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Die schlafmützige Politik und das Schimpfen auf Spekulanten

Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Spekulant. Dieser skrupellose Pleitegeier greift doch den Euro an, schwächt ihn und bereichert sich dann auf unsere Kosten. Ganze Wolfsrudel von nimmersatten Zockern treiben die Währungsmärkte vor sich her und uns schon bald in die Inflation. Schulden, nichts als Schulden.

Oh, liebe D-Mark, wir wollen dich wiederhaben! Als du noch im Portemonnaie lagst, gab es so etwas wie diese ekligen Hedge-Fonds nicht. Nieder mit den immer gieriger werdenden Jägern der höheren Rendite! Nieder mit dem finsteren Treiben dieser anglo-amerikanischen Mächte!
Nein, in diesen Zeiten taumelnder Finanzmärkte und ängstlicher Verbraucher möchte man nicht als Spekulant gescholten werden. Der Prototyp des rücksichtslosen Kapitalisten ist in der öffentlichen Wahrnehmung zum Feindbild Nummer eins geworden. Und die Politik lässt nichts unversucht, die Bürger in ihrem Eindruck zu bestärken.

Es stimmt ja: Die Geschäftemacher und Börsenmanager à la Gordon Gekko, Protagonist im Film „Wall Street“, kennen keine Grenzen. Sie riskieren alles, vor allem auf Kosten der anderen. Das ist anrüchig, rücksichtslos und gefährlich. Hier zeigt der Kapitalismus, der sonst für unser aller Wohlergehen sorgt, seine abstoßende Fratze.

Doch viele Experten bezweifeln, dass die derzeitige Finanzmisere tatsächlich allein die Schuld von Spekulanten ist. Der Ausverkauf an den Börsen sei in erster Linie ein Misstrauensvotum gegenüber dem Euro und dem Krisenmanagement der Europäer gewesen, schreibt Armin Mahler auf Spiegel Online (www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,694110,00.html).

Die Masse der Anleger reagierte also nur auf von der Politik sträflich ignorierte oder billigend in Kauf genommene Fehlentwicklungen – geringes Wirtschaftswachstum im Euroland, hohe Staatsschulden, schnell zusammengeschusterte Rettungspakete. Und einige Großspekulanten sprangen auf den satte Gewinne verheißenden Zug auf. Skrupel gegenüber ohnehin schwächelnden Volkswirtschaften sind ihnen gänzlich fremd. Ihr Motto lautet: Seid verschlungen, Milliarden!

Dass es so weit kommen konnte, hat wiederum nicht zuletzt mit der Politik zu tun. Denn die versagt immer aufs Neue dabei, dem ungezügelten Spekulationsunwesen Fesseln anzulegen. Was ist denn nach der Lehman-Pleite passiert?

Nichts! Dass erst jetzt wieder mal über Steuern auf Finanztransaktionen nachgedacht wird, zeugt bestenfalls von Schlafmützigkeit und schlechtestenfalls von Hilflosigkeit gegenüber einer Krise, die das normale Vorstellungsvermögen vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt. Da nutzt das laute Schimpfen über Spekulanten herzlich wenig.

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5 Gedanken zu “Die schlafmützige Politik und das Schimpfen auf Spekulanten;”

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    ..ich muß mich verbessern:
    Im Falle der Hedgefonds muß es natürlich heißen: „wieder verboten“. Die rotgrüne Regierng Schröder-Clement-Fischer hatte den Handel damit 2004 zugelassen.
    Ja, schon klar: „Der Finanzplatz Deutschland muß Konkurrenzfähig bleiben.“ Diese und weitere „Sachzwänge“, von kompetenten Lobbyisten wohlfeil formuliert, bestimmen unsere Politik.
    Das ganze verstecke man dann in einem sozialdemokratischen Wohlfühl-Klima und wenn’s mal schiefgeht schwinge man – wie gerade die Kanzlerin im Radio – scheinheilige Tiraden über die Skrupellosigkeit der Investment-Banker. Deren Todsünde? Sie nutzen ein von der Politik, die wir offensichtlich in den wesentlichen Punkten nicht mehr beeinflussen können, über Jahre gedecktes System aus. So wie jeder Erwerbstätige in einem System sein Geld verdient. Ich bin derzeit froh, daß ich nicht im Bankenwesen arbeiten muß.
    Ach ja, wir haben ja jetzt auch Brüssel, da kann man ja auch Verantwortung hinschieben.
    Und keine Partei in Sicht, die die zahlreichen Gordischen Knoten auch nur bemerken will – für wie blöd hält man uns eigentlich….(ich hör‘ jetzt auch auf, mich hier dekorativ aufzuregen, bringt ja eh‘ nix, das Wetter ist schön und der Garten wartet)

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    Ich glaube, gut und richtig wäre es so:
    Die Wirtschaft sei frei. Man werfe ihr die Gier nicht vor, denn sie ist eine Triebkraft.
    Der Staat (das sollten wir doch alle sein, denn wir haben doch Demokratie, oder?) setze bitte die Rahmenbedingungen bzw. Grenzen so, daß niemand dabei zu Schaden kommt. Dabei helfen ihr bitte „weise“ Volkswirte.
    Wo ist also jetzt wirklich was faul? Wirklich bei den „Taliban in Nadelstreifen“, die ihre legalen Chancen nutzen?

    Den Marktwirtschafts-Puristen möchte ich allerdings entgegenhalten, daß die Freiheit des einen ja wohl da aufhört, wo die des anderen anfängt. Wenn Finanzgeschäfte ohne Seriösitätskriterien abgeschlossen werden können und eine einzelne nach betriebswirtschaftlichen Kriterien bewertende Agentur (S&P) es schafft, ganze Staaten als Kreditunwürdig dastehen zu lassen, ist diese Grenze ja wohl definitiv erreicht.
    Sonst wird die eine „reine Lehre“ schneller durch eine andere „reine Lehre“ ersetzt, als uns allen lieb ist.
    Es bleibt so: Einige Dinge (z.B. Hedgefonds) müssen verboten werden, die Politik ist also nicht nur schlafmützig, sondern macht sich „unterlassener Hilfeleistung“ schuldig. Und da ist Widerstand Bürgerpflicht.
    Was ist uns eigentlich wichtiger, der Kapitalismus oder die Demokratie?

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    Erstmal schimpfen und wenn der Ruf der Spekulanten angeschlagen ist, kann auch politisch etwas gegen ihre Exzesse unternommen werden.

  4. avatar

    Wo ist der Alexander welcher den „Newyorkischen Knoten“ schneidet ? 1929, 2007, 2010, 2…- Europa hat leider keinen Alexander… – Schlafe ruhig weiter lieber Michel und traeume deinen Hollywoodtraum vom huebschen Elvis, schoenen John, starken Ronald… – Wer immer traeumt muss eben das „einmal eins“ dem Alan und dem Lloyd ueberlassen!

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