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Der letzte Klassenkampf

Der Kampf um das Gymnasium ist ein Klassenkampf. Ein Kampf derjenigen, die haben, gegen diejenigen, die nicht haben. Ein typisch deutscher Kampf, nämlich ein Kampf um Besitzstandswahrung.

So wie die Gewerkschaften die Arbeitsplatzbesitzer gegen diejenigen verteidigen, die keinen Arbeitsplatz haben, so verteidigt der Philologenverband die unverdienten Privilegien der Gymnasiallehrer, so verteidigen bürgerliche Eltern die unverdienten Privilegien ihrer Kinder. Dass dies mit sozialen Phrasen garniert wird, ändert nichts am Sachverhalt.

Um es vorwegzunehmen: ich habe nichts dagegen, dass Eltern ihre Kinder auf Gymnasien schicken. Das haben meine Frau und ich auch getan. Ich habe etwas dagegen, dass die Allgemeinheit für diese privilegierte Ausbildung bezahlt. Wir haben unsere Tochter auf eine Privatschule geschickt, und obwohl ich damals als freier Schriftsteller keineswegs viel Geld verdiente, war es uns recht, dass eben Fernreisen und ein neues Auto nicht drin waren. So wie wir dachten übrigens auch viele Eltern, die keineswegs dem herkömmlichen Bild des Bürgerlichen entsprachen, und so kam unsere Tochter auf ihrer Privatschule mit Leuten zusammen, denen sie auf ihrer städtischen Grundschule und dem städtischen Gymnasium im bürgerlichen Bezirk Zehlendorf nie zusammengekommen wäre. Auch das war uns recht. (Sie kam auch mit einer Reihe von Lehrern und Lehrerinnen zusammen, die ich von meiner kommunistischen Zeit her kannte. An den städtischen Schulen hatten sie Berufsverbot bekommen, aber die Evangelische Kirche als Arbeitgeberin war in dieser Hinsicht nicht so streng, wie übrigens auch die Katholische. Man musste nur getauft sein und fachlich gut. Als ich 1977 Berufsverbot hatte, bewarb ich mich am Canisius-Kolleg. Dass ich Kommunist gewesen war, störte die Fratres nicht. Dass ich Anglikaner war allerdings dann doch. Das sah ich ein.)

Das Bürgertum jammert, wenn ihre Kinder länger mit anderen Kindern zusammen lernen sollen: das hindere die lernwilligen Kleinen an der Leistung! Das Bürgertum jammert, wenn das Gymnasium um ein Jahr verkürzt wird: das bedeute die Unterwerfung der Kindheit unter das Leistungsprinzip! Jeder Lehrer kennt aus seiner Sprechstunde diesen Widerspruch: die Eltern drängen so lange auf Leistung und Strenge, bis sich zeigt, dass gerade ihr Kind nicht damit zurande kommt. Dann schalten sie sofort um und reden dem Humboldt’schen Bildungsideal und der Persönlichkeitsentwicklung das Wort. An diesem Widerspruch sieht man, worum es dem Bürgertum geht: möglichst früh ihre Kinder von den Schmuddelkindern trennen und auf eine Schule bringen, wo sie ohne allzu große Anstrengung die Berechtigung erhalten, sich weitere sechs Jahre auf Staatskosten ausbilden zu lassen, damit sie Rechtsanwälte, Ärzte, Professoren und so weiter werden können – oder eben Landtags- und Bundestagsabgeordnete, die weiterhin dafür sorgen, dass die Allgemeinheit das „gegliederte“ Schulwesen, sprich gute Schulen für die da oben, schlechte Schulen für die da unten, erhält und bezahlt.

