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Vom Kosovo zur Krim

Ich will nicht behaupten, dass ich die Krim-Krise vorhergesehen hätte. Das habe ich sogar, im Nebensatz eines Kommentars zu Georgien 2008, wie ich unten nachweise, aber darum geht es mir nicht. Und: Anders als viele Kommentatoren habe ich sogar die Ukraine vor einigen Jahren bereist; dennoch erkläre ich mich hiermit zum Nicht-Experten in Sachen Russland und Ukraine, anders als alle möglichen Leute einschließlich, neuerdings, Alice Schwarzer.

Mir ist dennoch wichtig zu zeigen, dass man die jetzige Krise kommen sehen konnte; und dass die Europäische Union und die Vereinigten Staaten durch Tun und Unterlassen ihren Teil dazu beigetragen haben. Was Putins Okkupation und Abtrennung der Krim in keiner Weise rechtfertigt.

 

Irgendwo muss man beginnen; möglichst nicht bei Adam und Eva, und auch nicht beim Fall der Mauer. Nehmen wir als Ausgangspunkt das Jahr 2008. In einem Artikel für „Die Welt“ skizzierte ich damals, welche Probleme wir mit Russland bekommen würden, nachdem ein Teil der EU-Staaten die Unabhängigkeit der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo anerkannt hatten:

http://www.welt.de/debatte/article1699942/Die-Anerkennung-des-Kosovos-ist-ein-Fehler.html

Die Kernaussagen dieses Artikels lauten:

„Mit der Anerkennung des Kosovo haben wir eine Büchse der Pandora geöffnet. Warum sollen die Serben der bosnischen Teilrepublik Skrspsa weiterhin diesem ungeliebten Staatenverbund angehören und sich nicht Serbien anschließen? Mit welcher Logik wird der Westen den Russen entgegentreten, wenn sie russisch bewohnte Provinzen Georgiens und Moldawas zur Sezession ermuntern?“

(Die Krim hatte ich nicht auf dem Schirm. Noch nicht.)

Und:

„Einen Staat zu zerlegen, widerspricht dem Prinzip der Unantastbarkeit der Grenzen, die nach 1945 zu einem der Grundpfeiler der neugegründeten Vereinten Nationen geworden war. Für dieses Prinzip gibt es gute Gründe. Wird einmal jeder ethnischen, kulturellen oder sonstwie definierten Minderheit die Sezession gestattet, ist der Subversion und dem Zerfall der Nationalstaaten, die fast alle irgendwelche Minderheiten beherbergen, kaum eine Grenze zu setzen.“

Und:

„Vor allem aber (…) bedeutet die Abtrennung der Provinz ein Schlag ins Gesicht Russlands, das sich als Schutzmacht Serbiens aufspielt, bereits wichtige Teile der serbischen Industrie aufgekauft hat und sich anschickt, der Europäischen Union auf dem Balkan Schwierigkeiten zu bereiten. Dieses geopolitische Pokern der Russen muss man nicht gutheißen. Man sollte es aber in Rechnung stellen. Wir brauchen Russlands Kooperation für Sanktionen gegen die nuklearen Ambitionen des Iran. Wir brauchen zumindest Russlands Stillhalten beim Aufbau eines US-Raketenschilds in Polen und Tschechien, das Europa vor der Erpressung durch den Iran immunisiert. Mittelfristig brauchen wir Russlands Akzeptanz eines Nato-Beitritts der Ukraine und Georgiens, langfristig wird über den Beitritt dieser Länder zur EU zu diskutieren sein. Alle diese Ziele sind wichtiger als die Unabhängigkeit des Kosovo.“

Hier immerhin gerät die für die gegenwärtige Krise entscheidende Frage in den Blick: die Annäherung der Ukraine an die EU, mit der Perspektive eines späteren Beitritts. Diese Annäherung, schrieb ich 2008, sei ohne die „Akzeptanz“ Russlands nicht zu erreichen.

 

Dass ich nicht missverstanden werde: Die Zerlegung der Ukraine durch Russland billige ich nicht. Einmal aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, siehe oben; dann aber, weil ich – wie ich mehrfach geschrieben habe – in Putins Russland heute den Hort der Reaktion in Europa erblicke.

Das habe ich im Januar dieses Jahres hier auf „Starke Meinungen“ im Zusammenhang mit der Außenpolitik der AfD (und anderer nationalkonservativer Anti-Europäer, könnte ich hinzufügen) dargelegt:

https://starke-meinungen.de/blog/2014/01/28/die-ausenpolitik-der-afd/

Auch hier für Klickfaule die entscheidende Passage:

„Denn damit komme ich auf den Schlüssel zum Verständnis des Thesenpapiers. Auf den Vorschlag, Europa vorsätzlich militärisch machtlos und außenpolitisch uneinig zu lassen, auf dass es für das mächtige Russland, dessen Einflusssphäre und „Wertewelt“ keine Herausforderung darstellt.

Nicht zuletzt um diese „Wertewelt“ geht es. Denn Russland bleibt im 21. Jahrhundert, was es im 19. und im 20. Jahrhundert war. Der Hort der Reaktion. Nicht nur, dass Russland mörderische Diktatoren wie Milosevic und Saddam früher, Assad und das iranische Mullah-Regime heute unterstützte und unterstützt; nicht nur, dass Putin in Weißrussland eine Diktatur und in der Ukraine ein repressives Regime an der Macht hält; nicht nur, dass er Dissidenten im In- und Ausland ermorden lässt; dass er alles tut, um Gegensätze in der EU zu fördern und dass er versucht, Erdgas als politische Waffe einzusetzen – Putins Russland avanciert auch zum ideologischen Zentrum der Reaktion in Europa. Wenn es gegen die Rassenvermischung und die Frauenemanzipation, gegen Nichtweiße, Muslime, Juden und Atheisten, gegen Schwule und Umweltschützer, gegen Demokratie und Menschenrechte geht, bildet Russland längst die Speerspitze der Kräfte, die gegen die Moderne agieren – und hat längst der Katholischen Kirche in dieser Hinsicht den Rang abgelaufen.

Ein schwaches, zerstrittenes Europa, das sich bei allen Lippenbekenntnissen zum Westen auch verpflichtet hat, Russlands Interessen und Wertewelt zu respektieren, wie es (der AfD-Theoretiker Alexander) Gauland vorschlägt, wäre eben – wie Bismarcks Deutschland – nicht mehr wirklich Teil des Westens.“

 

Nun scheint hier ein Widerspruch vorzuliegen. Einerseits kritisiere ich 2008 die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo mit dem Hinweis, man werde Russlands „Akzeptanz“ für das Erweiterungs- und Friedensprojekt der Europäischen Union brauchen; andererseits kritisiere ich 2013 Alexander Gauland, weil er eine Respektierung der Einflusssphäre und Wertewelt Russlands fordert. Tatsächlich aber liegt der Unterschied darin: Gauland leitet aus seiner nationalkonservativen Position ab, dass die Ukraine – von Weißrussland, Georgien usw. ganz abgesehen – niemals Teil der westlichen Einflusssphäre sein kann. Ich leite aus meiner westlich-imperialistischen Position ab, erstens, dass die „Wertewelt“ Europas und des Westens eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Menschen auch in der Einflusssphäre Russlands ausübt; zweitens, dass es dem „demokratischen Imperium“ (José Manuel Barroso über die EU) nicht gleichgültig sein kann, ob unsere östlichen Nachbarn, insbesondere die Schwarzmeeranrainer Türkei, Armenien, Georgien und die Ukraine Partner oder Gegner Europas sind.

Freilich war und bin ich der Ansicht, dass Russlands Empfindlichkeiten und Ziele „in Rechnung zu stellen“ sind, und dass man Russlands Widerstand nicht unnötig provozieren sollte.

