Das ZDF ist ein Kombinat. Und Wandlitz will das Sagen haben. Das wissen wir jetzt, Roland Koch sei dank.
Um das Zweite Deutsche Fernsehen tobt eine öffentliche Debatte, die die Gemüter erhitzt. Auslöser ist nicht das TV-Programm, dessen Kernzielgruppe (Durchschnittsalter 70) ohnehin bereits aus dem Altersheim zuschaut.
Hier erregt nichts, weil es nichts Erregendes gibt. Wer jemals den Geist des Ortes am Sitz der Anstalt in Mainz-Lerchenberg geatmet hat, weiß, warum der Vergleich mit einem Kombinat polemisch angemessen ist: Ein Staat im Staate hat sich hier etabliert, dessen Beamte aus gutgepolsterten Sesseln auf die Holzbänke der freien Medienrepublik herabblicken. Darum gebaut ist eine Landschaft von festen Freien für die wirkliche Arbeit.
Wer den ausgeschiedenen und den amtierenden ZDF-Intendanten jemals mit Wagnerschem Mantel hat durch die Menge schweben sehen, weiß, was Mediokratie ist. Jetzt geht es um den Einfluss der Politik auf das Haus, das Konrad Adenauer einst als Alternative zu dem linken Sumpf namens ARD gegründet hat.
Eine von dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch organisierte Mehrheit von Unionspolitikern will den Chefredakteur Nikolaus Brender abgelöst wissen, früher oder später. Man bezichtigt ihn aus der Union der Zivilcourage und professionellen Arbeitens ohne Ansehen der Person. Das führt reflexartig zum Aufheulen des Intendanten-Hofstaats und aller Kombinatsmitarbeiter und mühsam organisierter Hilfstruppen, weil damit die „Staatsferne“ des Rundfunks gefährdet sei. Dies ist eine hohe Zeit der Krokodilstränen und der Pharisäersprüche. Man wird einiges unterscheiden müssen, will man den Kopf aus dem liberal gestimmten Empörungssumpf stecken.
Erstens: Die Verfassung verlangt für den Rundfunk Staatsferne. Das haben die Väter des Grundgesetzes an der BBC geschätzt, nachdem Deutschland die Propaganda des Herrn Goebbels hatten aushalten müssen. Was man freilich zur Zeit hinter den vordergründigen Monita gegen Herrn Brender hört, ist unverkennbar Parteipolitik. Die bereits bemühte Verfassung lässt die Parteien zwar an der Willensbildung mitwirken, aber nirgendwo steht etwas von deren Identität mit dem Staat.
Man muss nicht Hegel gelesen haben oder Preuße sein, um zu ahnen, dass das Geplärre der kleinen Seelen in den immer kleineren Parteien alles sein mag, aber nicht der Staat. Das ZDF wird, sagen auch unverdächtige Insider wie Claus Kleber, von „parteipolitischen Seilschaften“ bedroht, aber nicht von staatlichem Handeln. Die Legitimation der Heckenschützen des Roland Koch ist weit geringer, als angenommen wird.
Zweitens: Das ZDF finanziert sich aus Zwangsgebühren, die es über die GEZ in rüder und obrigkeitsstaatlicher Manier bei uns einzieht, ob wir uns das Langweilerprogramm aus Mainz ansehen oder nicht. Derart durch quasi-staatliche Macht privilegiert, soll es durch einen Verwaltungsrat beaufsichtigt werden, der diese institutionelle Macht legitimieren soll.
Das ist nach meinem staatsrechtlichen Verständnis nicht eine Dinner Party abgehalfterter Politiker, sondern eine hoheitliche Behörde, sagen wir, besetzt mit Richtern oder Philosophen, jedenfalls Beamten. Wer aber sitzt dort? Franz Maget, Christine Bergmann, Edmund Stoiber, Dietmar Bartsch, David McAllister, Laurenz Meyer…eine bunte Schar zweit- und drittrangiger Parteisoldaten, deren staatliche Qualität nicht erkennbar ist, weil sie gar keine Ämter innehaben, die sie als Staatsdiener ausweisen können. Erneut weht der Ludergeruch parteipolitischer Geschaftlhuberei.
Drittens: Ein stattliches Quorum von 35 deutschen Staatsrechtlern bemängelt folgerichtig den Fall Brender als den Versuch, „den Einfluss der Parteipolitik zu stärken“. Dabei weiß man, dass die bunte Mischung ohnehin nicht verfassungsgemäß ist; was Roland Koch dreist öffentlich eingesteht. Aber man will dem ZDF-Intendanten Markus Schächter, eigentlich ein Parvenu mit erstaunlicher diplomatischer Gelenkigkeit, der hier unerwartet Versteifungen bis an den Rand eines eigenen Willens erkennen ließ, den Rücken stärken. Denn er hat in der Vergangenheit dafür Sorge getragen, dass Einflussnahmen nicht öffentlich wurden, vulgo: die Unabhängigkeit des Senders gewahrt. Demokratietheoretisch ist aber der offene Eklat der verdeckten Einflussnahme vorzuziehen.
