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El tango militar – ein Minister auf glattem Parkett

Früher, und das ist wirklich erst ein paar Jahre her, war es gute gesellschaftliche Konvention, sich mit Eintritt in die Obertertia an einer Tanzschule anzumelden. Unter buntem Lichtgeflacker und Hammondklängen aus großen Lautsprecherboxen wurden Grundschritte gepaukt. Es gab ersten schamhaften Kontakt mit dem anderen Geschlecht und nach Stundenschluss ließen die wilderen Nachwuchstänzer Martini Bianco und Pall Mall kreisen.

Ziel aller Anstrengungen war stets der Abschlussball, die ersehnte Gelegenheit, die neu erworbene Kunstfertigkeit im raschen Hin und Her zur Schau zu stellen, Partnerin und (schulinterner) Öffentlichkeit die eigene Wendigkeit zu demonstrieren.

Ob und mit welchem Erfolg der amtierende Bundesverteidigungsminister in seiner Jugend das Tanzbein geschwungen hat, ist nicht bekannt. Die adlige Herkunft des fränkischen Freiherrn lässt indes vermuten, dass er auf dem Feld der gesellschaftlichen Konventionen recht beschlagen sein dürfte. Eines jedenfalls lässt sich auch ohne profundere Kenntnisse der tanzsportlichen Biografie Karl Theodor zu Guttenbergs mit Sicherheit feststellen: Der bekennende AC/DC-Fan, der seit dem vergangenen Oktober das Kommando auf der Hardthöhe führt, ist ein begnadeter politischer Tangotänzer.

Behände prescht er links vor, will die Wehrpflicht verkürzen oder gar aussetzen, den Staatsbürger in Uniform in einen Interimspraktikanten verwandeln. Sogleich ein langer rechter Schritt hintenan, das Oxymoron von der freiwilligen Pflicht wird zur verteidigungspolitischen Tagesparole. Zwischendrin dann die Tuchfühlung mit dem Boulevard, das eigene Gewicht dreifach zwischen den Spielbeinen auspendelnd, schmiegt er sich an die Brust der Regenbogenpresse, posiert in Maßanzug und Macher-Pose zwischen uniformierten Afghanistankämpfern, geht klientelwirksam im Rolex-Shirt zum Joggen oder besteigt mitsamt adliger Gattin keck einen Dinosaurierrücken. Nun folgt im 2/4-Takt der politische Rückwärtsschritt, und eben noch eingeräumte kriegerische Zustände existieren plötzlich nur noch in der Umgangssprache. Bleibt das abschließende seitliche Ausweichen, hier in der Gestalt der geschickten Schuldverlagerung auf altgediente Militärs, Entlassung zur eigenen Entlastung inbegriffen. Und so findet der ehemalige Gebirgsjäger wieder zurück in die Grundstellung.

Ein versierter Tänzer weiß sich stets zu bewegen, ob beim verruchten Tango Argentino in den lateinamerikanischen Favelas oder beim eleganten Tango de Salon auf dem großbürgerlichen europäischen Tanzboden. Auch Karl Theodor zu Guttenberg erscheint zur Zeit überaus parkettsicher, er kommt an und erreicht stets hohe Beliebtheitswerte (über deren alleinige Aussagekraft sich allerdings angesichts der Konkurrenz durch Akteure wie Guido Westerwelle oder Ronald Pofalla trefflich streiten ließe). Der bayrische Politiker wird zwischenzeitlich sogar als Kanzlerkandidat für eine Union nach Merkel ins Gespräch gebracht, er soll, so lassen gewöhnlich gut informierte Kreise verlautbaren, künftig gegen den weit weniger alerten Sigmar Gabriel ins Feld geschickt werden.

Ohne Zweifel, aus der im Schiebetanz dahindilletierenden Regierungsmannschaft sticht der fränkische Freiherr wie ein Ballkönig hervor; seine Wendigkeit und die Eloquenz seiner Ausweichmanöver nötigen dem Betrachter des politischen Tagesgeschehens einigen Respekt ab. Und dennoch verbleibt ein eigentümlicher Nachgeschmack, ganz so wie nach dem in Jugendjahren hastig verkonsumiertem süßen Alkohol nach der Tanzstunde: Der amtierende Bundesverteidigungsminister geriert sich zunehmend wie ein eitler Primaner aus höherem Hause, Pomade und Parkettsicherheit treten bei der Nachwuchshoffnung des bürgerlichen Lagers zunehmend an die Stelle verlässlicher politischer Inhalte, das Leben bei Hofe ersetzt die Sachdiskussion. Im System Guttenberg tritt Repräsentation an die Stelle von Regierungstätigkeit. Es bleibt allein die schwache Hoffnung, dass diese politische Tanzveranstaltung keinen schweren Kater nach sich ziehen wird.

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Ein Gedanke zu “El tango militar – ein Minister auf glattem Parkett

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    Tango Militar – wurde 1906 von den Musikern der franzoesischen „Garde Republicaine“ fuer die Ewigkeit „recorded“ auf einer Schallplatte, der Tango: „El Sargento Cabral“ – genannt nach dem „Feldwebel Cabral“ der am Anfang des Unabhaengigkeitskrieges (Argentinien, Anfang 19tes Jahrhundert) waehrend eine Schlacht das Leben San Martins, des Libertador (Befreier) rettete. Heute sehe youtube Musikvideos „Sargento Cabral“ – also das ist „Tango Militar“. Der Tango als Musik ist unabhaengig vom Tango als Tanz. Viele Tangos handeln von sozialen Themen, gut vorgetragen von dem verbitterten Uruguayer Julio Sosa, sehe youtube Video „Cambalache Julio Sosa“: „Das 20ste Jahrhundert ist eine ……. jeder Gauner ist Doktor und Experte“: Die Lyrik passt ausgezeichnet auf die politische und soziale Situation in ………..!

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