwerke, wird wieder kaum gewürdigt, wie wenn man mit Sonne und Wind alleine eine Grundversorgung aufbauen könnte.

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    @Jan Z. Volens: Die Zuwendung Lateinamerikas zu neuen Partnern ist unter emanzipatorischen Gesichtspunkten völlig nachvollziehbar; sie bleibt mir allerdings in Fällen wie Iran oder China (aus nicht-kolonialen Gründen) suspekt.
    Ja, ein wunderbares Land, ganz wie Sie sagen, und Julio Jaramillos Gesang ist wirklich wunderschön. Jedem wärmstens zu empfehlen, der die Musik des ungleich bekannteren Carlos Gardel mag.

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    @Roland Ziegler: Es ist 2011 und ueber 500 Jahre nach der Ankunft der „Weissen“. Aber noch immer wollen die „weisen Weissen Vaeter“ von Europa den 480 Millionen vorwiegend „farbigen“ Lateinamerikanern vorschreiben was sie in ihren eigenen Nation duerfen und was von der selbs-ernannten „internationalen Gemeinschaft“: USA-Britanien-Niederland-Skandinavien-Deutschland/Oestreich/Vatikan — in Lateinamerika gestattet ist! In allen Nationen in Lateinamerika sind Erwachsene mit erstklassiger Bildung (auch Havard, Oxford, London School of Economics, Sorbonne) und die Neokolonialbevormundung aller NROs von USA und EU wird heute von der Mehrzahl in Lateinamerika als das gesehen was es vorwiegend in Wirklichkeit ist: Geopolitische und geowirtschaftliche Ziele um Lateinamerika „unter Kontrolle“ zu halten. Aber 2011 braucht Lateinamerika nicht mehr Genehmigung von Washington, London, oder dem Vatikan zu erbitten, denn nun bietet China und die Araber (Aegypten kauft gerade $ 2 Millarden Soja von Argentinien) eine riesige neue Partnerschaft, ohne Bevormundung von den „weisen Weissen Vaetern“ in EU. – Ecudador ist ein wunderbares Land, besonders die Ecudoriana – das hat schon Simon Bolivar gewusst – seine kaempfersiche Geliebte war die Ecuadoriana Manuelita Saenz. Ecuador hat auch wunderschoene Musik – sieh youtube: „Julio Jaramillo odiame“. Die New York Times berichtet immer wieder ueber „Real Estate in Ecuador“ und reiche Amis, Kanadier, Australier kaufen dort ihre „retirment homes“ Sieh im Internet: Salinas Ecuador Real Estate. Adios!

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    @Jan Z. Volens: Im kleinen, unwichtigen Land Ecuador (aus dem ein Teil meiner Familie stammt) haben US-amerikanische Firmen in der Vergangenheit durch verantwortungsloseste, schmutzige Ölförderung eine Riesensauerei im Dschungel veranstaltet. So etwas soll ja auch anderswo vorkommen. Nicht alle, die dagegen vorgehen, machen das aus reinem Idealismus und sind unverdächtig (von NATO-Einsätzen habe ich in diesem Zusammenhang allerdings noch nichts gehört). Jedenfalls denke ich, deswegen alle Ökoprogramme in Tropengebieten als von „Ecofascistas“ regiert zu bezeichnen, wäre, tja, seinerseits verdächtig, denn das Interesse, die Geschehnisse zu beschönigen und den Naturschutz wieder auf altes Niveau zurückzufahren, liegt ja noch viel deutlicher auf der Hand.

