Gelegentlich blättere ich gern in alten Büchern. Man lernt fast immer mehr als beim Surfen im Internet. So zum Beispiel über die Gotik, das Identitäre und die wundersame Wandlung eines Nazi-Akademikers.
Das Buch „Baukunst der Gotik in Europa“ erschien zuerst 1958 in der Reihe „Monumente des Abendlandes“ (sic), ich besitze die 7. Auflage von 1968. Es ist ein Bildband mit herrlichen Schwarzweißfotos und „sinndeutenden Bildunterschriften“, wie der Klappentext vermerkt. Und: „Professor Kurt Gerstenberg deutet von hoher Warte aus in seiner Einleitung das Wesen der Gotik.“ So schrieb man damals.
Was schreibt nun der Professor selbst von seiner hohen Warte aus? Nun, unter anderem dies: „Das Königreich der Kapetinger gab mit seiner Kultur den Nährboden für den neuen Baugedanken. Hier war es zu einer vollkommenen Mischung des keltisch-romanischen Volkstums mit fränkisch-germanischen Elementen gekommen. Immer erwachsen nach einem auch für die Kunst geltenden Lebensgesetz die schönsten Blüten aus der Mischung ungleicher Elemente. Es entfaltet sich jetzt (…) eine Weltsprache …“
Lob der Vermischung
Nun bin ich nicht sicher, ob die Gotik ihre Entstehung wirklich der Vermischung von Keltisch-Romanischem und Fränkisch-Germanischem verdankt. Dazu weiß ich zu wenig. So oft ich in Venedig bin, denke ich, die Gotik kommt doch auch von der arabischen Welt her und vom Zusammenprall der Kulturen in den Kreuzzügen, und tatsächlich vermerkt auch Gerstenberg, dass „Venedig (…) seine Verbindung mit dem Orient niemals vergessen lässt.“ Nun, die wechselseitigen Einflüsse aus der Zeit, da Europa sich der überlegenen Zivilisation des Islam stellte, sind noch immer zu wenig erforscht, und das habe ich hier auch nicht vor.
Was ich aber bemerkenswert und richtig finde, ist der Satz: „Immer erwachsen nach einem auch für die Kunst geltenden Lebensgesetz die schönsten Blüten aus der Mischung ungleicher Elemente.“ Das sollen sich die Identitären einmal durch den Kopf gehen lassen ebenso wie die Leute, die meinen, in der vollkommenen Assimilation aller Zuwanderer liege die Zukunft Deutschlands. Selbst wenn es erreichbar wäre, es wäre nicht wünschenswert. Aus der „Mischung ungleicher Elemente“ entsteht etwas Neues, eine „Weltsprache“ meint sogar Gerstenberg. Er meint: eine Formensprache, die das ganze katholisch geprägte Europa erfasst. Das Neue kommt das über Deutschland wie „eine Überraschung“ kommt, wie Gerstenberg weiter schreibt. Deutschland „kapituliert vor dem Eindruck der logischen Geschlossenheit des fremden Formensystems.“ Und Herder und Goethe, füge ich hinzu, entdecken ausgerechnet in der Gotik die eigentliche deutsche Baukunst!
Von der Sondergotik zur NSDAP
Und dass ausgerechnet Kurt Gerstenberg dieses Lob der Vermischung schreibt, ist nicht ohne eine gewisse Komik. Denn der 1886 in Chemnitz geborene Kunsthistoriker trat im März 1933 der NSDAP bei. („Märzgefallene“ nannten Nazis und Nazigegner diese Opportunisten, die nach der Reichstagswahl desselben Monats schnell in die Arme der siegreichen neuen Elite rannten.) 1945 verlor er seine Professur and der Universität Würzburg, kehrte aber schon 1949 auf seinen Lehrstuhl zurück. Er war und ist bekannt für seine Prägung des Begriffs „deutsche Sondergotik“ 1913, die er – kurz vor dem Ersten Weltkrieg – als etwas Grundverschiedenes von der französischen Gotik gefasst und als ein „Problem der Rasse“ verstanden wissen wollte. Insofern war sein Beitritt zur NSDAP nicht nur opportunistisch, sondern auch konsequent, und sein späteres Lob der Vermischung entweder wiederum opportunistisch oder Ausdruck eines echten Lernprozesses. Wer will es sagen? Egal. Richtig bleibt es, und wenn blinde Hühner ein Korn finden, soll man sich freuen.
