Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:
Wir verbieten die Burka. Erst in Frankreich, dann in Belgien. Sicher folgen Ungarn, Österreich und die Schweiz. Und was machen wir in Deutschland? Wir werden den islamischen Ganzkörpervorhang, die Wegschließvorrichtung für die spazieren gehende Muslima, nicht verbieten.Warum? Weil die Hysterie darum unangebracht ist, weil sie sich eine kleine Minderheit von muslimischen Männern für ihre Frauen ausgedacht hat, weil sie eine noch kleinere Minderheit von Musliminnen freiwillig als Erfüllung eines religiösen Gelübdes trägt.
Damit ist aber noch längst nicht alles zur Burka gesagt oder zum davon verschiedenen traditionellen islamischen Gewand, das von einer Frau nur die Sehschlitze übrig lässt. Im ersten Absatz ging es mir nämlich nur um das Verbieten dieser Kleidung durch ein Gesetz. Ein solches Verbot lässt sich mit dem Grundrecht auf freie Religionsausübung nicht in Einklang bringen.
Die Zivilgesellschaft kann aber, davon ganz abgesehen, eine ablehnende Haltung gegenüber dieser Art der Outdoor-Bekleidung artikulieren. Denn: Eine Bekleidung, die einen Menschen so entwürdigt, wie die hier beschriebene, ist mit unserem Menschenbild, mit der Würde der Person und mit der Vorstellung vom Zusammenleben in unserer Gesellschaft nicht zu vereinbaren. Aus drei Gründen:
1.) Nicht umsonst bieten wir jemanden die Stirn, werfen das Auge auf jemanden, wahren das Gesicht. Die Ausdrücke, die Verhalten und Gesicht in Relation setzen, lassen sich noch eine Weile so weiter führen. Wenn jemand sein Gesicht abwenden muss, dann ist das eine Unterwerfungsgeste. Wenn jemand sein Gesicht nicht zeigen darf, dann ist das entwürdigend.
2.) Kommunikation geht immer vom ich zum du und retour: Wenn ich den anderen nicht sehen kann, kann ich auch nicht mit ihm sprechen. Wer eine Burka, einen Ganzkörperschleier trägt, kann nicht ins Gespräch kommen: Mit den Nachbarn genauso wenig wie mit der Kassiererin im Supermarkt oder den Lehrern seiner Kinder. Mit einer Gardine spricht niemand gern. Wie im Kino: Man sieht nur die Füße darunter rausgucken, weiß aber nicht, wer sich dahinter verbirgt. Nicht umsonst gibt es bei uns ein Vermummungsverbot.
3.) Welche Botschaft geht denn umgekehrt von der aus, die sich hinter einem Ganzkörperschleier oder einer Burka versteckt: Ich möchte mit dir nichts zu tun haben. Du bist mir egal. Deine Welt, dein Leben ist mir egal. Noch krasser als so kann man eigentlich nicht bekunden, wie wenig man von dem Land und den Menschen hält, die einen umgeben. Wo man so krass wenig von einander erarten kann, gibt es letztlich keine Solidarität mehr miteinander. Das entspricht nicht unserem Gesellschaftsvertrag.
Bei uns, so kann die Botschaft der Zivilgesellschaft an die Minderheit der Verschleierten sein, darf sich jeder zeigen, ist jeder Person, hat jeder und jede seine Würde. Eine Würde, die einem kein Gott, die man sich auch selbst nicht freiwillig nehmen kann. Das Personsein verpflichtet, zum Sichtbarsein, es befreit zum Handeln. Heute. Zusammen mit den Mitmenschen. Das ist das schönste, was unsere Gesellschaft anbieten kann.
zuerst erschienen in www.theeuropean.de
@Dr. Oliver Strebel
Der Begriff Glaube ist in diesem Fall wertneutral. Kann alles sein: Glaube an sich selbst, etc. Daher teile ich Ihre Auffassung sowie den Spruch von Friedrich II.