Die Gymnasiallehrerverbände jammern, wenn sie andere Kinder als die bürgerlichen unterrichten sollen. „Die bringen von zuhause nichts mit.“ Hat doch ein Gymnasiallehrer dafür, dass er die Problemkinder seinen Kollegen und Kolleginnen in den Gesamt- und Hauptschulen überlässt, ein kleineres Stundendeputat, dafür aber wiederum eine bessere Bezahlung. Würden die Gymnasiallehrer auch das leisten müssen, was Grundschullehrer, Hauptschullehrer, Gesamtschullehrer leisten, man würde sich ja fragen, warum sie denn dafür besser bezahlt werden.

Es gebe verschiedene Begabungen, heißt es, darum müsse es verschiedene Schulen geben. Nur, warum es gerade drei verschiedene Schultypen geben soll, die der wilhelminischen Schichtung der Gesellschaft in Arbeiter, Angestellte und Akademiker entspricht, das will einem nicht einleuchten. Manche Leute lernen halt langsamer, heißt es. Sicher. Warum müssen die dann auch noch kürzer zur Schule gehen? Manche bringen eben von zuhause nichts mit. Genau. Dann muss doch die Schule möglichst lange für sie sorgen und sie nicht möglichst schnell  entsorgen. Für manche ist eine Lehre besser, sagt man. Möglich. Warum will dann kein Land unser „duales System“ nachahmen? Und warum werden dann die besten Lehrstellen mit Abiturienten besetzt?

Die Einheitsschule sei ein sozialistisches Gleichmacherprogramm, heißt es. Ach ja? In einer bürgerlichen Demokratie wie den USA gibt es seit jeher eine High School für alle, und da rufen nicht alle Privilegierten, das sei Sozialismus. Wer partout sein Kind auf eine andere Schule schicken will, bezahlt dafür extra.

Die Gesellschaft brauche eine Elite, heißt es. Mag sein. Wer das Gymnasium kennt, weiß, dass dort jedenfalls keine Elite ausgebildet wird. Im Übrigen kennen wir eine Gesellschaft, wo sich die Elite aus besonderen Schulen selbst rekrutiert: Frankreich. Ist diese unbewegliche, korrupte und eingebildete Führungsschicht ein Vorbild für Deutschland?

Es ist nicht Aufgabe des demokratischen Staats, die Privilegien der Elite zu erhalten. Das soll die Elite gefälligst selbst tun. Aufgabe des Staats ist es, diejenigen zu fördern, die eben nicht zur Elite gehören; immer wieder dafür zu sorgen, dass das Spielfeld begradigt wird, wie die Engländer sagen, damit die da unten nicht ständig bergauf laufen müssen, wenn sie gegen die da oben konkurrieren. Nachweislich gelingt diese Begradigung in Deutschland am schlechtesten von allen vergleichbaren Industrienationen, Frankreich sogar eingeschlossen. In dieser Hinsicht ist Deutschland noch kein demokratischer Staat.

Was wir brauchen, ist eine staatlich garantierte, erstklassige zwölfjährige Ganztagsschule für alle. Was wir brauchen, ist die Ausschöpfung aller Bildungsreserven. Was wir brauchen, ist die Erkenntnis, dass wer hier eingewandert ist, wahrscheinlich was auf dem Kasten hat, wenn auch nicht das, was die saturierte Mittelschicht hier erwartet. Was wir brauchen, ist die Bezahlung der Lehrer und Lehrerinnen nach Leistung. Und das heißt, dass gute Grundschullehrerinnen mehr Geld bekommen und weniger Stunden geben sollten als unfähige, ja selbst als fähige Studienräte. Was wir brauchen, ist eine Schule, die durchlässig ist für Schüler und Lehrer, so dass der Gymnasiallehrer begreift, was in der Grundschule gelehrt wird und die Grundschullehrerin sich weiterbilden muss, um ältere Kids zu unterrichten. Was wir brauchen, ist viel mehr Privatschulen mit eigenständigen Profilen, ob die nun dem herkömmlichen „Gymnasium“ entsprechen oder was auch immer. Was wir vor allem brauchen, ist ein System von Bildungsgutscheinen, die es Unterschichteltern ermöglicht, die beste Schule für ihr Kind auszusuchen: staatlich oder privat; handwerklich oder akademisch orientiert, streng oder reformpädagogisch; religiös oder weltlich. Was wir brauchen, ist Wettbewerb der Schulen untereinander um die besten Schüler – und Wettbewerb um die Frage, was die „besten“ Schüler sind.