Nachtrag:
„Es gibt keine Zufälle“, sagte mein Vater immer, und er meinte damit das Gegenteil. Ein Zufall: Ich überlege gerade, ob ich Tim Flannerys Buch „Europa: Die ersten 100 Millionen Jahre“ lesen soll, schmökere also in der Einleitung und finde: „Am erstaunlichsten aber dürfte sein, dass einige der für (Europa) typischsten Arten, darunter seine größten wilden Säugetiere, Hybride sind. Diejenigen, die in Begriffen von ‚Reinblütern‘ und ‚Mischlingen‘ zu denken gewohnt sind, erscheinen Hybride oft als Irrtümer der Natur – als Gefahr für die genetische Reinheit. Neue Studien haben allerdings gezweigt, dass Hybridisierung für den evolutionären Erfolg von essenzieller Bedeutung ist. Vom Elefanten bis zur Zwiebel hat Hybridisierung die Weitergabe günstiger Gene ermöglicht, die es Organismen erlauben, in neuen und schwierigen Umgebungen zu überleben.“
Da ist es wieder, Gerstenbergs „Lebensgesetz“. Dass er es so betont, ist umso bemerkenswerter, als Adolf Hitler das – auch und gerade in der Biologie – ganz anders – und falsch – sah: https://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article111020894/Mein-Kampf-lesen.html
… Nachtrag zur behaupteten ‚islamischen Architektur‘ in Andalusien. Der ‚maurische oder arabische Bogen‘ dürfte eine Kopie des Hufeisenbogens sein, den die Westgoten in ihren Kirchenbauten in San Juan de Baños, geweiht 661, also bevor der Islam auf der iberischen Halbinsel Einzug hielt, verwendeten.
… im Übrigen hätte Benedikt XVI. somit sein Zitat aus 2006, aus einer Unterhaltung des byzantinische Kaisers Manuel II. Palaiologos, 1350–1425, und einem ‚persischen Geleerten‘, … mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt – ‚zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten‘ – auch auf die sogenannte ‚islamischen Architektur‘ erweitern können – absolut nix Neues von den Mohammedanern. Nun ja.
Es würde Ihnen nicht schaden, dbh, würden Sie der Diskussion hier folgen, bevor Sie kommentieren. Jörg Seidel und Ben Frick haben das längst geklärt, quellengesättigt und weitgehend einvernehmlich.
Spät gelesen und mit Interesse inkl. Kommentare, wo wie üblich ein wenig gebalgt wird, wozu ich beliebe meinen Senf zu geben: Nimmt man Seitenschiffe, Türme, Wände, Chor und Narthex einer Kirche weg, hat man ihn. Und man hat ihn auch, aber rund, wenn man Nebengebäude einer Moschee sowie Minarette entfernt und dann die Wände: Den Tempel. Insofern erscheint mir unwichtig, wer zuerst oder besser gebaut oder Bögen erfunden hat, denn das Wesentliche ist die Säule. Bekanntlich waren diese vor dem Christentum und dem Islam da. Ich denke an Griechenland und Sizilien, Jerusalem, Athen und Rom. Die missionierenden Religionen haben das nur weiterentwickelt. Dass sie irgendetwas Signifikantes erfunden haben, möchte ich bezweifeln, sorry. Glauben erfindet wenig. Aber das mag provokant sein. Auf jeden Fall geht etwas unter, dass er Könige und Sultane gab.
