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Danke, Präsident Gauck!

Wer mich kennt, weiß, dass ich die Amtsführung Joachim Gaucks bisher durchaus kritisch begleitet habe. Da gab es die nachträglichen Korrekturen an der Feststellung seines Amtsvorgängers, der Islam gehöre zu Deutschland. Da gab es die Korrektur der Feststellung der Bundeskanzlerin vor der Knesset, die Sicherheit Israels gehöre zur deutschen Staatsräson. (Und zwar ausgerechnet während eines offiziellen Israel-Besuchs und auf dem Gelände von Yad Vashem!)

Da gab es die verkorkste Kritik an ungenannten Leuten, die aus dem Holocaust angeblich eine Ersatzreligion machten, verbunden mit einer sehr merkwürdigen Kritik an der Moderne. Da gab es sein Versagen bei der Erklärung der deutschen Europa-Politik, verbunden mit einer Kanzlerin- und Medienschelte. Da gab es seine Kritik am „Tugendfuror“ anlässlich der Brüderle-Dirndl-Affäre. 

Wen es interessiert –

Hier meine Kritik an Gaucks Israel-Äußerungen:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article106390686/Gaucks-gefaehrliche-Distanzierung-von-der-Kanzlerin.html

 

Hier meine Kritik an Gaucks Ausführungen zum Holocaust:

https://starke-meinungen.de/blog/2012/02/28/der-pfarrer-als-prasident-joachim-gauck-und-der-holocaust/

 

Hier Richard Herzingers exzellente Kritik an Gaucks Kritik der Moderne – umso wichtiger, weil sie im Kontext einer Verteidigung Gaucks erfolgt:

http://freie.welt.de/2012/02/29/beate-klarsfeld-und-die-antifaschistishe-anti-gauck-strategie-der-linkspartei/

 

 

Hier meine Kritik an Gaucks Äußerungen zum „Tugendfuror“:

http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article114160940/Gauck-und-die-Frauen.html

 

Soweit die Kritik. Nun gilt es aber, Joachim Gauck zu loben. Denn seine öffentliche – und offensichtlich nicht mit der Kanzlerin abgesprochene – Ankündigung, nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi zu fahren, hat offensichtlich mit beigetragen zu Wladimir Putins Entscheidung, einige prominente Kritiker seines Regimes freizulassen, darunter die Frauen von Pussy Riot und Michail Chodorkowski.

Man kann mit Grund der Meinung sein, dass Putin diese Gesten nur macht, um Kritiker im Westen zu beruhigen im Vorfeld der Winterspiele, die als Werbeveranstaltung das neue Zarentum Putins legitimieren sollen. Man kann und muss darauf hinweisen, dass die Machtverhältnisse im Inneren unverändert bleiben, die Gesetzgebung gegen Schwule und Lesben ja nicht zurückgenommen wird, die Taktik des Kreml, mit offenem Rassismus und Chauvinismus die eigene Macht zu festigen, aufrechterhalten wird; ganz zu schweigen von Putins aggressiver Außenpolitik: dem Versuch, die Ukraine und Armenien einzubeziehen in einen neuen russisch-dominierten eurasischen Machtblock, der Stationierung von Atomraketen in Königsberg, der militärischen Einschüchterung von Ländern wie Georgien und Moldawien, die nach Europa streben, der Unterstützung von Finsterlingen wie dem syrischen Diktator Assad und überhaupt der zumeist destruktiven Politik Russlands im Weltsicherheitsrat.

Geschenkt. Aber wenn schon die Geste des realpolitisch machtlosen Bundespräsidenten solche Folgen haben kann, muss man sich fragen, wie sicher sich Putin wirklich fühlt und was der Westen – im Interesse der russischen Bevölkerung und der Demokratie  – erreichen könnte, wenn mehr Staatsmänner und –Frauen dem Beispiel des Bundespräsidenten folgen würden. An dieser Stelle reicht es aber, Joachim Gauck für seine folgenreiche Geste danke zu sagen.

Frohes Fest allerseits!

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5 Gedanken zu “Danke, Präsident Gauck!;”

  1. avatar

    Sie haben recht, Herr Posener, mit der Bekräftigung der Feststellung, dass die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsraison gehört – allerdings aus anderen Gründen als den behaupteten. Das zionistische Israel, und ein anderes gibt es bis auf Weiteres nicht, hat zum einen seit jeher die Funktion, westliche ökonomische und strategische Interessen gegenüber der arabischen oder allgemeiner nah- und mittelöstlichen Bewegung der Befreiung vom Imperialismus in seiner kolonialen und neokolonialen Gestalt zu verteidigen. Der katastrophale Zustand dieser „Befreiungsbewegung“ ist nicht zuletzt auch Ergebnis des Charakters und der Politik des Staates Israel. Zum anderen hat die Unterstützung für den zionistischen Siedlerstaat, durch dessen Gründung und Existenz den Palästinensern die Rechnung für den Holocaust präsentiert wurde, die angenehme Nebenwirkung, davon abzulenken, dass zumindest bis weit in die 60er Jahre hinein ein nicht unerheblicher Teil des politischen und wirtschaftlichen Personals der BRD sich aus Leuten rekrutierte, die auf die eine oder andere Weise in die Politik des Nazi-Regimes und seines exterminatorischen Antisemitismus verstrickt waren. Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit der Unterstützung Israels eine deutsche Kollektivschuld am Holocaust suggeriert und damit einen Beitrag zur völkischen Einheit jenseits aller antagonistischen sozialen Interessen leistet.

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    Hey, habe vor 20 Min. hier etwas angemerkt. Jetzt ist es weg. Löscht der Autor jetzt etwa schon selbst, was ihm mißliebig ist? Dann besser nicht am Putin-Bashing teilnehmen.

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    A. Posener überzieht, wie immer. Das ist sein gutes Recht, aber es ermüdet auch. Befangenheit ist kein guter Ratgeber, macht seine Kommentare derart vorhersehbar, dass man sie eigentlich nicht mehr lesen muss. Schade, das war mal anders…

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