Was wir nicht brauchen, sind Landeskultusministerien, die alle paar Jahre „ihren“ Schulen ein neues Korsett verpassen. Gebt den Schulen die Freiheit!

Was wir nicht brauchen, ist die Zementierung von Verhältnissen, die ihrerseits die Ungerechtigkeit zementieren. Gebt den Kindern eine Chance!

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62 Gedanken zu “Der letzte Klassenkampf;”

  1. avatar

    Was wir brauchen, ist eine Politik, die sich an der Mittelschicht orientiert,

    Die Politik sollte sich eben gerade NICHT an Ober- und Unterschicht orientieren ! Wohin das führt, wissen wir: zum Tod der abendländischen Kultur.

    Wenn die Mittelschicht kaputt ist, weil Ober- und Unterschicht sie zerquetscht haben, dann ist Feierabend -gerade auch im Bildungssektor. Die Mittelschicht war und ist der Hauptpfeiler unserer Kultur.

    Wer überall, bis in den letzten Erdwinkel immer nur „Globalisierung“ fordert, ist ein Totengräber der abendländischen Kultur.

    „Globalisierung“ heißt: Oberschicht (Superreiche) noch oberschichtiger (superreicher), Unterschicht (Arme) noch unterschichtiger (ärmer) machen und beides die Mittelschicht bezahlen lassen !

    Dagegen muß die Mittelschicht unbedingt protestieren !

    Und jetzt, Herr Posener, müssen Sie ganz, ganz toll „empört“ sein.

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    Hallo Herr Posener,

    danke für Ihre Replik, auf die ich trotz der Verzögerung noch eingehen möchte.

    Sie haben doch offenbar keine Probleme, Walter Scheuerl (den Initiator des Hamburger Volksentscheids) als Sprachrohr des kollektiven Eigeninteresses einer besonderen Sozialgruppe aufzufassen. Wieso bereitet es Ihnen dann eigentlich Schwierigkeiten, sich selbst als Sprachrohr des kollektiven Eigeninteresses einer besonderen Sozialgruppe aufzufassen?

    Was Sie argumentativ dagegen eingewendet haben, war die Schlusswendung in Ihrem Ausgangsbeitrag, in der Sie für Bildungsgutscheine eintreten. Ich hatte das nicht überlesen und hatte mich auch gefragt, ob Sie damit eine klassenlose Privatschule für alle avisieren. Ich habe mich aber dagegen entschieden, aus drei Gründen.

    1. Sie wenden sich ja zunächst mit Furor gegen die gegliederte Staatsschule, weil Sie teils zu Recht, teils zu Unrecht den wechselseitigen Selektionsmechanismen zwischen Schule, Schüler und Elternhaus misstrauen. Psychologisch schien mir dieser Furor unerklärlich, wenn Sie die Schäden der Staatsschule (für das gemeine Volk) so tief ansetzen, dass sie auch mit einer Reform Richtung Einheitsschule nicht zu retten ist, sondern in Gänze durch Privatschulen ersetzt werden soll.

    2. Die Bildungsgutscheine leisten für die Privatschule genau das, was die Abschaffung des Schulgelds beim Gymnasium geleistet hat. Nicht mehr, eventuell sogar weniger (wenn es der Privatschule freisteht, ihr Schulgeld oberhalb dessen anzusetzen, was der Bildungsgutschein deckt.) Man kann natürlich sagen, nach Einführung der Schulgeldfreiheit sei das Gymnasium klassenlos, und in genau demselben Sinn kann man das nach Einführung der Bildungsgutscheine auch von der Privatschule sagen. Nur war das offenbar nicht das, was Sie gemeint haben, wenn Sie die Verteidigung des Gymnasiums als Klassenkampf bezeichneten.