… der Ort, an dem sich die Mezquita-Catedral de Córdoba befindet, diente schon zu Zeiten des Römischen Reiches der Religionsausübung … archäologische Grabungen in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts brachten wieder Teile, vor allem Bodenmosaike der alten westgotischen Kathedrale zum Vorschein. Sie erinnern daran, dass die Kathedrale wohl 450 Jahre eine Moschee war, dass sie jedoch seit bald 800 Jahren wieder eine christliche Kirche ist und dies für 400 Jahre auch schon zuvor war. Es gibt de facto kein Beleg für eigenständig ‚islamische Architektur‘ in Spanien. Schreibt selbst Wiki: … daraufhin ließ er, der Emir Abd ar-Rahman I., 784 das gesamte Gebäude niederreißen und mit dem Bau der neuen Moschee beginnen. Die Historizität dieser Erzählung ist allerdings nicht gesichert.
Was die Mohammedaner tatsächlich in Europa ‚antrieb‘, hatten ‚wir‘ hier schon 2015 erwähnt. Da der Link in 2015 nicht mehr funktioniert, hier noch einmal neu; islamisches Spanien: Der Mythos von al-Andalus – zu schön, um wahr zu sein.
Gotisch, kommt das nicht vom Wort „gotico“, was laut meiner einstigen italienischen Freundin sowohl „gotisch“ als auch „deutsch“ heisst, obwohl der Stil, wenn ich mich an meinen damaligen Kunstlehrer erinnere, aus Frankreich stammen soll, also genauer etwas normannisch-byzantinisches mit arabischen Anteilen darstellt. Architekten sind in diesem Punkt weiter als manch voelkische Intelligenzbestie, bringt doch oft erst die Mischung und deren Entstehung in direkter Auseinandersetzung mit Disharmonien und Asymmetrien das Schoene auf die Welt. Wie wuerde diese Welt wohl aussehen, wuerden sich die Kulturen nicht gegenseitig beeinflussen und vermischen, ohne alles existierende zu assimilieren? Vermutlich wie Eisenhuettenstadt.
Ich denke jede Kultur ist die Spiegelung einer Spiegelung einer Spiegelung………
Die verschiedenen Ebenen der wechselseitigen Einflussnahmen und Inspirationen werden wohl nie ganz säuberlich zu identifizieren und vor allem zuzuordnen sein.
Es genügt mir persönlich, Meisterwerke der Architektur als Meisterwerke zu bewundern, ebenso Meisterwerke der Kunst als Meisterwerke zu würdigen, wohl wissend, dass viele Geister daran mitgearbeitet haben. Gut zu wissen, dass die Produkte der vielschichtigen „Inkulturationen“ gegen jede Eitelkeit und Inbesitznahme immun sind.
Hubertus Günther: Die Gotik als der europäische Baustil … ein etwas längere Abfassung.
Lieber Blonderhans, Sie sollten vielleicht die Literatur, die Sie empfehlen, selber lesen.
