Die Bilanz des diesjährigen Dreikönigs-Treffens der FDP fällt ernüchternd aus. So wenig Selbstkritik war selten. Statt „Wir haben verstanden“ verkündete der Parteivorsitzende Westerwelle ein „Weiter so“. Westerwelle lebt inzwischen in einer von der Realität abgekoppelten Welt. Der Feind ist nicht die eigene Ideenlosigkeit, sondern steht – wie auch früher – „links“.
Von diesem Treffen geht weder ein Aufbruch noch ein Neustart aus. Die Parolen und Überschriften sind die alten: „Steuervereinfachung, Leistung muss sich lohnen, globaler Wettbewerb“. Altbekanntes reicht aber nicht für eine schwer angeschlagene Partei. Die nächste Generation steht mit Generalsekretär Lindner, Gesundheitsminister Rösler und dem neuen Landesvorsitzenden in NRW, Bahr, fest. Diese drei Prinzen haben wenige Tage vor dem Treffen in einem gemeinsamen Artikel ihren Anspruch geltend gemacht und einen Liberalismus entworfen, der weit über den Pragmatismus und die Bierdeckel-Philosophie der Westerwelle und Brüderle-FDP hinausweist. Die Retourkutsche des von den Medien als Übergangsvorsitzenden gehandelten Wirtschaftsminister auf den Artikel der Drei kam prompt: „Säusel-Liberalismus“. Dabei gibt es sie längst, die Wähler, die auch in Zukunft FDP wählen würden, wenn die Partei sie nur entdecken würde: Die wachsende Zahl von Doppelverdienern mit Kindern. Diese Gruppe hat die vierfache Last des demografischen Wandels zu tragen: Sie bestreitet den eigenen Lebensunterhalt, unterhält den Nachwuchs, muss privat für Rente und Gesundheit vorsorgen und hat bald ihre Eltern zu pflegen. Eine Lobby oder politische Heimat haben diese 30 bis 50jährigen nicht in Deutschland.
Westerwelles Abgang hat sich mit dem heutigen Tag beschleunigt. Königsmörder will niemand in der Partei spielen. Das soll der Wähler im März in Baden-Württemberg erledigen. Nach dem politischen Karneval wird die Prinzengarde die Macht und Deutungshoheit erobern. Ein Programm für einen neuen Liberalismus ist das noch nicht, aber eine Perspektive.
Zweifelsohne beginnt sich mit dem derzeitigen Generalsekretär der Freidemokraten eine ebenso profunde wie aufrichtige Nachdenklichkeit in seiner Partei zu etablieren. Krawall und bloße Abgrenzung überläßt er anderen Exponenten der Liberalen. Lindner scheint zumindest zu erahnen: Mit Liberalismus sensu Marktradikalismus ist kein Staat zu machen. Dem enklavenartig marginalisierten Sozialliberalismus könnte nach Lage der Dinge durchaus die Aufgabe zukommen, diese verhängnisvolle Ausrichtung wenigstens gleichsam in Schach zu halten und im Idealfall – die Option einer erneuten sozial-liberalen Koalition zu eröffnen. Mitzueröffnen. Mit einer zur Überwindung innerparteilicher Asymmetrien wirklich bereiten Sozialdemokratie. In diesem Zusammenhang dürfte es von besonderem Interesse sein, einmal genauer zu untersuchen, ob und inwieweit sich die Entwicklungen beider Parteien seit dem Ende ihres ersten Regierungsbündnisses wechselseitig gespiegelt haben resp. spiegeln. Vielleicht ist in absehbarer Zeit hierzu etwas zu vernehmen. Nicht nur von Politologen.
@Daniel Dettling
„Diese Gruppe hat die vierfache Last des demografischen Wandels zu tragen: …“
Damit haben Sie völlig recht – die Klientel für eine neue FDP, die auch hoffentlich auch wieder das Thema Bürgerrechte entdeckt.
„Die Parolen und Überschriften sind die alten: „Steuervereinfachung, Leistung muss sich lohnen, globaler Wettbewerb“. Altbekanntes reicht aber nicht für eine schwer angeschlagene Partei. „
Aus der FDP kommt doch seit 10 oder 15 Jahren, jedenfalls seit dem Ausscheiden von Baum & Co. nichts anderes mehr und bei der letzten Wahl hat das immerhin für fast 15 % gereicht. Was ist denn jetzt anders? Wieso wird in den Medien seit letztem Sommer vermehrt über Westerwelles lifestyle und insbesondere die „spezielle“ Auswahl seiner Begleiter bei Geschäftsreisen berichtet? Und wieso macht Angela Merkel eigentlich ausschließlich die Außenpolitik? Wenn ich mir Treffen des Außenministers mit russischen, arabischen, vor allem aber den derzeitigen iranischen Vertretern vorstelle und welche Erwartung die deutsche Großindustrie an die Politik als Türöffner in Ländern hat, wo abseits der öffentlichen Wahrnehmung große Räder gedreht werden, wird doch klar, woher der Wind weht. Für das Geschäft auf dem allzu glatten internationalen Parkett ist Guido Westerwelle unbrauchbar geworden. Hätte er seine Privatangelegenheiten gut katholisch (ja, auch gut evangelikal), jedenfalls scheinheilig versteckt – oder man sagt ja eher: „nicht so in den Vordergrund gestellt“ wäre er – wie viele andere Homosexuelle auch – noch im Geschäft.
Wenn man den (mir) sympathischeren Phillip Rösler so Witze reißen hört, fühlt man sich eher an die Schüchternheit und Unsicherheit des eigenen Berufsanfangs erinnert als an einen knallharten Verhandlungspartner, weswegen er sich ja von der Pharmalobby auch mächtig über den Tisch hat ziehen lassen, so daß die Krankenkassenbeiträge schon wieder erhöht werden. (Da wird man fast neidisch auf die Amis, die keine Krankenkassenpflicht haben..)