 

Haben EU und USA Russland in Sachen Ukraine unnötig provoziert? Nein. Freilich wurden Russlands mögliche Reaktionen auch nicht in Rechnung gestellt. So ähnlich, scheint mir, sieht es der Politologe Herfried Münkler. Hier ist das Interview, das Andrea Seibel und ich vor einigen Tagen mit ihm geführt haben:

http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article125944244/Bruessel-und-Berlin-waren-blauaeugig.html

Münkler hatte ja einige Monate vor Veröffentlichung meines Buchs über Europa als Imperium selbst ein großes Werk über „Imperien“ vorgelegt (das Thema lag damals in der Luft), in dem er meinte,  die EU sei zwar kein Imperium, übernehme jedoch an ihrer Peripherie einige imperiale Aufgaben. Im Interview sagt er in diesem Zusammenhang (und auf die Frage, ob Europa wegen der Nichtbeachtung russischer Empfindlichkeiten ein schlechtes Gewissen haben sollte):

„Sicher kein schlechtes Gewissen. Aber ich glaube, dass das, was Max Weber der deutschen Politik nach 1914 vorgeworfen hat, nämlich Außenpolitik von Personen machen zu lassen, die nicht im politischen Kampf gestählt worden seien, sondern nach Beamten-Avancement agieren, auch auf Brüssel zutrifft. Man hat sich zu wenig Gedanken gemacht, was das Assoziierungsabkommen für Moskau bedeutet. Brüssel hat agiert, als ginge es bloß um das Administrieren von Wohlstand und die Durchsetzung menschenrechtlicher Normen. Niemand war auf ein Spiel mit strategischen Gegenakteuren eingestellt. Darin zeigt sich die außenpolitische Handlungs- oder besser noch: Reflexionsschwäche der Europäischen Union. Sie macht sich zu wenige Gedanken über die Gestaltung von Räumen.“

Und:

„Im Falle der Ukraine haben Akteure aus Brüssel und Berlin gespielt, die den Begriff des Imperiums nicht hinreichend im Kopf hatten. Oder wenn ich mal frech und keck bin, meine Imperiumstheorie nicht rezipiert haben, bei der ja der zentrale Punkt ist, dass imperiale Akteure, die sich zumuten, Ordnungsmacht größerer Räume zu sein, die ihre eigentlichen Grenzen überschießen, überall dort Mitspracherechte beanspruchen. Wenn man Putin als jemanden erlebt, der in solchen imperialen Kategorien denkt, dann weiß man doch, wie er reagieren wird.“

In der Tat. Und, wie gesagt, das entschuldigt nichts. Aber Manöverkritik muss dennoch sein. Und sie kann nicht mit dem Scheitern des Assoziierungsabkommens oder dem Maidan-Abkommen oder der Anerkennung der Revolutionsregierung in Kiew beginnen, obwohl es dazu einiges zu sagen gäbe. Bereits wenige Monate nach der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo kam es zum Krieg in Georgien und der faktischen Annexion der georgischen Provinzen Süd-Ossetien und Abchasien durch Russland. Damals schrieb ich in der „Welt“ folgenden Kommentar:

http://www.welt.de/politik/article2359174/Was-der-Westen-nun-gegen-Russland-tun-kann.html

Hier die entscheidenden Passagen:

„Russland stellt seinen Wunsch nach Wiederherstellung seiner imperialen Größe und Ausdehnung seines Einflussgebiets über den Wunsch, mit dem Westen zusammen die neue Weltordnung zu gestalten.“

Und:

„Freilich hat Russland mit der Berufung auf den Präzedenzfall Kosovo seinerseits klar gemacht, dass dem Kreml das Prinzip der territorialen Integrität nur dann etwas gilt, wenn es Russland nützt. Und mit der nun erfolgten Anerkennung der abgespaltenen georgischen Provinzen als unabhängige Staaten hat das Duo Medwedew-Putin im Grunde genommen nachträglich die Anerkennung des Kosovo durch den Westen legitimiert. Damit ist ein Prozess in Gang gesetzt worden, den weder Russland noch der Westen kontrollieren kann.“

Und:

„ Russland droht mit der weiteren Destabilisierung der Peripherie Europas – etwa durch Versuche, den Krim von der Ukraine abzuspalten, Teile Moldawas zu annektieren, die russischen Minderheiten in den baltischen Staaten gegen deren Regierungen aufzuwiegeln – und mit der energiepolitischen Erpressung des Kontinents, falls sich Europa nicht bereit erklärt, sich seine außenpolitische Agenda von Moskau diktieren zu lassen.“

Moment: „… etwa durch Versuche, die Krim von der Ukraine abzuspalten“ … : Habe ich das wirklich 2008 schon geschrieben? Doch. Warum kam das jetzt also für die EU so überraschend?

Nun, weil für die Beamtenseelen in Berlin und Brüssel nicht sein konnte, was nicht sein durfte. 2008 habe ich die Frage gestellt, wie Europa auf die russische Provokation in Georgien reagieren sollte. Meine Antwort damals:

„Europa muss weiterhin die Perspektive verfolgen, Georgien, die Ukraine und Moldawa in die Nato und in die EU aufzunehmen. Es muss stärker als bisher darauf achten, Pipelines um Russland herumzuführen, und vor allem schnell das „Nabucco“-Projekt abschließen. Überdies müssen alle Alternativen zu Öl und Gas – von Wind- und Sonnenenergie bis hin zur Atomkraft – forciert ausgebaut werden und dürfen nicht an ideologischen Vorbehalten von Links oder Rechts scheitern. Dies alles geht nur, wenn Europa als Einheit handelt. Diese langfristige und vor allem gemeinsame Zielsetzung muss das wichtigste Ergebnis des bevorstehenden EU-Gipfels sein. Zum Glück sind sich hier die wichtigsten europäischen Führer einig – Merkel, Sarkozy, Brown, Berlusconi und Kommissionspräsident Barroso.“

Kann sein, dass die sich einig waren; es ist dennoch anders gekommen. Nabucco ist Geschichte. Die deutsche Energiewende wurde nach Fukushima im Alleingang durchgezogen. (Dass Merkel nach dem japanischen Reaktorunglück in Bezug auf die Kernenergie ihre Position geändert hat, nehme ich ihr nicht übel. Wohl aber die Nichtabstimmung mit den europäischen Partnern.) Europa ist nach wie vor abhängig von russischem Gas und Öl.

Des weiteren schlug ich vor:

„Darüber hinaus sollte Russland so lange weder Mitglied der Welthandelsorganisation WTO noch Gastgeber der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 sein dürfen, bis eine Regelung für Abchasien und Südossetien gefunden ist, die garantiert, dass sie nicht einfach zu Provinzen Russlands werden. Eine Möglichkeit könnte die Installierung einer UN-Schutztruppe sein, die nicht, wie jetzt, aus Russen besteht.

Die EU sollte die Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen mit Russland ebenso auf Eis legen wie die derzeit bestehenden Visa-Vorteile für russische Staatsbürger. Nichts von alledem wird Russland kurzfristig beeindrucken. Es aber zu unterlassen, würde jene Strömungen in der russischen Führung ermuntern, die auf Konfrontation und Expansion setzen. Zeigt sich Europa aber geschlossen und selbstbewusst, könnten auch in Russland jene Kräfte die Oberhand gewinnen, die begreifen, dass es angesichts der katastrophalen Zukunftsaussichten im Riesenreich in Russlands ureigenstem Interesse liegt, von der Politik der Konfrontation abzurücken und zur Politik der Kooperation zurückzukehren.“

 

Tja. Damals war der in Europa gehasste George W. Bush Präsident. Vom neuen Präsidenten Barack Obama ging das Signal aus, man wolle im Verhältnis zu Russland auf den „Reset“-Knopf drücken. Russland wurde Mitglied der WTO, man hofierte Putin in Sotschi und buhlte in London und Frankfurt um zahlungskräftige russische Bankkunden, ließ Putins Klient Assad ungestraft Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzen und lässt ich von Putins Klienten im Iran an der Nase herumführen, während sie Atomwaffen entwickeln.

 

Einerseits also – wie beim Kosovo – unnötige Provokation des Kreml und – wie bei der ukrainischen Revolution – unzureichende Abstimmung mit Putin; auf der anderen Seite Nachgeben gegenüber blanker Gewalt und die Vernachlässigung strategischer Maßnahmen zur Lösung Europas aus der energiepolitischen Abhängigkeit von einem Staat, den man als „Gazprom mit Atomwaffen“ bezeichnet hat. Das Ergebnis sehen wir jetzt.