Auf S. 143 heißt es in dem sehr lesenswerten Forschungsbericht von Hubertus Günther: „1774 unterschied Louis Avril erstmals nationale Eigenheiten in der Gotik: in Frankreich und England sei sie klar in den Grundformen, in Italien bleibe sie der Antike näher, in den deutschen Landen und im Norden sei sie reich an Ornament, in Spanien habe sie auf Grund des maurischen Einflusses exzessive Finesse angenommen. Jetzt erhob sich auch die Frage, wie die mittelalterliche Bauweise wirklich aufgekommen sei. Franzosen und Engländer hatten die Bezeichnung „deutsche Manier“ nie verwendet. Sie führten unter Bezug auf die Goten den Begriff „gotisch“ dafür ein. Allerdings wurde zunehmend klar, dass die Goten ebensowenig wie Deutsche oder Germanen als Erfinder in Frage kamen, weil sie zu primitiv waren. Im 18. Jahrhundert verbreitete sich die Ansicht, Araber, Sarazenen oder Mauren hätten die mittelalterliche Bauweise ins Abendland eingeschleppt, als sie, wie es der englische Literat John Evelyn 1707 formulierte, die „zivilisierte Welt“ vom Süden her überrannten, kurz nachdem die wilden Stämme von Goten und Vandalen vom Norden her eingedrungen seien. Im späteren 18. Jahrhundert wurde der Begriff „gotisch“ im heutigen Sinn auf die spätere mittelalterliche Architektur eingeschränkt.‘ Gleichzeitig wurde die sarazenische Erfindung des Stils auf sie übertragen mit der Variante, die Kreuzfahrer hätten die Gotik aus dem vorderen Orient mitgebracht.“
Diese These wird zwar im Konjunktiv referiert, nirgends aber widerlegt.
… klar habe ich gelesen was ich gepostet habe. Wirklich informativ. Ich selber mag keine Gigantomanie. Gigantomanie ist kein deutscher Alleinvertretungsanspruch, aber immer ideologisch. Ich maße mir aber nicht an über Architektur und Baustile in der Historie – wer was und wo abgekupfert hat – zu richten. Architektur und Baustile in der Historie werden von der jeweilig ‚weltlichen Macht‘ gesprengt oder gedeutet. Wenn ich geschrieben habe, dass ich ‚unsere Marienkirche‘ in Backsteingotik mag, ist das keine Abwertung anderer Architektur- und Baustil-Epochen. Egal wo. Allein – ich will in meiner Heimat keine Ideologie.
… weiter unten, … vielleicht von mir missverständlich geschrieben. Und ich möchte das ein wenig anders sehen. Kirchengebäude wurden in der Historie in gleich/ähnlicher Architektur (Baukunst) errichtet wie Rathäuser, Kaufmannshäuser u.s.w.. Ein Kirchengebäude ist ein von einer christlichen Glaubensgemeinschaft zum Gebet und zum Gottesdienst genutztes Bauwerk. Das kann auch eine Bambushütte sein … daher, meine ich, gibt es keine ‚christliche Architektur‘. Es gibt das Christliche Sittengesetz, oft verschwurbelt als ‚unsere christlichen Werte‘ bezeichnet. (Ich schreib‘ jetze keine Namen. Sonst schlottern ihr die Knie.)
Wunderbar! Bemerkenswerte Worte zum Islam – und die Paranoiker flippen aus, bevor du die enter-Taste loslässt.
… klar ‚Oliver Patrik‘; die ‚Fitra‘ macht ’s möglich. Wenn jeder Mensch bei seiner Geburt und gemäß seiner Natur ‚Muslim‘ ist, dann ist halt alles ‚islamisch‘. So wird eben Jerusalem zu ‚al-al-Quds‘ und aus dem Tempel Salomo die ‚Al-Aqsa-Moschee‘. (Unter uns – träumen Sie weiter.)
Sehr geehrter Herr Posener,
die Konsequenz Ihrer Argumentation – „die Gotik kommt doch auch von der arabischen Welt her und vom Zusammenprall der Kulturen in den Kreuzzügen“ – wäre folgerichtig, ein neuer Zusammenprall der Kulturen, mithin ein neuer Kreuzzug.
Sie verwechseln in Ihrem Denkstrang die gegenseitige Befruchtung von Kulturen, die meist sehr erträglich ist, mit der „Vermischung“, die in vielen Fällen nicht zur Befruchtung, zum Vorantreiben, sondern zur Nivellierung führt (das meinen wohl die Identitären).
