Jetzt aber müssen doch endlich mal die Fetzen fliegen: Wer die Kommentierung von Schwarz-Gelb verfolgt, spürt die enorme Sehnsucht der Medien nach Streit. Nun war schon der Wahlkampf so zahm, da wird es doch dann wenigstens bei den Koalitionsverhandlungen zur Sache gehen, oder?
Diese Hoffnungen werden enttäuscht werden. Natürlich gibt es inhaltliche Differenzen zwischen der FDP und der Union. Steuern, der Gesundheitsfond, Online-Durchsuchungen sind nur einige der Themen. Auch wird die zweite und dritte Ebene der Parteien die offenen Mikrophone nutzen, um allerlei Konfliktpotential aufzubauen. Vieles davon wird aber taktische Kulisse sein, um hinterher die abgespeckte Forderungsvariante zu bekommen, auf die man sich schon vorher festgelegt hat.
Denn Angela Merkel und Guido Westerwelle wissen, dass sie das schwarz-gelbe Schreckgespenst schnellstmöglich als genau das entlarven müssen, was es ist – ein für den Wahlkampf aufgebauter Popanz ohne Substanz. Dafür gibt es viele Gründe.
Der wichtigste ist, dass keiner von beiden die Radikalreformen will, die von ihren Gegnern immer unterstellt werden. Merkel hat aus der Wirtschaftskrise gelernt. Westerwelle will auf keinen Fall erneut als kalt und herzlos da stehen, nachdem er nun so viel Zeit und Mühe in eine Image-Korrektur gesteckt hat.
Hinzu kommt, dass die meisten Forderungen der Radikalreformer sich überholt haben (was etliche auf der Linken noch nicht bemerkt zu haben scheinen). Selbst die Arbeitgeber wollen inzwischen „nur“ noch kleinere Korrekturen am Kündigungsschutz, doch keinesfalls eine Abschaffung wie früher. Auch von einem Angriff auf die Tarifautonomie spricht niemand mehr. Diese Schreckgespenste zerfallen zu Staub, sobald man sie sich näher ansieht.
Ein drittes und wichtiges Argument schließlich ist die Wahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010. Westerwelle und Merkel werden alles tun, damit der dortige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und sein FDP-Vize ihre Arbeit fortsetzen können. Diese Wahl ist strategisch wichtig: Verliert Schwarz-Gelb in NRW, geht die Bundesratsmehrheit für Schwarz-Gelb verloren.
Erobert SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft die frühere „Herzkammer der Sozialdemokratie“ nach einer Periode Schwarz-Gelb wieder zurück, wird sie dort Rot-Rot-Grün umsetzen. Für die Linken in der SPD wäre das die wichtigste Wegmarke, diese Bündnisoption zu enttabuisieren und auch im Bund zukunftsfähig zu machen.
Insofern wird es keine sozialen Grausamkeiten geben im nächsten Koalitionsvertrag. Und auch die Entlastungen werden wohl dosiert über die ganze Wahlperiode gestreut werden. Das wird sowohl die Fans und auch die Kritiker von Schwarz-Gelb enttäuschen. Doch es ist der Weg, den Merkel und Westerwelle in ihrem eigenen Interesse wählen werden.