    3. Hingegen zeichnet sich jetzt schon eines ab: Je größer der Zulauf zu den Privatschulen wird, desto deutlicher reproduzieren sich im Privatschulsektor genau dieselben Selektionsmechanismen zwischen Schule, Schüler und Elternhaus, die Ihnen im Staatsschulsektor so suspekt erscheinen. Am Ende dieser Entwicklung stehen arme Privatschulen, in denen schlecht bezahlte Lehrer minderbegabten Schülern aus überwiegend ärmeren Familien niedrige Qualifikationen vermitteln, und reiche Privatschulen, in denen gutbezahlte Lehrer höherbegabten Schülern aus überwiegend reicheren Familien hohe Qualifikationen vermitteln . Das sollte Ihnen von Rechts wegen eigentlich nicht entgangen sein.

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    @Rita E. Groda: Es tut mir leid, wenn ich Sie verärgert habe. Ich habe die schlechte Angewohnheit, Dinge, die ich zustimmenswert (oder nicht interessant) finde, in meinem Antworten zu übergehen. Ihre Ansicht liegt doch mit meiner gar nicht so weit auseinander.

    Mein Gegenargument in Sachen Schmuddelkinder ist aber trotzdem stichhaltig; wenn Sie ein wenig darüber nachdenken, können Sie bestimmt zustimmen.

    Ansonsten wünsche ich noch eine weiterhin erhellende Diskussion.

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    @Roland Ziegler: Sie haben offensichtlich nicht nur die Schule langweilig und drückend empfunden, sondern auch meine Beiträge und können offensichtlich weder längere Zeit konzentriert lesen, noch kompliziertere Gedankengänge nachvollziehen.
    In diesem Fall ziehe ich es vor, nicht mit dem Schmuddelkind zu spielen.

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    Das Mulfinger Modeel, wollte ich mal in unsere Diskussion einbringen, da eine uneinsichtige Landesregierung in BW, auch heute ,aktuell, mal wieder den vernünftigen Bürger an Auswanderung denken läßt.

    Die Grundschule soll vom Staat demnächst geschlosen werden. Gemeinde und Bürger planen eine Privatschule – Grundschule und Gymnasium – was aber nicht geht, weil eine Deutsche Privatschule auch einen privaten Träger, wie einen konfessionellen haben muß.

    Das Land hat es noch nicht geschafft über den eigenen Schatten zu springen. Die Bürger aber einen konfessionellen Träger gefunden. Die mittelständige, dort ansässige Wirtschaft, wird auch freiliwillig ein großen Teil der Lasten tragen. Die ist nämlich einstimmig der Meinung, daß es auch für sie nicht gut ist, im Ort keinen Schulstandort zu haben, wenn Facharbeiter und andere Kräfte benötigt werden.

    Nun soll mal einer sagen, Kapitalisten könnten nicht auch einmal vernünftig denken.
    Jetzt hängt es nur noch an der Landesregierung und den Lehrern, die befürchten, in der Privatschule schlechter besoldet zu werden – also, an den Beamten.
    Die befürchten, daß das Mulfinger Modell ein Präzedenzfall wird. Wird sich aber nicht aufhalten lassen, da jetzt ein privater Träger zur Verfügung steht.

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    @C.Karpus: Wenn Sie die Herzensbildung haben, die Ihnen hier nachsagt wird – und ich habe keinen Anlass daran zu zweifeln -, dann haben Sie mit Sicherheit Ihre Tochter auf die für sie beste Schule geschickt. Die Frage ist nur, welche das ist. Und hier müssen die Antworten auseinandergehen (und das ist auch gut so). Wenn Sie Sozialverhalten als wichtigstes Bildungsziel der Schule vertreten, kommen Sie zu einem anderen Ergebnis, als wenn Sie „Leistungsprinzip plus Ellenbogenstoßkraft“ (= Gymnasium) oder anderes vertreten.
    Verschiedene Eltern neigen zu verschiedenen inhaltlichen Ausrichtungen; der Staat muss hier gegensteuern und vereinheitlichen (damit nicht plötzlich irgendwo Kreatitionismus gelehrt wird).