David Berger schrieb: Der Mensch braucht einen Glauben, aber keine Religion, die auch noch auf Steuergeldern finanziert wird.
Den Gedanken, daß David Berger zu wissen glaubt, was ein Mensch braucht, um glücklich zu sein, halte ich für ziemlich groß, sogar für zu groß für einen David Berger. In diesem Land gibt es zum Glück gute, deutsche Traditionen wie die Tatsache daß heutzutage hier jeder nach seiner Facon selig werden kann.
Ein Verbot aller Religionen (ausser der zivilen und republikanischen Religion von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit) wäre zwar utopisch aber sinnvoll. Der Mensch braucht einen Glauben, aber keine Religion, die auch noch auf Steuergeldern finanziert wird.
Gott braucht auch keine Religion. Religionen führen nur zu Krieg und Hass, und das hat der liebe Gott nicht beabsichtigt.
Der Zwang zum Tragen der Burka muß strafrechtlich verfolgt werden, wie jeder Zwang, der die im Rahmen der Gesteze garantierte freie Entfaltung der Persönlichkeit beeinträchtig.
Andererseit gefällt es vielen Zeitgenossen so
http://www.lr-online.de/storag.....itz_09.jpg
oder so herumzulaufen
http://view.stern.de/de/pictur.....15;510.jpg
Das wird m.E. zu Recht von unserer Gesellschaft akzeptiert, weil sich nach unserem Menschenbild niemand anmassen sollte, bestimmen zu können, wie jemand sich zu kleiden hat. Niemand hat je ein Verbot des WGT gefordert.
Angesichts dieser Fakten gehören m.E. Augen die Rufer nach dem Burkaverbot ganz eindeutig zum intoleranten, xenophoben, islamfeindlichen und häufig auch deutschfeindlichen Milieu dieser Republik. Wie in allen anderen Fällen (z.B. Zwang zur Prostitution) muß auch beim Tragen der Burka im Einzefall nachgewiesen werden, daß dadurch Persönlichkeitsrechte verletzt sind. Ein Pauschalverdacht gegen Burkaträgerinnen und ihre Familien ist wie jeder Pauschalverdacht nicht nur in obszöner Weise diskriminierend, sondern mit rechtsstaatlichem Denken schlichtweg unvereinbar.
Niqab – der Schleier wurde jetzt in Canadas Quebec Provinz (Schul & Amtssprache ist das Franzoesisch) verboten und 95% der Quebecoise unterstuetzen das Verbot – auch die gemaessigten Muslime. Frauen mit den Niqab duerfen nicht mehr oeffentliche Dienste in Anspruch nehmen und koennen keine oeffentlichen Arbeitsanstellung einnehmen. Bon faites…
@Alexander Görlach
Was mir bei solchen Debatten auffällt, das immer gleich nach administrativen Maßnahmen gerufen wird. Es ist ein typisch europäische (spezieller deutsche) Eigenheit alles gleich zu verbieten. Das ist vielleicht auch der große Unterschied zum angel-sächsischen Verständnis. Zumindest ist dort die Verbots-Wut nicht so ausgeprägt.
Zu fordern, das die Burka verboten werden ist genauso sinnlos zusagen ich verbiete den Schnupfen. Wenn man es öffentlich nicht mehr sieht, ist das Problem aus der Welt und keiner würde damit mehr Kommentarspalten füllen oder keine Politiker würde so ein Verbot mehr fordern. Weil es nicht mehr sichtbar ist. Was nicht mehr zu sehen ist, gibt es auch nicht mehr zu diskutieren.
So geht es bei fast jedem Thema, sei es NPD, Kopftücher, Schächten und jetzt Burka.