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97 Gedanken zu “Vom Kosovo zur Krim;”

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    Lieber Alan Posener!
    Las gerade diese Einlassung an einen Leser:
    „und die Diskussion von den Vorgängen in der Krim abzulenken, auch wenn die Antideutschen, die zusammen mit der extremen Rechten und einer Reihe linker Antisemiten als Claqueure Putins auftreten, das gerne sähen.“
    Meiner Ansicht nach greifen Sie da zu kurz. „Antideutsche, extreme Rechte, linke Antisemiten“, nee. Sie können breit in der Bevölkerung herumfragen, Sie finden nicht viele, die den Griff nach den ukrainischen Gasfeldern im Osten unterstützen. Das sind nicht alles Ihre Kampfgruppen. Das sind einfach nur vernünftige Leute.
    Die USA unterschätzen etwas: Kollektives Gedächtnis, Erinnerungsvermögen an ca. 60 Mio Tote auf diesem Kontinent, darunter viele Russen. Kollektive Vorsicht aus Erinnerung. Die USA haben so etwas nie erlebt, sonst würden sie nicht so putzmunter Aufstände finanzieren und die Russen, unsere Nachbarn letztlich, provozieren. Das Erinnerungsvermögen an einen 30 Jahre lang untergehenden Kontinent und Hungersnöte dazwischen und danach fehlt vollständig. Ich habe mich mit mindestens 100 völlig normalen verschiedenen Leuten über das Thema unterhalten. Sie finden kaum jemanden, der die Ukraine in der EU oder in der NATO haben will oder sich für fracking-Interessen in der Ost-Ukraine interessiert. Das sind nicht Ihre üblichen Verdächtigen, und langsam wird das alt.
    Die USA können solchen Mist nur initiieren, weil sie ihren low information voters sonstwas verkaufen können. Ein Großteil von denen kennt zwar jede Fernsehserie und alle Blockbuster, ist aber geographisch und historisch vollkommen blanko. Nur wenn Leichensäcke zurückkommen, werden sie empfindlich. Das ist keine gute Politik, das sind Machtspielchen auf fremdem Terrain. Ungut, kurzsichtig, machtgierig, völlig fern von Bevölkerungsinteressen. Und Energieunabhängigkeit, was soll’s? Wenn wir energieunabhängig wären, würden auch Russen oder Saudis nicht mehr unsere Autos und weitere Produkte kaufen können. Normalerweise wird Handel betrieben.
    Und wenn Clinton H. Putin mit Hitler vergleicht, ist das lächerlich. Die Hitlervergleiche würden inzwischen ein Buch füllen: Chavez, Ghaddafi, Putin, Ahmadinejad und wer alles noch. Der vervielfältigte Hitler. Nicht gerade lustig für KZ-Überlebende.

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    Alan P. schrieb: „… Wir hatten – war dies schon 1971, oder war es später? Sie werden es wissen – also ein Teach-In im Audimax der TU Berlin vorbereitet…“

    Sie meinen vermutlich das Teach-in am 12.11.1971? Der entsprechende RPK-Artikel (RPK 142/71, online: http://www.mao-projekt.de/BRD/....._142.shtml) basiert auf den dort gehaltenen Referaten.

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    Alan P. schrieb: „…Schon allein das ist doch irre, oder, dass jemand nachts im Bett,also zum Vergnügen, Lenin liest…“

    Was ist denn daran so bedenklich?

    Auch ich habe damals „nachts im Bett“ – allerdings nach einem lustvollen GV mit meiner Liebsten – in Stalins „Der Marxismus und die nationale und koloniale Frage“ geblättert (‚war gerade vom Parteiverlag neu veröffentlicht worden), während meine Frau noch in der „Brigitte“ schmökerte.
    🙂

    Bedenklich wäre allenfalls die Zigarette danach gewesen.
    :-))

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    Lieber Stevanovic, das mag so sein.
    B. Müller, die „Thesen der Oberschülerkommission des KSV“ habe ich fast allein geschrieben, was aber keine Kunst war, denn sie paraphrasieren größtenteils die „Thesen der Studentenkommission des ZK“ (der KPD/AO). Dazu ließe sich einiges sagen; allein der Begriff „Oberschüler“ ist – immanent marxistisch gesprochen – Unsinn. Aber lassen wir das.

    Hätten Sie mir das Zitat aus der „Programmatischen Erklärung“ gezeigt ohne Angabe der Quelle, hätte ich das für ein Produkt der DKP gehalten. Erstaunlich. Aber es gab ja auch innerhalb der KPD zu verschiedenen Zeiten verschiedene Linien, und gelegentlich, besonders in der Frühphase, kam die Partei dem, was wir damals – und vor allem später – als „modernen Revisionismus“ oder gar Ideologie des „sowjetischen Sozialimperialismus“ kritisierten, ziemlich nahe. Lesen Sie zum Beispiel den Artikel der „Roten Fahne“ zum Besuch Willy Brandts in Erfurt.

    Sie scheinen leider ein Mensch ohne jeden Humor zu sein und außerdem jemand, der sich seit 1979 nicht weiterentwickelt und die Selbstauflösung der KPD nie verwunden hat. Wären Sie ein Mensch mit Humor und einer gewissen selbstkritischen Distanz zu den damaligen Ereignissen, würden Sie vielleicht folgende Episode goutieren:
    Als die SPD eine Hochschulreform plante, die aus der alten Elite-Uni eine Massenuni machen sollte, stand der KSV vor einem Dilemma. Denn wir wollten die Privilegien der Studenten nicht verteidigen, die wir eben – vielleicht zu sehr von uns auf andere schließend – als Kinder der Bourgeoisie betrachteten. Wir hatten – war dies schon 1971, oder war es später? Sie werden es wissen – also ein Teach-In im Audimax der TU Berlin vorbereitet, auf dem wir erklären wollten, weshalb wir – anders als die Jusos, MSB Spartakus, ADSen usw. usf. – nicht gegen die Hochschulreform kämpfen wollten, weshalb wir den Kampf dagegen sogar für reaktionär hielten.
    Die Genossin L. sollte die Erklärung vortragen, wir von der Zentralen Leitung saßen mit ihr in den Räumen des AStA und gingen die Rede durch, als unsere anleitende Genossin E. hereinstürmte und sagte, ihr sei unwohl bei der Sache.
    Sie habe gestern Nacht im Bett Lenin gelesen, nämlich „Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll“. (Schon allein das ist doch irre, oder, dass jemand nachts im Bett,also zum Vergnügen, Lenin liest…) Und da habe Lenin in vergleichbarer Lage geschrieben, der Zarismus könne selbst notwendige Reformen zur Modernisierung Russlands, die ja durchaus im Sinne der Kommunisten seien, nur „reaktionär-bürokratisch“ durchführen, es gelte aber, für eine „revolutionär-demokratische“ Veränderung zu kämpfen.
    Das, so Genossin E., müsse auch unsere Haltung zur SPD-Hochschulreform sein, die wir schnell in „reaktionär-bürokratischen Hochschulreform“ (RBH)umtauften.
    Schleunigst wurde also die Erklärung umgeschrieben, jeder nahm eine Seite, setzte „RBH“ and die Stelle von boß „H“ und strich alle Hinweise auf das Nichtdagegenkämpfenwollen, und einige Minuten später wurde die Rede gehalten. Aber wenn Sie sie in Ihrem Archiv finden, sie wurde wohl in der RPK veröffentlicht, werden Sie sicherlich die Spuren der ersten Fassung darin erkennen, denn größtenteils – besonders in der Analyse der privilegierten Lage der Studenten – blieb sie ja unverändert. Die neuen Parolen wurden faktisch nur aufgeklebt.
    Sehen Sie, von solchen Zufällen – der Abendlektüre einer Genossin – hängt manchmal ab, was in solchen Dokumenten steht. Sie können sie natürlich betrachten wie ein buchgläubiger Moslem den Koran. Aber auch der Koran ist in sich widersprüchlich und trägt die Züge vieler Zufälle in sich. Ohne die versteht man – wie Sie – gar nichts.
    In diesem Sinne – Ihr Kurt Schmid.

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    Kann es sein, dass so manchen Publizisten die digitale rund-um-die –Uhr Überwachung nicht schreckt, weil er ohnehin sein Leben lang unter Beobachtung steht? Wer ständig gefasst sein muss, dass ihm Texte, die er mit Mitte 20 schrieb, vorgehalten werden, der versteht die Angst der Menschen, denen so was nicht passiert, nicht wirklich. Aus politischen Texten, die 30 Jahre zurückliegen, würde ich nur nach Beerdigungen zitieren. Bei Lebenden gilt das Recht der persönlichen Entwicklung. Wer mit mir über meine Haltung vor 20 Jahren reden will, hätte es vor 20 Jahren tun sollen. KPD-Artikel aus den 70ern…

    Was ich übersehen habe, Publizisten leben bereits als öffentlich-zugängliche Persönlichkeits-Marke. Durch Passionierte, die aus „Programmatische Erklärung der KPD, Juli 1971“ zitieren, leben sie bereits in einer Welt, die nichts vergisst und damit auch nichts vergibt. Meine Welt ist bis jetzt nicht so – deswegen habe ich Angst vor einer Digitalisierung, die nichts vergisst, egal ob ich öffentlich sein will oder nicht.

