Der Bürgerpräsident hat das Staatsschiff verlassen. Zurück bleiben ratlose Bürger und Politiker. Die Spirale der Verdrossenheit dreht sich weiter. Das Vertrauen der Bürger in die Problemlösungsfähigkeit der Politiker sinkt ebenso wie das Zutrauen der Politiker in die Bürger.
Das Beziehungsverhältnis zwischen Volk und Vertretern ist gestört. Zu lange hat hierzulande Politik nach einem Muster funktioniert, das sich in drei Sätzen bündeln lässt: „Wir, die Politiker, versprechen Euch dies und jenes. Wählt uns. Danach liefern wir.“ Eine solche Politik braucht im Grunde keine Bürger. Ihr reichen Stimmen und Steuern. Und die Bürger haben dieses Muster entsprechend verinnerlicht und glauben, der Staat könne für sie alle Probleme lösen. Die Politik wiederum glauben, sie brauchen die Bürger eigentlich nicht. Die notwendigen Entscheidungen lassen sich auch ohne sie beraten, treffen und umsetzen.
Die Politik ist selbst schuld, dass sich die Bürger abwenden und sich zurückziehen. Neu ist, dass mit Koch und Köhler auch Politiker selbst von diesem Muster genug haben. Wer Politik auf den Geldbeutel verkürzt und materialistisch verkürzt, muss sich am Ende nicht wundern, wenn sich eine „Mehr Netto vom Brutto“-Mentalität durchsetzt.
Dieses „Mehr“ ist als Versprechen nicht (mehr) einlösbar. Politik ist mehr als eine ökonomische Veranstaltung. Sie leitet ihre Legitimation von gemeinsamen Werten und Zielen ab. Elementar für sie ist die Idee einer „guten Gesellschaft“. Politik verpflichtet sich und andere auf das Gemeinwohl.
Statt in den nächsten Tagen und Wochen allein zu überlegen, wie und wo das Land sparen kann, sollten insbesondere die Regierungspolitiker überlegen, wie sie die Bürger wieder für Politik begeistern kann. Dazu müssten sie sich ändern und die Bürger in gewisser Weise neu erziehen.
Dass der Staat die Probleme in den Haushalten, Schulen und Unternehmen nicht allein lösen kann, ist inzwischen bekannt. Was fehlt, ist ein öffentlicher Prozess und ein entsprechendes Projekt, in dem Staat und Bürger gemeinsam überlegen, welche Ziele ihnen wichtig sind, auf welche Werte sie sich verständigen können und wer was zur Erreichung dieser Ziele beitragen kann und soll. Ein solcher Prozess braucht Zeit und viel guten Willen. Aber haben wir eine Alternative?
Lieber KJN: Ihr Entzücken an mir irritiert mich geradezu, denn ich habe da keinen Verdienst daran.
Meine Einstellung hat auch nicht besonders viel mit menschlichkeit zutun, oder Sozialverhalten.
Eher mit einer Selbstverständlichleit, die mir mein Vater, der beste Demokrat von allen, mit auf den Weg gegeben hat. Wer so privilegiert ist, eine gute Ausbildung genossen zu haben, mit guten Lebens- und Berufs- und Lebenschancen, der hat auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Verantwortung für die zu übernehmen, die nicht so viel Glück oder Möglicheiten hatten. Nicht überheblich und besserwisserisch und bevormundend, sondern eher als Lobbiist derer, die nicht mehr die Lust und Kraft haben, dies selber zu tun, wie im Moment z.B. die Empfänger von staatlichen Transferleistungen, die keine Lobby in der Gesellschaft haben.
Dies ist, m,E. nach,gutes, stockkonservatives Nachkriegsgedankengut und nicht das Allerschlechteste, auch heute noch. Solches Gedankengut giltin unserer gesellschaft als antiquiert und unzeitgemäß, bei mir wird es aber nicht mehr auszurotten sein, wie bei vielen anderen. Wer, wie ich, mit Kästner, Tucholsky, Max Brod, F. Torberg, ebenso wie Brecht aufgewachsen ist, kann gar nicht anders.
Daß ich mich von den Loosern distanciere – da muß bei Ihnen ein Missverständnis vorliegen. Ich wollte, nach entsprechenden Erfahrungen im Internet, lediglich vorbeugen, damit nicht sofort einer auf die Idee kommt mir zu unterstellen, ich würde nur deshalb laut aufjaulen, weil ich selbst zu der betroffenen gruppe gehöre.
Daß eine gute Ausbildung einem heute nicht mehr den Lebensunterhalt sichert, ist auch mir hinlänglich bekannt. Ich kenne, auch berufsbedingt, die Statistiken genau, wonach sich die Zahl der stellenlosen Akademiker und der ungelernten Kräfte inzwischen die Waage hält. Im eigenen Bekanntenkreis finden sich stellenlose Physiker, Mathematiker, Architekten usw.
Selbstgerechtigkeit ist hier besonders dumm und absolut unangebracht.