Wenn Mischung, dann – um im Bilde zu bleiben – aus den „schönsten B l ü t e n ungleicher Elemente“. Wenn die Exzellenzen beider Kulturen aufeinander treffen, dann kann etwas Großes entstehen. Verlaufen aber die kulturfernen Schichten ineinander, sollte man nicht viel mehr als molekulare Konflikte und kulturelles Egalisieren erwarten können.
Es ist auch wichtig, den kulturellen historischen islamophilen Romantizimus zu überwinden. Bereits aus der Theologie des Islams bzw. deren weitgehende Abwesenheit ergibt sich ein relatives geistiges Hemmnis dieser Kultur in Hinblick auf die Fortschrittlichkeit, die Reformierung oder gar Revolutionierung aus eigener Kraft und die allgemeine Neugierde, der Wille zur Änderung. Das könnte man heutzutage fast als größte Stärke des Islam betrachten, denn es sind wohl die christlich – lutherisch, calvinistisch – angetriebenen Gesellschaften (oder die konfuzianistischen), die Menschheit und Ökösystem an den Rand des Existenzfähigen treiben.
Ein sehr aufschlußreiches und ziemlich ruhig vorgetragenes Buch über das unvollständige Bild der islamischen Befruchtung, ist: Darìo Fernández-Morera: The myth of the Analusian Paradise. Muslims, Christians, and Jews under Islamic Rule in Medieval Spain. Wilmington/Delaware 2016
Sehr schön, s.g. Herr S., wie Ihre Argumentation sich selbst widerspricht, so dass Sie am Ende die Selbstabkapselung des Islam, die zu seinem Niedergang geführt hat, als vorbildlich hinstellen.
Wer je in Andalusien gewesen ist, wird wissen, dass auch dort kein Mythos eines Paradieses gepflegt wird, schon gar nicht von den Juden. Besuchen Sie einmal das Jüdische Museum in Sevilla, wenn Sie mal wieder da sind.
http://www.andalucia.com/citie.....uderia.htm
Am Ende aber waren es nicht die Muslime, sondern die Christen, die die Juden im Namen der „Identität“ aus Spanien vertrieben haben. Mit verhängnisvollen Folgen für die spanische Kultur.
Sehr geehrter Herr Posener,
das ist kein Widerspruch, das ist eine Dialektik und Multiperspektivität. Sogar von Mao und Stalin hat man das einst – in einer sehr groben Form – lernen können. Hegel, Marx, Nietzsche – in Ihren Augen alles Protodiktatoren, Demokratiefeinde und Antisemiten (siehe vorherigen Strang).
Sie haben meinen Gedanken nicht im Ansatz verstanden! Sie verstehen auch nicht, daß die „Selbstabkapselung des Islams“ theologisch begründet und also vollkommen stringent ist. Die wenigen Jahrzehnte der „Öffnung“ waren der Betriebsunfall, nicht umgekehrt.
Etwas Negatives kann positiv sein und umgekehrt und ist es in der Regel auch, wenn man den Gesamtprozeß der Geschichte betrachtet. Kulturell war und ist der Islam für Europa – unterm Strich – eine Katastrophe, auch wenn es großartige gegenseitige Befruchtungen gab – die es zu würdigen gilt -, ebenso wie gegenseitig zugefügtes Leid. Nicht moralisch muß man das bewerten, sondern historisch.
Zum maurischen Bogen habe ich Ihnen bereits Literatur empfohlen. Sie können bei mir dazu eine ausführliche Rezension finden – ich verlinke sie hier nicht, um nicht wieder als geltungssüchtig verunglimpft zu werden. Aber schon ein bißchen Googelei kann lehrreich sein.
„Das ist kein Widerspruch, das ist Dialektik“. Hach, lieber Herr Seidel, dass ich diesen Spruch auf meine alten Tage wieder hören darf! Dafür herzlichen Dank. Ich habe sehr gelacht.
