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Sardinenbüchsenschlacht und Türenballett in Potsdam – Bettina Jahnke inszeniert „Der nackte Wahnsinn“ am Hans-Otto-Theater

Michael Frayns Stück „Der nackte Wahnsinn“ – im Original „Noises off,“ was man salopp auch mit „Halt die Klappe“ übersetzen könnte – ist ein in Deutschland vielgespielter Theatertext. Die aktuelle Inszenierung des Hans-Otto-Theaters in Potsdam gehört zum Besten, was aus dieser wahnsinigen Komödie zu machen ist. Und das Stück ist darüber hinaus eine Hommage an die Kunst des Schauspiels. Weiterlesen

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Tabuisierte Begriffe (1): Führung

Kürzlich las ich das Buch „Leadership“ von Henry Kissinger. Obwohl ich nie ein Bewunderer Kissingers war (persönlich begegnete ich ihm nur zweimal in kleinerer Runde, einmal im Springer-Journalisten-Club in Berlin, einmal in einem noch exklusiveren und darum erheblich schäbigeren Club in London), haben mir die Porträts politischer Führungsgestalten in diesem Buch gut gefallen, besonders die von Konrad Adenauer, Charles de Gaulle, Margaret Thatcher und Lee Kuan Yew. Die Porträts von Richard Nixon und Anwar as-Sadat haben es mir weniger angetan; vielleicht war Kissinger hier zu nahe dran. Aber darum geht es mir hier nicht.

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Perle des Klassizismus  

Perle des Klassizismus

Die Theaterstadt Meiningen ist etwas ganz Besonderes

Entdeckungslust kommt auf. Doch ganz so weit soll die Anfahrt für fünf Tage nicht sein. Also mal wieder nach Thüringen – diesmal nach Meiningen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen. Die Kreisstadt im fränkisch geprägten Süden Thüringens hat etwa 25.000 Bewohner, liegt im Tal der Werra und ist – man sieht es gleich – eine Perle des Klassizismus.

Meiningen war ab 1680 Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Meiningen. Und die Herzöge ließen besonders im 19. Jahrhundert großzügig bauen. Prächtige Straßen, ein die Stadt durchfließender Kanal, großzügige Villen! Wie so oft in Thüringen: alles noch da! „Thüringen ist mit Villen des Biedermeier, des Historismus vorzüglich italienischer Couleur, des Jugendstil und der zwanziger Jahre noch ziemlich gesegnet“, schreibt Günter Metken in seinem Buch „Reisen durch Europa“ – und diesem Reiz folgen wir immer wieder gerne. Hier wurde, als Folge der DDR-Zeit, viel weniger „durch hektisches Wachstum unkenntlich gemacht“.

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In der Thüringer Kleinstaaterei (10) – Erfurt, die preußische Provinz Sachsen

Nirgendwo in Deutschland währte die Kleinstaaterei so lange wie in Thüringen. Die Grafik unten (aus Wikipedia) zeigt die politischen Grenzen von 1910 auf. Erst mit dem (Reichs-)Gesetz vom 30. April 1920 wurde zum Folgetag das Land Thüringen aus 7 Einzelstaaten gebildet. Als „kleinthüringer Lösung“. Preußen war nicht bereit gewesen, auch nur einen Quadratzentimenter beizusteuern. Das geschah erst nach 1945. 7 plus 1 Sterne zieren deshalb heute das Thüringer Landeswappen. Thüringen – das Land mit den vielen Residenzen.

Erfurt

Haben Sie beim Gang durch Erfurt den Eindruck, etwas Uraltes zu betreten? Weiterlesen

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Songs von Leonard Cohen (8): Don’t Go Home With Your Hard-On

Wahrscheinlich könnte ich einen schönen Distinktionsgewinn einheimsen, wenn ich sagen würde, „Death of a Ladies‘ Man“ wäre mein Lieblingsalbum von Leonard Cohen. Leider wäre das gelogen, ich muss also auf den Originalitätsbonus verzichten. Aber ich mag das von Phil Spector produzierte Album doch; auch und gerade, weil Cohen hier mit seiner normalen Gesangsstimme auftritt, weil ihm Spector nicht die künstliche Tiefe gönnt, die zuweilen dazu dient, auch gedankliche Tiefe dort zu insinuieren, wo sie zum Glück nicht vorliegt.