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    „… Deshalb heißt den proletarischen Klassenstandpunkt als Vorhut zu vertreten nicht nur, den Kampf um die selbständige Organisierung und Vereinigung des Proletariats zu führen, sondern auch unter den Schichten die Notwendigkeit des Sozialismus zu propagieren, die durch das Monopolkapital ebenfalls verelenden und zunehmend unterjocht werden. Dieses Schichten sind objektiv Verbündete des Proletariats. Sie als solche auch zu organisieren, sieht die KPD als wichtige Aufgabe an… Unter den Bedingungen des Monopolkapitalismus der BRD handelt es sich bei diesen Schichten besonders um die werktätige und studierende Intelligenz, die Werktätigen in Büro und Verwaltung und die armen Bauern“. (Quelle: Programmatische Erklärung der KPD, Juli 1971, hier zitiert nach: RPK 138/1971 v. 23.10.1971, S. 1).

    „Dieses Schichten sind objektiv Verbündete des Proletariats“ – das ist auch mein Standpunkt gewesen – damals wie heute (auch wenn ich im Juli 1971 erst Sympathisant der KPD war). Und auch der Standpunkt von Marx im Manifest: „Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, sie alle bekämpfen die Bourgeoisie, um ihre Existenz als Mittelstände vor dem Untergang zu sichern… Sind sie revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen.”

    Ach ja, das o.g. Zitat stammt aus den „Thesen der Oberschülerkommission bei der Zentralen Leitung (ZL) des KSV“ (RPK 138/1971). Ob sich Herr Posener auch zu der Urheberschaft dieser „Thesen“ bekennt? Dann müsste er aber auch seine Ausführungen vom 28. März 2014 um 17:29 („…und haben die Studenten im wesentlichen als ‚Bourgeois-Ideologen‘ betrachtet, die eben nicht “im Hinblick auf ihren bevorstehenden Übergang ins Proletariat revolutionär” seien…“) in Frage stellen.

    Herr Posener spottete am 28. März 2014 um 17:29: „… Das haben Sie vermutlich damals nicht verstanden, und das verstehen Sie bis heute nicht….“ Mag sein. Aber das haben dann wohl auch die beiden KSV-Genossen – einer davon aus der Verbandsleitung – nicht verstanden, die damals das Kooptationsgespräch mit mir führten…

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    Bestimmt eine faszinierende Lektüre! Gut zu wissen, dass meine frühen Werke so sorgfältig archiviert werden. Wobei: Für die Dokumente von 1979 kann ich keine Mit-Autorenschaft reklamieren. Denn 1977 war ich – völlig zu Recht – als „bürgerliches Element“ aus der KPD ausgeschlossen worden.

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    lucas schrieb am 28. März 2014 um 19:29 zu B.Müller: „schade, mich hätte interessiert, warum Alan Posener ihrer Meinung nach falsch liegt. 🙂 „.

    Dem interessierten Leser seien die Klassiker des Marxismus-Leninismus zur Frage der Bündnispolitik unter der Zwischenschicht der Intelligenz empfohlen.

    Die damalige Auffassungen von KPD und KSV hierzu wurden niedergelegt u.a. in:

    Thesen der KPD-Aufbauorganisation zur Arbeit an den Hochschulen, RPK, 2. Jg., Nr. 63

    Thesen der Studentenkommission der KPD-Aufbauorganisation zum Aufbau des Kommunistischen Studentenverbandes, RPK, 2. Jg., Nr. 88

    Leitsätze des KSV, RPK, 3. Jg., Nr. 118/1971

    (RPK = Rote Pressekorrespondenz, ab Nr. 118 „Zentralorgan des Kommunistischen Studentenverbandes (KSV)“).

    KSV, Rechenschaftsbericht und Politische Resolution der 2. oDK, 1974

    KSV, 3. Delegiertenkonferenz, 1979

    Materialien zur Klassenanalyse der Intelligenz und kommunistsichen Bündnispoltik, verabschiedet vom Plenum der Zentralen Leitung des KSV im März 1979

    Einige der RPKs sind vom Projekt „Materialien zur Analyse von Opposition (MAO)“ unter http://www.mao-projekt.de/BRD/.....-144.shtml online gestellt worden.

    Die übrigen Dokumente findet man vielleicht noch bei ebay oder in Antiquariaten. Vielleicht auch im Archiv vom Axel Spriner Verlag?

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    @ lucas: Schikora hingegen gehört zu den waschechten Putin-Freunden, die unter den Antideutschen die Mehrheit bilden: „Möge dem von prohitleristischen Kriminellen repräsentierten Kommunistenverfolger-Regime in Kiew, zum Missfallen der “Maoisten” dieser Welt, das Schicksal des Pol-Pot-Regimes widerfahren!“
    (Zur Erläuterung: das genozidale Pol-Pot-Regime, das Schikora hier mit der Regierung in Kiew vergleicht, wurde nach der Besetzung des Landes durch Vietnam davongejagt.)

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    „Aber es wird Ihnen nicht gelingen, diese Website zu kapern und die Diskussion von den Vorgängen in der Krim abzulenken, auch wenn die Antideutschen, die zusammen mit der extremen Rechten und einer Reihe linker Antisemiten als Claqueure Putins auftreten, das gerne sähen.“

    Gemach, gemach! Von den Vorgängen auf der Krim ablenken zu wollen, liegt mir fern. Im Gegenteil: Ich ließe mir nur ungern eine Gelegenheit entgehen, für das beherzte Vorgehen der Krim gegen faschistische und antisemitische Umtriebe zu werben, deren republikanische Institutionen bereits im Januar den Keimzellen des Nazismus mit gebotener Härte entgegentraten, indem sie Aktivitäten und Symbole der „Swoboda“ im Territorium der Autonomen Republik ächteten (siehe http://danielleonschikora.blog.....ische.html).

    Was dies mit Ihrer politischen Biographie zu tun hat? Nun, wenn jemand, der vor 40 Jahren einer radikal antisowjetischen Gruppe angehörte, deren Angehörige das vermeintliche Aggressionsverbrechen der Vietnamesen gegen das niedliche „Demokratische Kambodscha“ ähnlich empörte wie gegenwärtig den durchschnittlichen Leser schwarzbrauner deutscher Tageszeitungen Putins „Neosowjetismus“, heute plötzlich FÜR Russland und GEGEN baltische oder ukrainische Neonazis Partei beziehen würde, so wäre dies ein politisch-biographischer Bruch, der in höchstem Maße erklärungsbedürftig wäre. Sie haben diesen Bruch nicht vollzogen: Sie standen in den 1970er Jahren „weltinnenpolitisch“ weit rechts von Willy Brandt und stehen heute weit rechts von Alexander Gauland, Peter Gauweiler, Ewald Stadler oder Marine Le Pen.

    Ich empfände es als zutiefst verstörend, stände ich ukraine- und russlandpolitisch auf einer Barrikade mit einem Autor, der mit der extremistischen Rechten wie der extremistischen Linken das Feindbild „antideutscher“ Unterwanderung des öffentlichen Raums der BRD teilt – eine Feindbestimmung, die gewiss die Bereitschaft begünstigte, gemeinsam mit ordinären Antisemiten, Israel-Hassern und offenen Sympathisanten terroristischer Gewalt wie Mathias Brodkorb und Ernst Nolte an der Publikation einer geschichtsrevisionistischen Buchveröffentlichung mitzuwirken.

    Möge dem von prohitleristischen Kriminellen repräsentierten Kommunistenverfolger-Regime in Kiew, zum Missfallen der „Maoisten“ dieser Welt, das Schicksal des Pol-Pot-Regimes widerfahren!

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    Posener fragte: „… sind Sie also der mit der netten Frau, mit der wir in der ZL alle so viel Spaß hatten?“

    Gäääähhhn. Man merkt doch den Einfluss der BILD-Zeitung… Ihr damaliger Ausflug zur Umerziehung in Albanien scheint leider gründlich daneben gegangen zu sein.

    P.S.: Da Sie als Blog-Inhaber ohnehin das letzte Wort haben, erspare ich mir eine Erwiderung zu Ihrer Marx-Interpretation. Vermutlich habe ich den Marx nicht begriffen. Bin ja auch nicht Studienrat geworden.