Sie haben, wenn ich es recht sehe, keinen Beleg dafür gelinkt, dass die Westgoten den Spitzbogen erfunden haben. Sie dürfen das jedenfalls gern tun, ohne dass – von mir jedenfalls – Ihnen Geltungssucht vorgeworfen wird. Ihre Rezension will ich allerdings nicht lesen, weil ich Ihrer Objektivität nicht traue, sondern das Original.
Sehr geehrter Herr Posener,
Sie lesen ungenau! Ich habe nicht geschrieben, daß die Westgoten den Spitzbogen erfunden haben, sondern daß die islamische Architektur ihn von den Westgoten übernommen hat. „Erfunden“ wurde er in der griechisch-römischen Kultur in einer langen Genese. Bevor die Muslime mit den Westgoten in Kontakt kamen und deren großartige Kultur zerstörten – die uns mutmaßlich kulturell weitergebracht hätte als alle islamische Hochkultur – hatten sie auf ihrem blutigen Weg nach Westen bereits das griechische Tonnengewölbe kennengelernt usw. Sie sehen: Dialektik allerorten – Sie müssen nur verstehen „Dialektik“ platonisch zu verstehen und nicht im Sinne des M/L.
Da Sie an meiner Objektivität zweifeln, kann ich mir Links ersparen. Lesen Sie das Original, dann kann Ihnen das ganze Ausmaß der „Dialektik“ bewußt werden – ich fürchte aber, daß Sie nicht offen genug sind, die Botschaft zu akzeptieren. Es wäre begrüßenswert, wenn Sie dazu noch einmal Stellung beziehen würden.
Ihre These, s.g.H.S., dass die Westgoten eine „großartige“ Kultur besessen hätten, die der arabisch-islamischen überlegen gewesen sei, ist natürlich reine Nazi-Ideologie. Was ja nicht heißen muss, dass sie falsch sei, aber man sollte schon die Herkunft kennen. In Wirklichkeit hatten die Westgoten keine eigene Kultur. Sie bildeten in den von ihnen eroberten Gebieten eine winzige Krieger-Oberschicht, die sich von der romanisierten Schicht der Unfreien aushalten ließ, aber langsam von dieser assimiliert wurden. Das gilt für die Ost- wie für die Westgoten. Die Kultur, die wir so bewundern – ich war oft schon ihretwegen in Ravenna – , ist ja – abgesehen vom Waffenschmuck und dergleichen – nicht gotisch, sondern spätantik.
Was die Nazis – abgesehen vom germanischen Krieger- und Herrenmenschentum – an den Westgoten so schätzten, war ihre harsche Unterdrückung der Juden, nachdem sie sich als Arianer mit den zunächst unterdrückten Katholiken arrangiert hatten. Unter den Muslimen hatten es die Juden besser, wenn auch nicht immer und überall. Dass Sie meinen, die westgotische Kultur hätte „uns mutmaßlich kulturell weitergebracht als alle islamische Hochkultur“, ist vor diesem Hintergrund aufschlussreich.
Ich muß mich korrigieren! Herrn Fricks Anmerkung ist korrekt, vielen Dank! – es ist vom Hufeisenbogen die Rede – mein Denkfehler! Entschuldigung!
Dieser wurde von den Westgoten perfektioniert und dann von den Muslimen übernommen und weiterentwickelt und floß so in die Architekturgeschichte ein. Hier gibt es zahlreiche Interdependenzen. Die historische Forschung meint jedoch häufig, daß der Hufeisenbogen eine genuin islamische Innovation gewesen sei. Es ist in diesem komplexen Prozeß auch die Rolle der Mozaraber – in islamischem Umfeld lebende Christen – zu bedenken. Ähnliches gilt für die Ajimez, die Doppelfenster, die oft muslimischer Ingenuität zugeschrieben werden, tatsächlich aber schon von den Goten gebaut wurden.
