avatar

1000 Peitschenhiebe als Mahnung

Von Christoph Giesa:

Der deutsche Journalist Constantin Schreiber hat Texte des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi gesammelt, übersetzen lassen und als Buch herausgegeben („1000 Peitschenhiebe – Weil ich sage, was ich denke“). Nach der Lektüre erkennt man nicht nur, dass Badawi für Gedanken brutal bestraft wird, die hier in Deutschland unspektakulärer Mainstream sind. Vielmehr kann man auch Impulse mitnehmen, die der aktuellen Debatte rund um Flüchtlingsströme und Radikalisierung interessante neue Facetten hinzufügen.

Schon im Vorwort schreibt der Herausgeber:

Raif Badawi hat nicht den Weg gewählt, den Tausende andere junge Araber jedes Jahr wählen, und sich Richtung Westen verabschiedet. Dabei hat er die gleichen Beweggründe wie sie: Die jungen Saudis sind es leid, in Lebensmodelle gedrängt zu werden, die sich kaum mit der Moderne verbinden lassen. Sie wollen sagen, was sie denken; treffen, wen sie wollen; tragen, was sie mögen. Aber für diese Sehnsucht zu kämpfen und zu leiden, das trauen sich die wenigsten – und überlassen damit ihre Heimat denjenigen, die sie noch konservativer, noch strenger, noch rückwärtsgewandter machen wollen. Weiterlesen

avatar

Radikal –ein Roman wie ein Drehbuch für die derzeitige Eskalation

Von Christoph Giesa:

Yassin Musharbash, bei der Zeit unter anderem für die Themen Islamismus und Islamophobie zuständig und Autor des Blogs zum Thema (Link: http://blog.zeit.de/radikale-ansichten/) hat ein hoch aktuelles Buch geschrieben. Allerdings nicht heute, sondern vor vier Jahren. Es beschreibt faktisch die derzeitig zu beobachtende Eskalation, die Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte zwischen Islamismus und Rechtsradikalismus.

Der Plot ist an sich schnell erzählt, bildet er doch nur das Grundrauschen für die erschreckende Moral des Buches. Ein gemäßigt muslimischer Grünenpolitiker wird Abgeordneter – man muss ein wenig an Cem Özdemir denken bei der Beschreibung – und sorgt für große Hoffnungen in der muslimischen Community. Noch bevor er allerdings richtig Fuß fassen kann, wird er in einer Live-Sendung, die dem ZDF-Morgenmagazin sehr ähnlich scheint, von einer Bombe getötet. Mit ihm sterben viele der anwesenden Zuschauer und Mitarbeiter. Kurz danach taucht ein Bekennervideo von Al-Qaida im Netz auf, alles scheint klar.

Die Öffentlichkeit reagiert wie erwartet: Pauschaler Hass schlägt Muslimen entgegen, die sich als Reaktion darauf tatsächlich zu radikalisieren beginnen. Eine ehemalige Mitarbeiterin des umgekommenen Politikers und ein Islamexperte erkennen allerdings, dass die Erzählung Schwächen hat. Irgendwas scheint faul. Weiterlesen

Scroll To Top