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Mai 1990 in der DDR: Eine Amateur-Band aus dem Westen auf Abenteuerreise. Teil 2.

Vor 35 Jahren war ich mit meiner Heidelberger Band Purple Haze in der DDR auf Tour. Vier Konzerte um Mai und Juni, dem Frühling der Anarchie. 2024 sind wir aufgebrochen, um das zu rekonstruieren. Schwierige Sache, da wir damals nicht wirklich erkannt hatten, was für ein historischer Moment das war – und wir mühsam auf der Suche nach „Zeitzeugen“ sind. Die erste Station war Halle, wo wir am 25. 5. 1990 beim Bürgerfest in der Pauluskirche auftraten, bei 9 Sekunden Nachhall. Aber noch waren wir nicht dort. Erstmal galt es, bürokratische Hürden zu überwinden

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Wenn Journalismus zur Ersatzjustiz wird: Eine Replik auf Leyla Roos‘ gefährliche Entgleisung

Boateng und Lindemann sind keine verurteilten Straftäter. Komm' damit klar, Leyla!

Was sich Leyla Roos in der taz mit dem Satz „Allerdings spielt die Verdachtsberichterstattung eine große Rolle bei der Aufarbeitung von Straftaten, die juristisch meistens nicht nachweisbar sind“ leistet, ist brandgefährlich – und eine rhetorische Abrissbirne gegen das Fundament eines jeden Rechtsstaats: die Unschuldsvermutung. In zivilisierten Gesellschaften gilt ein klarer Grundsatz: Niemand ist schuldig, solange seine Schuld nicht bewiesen ist – nicht gefühlt, nicht vermutet, sondern bewiesen. Punkt.

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Was wäre, wenn es 1938 Facebook gegeben hätte?

Ein würdiger Nachfolger Hitlers: Wladimir Putin. Grafik: stablediffusionweb.com

Es ist ein düsteres Gedankenexperiment – und doch ein aufschlussreiches: Was wäre gewesen, wenn es 1938 Facebook, TikTok, Telegram und YouTube gegeben hätte? Wenn der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich live als patriotisch unterlegte Story auf dem Reichs-Instagram-Kanal erschienen wäre, mit jubelnden Massen, dramatischer Musik und Kommentaren wie „Endlich wieder vereint!“ versehen? Wenn Hashtags wie #HeimInsReich oder #EinVolkEinReich getrendet hätten – verstärkt durch Bots, Algorithmen und staatlich orchestrierte „Influencer“, die sich für Klicks und Reichweite in den Dienst der Propaganda gestellt hätten?

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Musse feiffe inne Wind. Dylan, Niedecken, Metal, meine Schwiegermutter, Alan Posener und ich

„Star struck“ bin ich eigentlich nicht. Aber ab und an empfinde ich ein wohliges Kribbeln, wenn ich im gleichen Raum bin wie irgendein „bedeutender“ Mensch. Dabei muss ich diesen Menschen gar nicht besonders verehren. Es könnten auch Orte sein, die dieses undefinierbare Gefühl auslösen. Ein Freund wollte unbedingt mal auf der Wiese von Yasgurs Farm stehen. Sie wissen schon, der Acker der berühmtesten Schlammschlacht des 20. Jahrhunderts. Ein anderer hat im Abbey Road Studio mit dem Paul McCartneys Toningenieur eine CD aufgenommen. Ich wollte vor einigen Jahren mal unbedingt in der Arena von Verona stehen. An der Stelle, an der Jahre zuvor Ian Paice am Schlagzeug gesessen hatte. Aber die Arena war just an diesem Tag wegen Soundcheck von Al Bano und Romina Power geschlossen.

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