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Rufmord als Volkssport: Der Fall Sarrazin und die Empörungskommunikation

Empörend fand es der Präsident der Bundesbank Axel Weber. An die Nazis Göring und Goebbels fühlte sich eilfertig der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland erinnert. Peter Gauweiler von der CSU sind die Kopftuchmädchen lieber als die Arschgeweihmädchen, sagte er mit diesen Worten.

Kulturkampf, Rufmord als Volkssport. Braunes Gesindel grinste Zustimmung. Und die schweigende Mehrheit wurde vom Boulevard angetestet. Entweder hätte man es jetzt mal wieder den Türken und Arabern in Deutschland geben können. Oder dem ungeliebten Sozi Sarrazin. Oder beiden.

In einen solchen Sumpf darf ein vornehmer Bundesbanker aber nicht geraten, auch wenn er in der Sache recht hat. Eigentlich war der grimmige Thilo Sarrazin,  ehemaliger Berliner Finanzsenator und jetziges Vorstandsmitglied der Bundesbank, erledigt. Ein veritabler Skandal wollte ihn zum Opfer nehmen, da er sich nicht maßvoll, sondern ausländerfeindlich geäußert habe. Solche Skandalisierungen wüten in einer Ökonomie des gesunden Volksempfindens: Das will sein Opfer und den Sünden-bock ausbluten sehen. Jenes Ritual sollte greifen, nach dem die zum  Rudel erregte Herde der Schafsköpfe einen der ihren in die Wüste schickt. Tabubrüche, so fürchten die feigen Hammel, führen zum Zorn der Götter, den man nur durch ein Opferlamm zu beruhigen weiß. Berühmtes Goethe-Wort: Schlagt ihn tot, den Hund.

Doch, wie immer, war fast alles ganz anders.  Der Rufmord zeugt von einer handfesten Intrige, in der Täter wie Opfer teils vorsätzlich und hinterhältig, teils hinnehmend, teils trottelig ihre Rollen spielten. In welchem Stück, fragt das Publikum. Bei der Bundesbank tobt wohl ein interner Machtkampf, bei dem es um Karrieren von Topbankern geht, aber auch um die künftigen Strukturen der Bankenaufsicht in diesem Lande und damit um die politische Wende im Land. Die Spuren des Sozialdemokraten Steinbrück sollen aus der Finanz-verwaltung getilgt werden. Axel Weber war aber, so wollen Insider wissen, über die SPD auf seinem Posten gelandet; diese Schmach gelte es nun zu tilgen.

Schon unter Stalin löschte man Makel in der Biographie durch Denunziation der alten Freunde aus. Mit der symbolischen Säuberung zulasten Sarrazins sollte der Inquisitor Weber den neuen schwarz-gelben Machthabern als Günstling erscheinen, so entschlüsselt die irritierte Bankenwelt.

Im Klartext: Herr Professor Weber, der jetzige Präsident der überflüssigen Bundesbehörde mit dem irreführenden Bankennamen, will noch was werden, und da kann es nicht schaden, sich den neuen Machthabern anzudienen und einen ungeliebten Sozi wie Sarrazin über die Klinge springen zu lassen. Brutus tritt grinsend mit blutigem Dolch vor den Thron der neuen Macht. Das darf man glauben, weil es unglaublich ist.

Darum also ging es wirklich, nicht um die Gemüsehändler in Berlin Kreuzberg. Und schon gar nicht um deren Töchter, über die man sich jetzt klassenkämpferisch erhebt.  Die Integrationsfrage ist der Schmutz, mit dem geworfen wird, nicht das Problem, zu dessen Lösung man beitragen will. Für die politische Kultur in diesem Land ist es dabei nicht unwesentlich, genau hinzusehen, wie denn so was geht, symbolischer Meuchelmord als Massensport.

Immer, wenn es nach politischer Intrige riecht, entwickelt das Publikum Verschwörungstheorien und Verfolgungswahn. Aber genau das erklärt nicht, was hier passiert. Dies ist kein Schurkenstück von Shakespeare. Dies ist keine Ausnahme, sondern der Normalfall. Menschen wie Sie und ich. Viele der Protagonisten kenne ich persönlich.

Axel Weber war unter Akademikern ein stocklangweiliger Professorenkollege, der kein Wässerchen trüben konnte, ein Philister vor dem Herrn, von keinem Genie beseelt, von keinem Teufel geplagt. Thilo Sarrazin, ein kluger Ökonom, ist kein Volksverhetzer, ihn treibt die Sorge um Berlin; er ist ein integrer Mann, der alle Achtung verdient.

Der Chefredakteur der vermeintlichen Skandalzeitschrift „Lettre International“ ist nicht islamophob oder fremdenfeindlich. Sein Wirken wie sein Blatt sind ein wirkliches Flaggschiff deutschen Feuilletons, ein untadeliger Mann. Und in der Pressestelle der Bundesbank, die Sarrazin in diese Falle gelockt hat, sitzen keine Spin Doctors, sondern nur die üblichen PR-Tröpfe; branchenbekannt als minderbemittelt, aber doch keine Schurken.