    Meine persönlichen Schulerfahrungen sehen übrigens nicht so rosig aus wie die Ihren; ich fand Schule bedrückend und langweilig und habe sie mit geringstmöglichem Auswand und größtmöglicher Verachtung nebenbei erledigt. Weshalb ich vielleicht eher dazu geneigt bin, nach einer alternativen privaten Schulform Ausschau zu halten, die meinen Kindern Spaß macht.

    @Rita E.Groda: Die Frage ist doch, wer hier Schmuddelkind ist und wer die blitzblanken Klamotten trägt. Wenn man selber Schmuddelkind ist und das Glück hat, auf dem Schulhof am Rande zu stehen, ist es lächerlich zu sagen: „Spiel mal mit den anderen.“

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    @C. Karpus: Freut mich, daß Sie einen Großteil meiner Anregungen nicht nur verstanden, sndern auch aufgenommen haben.
    Den Wert von Bildung, um des Wissens Willen, ebenso wie die Verantwortung, auch um die Sozialisation der Kinder, die nicht ausschließlich von der Schule übernommen werden kann. Und es ist, unserer Deutschen Erfahrung nach, nicht einmal besonders wünschenswert!!
    Wer seine Kinder nicht „ausdrücklich“ davon abhält, mit den Schmuddelkindern zu spielen und zu lernen, hat schon einen wertvollen Beitrag zur Sozialisation geleistet.
    Und wer seinen Kindern nicht im täglichen Umgang den Eindruck vermittelt, jeder Nichtdeutsche ist grundsätzlich ein Krimineller, islamischer Terrorist oder Sozialschmarotzer, der hat schon ein Übersoll erfüllt.
    Das heisst bei weitem nicht, seine Kinder nicht auch über Misstände ehrlich aufzuklären, und sie zu einer naiven Weltfremdheit zu erziehen, gegenüber Einheimischen und Migranten, die sie leicht manipulierbar macht.

  8. avatar

    Lieber Herr Ziegler,

    es tut mir leid, dass ich Ihre Ehrlichkeit, mit der Sie hier zu Anfang in der Diskussion argumentiert haben, nicht einfach auf sich habe beruhen lassen.

    Sie sagten in Ihrem ersten Kommentar:

    „Wenn es denn unbedingt sein muss: Am ehesten scheint mir noch die Kategorie “egoistisch” zu passen, denn indem ich meine Kinder auf die beste Schule schicke, verzichte ich darauf, etwas dazu beizutragen, dass die schlechteren Schule besser werden. Im Ergebnis leiden sowieso benachteiligte Schüler darunter, weil sie übrig bleiben und zusammengesteckt werden.“

    Und wenn ich ehrlich bin, habe ich meine Tochter ja vielleicht auch auf die für sie beste Schule geschickt. Es ist die Schule in unserem Stadtteil, eine kleine Schule, mit bisher sehr engagierten Lehrerinnen, mit bisher recht kleinen Klassen, mit Kindern deren Familen aus aller Herren Länder kommen, mit den unterschiedlichsten Religionzugehörigkeiten und vor allem eine Schule, in der Integration eigentlich kein Problem ist.

    Und vielleicht liegt meine Wahl für diese Schule auch daran, dass der Wert des sozialen Lernens in meiner Schulzeit den Wert des Wissens, das mir damals vermittelt worden ist, bei weitem übersteigt. Das mag möglicherweise daran liegen, dass für mich die Schule immer etwas sehr interessantes und schönes war und mir Lernen meist leicht gefallen ist. Und ich habe den Eindruck bei meiner Tochter ist das ähnlich.