Fernández-Moreras Buch stellt sich die Aufgabe, diese komplizierten Herkünfte zu ergründen und kommt in den meisten Fällen zu dem Schluß, daß das Bild der alles überragenden Hochkultur – oft mit ideologischer Agenda vorgetragen – nicht zu halten sei und zwar in fast allen Kulturbereichen – nach den historischen Epochen differenziert. Demnach waren die Muslime in Spanien auch die quasi-Erfinder des gelben Judensterns.
Lieber Alan Posener,
Ihre Beschreibung der Westgoten als kleine Kriegerkaste die die Unterworfenen ausbeutete und die sich an die vorgefundene Kultur- hier die Spätantike – assimilierte ist zweifelsohne zutreffend, die diversen herumvagabundierenden Germanenstämme waren für größere eigene Kulturleistungen wohl zu primitiv.
Aber zumindest haben sie die spätantike Zivilisation nicht vernichtet, sondern zumindest das Niveau gehalten (Westgoten in Spanien, Vandalen in Nordafrika), im Italien der Ostgoten sogar zu neuer Blüte geführt.
Interessant dabei ist, daß all diese Germanenstämme arianische Christen waren und dabei gegenüber den Katholiken deutlich mehr Toleranz zeigten, als diese andersrum. Ich verstehe Ihren Hinweis auf die Juden so, daß deren Unterdrückung durch die Arianer eher ein Zugeständnis an die Katholiken war als es der eigenen Geisteshaltung entsprach. Zumindest ab 589 waren auch die Westgoten katholisch, da war´s mit der arianischen Toleranz eh vorbei.
Was mich aber wundert ist, daß Sie den erobernd und mordend umherziehenden arabischen Kriegerhorden eine Kulturleistung zugestehen, die Sie den germanischen Kriegern absprechen.
Lieber Gerald Wissler, vielen Dank für ihre interessanten Anmerkungen. Wenn ich vor meiner Antwort ein Bekenntnis einschieben darf: Meine Bewunderung und Sympathie gelten weder den Germanen noch den Arabern, sondern dem tragischen Kaiser Justinian, der versuchte, von Konstantinopel aus das Imperium Romanum wieder herzustellen, und zwar mit beträchtlichem Erfolg, bis ihm die Pest einen Strich durch die Rechnung machte.
Wenn Sie meine Einschätzung der arabischen Kulturleistung interessiert, empfehle ich Ihnen das Kapitel über islamischen Imperialismus in meinem Buch „Imperium der Zukunft“ von 2007. Manches würde ich heute nicht ganz so hart formulieren wie dort, einiges noch härter.
Schon der arabische Universalhistoriker Abd al-Rahman Ibn Khaldun (1332–1406) fragte, weshalb die arabischen „Horden“ (Ihr Wort) über höher stehende Zivilisationen siegen konnten. (Und eine ähnliche Frage stellte sich Augustinus angesichts der Siege der heidnischen Germanen über das christliche Rom.) Als entscheidender Faktor für den Erfolg galt Ibn Khaldun die „Asabiya“. Mit diesem soziologischen Begriff beschrieb er – grob vereinfachend gesagt – den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Gesellschaften, die ein Gefühl für Gemeinsamkeit entwickeln, so Ibn Khaldun, seien anderen Gesellschaften überlegen. Das Konzept der Asabiya gewann Ibn Khaldun aus der Beobachtung der arabischen Stammesgesellschaft, wo die Asabiya vermittelt wird einerseits durch Clan-Beziehungen, andererseits durch die Notwendigkeit, in der feindlichen Umwelt der Wüste zu überleben. So kam es in der arabischen Geschichte immer wieder vor, dass Wüstenvölker die zivilisatorisch überlegenen Reiche der fruchtbaren Ebenen besiegen konnten.
Bei den Germanen war es, füge ich hinzu, die Gefolgschaft, der Proto-Feudalismus; und ich füge weiter hinzu, dass die Clan-Struktur zugleich auch die größte Schwäche der arabischen Gesellschaft beim Übergang in die Moderne darstellt, während sich der Feudalismus zur Demokratie (Magna Charta 1214) und zur „Subsidiarität“ weiterentwickeln konnte.