Wir haben es mit einer unglücklichen Konstellation zu tun, die vom „Fürsten zu Frankfurt“ gegen den „Berliner Populisten“  ausgenutzt wurde. Nun, da die niedrigen Beweggründe die Blätter füllen, darf man ihn nicht mal als Genie bezeichnen. Weber wirkt nun eher wie ein tumber Geselle. Sollte das Kalkül seines andienerischen Rufmordversuches sich auf Merkel gerichtet haben, wird er die Klasse dieser Kanzlerin unterschätzt haben.

Empörend ist schließlich nicht nur Sarrazins oder Gauweilers Proletenschelte, der Rufmord als Volkssport, sondern der Mist, auf dem solche Blumen blühen.  Auf Empörung zielt unsere gesamte Kommunikationslandschaft. Auch die sogenannten Sach- und Fachfragen finden nur noch Beachtung, wenn sie zu Empörungsthemen transformiert werden können.  Beim Boulevard hieß das Prinzip früher A&T: Arsch und Titten. Im Land der Dichter und Denker.

Verantwortlich ist dafür ein grundlegender Wandel unserer Medienlandschaft. Die wirtschaftlichen Fragen haben sich in eine Ökonomie der Aufmerksamkeitsgewinnung verschoben. Die neue Währung heißt Empörung. Das ist aus der Not geboren. Die klassischen Medien wie Tageszeitungen finden sich in einem wirtschaftlichen Todeskampf. Was früher die Lokalzeitung in Quakenbrück bedrängte, plagt heute auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Der Zusammenbruch des klassischen Werbemarktes bringt zudem die elektronischen Medien an den Rand des Abgrundes. Während in Deutschland nur nachhaltig geschwächelt wird, geht in England die gewaltige Fernsehgruppe ITV schon über die Wupper. Man flieht ins billige Internet, in dem aber bisher außer den Googles und  der Pornoindustrie niemand ordentliches Geld verdient hat.

Neben der ökonomischen Frage steht die der publizistischen Qualität. Was sich in der tagebuchschreibenden Blogosphäre an Empörungskommunikation Bahn bricht, lässt den Fall Sarrazin als Altherren-Episode erscheinen. Unter einer verlogenen Piratenromantik tarnt sich hier publizistischer Schund als Kommunikation der neuen Zeit.

Aber Vorsicht, wer das anmerkt, wird mit einem rhetorischen Vernichtungswillen konfrontiert, der so rigoros ist wie religiös motivierter Fundamentalismus. Das Paradigma ist nicht mehr der Debattierclub in Cambridge, sondern der heiße Atem von Agitation und Propaganda. Die Tugenden der Westminsterdemokratie gelten wegen der neuen Zeiten nichts mehr.

So sehen sich neuerdings die Eltern der im Amoklauf von Winnenden getöteten Schulkinder blankem Hass ausgesetzt. Sie hatten das Verbot von Killerspielen gefordert. Die Reaktion darauf klingt so wie die auf den Verbotswunsch von Kinderpornografie.  Fanatiker des Internets üben sich in Empörungskommunikation. Sie fordern wegen der Freiheit im Netz über die Gräber der ermordeten Kinder hinweg von den Eltern:  „Stoppt den Trauer-Terror.“

Das geht zu weit. Thilo Sarrazin sollte „Lettre International“ dazu mal ein Interview geben.

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3 Gedanken zu “Rufmord als Volkssport: Der Fall Sarrazin und die Empörungskommunikation;”

  1. avatar

    Man vergleiche „Was sich in der tagebuchschreibenden Blogosphäre an Empörungskommunikation Bahn bricht, lässt den Fall Sarrazin als Altherren-Episode erscheinen. Unter einer verlogenen Piratenromantik tarnt sich hier publizistischer Schund als Kommunikation der neuen Zeit.“
    mit „“starke-meinungen.de“ ist ein Autoren-Blog. Jeder von uns vertritt seine eigene Meinung.“
    KK sagt: Blogs sind Schund. Das sagt er per Blog. Bietet er hier also Schund feil?
    Scheinkorrelationen? Logikfehler? Ich komm nicht mit.
    Grüßend,
    Exmoors Erika

  2. avatar

    Vielleicht kann man Ihren Standpunkt besser verstehen, wenn man Ihre freundschaftlichen Empfindungen für Männer wie Sarrazin berücksichtigt, und noch mehr, dass Ihnen die Präzision genauer Worte und exakten Denkens, PR-Branchentypisch, doch deutlich abgeht.

    Wirklich jeder längere Text, den Sie verfassen, Herr Kocks, ist schlurig, an vielerlei Stellen in seinen Formulierungen falsch und zu kurz gedacht und zugleich auf Knalleffekte hin konzipiert.

    Damit kann man vermutlich PR machen. Poltik sollte man damit nicht machen, ja, nicht einmal darüber schreiben. Das ist ein Ratschlag. Wenn Sie ihn annehmen, gewinnen Sie viel. Sogar etwas Redlichkeit – und zwar an Stelle von Beredsamkeit.

  3. avatar

    Herr Kocks, so leid es mir tut, aber ich halte Sie immer noch für einen übertrieben eitlen Mann, dem die Frische politischen Denkens sehr deutlich abgeht.

    So schön das Bloggen vielleicht sein mag, um sich selbst über öffentliche Angelegenheiten Klarheit zu verschaffen: Sie sollten es lassen.

    Zur Sache empfehle ich Ihnen dies hier:
    http://che2001.blogger.de/stories/1515859/#1518027

    Und dann überlegen Sie bitte neu.

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