    Sicherlich gibt es an jeder Schule etwas, was man verbessern könnte, aber einen gewissen Bildungs- und Erziehungsauftrag sollten wir Eltern ja auch noch selber tragen und da können wir uns dann beim Ausgleich dieser Defizite als Eltern richtig austoben.

    Wichtig ist mir, dass meine Tochter in der Schule zunächst Denken, Lernen sowie Lesen und Schreiben lernt und natürlcih den Umgang mit Lehrern (guten wie schlechten) und anderen Kindern (netten und weniger netten).

    Alles was darüber hinausgeht, gehört vielleicht dann doch nicht unbedingt in die staatliche Schulzeit. Früher gab es ja auch die Sonntagsschulen zum Bibelstudium und die Heimat-, Trachten- und Sportvereine, in denen man seine „Individualität“ ausleben konnte.

    Soll das heute alles wirklich unseren Schulen aufgebürdet werden?

    Aus Zeitmangel werde ich auf eine mögliche Anwort in der nächsten Zeit nicht antworten können.

    Mit freundlichem Gruß

    C. Karpus

  9. avatar

    Lieber Herr Karpus,
    wenn Ihre Kinder Sie peinlich finden, sind Sie bestimmt auf dem richtigen Weg.
    Und Herr Ziegler ist auf dem (richtigen) Weg zum Individualismus. Wer sagt`s denn, daß sich meine Ausdauer nicht auszahlt und natürlich die vom sehr geehrten Herr Posener, dem trotzdem Sozialkitsch so am Herzen liegt, wie mir.

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    @C.Karpus: warum in solchen
    Fällen keine Appelle ans Christentum helfen, das war hier die Frage. Ich weiß es nicht, vermute aber, es gibt zwei Erklärungen:

    1.) Weil es eine stärkere Instanz gibt, die dem, an das da appelliert wird, entgegenwirkt: das Interesse am Wohl der eigenen Kinder. Besser bekannt als Liebe, konkrete Liebe zu konkreten Personen, nicht allgemeine Menschenliebe.

    2.) Weil ein Appell ans Christentum einen echten Christenmenschen voraussetzt, von denen es aber gar nicht allzuviele mehr gibt.

    Ihre Erklärung mit der Unbequemlichkeit stimmt jedenfalls mit Sicherheit nicht. Unbequem ist es stattdessen, divergierende Interessen ins System aufzunehmen und trotzdem das Systeminteresse – eine bestimmte Form von Allgemeinbildung – zu befriedigen. Bequemer ist es, die Partikularinteressen zugunsten des Systeminteresses einfach zu diskreditieren, mithilfe einer bestimmten – christlichen – Moral.

    Eigene Kinder sollten normalerweise keine Helden werden. Sie sollten nicht als Wellenbrecher auf dem Pausenhof zwischen konkurrierenden Cliquen und Gangs vermitteln müssen. Sie sollten sich lieber rechtzeitig aus dem Staub machen. Sie müssen vor den Zugriffen der Gruppen geschützt werden und ihre Individualität entwickeln. Zusammenleben in der Gruppe – gut & schön, Toleranz und Achtung natürlich immer. Aber echte Freunde sucht man sich als Einzelne aus. Sie sind immer dünn gesät; ein anderer Kulturkreis oder Sozialstatus soll da kein Nachteil sein, ist aber auch kein Vorteil. Schreckliche Leute sind überall in der breiten Mehrheit. Also keinen Sozialkitsch, bitte.

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    Liebe Frau Groda,

    was Sie da über das Verhältnis Arbeiter zu den Nichtarbeitern (schöne Bezeichnung, oder?) geschrieben haben, beschreibt das Problem recht genau. Ich befürchte, meine Kinder werden mich auch bald außerordentlich peinlich finden, vielleicht tun sie es ja auch jetzt schon.

    Herzliche Grüße

    C.K.

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