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    @Stevanovic
    argh, jetzt ärgere ich mich, dass ich diesen Artikel gestern nicht gelesen habe. 😀 vielen Dank 🙂
    Wenn das, das neue Standarderoberungsmodell wird, siehts aber schlecht aus für Russland. Man hat wohl von China dazugelernt (friedliche wirtschaftliche einigermaßen rechtstaatliche Zusammenarbeit und gewissermaßen Kolonialisierung Afrikas) und weitergedacht. Sehr gut! Jetzt müsste nur noch jemand die Nazis (passiert, Chef des Rechten Sektors wurde festgenommen) und Verrückten (ich meine Frau Timoschenkos „isch schieß disch“-Ausfälle, passiert aber auch, Seibert kritisert sie dafür und Jazenzuk hat keine solchen Gewaltphantasien) unter Kontrolle bringen, dann fehlt den Putinfreunden die Grundlage.

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    Vollkommen, d’accord, Bernhard Müller (sind Sie also der mit der netten Frau, mit der wir in der ZL alle so viel Spaß hatten?), man hätte mich schon 1975 ausschließen sollen. So habe ich mich noch zwei Jahre mit zusammengebissenen Zähnen für diese stalinistische Organisation abgemüht, obwohl mir in der Tat der Glaube längst vergangen war. Zu blöd.

    Ansonsten beweisen Sie nur, dass Sie zwar lesen, aber offensichtlich, wie schon damals, nicht denken können. Die Engels-Fußnote stellt klar, dass der Begriff „Bourgeoisie“ im Manifest zweideutig benutzt wird, und dass in dem betreffenden Kapitel es richtiger hätte heißen müssen: „Kapitalisten“.
    Sie behaupten, ich gehörte als Intellektueller einer „Zwischenschicht“ an, dabei geht aus dem von Ihnen selbst angeführten Zitat hervor, dass dem nicht so ist, denn mit „Zwischenschichten“ (zwischen Kaptialisten und Arbeitern) meint Marx: „der kleine Industrielle, der kleine Kaufmann, der Handwerker, der Bauer“. Allesamt Besitzer von Produktionsmitteln, aber keine Bourgeois.
    Und schon gar nicht Intellektuelle.

    Sie schreiben: Und wo bitte steht: “Marx bezeichnet sich selbst im “Manifest” als “Bourgeois-Ideologen” (Original-Ton Posener)?“ Und dann zitieren Sie selbst die Stelle, die ich meine:
    „(S)o geht jetzt ein Teil der Bourgeoisie zum Proletariat über, und namentlich ein Teil jener Bourgeoisideologen, welche zum theoretischen Verständnis der ganzen geschichtlichen Bewegung sich hinaufgearbeitet haben.”
    „Ein Teil der Bourgeoisie“. qed.
    Dabei sind Sie auch noch doof. Denn wenn Sie mich wirklich hätten hereinlegen wollen, hätten Sie jene Stelle zitieren können, wo Marx sagt, dass „die Bourgeoisie“ (meint hier die Kapitalisten) „den Arzt, den Pfaffen, den Mann der Wissenschaften zu seinen bezehalten Lohnarbeitern gemacht“ habe.
    Also wat denn nu? Bourgeoisideologe oder bezahlter Lohnarbeiter?
    Es ist ein offensichtlicher Widerspruch, etwas, was verklemmte, buchgläubige Ideologen wie Sie, der Sie seit 45 Jahren offensichtlich nichts dazu gelernt haben, auf den Tod nicht aushalten können.
    Wir haben damals in der ZL des KSV, und das war richtig, die These von den „bezahlten Lohnarbeitern“ verworfen, die von der DKP benutzt wurde, um die gewerkschaftliche Organisierung der Studenten zu propagieren, und haben die Studenten im wesentlichen als „Bourgeois-Ideologen“ betrachtet, die eben nicht „im Hinblick auf ihren bevorstehenden Übergang ins Proletariat revolutionär“ seien, sondern die aufgrund ihrer „Kenntnis der historischen Bewegung“ sich entschließen können, „dem Volke zu dienen“. Das haben Sie vermutlich damals nicht verstanden, und das verstehen Sie bis heute nicht., Aber das ist Ihr Problem, meines schon lange nicht mehr.

  14. avatar

    http://www.zeit.de/2014/14/ukr.....ds/seite-2

    „Die Amerikaner scheinen das nicht riskieren zu wollen. Während der Verhandlungen über das Hilfsprogramm meldete sich Barack Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes mit der Forderung zu Wort, dieses müsse „sehr robust“ ausfallen. Im Klartext: Auf einen Dollar mehr oder weniger kommt es jetzt nicht an. In jedem Fall ist auffällig, wie viel Wert die internationalen Geldgeber darauf legen, Reformen sozial abzufedern. Beispiel Gas: Die Regierung soll Subventionen zusammenstreichen, um das Budget zu entlasten und der verbreiteten Energieverschwendung Einhalt zu gebieten. Als Ausgleich sollen einkommensschwache Haushalte nun aber eine Transferzahlungen erhalten.“

    Das ist eine gute Nachricht. Zusammengerechnet und durch ein Dutzend Industrienationen geteilt, sind das keine großen Beträge. Deutschlands Anteil ist nicht mal halb so hoch, wie der Betrag, den der Freistaat Bayern in der HypoAlpeAdria Bank in Kärnten versenkt hat.

    Wenn damit die Ukraine nicht aufzubauen ist, wie lautet dann das Konzept für Zentral-Afrika?

  15. avatar

    Werter Herr Posener, Sie sollten das Manifest erst einmal (wieder?) lesen, bevor Sie darauf verweisen:

    „Unter Bourgeoisie wird die Klasse der modernen Kapitalisten verstanden, die Besitzer der gesellschaftlichen Produktionsmittel sind und Lohnarbeit ausnutzen…“ (Manifest der Kommunistischen Partei, Fußnote von Engels).

    Posener: „Ihre Definition des Bourgeois ist freilich nicht nur in der Sache falsch, sondern sogar im Rahmen des Marxismus falsch“. Das war wohl nix, Herr Posener. Damit können Sie zwar in der BILD-Redaktion glänzen, aber nicht bei mir. Setzen, 5!

    Und wo bitte steht: „Marx bezeichnet sich selbst im “Manifest” als “Bourgeois-Ideologen“ (Original-Ton Posener)?

    Richtig heißt es im Manifest: „Wie daher früher ein Teil des Adels zur Bourgeoisie überging, so geht jetzt ein Teil der Bourgeoisie zum Proletariat über, und namentlich ein Teil dieser Bourgeoisideologen, welche zum theoretischen Verständnis der ganzen geschichtlichen Bewegung sich hinaufgearbeitet haben“ (Manifest der Kommunistischen Partei).

    Aber hier geht es gar nicht um die Frage, wie Marx sich (vielleicht) selbst sah. Es ging mir um die Zwischenschichten oder – wie Marx sie im Manifest bezeichnete – die Mittelstände: „Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, sie alle bekämpfen die Bourgeoisie, um ihre Existenz als Mittelstände vor dem Untergang zu sichern. Sie sind also nicht revolutionär, sondern konservativ. Noch mehr, sie sind reaktionär, sie suchen das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Sind sie revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen.“

    Es bleibt den Lesern überlassen zu beurteilen, wie man Herrn Posener damals und heute einordnen sollte.

    Mein Urteil steht schon lange fest: Es war ein Fehler, Sie im Sommer 1975 nicht auszuschließen!

  16. avatar

    Jo, lucas, das stimmt. Es ist wohl ungenau, von „den“ Antideutschen zu sprechen.
    Und, lieber Bernhard Müller, danke für die Blumen (im West-Berliner Zentralrat der Schüler anno 70/71 „ganz gut geschlagen“.)
    Ich habe keinen „unbändigen Drang, Leute zu outen“. Es ist aber absurd, mich einerseits anzugreifen mit angeblichem Insiderwissen, andererseits aber die eigene Rolle verschleiern zu wollen. Und völlig überflüssig, es sei denn, man ist paranoid. Es muss heute niemand Nachteile befürchten, weil er damals Verfassungsfeind war. Man kann es sogar bis zum Bundesaußenminister bringen. Also tun Sie nicht so empört.
    Ihre Definition des Bourgeois ist freilich nicht nur in der Sache falsch, sondern sogar im Rahmen des Marxismus falsch. Marx bezeichnet sich selbst im „Manifest“ als „Bourgeois-Ideologen“. Nicht als „Ideologen der Bourgeoisie“, wohlgemerkt. Bourgeois sein hat weder mit der Höhe des Einkommens noch mit dem Besitz an Produktionsmitteln zu tun. Aber wie die meisten Linken haben Sie nicht einmal elementare Kenntnisse der theoretischen Grundlagen des Marxismus.

