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Rückblick auf den Ausblick – 2015 im Rückspiegel

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich einen Jahresausblick für das Jahr 2015 gewagt und angekündigt, dass ich 100 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung spenden werde, wenn ich nicht mit mindestens acht von zehn Vorhersagen richtig liege. Das Ziel habe ich, das lässt sich an dieser Stelle schon sagen, verfehlt. Daher freue ich mich über Vorschläge für Spendenempfänger in der Kommentarspalte. Hier nun aber ein Blick auf die Vorhersagen im Detail.

  1. In Sachen Europa

Meine Hypothese war, dass Syriza bei den Wahlen in Griechenland schwächer abschneidet, als gedacht, der proeuropäische Kurs fortgesetzt und die Austeritätspolitik gleichzeitig abgeschwächt wird und der Euro bleibt. In Bezug auf Syriza lag ich offensichtlich daneben, der Rest hat sich allerdings bestätigt. Nur eben mit Syriza an der Spitze. Ich gebe mir mal einen halben Punkt. Weiterlesen

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Plädoyer für eine gottlose Politik

Ich habe eine Nacht mit George W. Bush verbracht, dem Erfinder des Krieges gegen den Terror, und es war ein Alptraum. Aber dazu später. Beginnen wir mit etwas Weihnachtlichem. „Frieden“, säuselt der Weihnachtsengel allenthalben, „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“

Wir gehen in die besinnlichere Jahreszeit, in der das Christentum die Geburt des Heilands feiert und sich die Familien um den Weihnachtsbaum versammeln, um sich beschenkt und erleuchtet als gesegnete Gemeinschaft zu erleben. Das christliche Abendland feiert sich selbst. Die Leitkultur hat auf allen Plätzen Hüttendörfer errichtet, in denen Glühwein ausgeschenkt wird, vorzugsweise mit Schuss. Dazu gibt es Bratfisch und Zuckerwatte. Hosianna. Politik hat Pause, auch die große. Weiterlesen

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Und dann ist der Wulff allein – Warum Roland Koch die Politik verlässt

Schade, dass das Lied von den zehn kleinen Negerlein politisch nicht mehr korrekt ist. Doch mit der Abschiebung von Günter Oettinger, der  Abwahl von Jürgen Rüttgers und dem heutigen Abgang von Roland Koch ist nur noch einer von denen übrig, die Angela Merkel 2002 im Magdeburger Parkhotel „Herrenkrug“ zur damaligen Aufgabe jedes Gedankens an eine Kanzlerkandidatur gezwungen haben.

Kleine Rückblende: Führende Herren in der Union hatten sich damals auf Edmund Stoiber als Unions-Kanzlerkandidaten festgelegt. Das sollte Merkel am 11. Januar abends in besagter Lokalität mitgeteilt werden. Die CDU-Chefin war allerdings schneller und frühstückte morgens mit Stoiber, wo sie ihn über ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur informierte. Weiterlesen

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Bei Westerwelle ist Politik kein schmutziges Geschäft, nur ein schmuddeliges

Montagmorgen, Flug nach Berlin, Business Class. Hier sitzen die, die es sich leisten können, und die Begünstigten, vulgo Schmarotzer. „Was möchten Sie lesen?“, fragt die freundliche Stewardess. Die kostenlos transportierten Bundestagsabgeordneten greifen nach den kostenlos angebotenen Magazinen.

Sie entfliehen Wahlkreis und Ehefrau und nähern sich der Metropole, ihrer Karriere und der Freundin (nicht immer, aber immer öfter). Mit seltsamer Ungeduld durchblättern sie SPIEGEL und FOCUS. Geschäftsleute in der Business Class erkennt man daran, dass sie die Tagespresse im Wirtschaftsteil beginnen oder beim Sport, Politiker am gierigen Griff nach den Magazinen. Die politische Klasse interessiert, welches Schwein in der nächsten Woche durch’s Dorf getrieben werden soll. Weiterlesen

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Bürgerlich – was ist das?

Angeblich werden wir von einer „bürgerlichen“ Koalition regiert. Doch Westerwelle ist so wenig eine bürgerliche Erscheinung wie Merkel; beide sind auf ihre Art so exzentrisch, so unbürgerlich, wie es einst Schröder und Fischer waren. Und das ist gut so. Denn eine bürgerliche Regierung wäre eine Regierung ohne Basis.  Das Bürgertum existiert als Klasse nicht mehr.

Zum Beweis müssen wir nur eine Galaveranstaltung der Berliner Republik besuchen, einen Ball oder Diner. Politprominenz und Partygirls finden wir da, Sportler, TV-Persönlichkeiten, halbseidene Adelige, Consulting-Größen, Top-Manager, Top-Models und Spitzenjournalisten. Kein Bürgertum, nirgends. Weiterlesen

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Wer regiert? Nach dem „Kapitalismus auf Pump“ ist starke Politik gefragt

„Ich glaube an die Deutsche Bank, denn die zahlt aus in bar“. Die Zeile aus einem Song von Marius Müller-Westernhagen aus den 80er Jahren gibt einen Stimmungstrend wider, der fast dreißig Jahre angehalten hat. Zehntausende junge Abiturienten und Akademiker zog es in diesen Jahren in den Finanzsektor.