Viertens: Wenn der Rundfunk staatsfern sein soll, dann gilt dieser Abstand allemal für die Parteien. Sie schicken sich immer öfter und immer dreister an, den Staat zu ihrer Beute zu machen. Das ist das generelle Problem, das hier aufscheint. Liberales Denken handelt aber von den Grenzen des Staates, nicht von einer freiheitlich gestimmten Allgegenwart.
Fünftens: Die ARD-Anstalten sind nicht besser. Auch ein Überflug von Hamburg Lokstedt zeigt ein Kombinat, den NDR. Die Existenzberechtigung des öffentlich rechtlichen Rundfunks liegt in den besonderen Möglichkeiten eines Qualitätsjournalismus jenseits der Quote, der Parteipolitik und der Werbewirtschaft. Ich kenne niemanden, der diesen Gedanken in den Anstalten wirklich wirken sieht. Wäre man radikal, würde man die Zwangsbewirtschaftung an diese publizistische Qualität binden. Für ein RTL III ,und sei es von Herrn Schächter und seinem Major Domus Kurt Beck, gebe ich die Gebühren nicht her.
Sechstens: Es gibt in diesem Zusammenhang keinen Grund, das hohe Lied auf die privaten Medien zu singen. Niemand weiß, warum Verlegernähe besser als Staats- oder Parteieinfluss sein soll. Darum verhält sich der Springer-Chef Mathias Döpfner mit ausgewählter Zurückhaltung und kritisiert den Kochschen Drang zum Staatsfernsehen.
Siebtens: All diese Fragen stellen sich nicht mehr im Internet, in dem niemand mehr Herr und niemand mehr Knecht ist. Sagen dessen euphorische Freunde, die allzeit grundnaiven Blogger. Worüber sich Google totlacht. Für die dezentral privaten Nutzer des Webs gilt, dass nicht alle frei sind, die ihrer Ketten spotten.
Achtens: Die Meinungsfreiheit hängt an der relativen Freiheit von Redaktionen, nicht prinzipiell an dieser oder jener ökonomischen oder politischen Verfassung von Medien, solange diese in einem Wettbewerb auch um Reputation, sprich vertrauenswürdige Inhalte, stehen. Das Wesen von Presse in einer aufgeklärten Gesellschaft ist einerseits Verlegermacht, private oder staatliche, andererseits aber Redaktionsfreiheit.
Um diese relative Freiheit des Journalisten gegenüber seinem Verleger geht die Auseinandersetzung. Da gibt es Freunde großer Freiheiten und Gegner, weil es unterschiedliche Entwürfe von Freiheit gibt. Koch sei dank kann das jetzt jeder wissen.
Wie ist Brender eigentlich an seinen Job gekommen ?
Richtig, er hat ihn von denen, die ihn jetzt nicht mehr wollen.
Damals fand niemand – auch die Herren Staatsrechtler – nichts verwerfliches daran, daß Politzombies und Co. diese Posten verteilen.
Was hat sich seither geändert ?
Herr Kocks hat sicher vergessen, den“linken Sumpf….“ in Anführungszeichen zu setzen.
Daß die Parteien aus dem öffentl-rechtl. Rundfunk sich heraushalten sollen, ist auch meine Meinung.
Es sollten auch nicht Partikularinteressen vertreten werden.
Claus Kleber ist kein guter Zeuge. Er hält hochdotierte Reden (wie auch andere) vor Banken oder Verbänden – wie kann er unabhängig sein?
Warum kommt täglich mehrfach – wie das Wetter eine Schaltung an die Frankfurter Börse? Warum wird die Interessen der Versicherungswirtschaft vertreten?
Als zwei Beispiele von vielen.
Sehr geehrter Herr Kocks,
den Geist der Anstalt in Mainz-Lerchenberg atmete ich bis heute nie. Darum kann ich Ihre Sicht auf dessen Fernsebeamte, wie auch die der ARD, kaum nachvollziehen. Es mag so sein, dass sich da organisatorisch eine Art von staatsnahen Hoheitsfernsehverwaltern breit gemacht hat. Ich hörte jedenfalls bereits davon.
Wenn Sie allerdings deren Kernzielgruppe, als im Schitt jenseits der 70 zuordnen, dann muss Ihr Datenkenntnisstand entweder fehlerhaft sein oder von Lust auf Polemik unterfüttert.
Fakt ist, dass die privaten höhere Einschaltquoten haben, richtig. Dies liegt jedoch mit Sicherheit nicht an deren anspruchsvoller Programmgestaltung, sondern eher an der weit verbreiteten, geistigen Anspruchslosigkeit von großen Teilen der heutigen TV-Konsumenten.
Die öffentlich rechtlichen halten immer noch den TV-Programmstandart vor, den die privaten größtenteils nicht zu beherrschen in der Lage sind oder den sie nicht wollen.
Das behaupte ich als jemand, davon jedoch noch weit entfernt und der hoffentlich auch eines Tages, mindestens auf die 70 trifft.
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Meilenstein