Als gluehender Atheist werde ich gar nichts ueber den Wahn aller „Glauben“ bemerken, sondern auf die nuechterne Wirklichkeit hinweisen: Auch im „Westen“ ist die Frau teilweise unter einer Diktatur des gesellschaftlichen Wahnes. Wir nennen es Mode welche viele Frauen sogar zwangweise aus beruflichen Gruenden ertragen muessen: Zum Beispiel die Marter der hohen Absaetze, and das Beschmieren des Mundes mit Farbe, der Lack auf den Fingernaegeln. Auch die „westliche“ Frau fuehlte „Zwang“ in der noch nahen Epoche des „Korsettes“ und der „Dauerwellen“. Und heute herrscht die erbaermliche Entbloesung des Sternums bis zum Nabel. Deshalb ist das Gewand der Muslimas eigentlich ganz praktisch, auch das Kopftuch erspart die Sorge fuer eine „Frisur“. Die Vermummung des Gesichtes hatte im Nahen Osten schon vor dem Islam einige praktische Gruende – das Faustrecht des Staerkeren sich der Frau eines Schwaecheren anzueignen, – siehe sogar in der Bibel die Geschichte das Koenigs welcher die schoene Ehefrau eines Anderen beim Baden erspaehte und deren Ehemann dann im Kriegseinsatz vorsaetzlich getoetet wurde. Dann natuerlich der Staub und die Sandstuerme im Nahen Osten und die hochwirkenden Sonnenstrahlen mit der ungeheueren Hitze: Da ist heute noch eine „traditionelle“ Kleidung – auch fuer den Mann – gesuender und praktischer als die erdrueckenden „Blue Jeans“ von denen Supermutti vor U.S. Congress geschwaermt hat.
Ich denke auch, dass die Burka in unserem Land keinen Platz haben sollte.
Ich respektiere die Geschichte unseres Landes, das seinen Weg gefunden hat von christlichen Sitten-und Moralvorstellungen über die Aufklärung bis heute.
Der höheren Instanz war in der Vergangenheit immer Gehorsam zu leisten, ob es sich nun um Gott handelte, einen weltlichen Machthaber oder dem „Herrn im Hause“.
Durch die Jahrhunderte hinweg gab es immer Menschen die sich darum bemühten, alte Strukturen aufzubrechen, kirchliche Maßstäbe, die keiner näheren Betrachtung standhielten, in Frage zu stellen und die dafür nicht selten ihr Leben ließen, mindestens aber mit sozialer Ausgrenzung rechnen mussten und die für ihre „ketzerischen“ Auffassungen einen hohen Preis bezahlt haben.
Diese Menschen, die nicht müde wurden in Frage zu stellen was selbstverständlich schien und von Generation zu Generation weitergegeben wurde, haben uns ermöglicht zu leben wie wir es heute dürfen. All diesen Menschen ist zu verdanken, dass wir offen diskutieren können. Sie haben Meinungs- und Pressefreiheit erstritten.
Gerade Frauen haben in diesem Land einen langen Kampf geführt um in ein Schulsystem integriert zu werden, das bis dahin ausschließlich Jungen zugedacht war. Es hat lange gedauert, bis sie zum Studium zugelassen wurden, arbeiten konnten. Auch hat die Kirche stets versucht, die sexuelle Freiheit der Frau zu unterbinden. Nicht selten haben Frauen sexuelle Umtriebigkeit mit dem Leben bezahlt. All dies änderte sich nur durch stetes in Frage stellen der als selbstverständlich geltenden Gegebenheiten.
Als Frau lässt mich ein Rückschritt in Richtung Unterwerfung und devoter weiblicher Grundhaltung erschaudern.
Die Frage ist also: Warum etwas hinnehmen, dessen man sich so mühsam entledigt hat?
@Gockeline : „Der kürzeste Minirock mit einem Top und Bauchfrei ist für Moslems unmoralisch. Dazu überall knutschen oder der Geschlechtsakt ohne Hemmungen.“
Der Minirock sollte während der 70er Jahre Freiheit demonstrieren und ist leider zu einem Modeaccessoire verkommen, das ermöglicht Frauen ausschließlich auf Äußerlichkeiten zu reduzieren.