  17. avatar

    Nice try, Daniel. Aber es wird Ihnen nicht gelingen, diese Website zu kapern und die Diskussion von den Vorgängen in der Krim abzulenken, auch wenn die Antideutschen, die zusammen mit der extremen Rechten und einer Reihe linker Antisemiten als Claqueure Putins auftreten, das gerne sähen. Wenn so viele Leute aus der DIG mit mir über das Treiben der Antideutschen diskutieren wollen, dann stehe ich ihnen jederzeit und an jedem Ort zur Verfügung. Bisher hat niemand aus der Gruppe mich mit einem diesbezüglichen Vorschlag kontaktiert. Sie werden wissen, warum.

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    Lieber Herr Posener, vielen Dank für den Hinweis auf „Hamlet und das Manifest“. Ich hätte (im Kontext dieses Threads, in dem es ja auch um antisemitische Tendenzen in Solschenizyns Werk ging) nur noch eine kurze Nachfrage in eigener Sache, die durchaus nicht auf mangelnde Recherche aufgrund eines mangelhaft ausgebildeten Interesses zurückgeht.

    In Ihrer Glosse vom 5.6.2013 bemerkten Sie im Zusammenhang mit der Aktivität der DIG-Hochschulgruppe Rostock: „Die Antideutschen benutzen den guten Namen der DIG, um Nachwuchs für ihre Schulungen in Sachen ‚Ideologiekritik‘ zu rekrutieren und gegen vermeintliche Antisemiten zu hetzen, also gegen jeden, der ihrem Treiben die Stirn bietet.“ Ich habe bis heute aus öffentlich zugänglichen Quellen keinen erläuternden Hinweis darauf finden können, gegen wen wir aufgrund dessen, dass er uns die Stirn geboten hätte (inwiefern?), als vermeintlichen Antisemiten gehetzt haben sollen. Dabei kenne ich den Fundus der Veröffentlichungen unserer Hochschulgruppe und über unsere Hochschulgruppe recht gut, und Sie werden verstehen, dass ich es, selbst wenn ich nicht selbst Gründungsmitglied dieser Gruppe wäre, es schon allein als DIG-Mitglied als schweren Vorwurf betrachten müsste, wenn jemand behauptet, ein Teil der DIG gebe sich dafür her, Nichtantisemiten des Antisemitismus zu beschuldigen, um gegen sie (als vermeintliche Antisemiten) zu hetzen. (Dass also im Kern der Vorwurf interessierter Kreise zuträfe, zumindest Teile der „Israel-Lobby“ betrieben eine Politik der Einschüchterung in Gestalt der „Antisemitismus-Keule“.) Nicht nur ich, sondern zahlreiche weitere DIG-Mitglieder wären hier an einer Aufklärung interessiert.

  19. avatar

    Lieber Herr Schikora, Ihr Interesse an meiner Person ist schmeichelhaft, aber irregeleitet. Was meine politische Entwicklung angeht, so habe ich mich dazu so oft geäußert – sowohl in der „Welt“ als auch hier -, dass ich Ihre Fragen nur auf mangelnde Recherche – und insofern auch auf ein gesundes Desinteresse an meiner Person – zurückführen kann.
    Um dennoch das von Ihnen angesprochene Verhältnis zwischen Marx und Stalin nicht völlig unbeantwortet zu lassen:
    1. Ich zitiere zuweilen zustimmend Marx; das würde ich nicht tun, hielte ich die Entwicklung hin zum Stalinismus für zwingend.
    2. In „Sinn und Form“ 6/1993 habe ich in einem – zugegeben nicht 100 Prozent ernst gemeinten, postmodern-spielerischen – Aufsatz mit dem Titel „Hamlet und das Manifest“ auch diese Frage behandelt. Die Zeitschrift ist nicht online, wohl aber in den meisten Uni-Bibliotheken einsehbar.

  20. avatar

    Alan Posener: „Und, Daniel Leon Schikora: Hat Solschenizyn im “Archipel Gulag” die Wirklichkeit beschrieben, ja oder nein? Oder haben Sie, weil Ihnen die klerikalreaktionäre Entwicklung des Mannes nicht gefiel, sein Werk erst gar nicht gelesen? Es gehörte – neben Koestlers “Sonnenfinsternis”, Poppers “Offene Gesellschaft” und Buber-Neumanns “als Gefangene bei Hitler und Stalin” zu den ersten Büchern, die ich nach dem Erwachen aus der kommunistischen Umnachtung las. Pflichtlektüre, wenn man das 20. Jahrhundert verstehen will.“

    Solschenizyns „Archipel Gulag“ beschreibt minutiös die barbarischen Auswirkungen bestimmter Momente staatssozialistischer Herrschaftsausübung, die Wirklichkeit einer millionenfachen Verletzung elementarer zivilstaatlicher Normen, für die es keine Rechtfertigung geben kann. Ich las das Werk bereits vor vielen Jahren als Schüler (und referierte über es), wobei ich nicht verhehlen möchte, dass es damals auf mich als linken Jugendlichen außerordentlich verstörend gewirkt hat.

    Allerdings teile ich die Interpretation des von Solschenizyn beschriebenen staatsterroristischen Systems als einer Konsequenz „marxistischer“ (oder letztlich jakobinischer) Sehnsucht nach einer befreiten Gesellschaft – „dass die Baupläne des Systems selbst auf schreckliche Weise missraten seien und immer nur wieder zu Gefängnis und Stacheldraht führen könnten“, „der stalinistische Terror“ mithin „kein Betriebsunfall der Geschichte, sondern Wesensmerkmal der marxistischen Ideologie“ sei (Frank Schirrmacher) – nicht. Und ich bedauere, in meinem Nachruf auf Solschenizyn 2008 nicht kritisch auf das antijakobinische Geschichtsverständnis eingegangen zu sein, das der Bewertung der Herrschaft der KPdSU(B) durch Solschenizyn zugrunde liegt.

    P. S.: Mich würde interessieren, ob Sie das mit der maoistischen „Kulturrevolution“ assoziierte System „totalitärer“ Herrschaftsausübung eher als eine Radikalisierung des sowjetischen Modells begreifen, oder als einen „Totalitarismus“ neuer Qualität. Ich kann nicht umhin, ein gewisses Befremden darüber zum Ausdruck zu bringen, dass in den Proklamationen ex-maoistischer Kader, die sich – wie etwa Stéphane Courtois – zu bekennenden Antikommunisten gemausert haben, die „Bilanz“ der Herrschaft der KP China stets umstandslos „dem Kommunismus“ (im Sinne des „leninistisch“-„stalinistischen“ Modells) zugeschlagen wird, ohne dass diese Leute sich in irgendeiner Weise damit auseinandersetzen würden, aus welchem Grunde sie selbst einst als ‚radikale Kommunisten‘ weltpolitisch in dem „sowjetischen Sozialimperialismus“ der 1970er Jahre nicht etwa einen unter mehreren Feinden, sondern den Hauptfeind der Menschheit sahen. Haben Sie damals in diesem Kontext die Lektüre des „Archipel Gulag“ eher als Bestätigung der antisowjetischen Positionierung der „KPD“ angesehen – oder aber als Bestätigung Ihrer Abwendung von der „KPD“, da die Thematisierung des Archipel Gulag den Maoismus mitmeinte?

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    Posener schrieb: „… Wie Sie ja wissen, entkommt man seiner Klasse nicht. Ich war also auch … als KSV- und KPD-Kader ein Bourgeois…“

    Was denn, Sie besaßen damals Produktionsmittel? Sie wissen ja hoffentlich noch aus dem Grundkurs, was Produktionsmittel sind?

    Und da Sie auch kein Proletarier waren, gehörten Sie wie ich und viele andere KSV-Mitglieder damals zu der Zwischenschicht der Akademiker.

    Sie hätten – rückblickend – damals vielleicht gern ein bourgeoises Leben führen wollen, sich aber de facto zweitweise gegen die Bourgeoisie entschieden (und – wenn ich an Ihre Zeit im Westberliner ZR denke – dort auch ganz gut geschlagen. Leider ist von Ihrem Talent, Leute überzeugen zu können, nicht viel übrig geblieben).

    Auch heute sind Sie kein Bourgeois (Original-Ton Posener: „… Tätigkeiten werden … ganz passabel entlohnt“), auch wenn Sie vermutlich aus innerer Überzeugung für diese Klasse gerne arbeiten.