„Aus Geld Geld machen“ war das Lebensziel einer ganzen Epoche, welche der Soziologe Ralf Dahrendorf in einem fulminanten Essay kurz vor seinem Tod in diesem Jahr als „Kapitalismus auf Pump“ beschrieb. Weiterlesen

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Die Banken sind wieder obenauf – und die Politik vergibt ihre Chancen, sie zu zähmen

Wie schnell sich die Machtverhältnisse ändern: Noch vor einem Jahr standen die Banker verzweifelt vor dem Kanzleramt, um dann in diversen Runden immer neue Hilfen von der Politik einzufordern. Gestern bot ein sichtlich vergnügter Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gönnerhaft an, seine und die anderen Banken könnten doch einen „Mittelstandsfonds“ auflegen. Damit sollen dann Firmen mit Krediten versorgt werden, die jetzt keine bekommen.

Das ist absurd. Nicht nur, weil es der Politik eine lange Nase dreht. Weiterlesen

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Warum wir mit weniger Wachstum so schwer umgehen können

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnt vor einer Kreditklemme. Zu Recht. Viele Unternehmen leiden darunter, dass die Banken ihnen kein Geld mehr borgen, oder die Kredite nur noch zu wesentlich ungünstigeren Konditionen herausrücken. Der Arbeitgeberpräsident will, dass der Staat eingreift und die Banken dazu bewegt, ihr normales Geschäft wieder aufzunehmen.

Normales Geschäft? Genau das will der Staat vermeiden, und er muss es auch vermeiden.

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Regieren heißt handeln – und dafür lieber die Mikrophone mal unbeachtet stehen lassen

Die neue Regierung bezeichnet sich gern als bürgerlich. Klingt seriös und verlässlich, ja, geradezu vertrauenerweckend. Und weil sie sich so selbst geadelt hat, muss die Regierung keine Rücksicht nehmen auf Unsicherheiten der Bevölkerung, was denn genau von der neuen Regierung zu erwarten ist.

Ganz im Gegenteil, sie ist sich der Bedeutung ihrer selbst und des Vertrauens, das sie verdient, so sicher, dass sie ruhig die Welt an ihren inneren Auseinandersetzungen und Hakeleien teilhaben lässt. Freimütig die Karenzzeit nutzend, in der von einer neuen Regierung noch keine nach außen sichtbaren Aktivitäten erwartet werden, fühlen sich die neuen Akteure in der Finanz- und Gesundheitspolitik offenbar ermutigt, unverzüglich die Bürgerinnen über ihre Differenzen untereinander in Kenntnis zu setzen. Weiterlesen

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Zeit, den Hund zu verspeisen

Ökologisch ordentlich verhalten sich Menschen, die kleine oder keine Autos fahren. Auch ein kleiner bis mittelgroßer Hund wird gerne in der Gesellschaft umweltbewusster und naturverbundener Menschen gesehen. Doch nun ist es Zeit, wenigstens in der Haustierfrage umzudenken. Neuseeländische Forscher haben ausgerechnet, wieviel Kohlendioxid ein Hund im Lauf seines Lebens verursacht. Und sie haben herausgefunden, dass der Hund genau so viel Kohlendioxid verursacht wie Bau und Betrieb eines Toyota Landcruiser, dessen Besitzer so um die 10000 Kilometer im Jahr fährt. Sie sagen: Für Menschen, die sich wirklich um die Umwelt sorgen, ist es Zeit, den Hund abzuschaffen. Weiterlesen

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Was graue Anzugsträger über Arbeitslosigkeit lernen müssen

Neulich an der Supermarktkasse wurde mir wieder bewusst, dass die großen Themen der  gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen im Wahljahr 2009 auch in meinem kleinen Alltag  entnebelt werden.

Frühmorgens also in einer deutschen Großstadt, eingeklemmt in der Warteschlange einer überforderten Kassiererin. Vor mir eine übermüdete junge Mutter mit zwei kleinen, ungeduldigen Kindern und wenig Geld. Um die drei Liter Milch und  vier Bananen auf dem Band zu bezahlen, kramte sie außergewöhnlich lange die restlichen Cents in ihrem Portemonnaie zusammen. Die drei ins Leben drängenden, vor Selbstbewusstsein strotzenden jungen Banker hinter mir wurden in ihren feinen Anzügen langsam ungeduldig und machten, zunächst leise, Bemerkungen über die wohl mickrigen Finanzen der jungen Frau. Weiterlesen

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