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    @Roland Ziegler: „Ecofascistas“ ist die Bezeichnung welche jetzt in den tausenden von Leserkommentaren in Brasilien geschrieben wird fuer die Bezeichung der „Verdes“ (Gruene). Und soweit besteht die Vermutung in Brasilien, dass besonders mehrere „Gruene“ von Deutschland-Oestreich, Niederland und Britanien – die geopolitische Stimmung fuer zukuenftige NATO „Eingriffe“ zum „Schutz der Natur“ oder „Schutz Indigener“ vorbereiten. Wer das studiert erkennt, zum Beispiel, dass die DEUTSCHE WELLE in ihren weltweiten Fernsehdarbietung schon seit Jahren eine versteckte, einseitige Propaganda vertreibt welche praktisch direkt von den „Umwelt&Indigenenschutz“ NROs stammt, welche heute von Links und Rechts in Brasilien beschrieben werden als die „5. Kolonne“ des Krieges der USA-Britanien-Niederland gegen Brasiliens nationale Wirtschaftsentwicklung, Infraestrukturprojekte und „unabhaengige“ Geopolitik (UNASUR, BRICS). Die Bezeichung „5.Kolonne“ stammt aus dem Krieg in Spanien 1936-39. Der General Franco’s welcher Madrid belagerte antwortete auf die Frage welche seiner VIER Kolonnen zuerst in Madrid erscheinen wuerden. Er antwortete: Die FUENFTE Kolonne. Der Verteidigungminister Brasiliens, hat erklaert, dass Suedamerika jetzt fuer 50 Jahre bedroht wird wegen den Resourcen und er hat gewarnt: „Kommt nicht her um euch einzumischen!“ Aber die „Ecofascistas“ der NATO haben schon ihre „5. Kolonne“ in Brasilien und Suedamerika – und die Nahmen sind alle „germanisch“ (Endung „er“ )von Deutschen, Oestreichern, Hollaender, Schweizer. Die Briten und die USA halten sich diskret zurueck – Suedamerika wird subvertiert von den gruenen „Ecofascistas“ der germanischen Eingriffgruppe. (Mehr erklaert in meinem Leserkommentar heute in FOREIGN POLICY, unter Artikel „The 6 reasons why we can’t get Quaddafi to quit.“)

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    @Jan Z. Volens: Auch auf die Gefahr hin, Mumpitz im Posenerschen Sinn zu fabrizieren: Sie scheinen den Faschismusbegriff in eigenartiger Weise zu skalieren, d.h. als Maßstab zu benutzen. Wenn die Grünen hierzulande also „semi-fascist“ wären, hieße das, dass dieses Glas nun halb voll oder halb leer ist? Wo wären die anderen Parteien auf Ihrer Skala einzuordnen? Wenn die dann z.B. Dreiviertel-fascists wären, dann wären die Grünen – eine Partei, die sich selbst als antifaschistisch und in Teilen pazifistisch sieht – doch vergleichsweise nah am guten Pol positioniert?

    Ähnliches gilt auch für die Bezeichnung „NATO-interventionist“. Von der Partei „Die Linken“ abgesehen sind doch alle anderen Parteien im deutschen Bundestag entweder genauso große oder noch viel größere „NATO-interventionists“? (Vom europäischen Ausland ganz zu schweigen.)

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    „Frau Merkel’s Flip Flop“ ist heute ein Artikel in FOREIGN POLICY. In dem Artikel werden die „Greens“ nur einmal erwaehnt. Deshalb musste ich die Amis ueber die „Greens“ im heutigen Deutschland aufklaeren – und mein Leserkommentar hat den Titel: Pst: „…the greens did it!“ Ich erklaerte, dass die „Greens“ in „Germany“ nicht wie die sanften „flower children“ in San Francisco welche Mitglieder vom „Sierra Club“ und der „Green Party“ sind (der „Green Party“ welches einst Ralph Nader als Kanditat hatte „for President of the United States“), sondern die „Greens“ in Germany, sind wie einst die braunen „Heil“-Brueller, nur sind sie gruen, aber sie sind „“semi-fascist“ NATO-interventionists, welche noch in der Zukunft ihre Rezepte auf andere Nationen aufzwingen werden: Dann wird man sich mit Wehmut an „good old Frau Merkel“ erinnern und man wird sich wuenschen dass sie noch in Berlin waere…

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    @Hänschen Klein

    …doch, doch. Ich schau‘ in die Zukunft und schreibe ein Epilog dazu. Plattdeutsch, geklaut by Gebrüder Grimm:
    …. Buten aver güng de Storm, un bruusde, dat he kuum up de Föten staan kunn. De Hüüser un de Böm weiden um, un de Baarge beewden, un de Felsenstücken rullden in de See, un de Himmel weer ganz pickswart, un dat dunnerd un blitzd, un de See güng in so hoge swarte Bülgen as Karchtöörm un as Baarge, un de harrn bawen alle eene witte Kroon von Schuum up. So schree he, un kun sin egen Woord nich hören: Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Angiebill, will nich so, as ick wol will.‘ ’Na, wat will se denn?‘ sä de Butt. ’Ach,‘sä he, se will warden as de lewe Gott.’

    ‘Gah man hen, se sitt all weller in’n Pißputt.’ Dor sitten se noch bet up hüüt un düssen Dag.

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    „Es gibt nichts, womit es die Kanzlerin in die Geschichtsbücher schafft.“

    Niemand, wirklich niemand weiß oder kann überhaupt wissen, was in den Geschichtsbüchern stehen wird, denn dazu müsste man die Zukunft kennen.

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