    Posener fragte dann: „Sind Sie übrigens DER Bernhard Müller, der an der PH studierte, schon damals als Dogmatiker verschrien war und bei dem wir zu Beginn unserer Dortmunder Zeit wohnten?“

    Nee, nee, Müllers gibt’s ja wie Sand am Meer. Auch viele verbohrte.
    🙂

    Aber Sie haben anscheinend einen unbändigen Drang, ehemalige Genossen in der Öffentlichkeit zu outen, was auch schon anderen in früheren Posener-Blogs auffiel. Auch wenn unter http://de.wikipedia.org/wiki/K.....isation%29 und http://de.wikipedia.org/wiki/K.....tenverband schon etliche Personen geoutet wurden, muss man diese Liste nicht unnötig erweitern…
    🙁

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    Lieber Bernhard Müller, Sie sind auf Ihre Weise genau so verbohrt wie der Blonde Hans. Aber wenn Sie unterstellen, „die Bourgeoisie“ hätte mir eine Liste mit Büchern vorgelegt, die ich zu lesen habe, damit ich wieder „in ihr Schoß aufgenommen“ werde, so ist dem nicht so. Wie Sie ja wissen, entkommt man seiner Klasse nicht. Ich war also auch – Rainer Werner und seine Freunde würden sagen: erst recht – als KSV- und KPD-Kader ein Bourgeois. Dementsprechend gab es keinen zu entrichtenden „Preis“ für die Verbeamtung als Studienrat und die Arbeit für Axel Springer. Im Gegenteil. beide Tätigkeiten werden – danke der Nachfrage – ganz passabel entlohnt.
    Sind Sie übrigens DER Bernhard Müller, der an der PH studierte, schon damals als Dogmatiker verschrien war und bei dem wir zu Beginn unserer Dortmunder Zeit wohnten? Das wäre eine lustige Wiederbegegnung.

  23. avatar

    Posener schrieb: „… zu den ersten Büchern, die ich nach dem Erwachen aus der kommunistischen Umnachtung las. Pflichtlektüre, wenn man das 20. Jahrhundert verstehen will“.

    Solschenizyn, Koestler, Popper und Buber-Neumann – Pflichtlektüre, um in den Schoß der Bourgeoisie wieder aufgenommen zu werden?

    Posener schrieb weiter: „… wenn “Kurt Schmid” damals nicht die Solidarnosc und den US-Imperialismus … unterstützt hätte…“.

    War das der Preis, um damals als Lehrer verbeamtet zu werden und später für die Springer-Presse arbeiten zu dürfen?

  24. avatar

    Tja, Bernhard Müller, wenn „Kurt Schmid“ damals nicht die Solidarnosc und den US-Imperialismus, sondern die polnische ML-Bewegung und das internationale Proletariat unterstützt hätte, dann lebten wir heute im maoistischen Paradies? I don’t think so.
    Und, Daniel Leon Schikora: Hat Solschenizyn im „Archipel Gulag“ die Wirklichkeit beschrieben, ja oder nein? Oder haben Sie, weil Ihnen die klerikalreaktionäre Entwicklung des Mannes nicht gefiel, sein Werk erst gar nicht gelesen? Es gehörte – neben Koestlers „Sonnenfinsternis“, Poppers „Offene Gesellschaft“ und Buber-Neumanns „als Gefangene bei Hitler und Stalin“ zu den ersten Büchern, die ich nach dem Erwachen aus der kommunistischen Umnachtung las. Pflichtlektüre, wenn man das 20. Jahrhundert verstehen will.

  25. avatar

    @lucas

    Ich habe keinen Grund, auf den Text meines im August 2008 verfassten Nachrufs auf Alexander Solschenizyn besonders stolz zu sein. Gerade im Hinblick auf die von mir erwähnten „Irritationen“, die Solschenizyn „seit den 1990er Jahren vielfach bei einigen seiner (zeitweiligen) Sympathisanten im „Westen“ hervor[rief], die – wie auch André Glucksmann – unter dem Banner der Verurteilung des Sowjettotalitarismus – aus ihrer feindseligen Haltung auch gegenüber dem gegenwärtigen Rußland Jelzins und Putins sowie dessen (vermeintlichen oder wirklichen) weltpolitischen Ambitionen keinen Hehl machten“, hätte ich mir auch schon damals die Frage stellen können, ob nicht bereits die Rezeption des „Archipel Gulag“ durch André Glucksmann und BHL im Kontext einer antikommunistischen Kampagne in den 1970er Jahren Ausdruck jener Feindbestimmung war, die diese äußerste Rechte Frankreichs nur wenig später afghanistanpolitisch Hekmatyar und Bin Ladin unterstützen ließ – bevor sie seit den 1990er Jahren Partei für die Serbenmörder Tudjman, Izetbegovic und Thaci Partei bezogen und, als wackere „Antiputinisten“, 1999/2000 für Maschadow trommelten, 2008 für Saakaschwilis Überfall auf Südossetien, 2013/14 für „Swoboda“.

    Auch die Maxime „De mortuis nil nisi bene“ kann im konkreten Fall nicht die Ausblendung des Zusammenhangs zwischen dem „patriotischen Konservatismus“ Solschenizyns, dessen antimodernistische Schlagseite tatsächlich nicht in Abrede gestellt werden kann, und der „erfolgreichen“ Inanspruchnahme seines Werks in den antisowjetischen Kampagnen der französischen radikalen Rechten à la Glucksmann, BHL oder Stéphane Courtois entschuldigen.

  26. avatar

    „7. “Und wie hätten Sie das vor 40 Jahren gesehen?”
    Keine Ahnung…. Wir waren, was Ost-Deutschland und Osteuropa betraf, der ansicht, dass es eine demokratische und nationale Revolution gegen diese neuen Zahren geben müsse…“

    Auch wenn die Politik der Partei ab Februar 1975 sich in der Übernahme der Drei-Welten-Theorie der chinesischen KP ausdrückte, wollten wir für Deutschland immer noch die Diktatur des Proletariats in einem unabhängigen, vereinten und sozialistischen Deutschland erkämpfen, Herr Posener (alias Kurt Schmid während seiner revolutionären Jahre mit dem KPD-Parteistern am Revers).

    Selbstkritisch muss ich allerdings eingestehen, dass auch ich als KSV-Mitglied die nationalen Tendenzen in der KPD-Politik ab 1975 nicht erkannte (oder vielleicht nicht sehen wollte?).

    Statt die äußerst schwachen ML-Bewegungen in Osteuropa im Kampf für den Aufbau revolutionäreer Parteien zu unterstützen, bejubelte die Redaktion der Roten Fahne (wie auch die des KSV-Zentralorgans „Dem Volke Dienen“ und des KJVD-Zentralorgans „Kämpfenden Jugend“) die bürgerlichen und klerikalen Bewegungen in Osteuropa. Leider.

    Von der fatalen Fehleinschätzung des sowjetischen Sozialimperialismus als der aufstrebenden Supermacht mal ganz zu schweigen.

    BTW: Es ging um die Zaren, nicht um Zahren.

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    Lieber 68er, der Hinweis auf Putins (noch) fehlende Massenbewegung ist richtig und wichtig. Doch meines Erachtens braucht der Faschismus – im Gegensatz zu totalitären Bewegungen wie Nationalsozialismus und Bolschewismus – nicht unbedingt eine organisierte Massenbasis. Man denke an den Klerikalfaschismus in Österreich und der Slowakei; oder an Pinochets Modernisierungsdiktatur in Chile.
    Das Interessante an Putin scheint mir seine Entwicklung zu sein. Zuerst war er ein Modernisierungs-Autokrat: Ordnung schaffen, den Kapitalismus an die staatliche Leine legen, die Oligarchen entweder kooptieren oder kriminalisieren. Zunehmend jedoch – und in dem Maße, wie es sich zeigt, dass Russlands Modernisierung nicht vorankommt und dass die neue Mittelschicht frustriert ist – versucht Putin, eine auch ideologisch geprägte (und von Schirinowski inspirierte) Massenbewegung aufzuziehen, die rassistisch, imperialistisch, antiwestlich, nationalreligiös, isamophob und homophob ist. Und, wie ich gezeigt habe: unter Teilen der westlichen Konservativen und Reaktionäre (AfD, Jürgen Elsässer) kommt das durchaus an.