Angebracht ist es, m.E., daß sich die Elite unseres Landes zu den Lobbiisten der sog. Unterprivilegierten macht, die gerade gnadenlos von unserer Regierung abgezockt werden. Und ich sehe auch, daß hier tatsächlich eine solche Entwicklung statt findet. Da gibt es nicht nur den brillanten Prof. Hickel, auch andere haben eingesehen, daß nicht nur der soziale Friede gefährdet ist, sondern auch der menschliche Anstand.
@Rita E. Groda
Zitat Herr Dettling: „..welche Ziele ihnen wichtig sind, auf welche Werte sie sich verständigen können..“
Und da zeigen Sie den wichtigsten Wert ja schon auf: Menschlichkeit. Ich bin geradezu entzückt, denn daran soll sich jede Theorie, jeder Lösungsvorschlag messen.
Ich habe z.B. bisher immer gedacht: Gebe man den Harz IV – Empfängern pro Person (auch Kindern) eine Pauschale, durchaus höher als die jetzige, aber beantragbare Zusatzleistungen gibt’s nicht und wer Miete und Heizung nicht bezahlen kann muß eben eine kleinere Wohnung beziehen und im Winter eine Strickjacke tragen. Eigenverantwortung, weniger Kontrolle, kein subventionierter Immobilienmarkt mehr durch Mietzuschüsse – insgesamt weniger Sozialausgaben, leicht nachzurechnen. Keine Sozialschnüffelei. Bis dato meine Meinung.
Jetzt macht man’s auf dem unschönsten Weg der geht, keine klaren tragfähigen Vorgaben, Voraussetzung für sinnvolle individuelle Entscheidungen. Nur noch Politik nach Kassenlage. Heute so, morgen so. Opportun zur Machterhaltung. Wie jetzt auch bei der Bundeswehr. Usw. usf..
Mies ist das. Verantwortungslos. Wählen wir diese Versager ab. Und bis zur nächsten Wahl ist Widerstand angesagt!
„Obschon ich zu keiner Gruppierung zähle, die von den vorgestellten Sparplänen betroffen ist..“
Geben Sie’s zu, Sie haben noch ein bißchen Berührungsangst mit den Losern, gell? Brauchen Sie nicht: Soeben äußerten sich im WDR-Radio arbeitslose Akademiker. Hochqualifizierte Leute MIT Berufserfahrung, OHNE Dünkel, ohne Chance..
Ach ja, Bildung soll’s ja wieder richten, „lebenslanges Lernen“ und wer Arbeit sucht, findet auch welche, bla..
Es gibt entscheidende Generationsunterschiede in der Wahrnehmung: Die jetzt 55 ..70 – Jährigen sind in Zeiten eines starken Wachstums groß geworden, da hat jeder sein Auskommen gehabt, der gerade mal geradeaus laufen konnte. Liebe Selbstgerechte: Das hat sich offensichtlich geändert..
Insgesamt fängt diese Stümperei an, weh zu tun.
@Daniel Dettling:
Sie schrieben: „Daß der Staat die Probleme in den Haushalten, Schulen und Unternehmen nicht alleine lösen kann, ist inzwischen bekannt. Was fehlt, ist ein öffentlicher Prozess und ein entsprechendes Projekt, in dem Staat und Bürger gemeinsam überlegen, welche Ziele ihnen wichtig sind, auf welche Werte sie sich verständigen können und wer was zur Erreichung dieser Ziele beitragen kann und soll.“
Das kann ich nur doppelt unterstreichen, angesichts besonders der heute von der Koalition vorgestellten Sparpläne!!
Obschon ich zu keiner Gruppierung zähle, die von den vorgestellten Sparplänen betroffen ist, machen mich diese einigermaßen betroffen. Alle diese Maßnahmen kann ein gutwilliger und vernünftiger Bürger zähneknirschend akzeptieren – bis auf eine. Den Hartz-Empfängern die Zuzahlung zu den Heizkosten ersatzlos zu streichen – und das in einer Zeit der immer höher steigenden Energiekosten – das ist eine Maßnahme, wofür diese Regierung eigentlich mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt werden sollte!!!!!!!!!!
Wer sich selber jeden Luxus gönnt wird jetzt auch noch dafür sorgen, daß die Ärmsten im nächsten Winter frieren werden. Mir sind ältere Menschen bekannt, die im letzten sehr langen Winter kaum geheizt haben, also ständig gefroren, aus Angst vor der nächsten Heizkostenabrechnung und möglichen Nachzahlung. Haben die in Berlin eigentlich nicht alle Tassen im Schrank??
Wie Realitätfern ist Frau Merkel eigentlich?
Beispielhaft für Ausgewogenheit bei den Sparplänen wäre z.B. eine Kürzung der eigenen Diäten gewesen. Aber so viel Solidarität mit dem Bürger kann man von so – Entschuldigung – verkommenen Volksvertretern natürlich nicht erwarten.