Der Unterschied ist dennoch: Man darf ihn tragen, muss aber nicht. Und er signalisiert nicht Unterwerfung, Unterdrückung, veraltetes Patriarchat und religiösen Gehorsam bis hin zur Selbstaufgabe.
Ob man Nacktheit, Knutschen oder den Geschlechtsakt als unmoralisch empfindet ist eine Frage der subjektiven Wahrnehmung.
All dies tun zu dürfen ohne Strafe befürchten zu müssen ist jedoch eine historische Errungenschaft unseres Landes und ein Privileg auf das wir zu Recht stolz sein können.
Ich glaube auch nicht, dass unser heutiges Denken, unsere heutige Lebensweise die ultimative Lösung sind. Entwicklung und Bewegung sind und waren immer notwendig und nur möglich wo es erlaubt ist bestehende Systeme und Strukturen, die unter dem Deckmäntelchen „Kulturgut“ laufen, zu hinterfragen.
@68er: „Sie sollten sich aber einmal die Zeit nehmen, Ihren Artikel aus der Sicht eines blinden Mitbürgers zu lesen.“
Blinde Menschen nehmen ihre Welt vor allem durch hören und fühlen war. Der Blinde würde bei näherem Kennenlernen also möglicherweise darum bitten einmal das Gesicht seines Gegenübers erfühlen zu dürfen, um sich „ein Bild zu machen“. Anfassen dieser Frauen ist jedoch nicht erlaubt. Und es werden sich nur wenige Frauen unter der Burka finden, die genug Zeit mit anders Denkenden in diesem Land verbracht haben um sich auf Deutsch verständlich zu machen.
Die Burka verbirgt also nicht nur den visuell greifbaren Teil der Frau sondern schottet sie vollkommen ab von Gesellschaft und ihrem Gegenüber um sie ausschließlich Gott und ihrem Mann zuge“hörig“ sein zu lassen.
Dies ist für mich nicht vereinbar mit dem Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung.
Vor allem tritt es mit Füßen was von anderen Menschen in diesem Land den vergangenen Jahrhunderten so mühsam erstritten wurde.
Ein bischen kommt mir die Debatte bekannt vor.
Wenn ich mir den Zölibat anschaue ,
wo Sexsüchtige sich nicht vorstellen können so zu leben und der Zölibat ihnen vor Augen hält,nachzudenken was nun wirklich nicht normal ist.
Die Burka ist auf dem Weg uns den Spiegel vorzuhalten,wie sich unsere Frauen auf den Strassen bewegen.Für streg gläubige Moslem fast nackt.
Der kürzeste Minirock mit einem Top und Bauchfrei ist für Moslems unmoralisch.Dazu überall knutschen oder der Geschlechtsakt ohne Hemmungen.
Darüber denkt hier niemand mehr nach.
Man hält es für modern.
Stört uns daher die Burka?
Weil sie uns was zeigt ohne ein Wort?
Sehr geehrter Herr Görlach,
ich muss Ihnen dort beipflichten, wo Sie sagen, der Zwang zur Burka sei zu verurteilen.
Sie sollten sich aber einmal die Zeit nehmen, Ihren Artikel aus der Sicht eines blinden Mitbürgers zu lesen.
Finden Sie Ihr Weltbild nicht sehr auf das Visuelle bzw. das Äußere beschränkt? Würden Sie mir widersprechen wollen, wenn ich den Eindruck habe, Sie beurteilen die Menschen manchmal ein wenig oberflächlich?
Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch die Aktion der Künstlerin Bérengère Lefranc, die im Jahr 2009 in Frankreich geschaut hat, wie es sich in unserer westlichen Welt anfühlt, wenn man sich in Ihr „unsichtbar“ zeigt.
http://www.welt.de/politik/aus.....Burka.html
Wenn ich ein wenig Zeit habe, versuche ich vielleicht mal auf einem Blindenblog, so etwas müsste es ja geben, einige Blinde zur Mitdiskussion hier einzuladen.
Ihr 68er