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    Err.: Ich verstehe folgendes: Der Schachspieler Putin nutzt das Machvakuum, das die EU aufgrund eines Systemdefektes hinterlässt.

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    Ich verstehe folgendes: Der Schachspieler Putin nutzt das Machvakuum, die EU aufgrund eines Systemdefektes hinterlässt. Putins Einschüchterungspolitik ist nicht ohne das das moralische (Lampedusa) und geopolitische (keine gemeinsame Außenpolitik) Versagen Europas denkbar, also kommunizierende Röhren. Die Krim ist hier das Menetekel, islamistische Länder und ‚Afrika‘ werden das fortsetzen. Was Macht die EU falsch? Sie macht den größten (Erziehungs-) Fehler, den es gibt: Anstatt sich in ihrer eigenen moralischen Werte zu besinnen und wenige, aber dafür klare Regeln von ihren Mitgliedern (Freiheitsrechte) einzufordern, macht sie 100.000 Regeln (die keineswegs alle falsch sind), die aber nur mit Hilfe enormer Subventionen überhaupt einzuhalten sind. Das Versprechen der EU ist die Subvention durch eine stets überforderte Bürokratie, die nicht damit nachkommt, Interessengruppen zu bedienen. Das Versprechen von Putin ist Stärke und Schutz. Man muss nicht lange überlegen, was (nicht nur) schlecht bezahlte Arbeiter im Doneck-Becken bevorzugen. Und nicht wegen des russischen Staatsfernsehens.

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    und ist das hier eigentlich n freudscher versprecher?:
    „Der Faschismus sitzt dort, wo er propagandistisch bekämpft wird.“ 😀 😀 😀

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    @Alan Posener
    „Es ist auf jeden Fall imperiales Gehabe, und das gehört untrennbar zum Faschismus. Es geht nicht nur um russischen Nationalismus, sondern um die enge Verquickung von nationalem und imperialem Programm.“
    so so, na dann leben wir ja auch im Faschismus. Was wir dann haben ist westlicher oder europäischer (also auch irgendwie nationaler) Imperialismus und damit Faschismus, oder wie?

    „[…]dem Staat die entscheidende Rolle in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konflikten überträgt[…]“ klingt ja wie die EU x)

    „Er versucht, selbst die Gesellschaft auf faschistisch-korporatistische Weise freizuhalten von Konflikten. Die Partei „Einiges Russland“ belegt das. “ deutsche Nationalhymne? Einigkeit und bla und bla? „Die demokratischen Institutionen sind ausgehöhlt, bestehen aber weiter; eine Opposition gibt es praktisch nicht; “ Mensch, zum Glück gibt’s bei uns noch eine Opposition im Bundestag…

    „[…] unscharfe „russische“ Zivilisation dagegengestellt.“ Na, wenigstens noch keine russische Volksgemeinschaft.

    „In Russland herrscht eine eigentümliche Art des Kapitalismus, wo der Staat die Zügel in der Hand hält und die Unternehmer an sich gebunden hat.“
    mhhm, erinnert mich an den deutschen Mittelstand oder Autokonzerne, die immer wieder nach Papi Staat schreien.

    „Die Oligarchen sind auf den Staat angewiesen, das „Putin-System“ auf seine „Steigbügelhalter“. “
    huch, ist die bürgerliche Klasse denn im Westen nicht auf den Staat angewiesen?

    „Mussolini halbnackt bei der Ernte, Putin halb nackt beim Angeln“
    Und Bush (ok, angezogen) beim Bäume schleppen:
    http://www.tocquevillian.com/media/CowboyBush.jpg

    „Während man OSZE-Beobachter von der Krim jagt, […]“
    Wie passt das zu diesem Artikel?:
    http://www.kyivpost.com/conten.....39003.html

    Da gefällt mir Kissingers Einwurf schon weit mehr.
    http://www.ipg-journal.de/komm.....litik-298/

    Dass Russland der Hort der Reaktion ist schließe ich übrigens nicht aus. Nur der von ihnen verlinkte Artikel ist teilweise ungenau und schießt über das Ziel hinaus.

  32. avatar

    Lieber Stevanovic

    „Einen Taksim oder Maidan kann ich mir nicht vorstellen, nicht etwa, weil die Leute nicht wollen.“

    Unterschätzen Sie die Chinesen nicht, gerade weil:

    „China ist modernisiert und bestimmt liebens- und lebenswerter geworden. “

    entstehen nichtmaterielle Bedürfnisse.

    Wir hatten in den vergangenen Jahren mehrmals die Gelegeheit mit den “ Mittelstandschinesen “ in der VR in Kontakt zukommen. Nach der materiellen Phase erwächst mehr und mehr der Wunsch nach Einfluß auf die politischen Strukturen.

    Siehe Bereich Umwelt, siehe Bereich Korruption

    Und ganz banal:
    Die Diskussion um das verschwundene Flugzeug hat auch in der VR zu einer Kritik an den Regierungsorganen geführt.

    Taksim ist m. E. überall möglich.

  33. avatar

    @Roland Ziegler
    wie wärs mit beidem gleichzeitig? Europäische Außen- und Energie- und Innenpolitik lässt sich wie gesagt prima kombinieren 🙂

    Unabhängig davon könnte es eine europäische Fremdenlegion geben, wie ich in ähnlicher Form gerade als Kommentar zu Michael Wolffsohns Forderung nach Wehrpflicht und einem Artikel zur Einwanderung gelesen habe.

    @68er
    Reaktion ist nach meinem Verständnis Abwendung von den liberalen Forderungen der französischen und amerikanischen bürgerlichen Revolutionen.
    @Alan Posener ihre Definition mit der Moderne kann da denke ich ziemlich daneben gehen, vergessen sie die reaktionären Modernisten nicht 🙂 Weiteres Beispiel sind die Protofaschisten des Freistaats Fiume. Gegen Frauenwahlrecht hatten die nichts: http://en.wikisource.org/wiki/.....n_of_Fiume
    Weiterhin muss ich ihnen, @Alan Posener auch teilweise im Bezug auf die Sowjetunion widersprechen. Die Sowjetunion war nicht durchgehend reaktionär.
    Oder wie es in folgendem Artikel kurz angesprochen wird, „Den zwanzig Jahren des Aufstiegs auf vielen Gebieten des Lebens folgten vierzig Jahre des staatlichen Antisemitismus und des Niedergangs.“:
    http://www.berliner-zeitung.de.....20564.html

    Dieser Artikel ist übrigens eine tolle Antwort für sie, @Daniel Leon Schikora, wo sie als Putinfan und Antideutscher doch Solschenizyn so verehren und in Schutz nehmen (http://danielleonschikora.blog.....arist.html).

    Was China angeht. Die Wissen glaube ich recht gut, ihre neuen Kleinbürger auf äußerliche Feinde zu lenken … http://www.theguardian.com/wor.....oyo-island

    @Roland Ziegler
    „Das sind nicht gerade die liberalen Demokraten, die so ein Bündnis wollen. Ich glaube, diese Fraktion in beiden Ländern wird sich die Reaktion auf die Krim gut anschauen. Meine größte Hoffnung ist die natürliche Paranoia dieser Denkschulen.“ versteh ich nicht ganz, welche beiden Länder und welche Paranoia, welcher Denkschulen?

  34. avatar

    „Die KPD/AO war ja entschieden anti-sowjetisch. Wir brachten ein Buch heraus mit dem titel “Die neuen Zaren”. Damit waren Breschnew und Co. gemient. Zu dieser Nomenklatura gehörte damals Putin. Wir waren, was Ost-Deutschland und Osteuropa betraf, der ansicht, dass es eine demokratische und nationale Revolution gegen diese neuen Zahren geben müsse. Nicht zufällig gehörten ehemalige KPD/AOler wie Helga Hirsch, Elisabeth Weber, Christian Semler zu den ersten Unterstützern der Solidarnosc in Polen, und sind auch deshalb vom polnischen Staat geehrt worden. Insofern bin ich gar nicht SO weit entfernt von meiner damaligen Position. Ob das gut ist (manchen Idealen immerhin bleibt er true) oder schlecht (immer noch ein Maoist, mit Neocon-Ansichten garniert), müssen Sie entscheiden.“

    Ich bin sehr zufrieden mit dieser Klarstellung. Vielleicht werden Alan Posener, Christian Semler und Ralf Fücks demnächst ja auch in einem kommunistenfreien Lwiw oder Kiew mit einem Freiheitspreis ausgezeichnet werden. Ich wäre jedenfalls der letzte, der dies als unverdient bezeichnen würde.

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