Alles in allem eine Truppe, die etwas unter Selbstüberschätzung leidet und im Mainstream untergeht. Wut auf die FDP (und die Politik überhaupt)und deren Abstrafung ist da nicht angesagt – eher auf die sie begrenzenden Faktoren. Und ich glaube, sie ist von den meisten sowieso nur gewählt worden, um die Große Koalition zu beenden und nach der rot-grünen Enttäuschung „die anderen“ ran zu lassen.
Das Problem der FDP ist, dass sie als liberale Partei mit einer konservativen in der Koalition ist. Das passt nicht zusammen. Der nächste Punkt ist, dass sie nur den Standpunkt Steuern runter haben. Das ist vor allem dann sehr wenig, wenn man im Gegenzug Steuern und Abgaben erhöht oder das Steuerrecht komplizierter macht. Ein weiterer Punkt ist ein Herr Westerwelle. Er wettert gegen Millionen Menschen und wundert sich, dass er Gegenwind aus allen Bereichen bekommt. In der CDU, SPD, etc. vertreten sicher viele die gleiche Meinung wie Westerwelle über den Sozialstaat. Sie sind aber nicht so dumm sie laut rauszuschreien. Das gibt natürlich Vorlagen für die anderen Parteien. Inhaltlich hat die FDP in vielen Punkten Recht, taktisch verhält sich diese Partei leider nicht sehr klug.
Beispiel: Die Deutsche Rentenversicherung ist fest in SPD-Hand. Wenn man dort Karriere machen will, wird einem das rote Parteibuch förmlich aufgedrängt. Dahinter steckt ein gewaltiger Apparat, der den wenigsten Menschen in seinem Ausmaß gegenwärtig sein dürfte. Die haben sogar eigene Hotels für ihre Tagungen. Dann kommen die roten Parteifürsten der unteren Ränge und halten vor demotivierten Mitarbeitern, die eh nur wegen des Sonderurlaubs und guten und billigen Unterbringungen angereist sind, langweiligem nutzlose und sehr oft auch unqualifizierte Vorträge.
Will man also bei der Deutschen Rentenversicherung sparen, wird das mit der SPD kaum möglich sein. Stattdessen wird der Wehrdienst abgeschafft. Warum kann sich der Staat offenbar vor lauter Sozialzuschüssen nicht mal mehr seine Landesverteidigung finanzieren? Nicht, dass ich für die Wehrpflicht wäre, aber seltsam finde ich die Entwicklung schon.
Ich wette eine Flasche Champagner, dass die Bürger Angela Merkel eines Tages, wenn sie nicht mehr im Amt wird, vermissen werden. Sie macht ihren Job ziemlich gut, wie einst Helmut Kohl. Politiker sind auch Menschen und daher nicht fehlerfrei, es sei denn man lebt im Iran, Vatikan oder Nordkorea.
Kritisieren und auf die Barrikaden gehen ist easy, regieren ist schwierig.
„Liberal Party of Germany“ ? Fuer die seit Generation ideologisch dressierten „Americans“ bedeutet das Wort „liberal“: Anarco-Kommunisten-Hippies gesteuert von opportunistischen New Yaaark „Insiders“. Deshalb muss man SOFORT schreiben: The word „liberal“ in german party politics means: „Ayn Rand“ brand policies advanced by secular Chamber of Commerce types . – In Lateinamerika musst man erklaeren: „El Partido Liberal aleman representa el empresariado secular“: Die deutsche Liberale Partei vertritt die Interessen der sekulaeren Geschaeftsleute.
„“Nach dem politischen Karneval wird die Prinzengarde die Macht und Deutungshoheit erobern. Ein Programm für einen neuen Liberalismus ist das noch nicht, aber eine Perspektive.““
Ihrem Resumee kann ich nicht folgen. Die „Micky-Maus-Gang“ besitzt leider nicht das Format, um eine Perspektive darzustellen zu können. Das heutige Dreikönigstreffen (oder war es das Dreiprinzentreffen) hat eher alle im Vorfeld vorgetragenen Ressentiments bestätigt und kann mit Worthülsen, Rhetorik und Nibelungentreue nicht behoben werden. Das Personalkonzept ist völlig verfehlt, junge Strahlemännchen (Frau Koch-Mehrin noch garnicht mitgezählt) werden die Probleme, die anstehen, selbst wenn sie diese erkennen würden, nicht beheben. Die Partei der Libertins hat „fertig“. Da wäre mir sogar der Pragmatismus einer großen Koaltion mit den Seeheimern lieber, da weiss man als Mittelständler wenigstens wohin die Reise nach Europa gehen soll.
(P.S. 2. Posting wegen „Verschlucken von Zeichen“)
Ihrem Resumee kann ich nicht folgen. Die „Micky-Maus-Gang“ besitzt leider nicht das Format, um eine Perspektive darzustellen zu können. Das heutige Dreikönigstreffen (oder war es das Dreiprinzentreffen) hat eher alle im Vorfeld vorgetragenen Ressentiments bestätigt und kann mit Worthülsen, Rhetorik und Nibelungentreue nicht behoben werden. Das Personalkonzept ist völlig verfehlt, junge Strahlemännchen (Frau Koch-Mehrin noch garnicht mitgezählt) werden die Probleme, die anstehen, selbst wenn sie diese erkennen würden, nicht beheben. Die Partei der Libertins hat „fertig“. Da wäre mir sogar der Pragmatismus einer großen Koaltion mit den Seeheimern lieber, da weiss man als Mittelständler wenigstens wohin die Reise nach Europa gehen soll.