Wie dem auch sei: Araber und Germanen unterwerfen die ansässige Bevölkerung und assimilieren zugleich dern Kulturleistungen. Die Araber hatten vielleicht einfach Glück, dass sie eine schon zuvor viel höher stehende (und nicht durch die Pest verwüstete und entvölkerte) Gegend eroberten. Niemand aber, der die arabisch-islamische Hochkultur des Mittelalters mit offenen Augen studiert – etwa bei einem Besuch des Alhambra – wird leugnen können, dass die Araber das Vorgefundene und das Eigene weiter entwickelt und zur Blüte gebracht haben. In Sachen Naturwissenschaften, Mathematik und Medizin, Handwerk und Handel waren die Araber zur zeit der Kreuzzüge den Europäern überlegen, in der Kunst und Architektur mindestens ebenbürtig. Mehr sage ich nicht; aber auch nicht weniger.
“ ist natürlich reine Nazi-Ideologie. Was ja nicht heißen muss, dass sie falsch sei…“
Jetzt wird es wirklich interessant! Wie mit der Wahrheit umgehen, wenn sie Nazi ist? Gibt es das überhaupt? Ganz allgemein gefragt. Das ist doch die entscheidende Frage: Aussprechen oder besser doch nicht? Und wenn ja, wie? Dazu würde mich – und sicherlich viele andere auch – Ihre Meinung sehr interessieren!
S.g.H.S., dort, wo die Nazis Recht hatten, hatten sie Recht. Und da sie nicht aus dem Nichts entstanden sind, eben kein „Vogelschiss“ waren, sondern mit tausend Fäden verknüpft waren (und bleiben) mit der deutschen und europäischen Kultur, wäre es geradezu absurd anzunehmen, dass jede Äußerung eines Nazis Lüge oder Unsinn sein müsste.
Ich habe immer die Werke eines Gundolf mit Gewinn gelesen, der zwar kein Nazi war, aber immerhin der Lehrer eines Joseph Goebbels, der in seinen Tagebüchern gelegentlich Kluges über Shakespeare von sich gelassen hat. Der Flughafen Tempelhof ist ein Meisterwerk der Architektur. Ich habe auch mehrere Jahre sehr gern in einem vom Nazi-Architekten Paul Schmitthenner entworfenen Haus gelebt. Der arme Ernst Röhm hatte ganz fortschrittliche Auffassungen über die Homosexualität, der er selbst frönte. Viele Ideen des Wandervogels lebten in der Hitlerjugend fort. Die Nazis haben bestimmte Aspekte der Ökologie in der Landwirtschaft zum ersten Mal systematisch entwickelt usw. usf. Das sind rein assoziativ aneinandergereihte Bemerkungen. Ich werde aber jetzt keinen Katalog der „richtigen“ Nazi-Theorien aufstellen, zumal der Nationalsozialismus eine im Kern theoriefeindliche Bewegung war, was ja auch eine ihrer größten Stärken darstellte. Ihre entscheidende und zentrale Theorie allerdings, nämlich die der Rasse und ihrer vererbten charakterlichen Eigenschaften, und der Einteilung der Menschheit in kulturschaffende, kulturerhaltende und kulturzerstörerische Rassen, war tatsächlich Lüge und lächerlicher Unsinn zugleich:
https://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article111020894/Mein-Kampf-lesen.html
Zu Wahrheit und Nazi: Vielen Dank! Wir sind also in wesentlichen Fragen gar nicht so weit entfernt, wie es den Anschein hat. Manchmal bis ins Detail:
https://seidwalkwordpresscom.wordpress.com/2015/12/21/lest-mein-kampf/
Müssen Sie nicht frei schalten, wenn es Sie stört.
@Seidwalk
Bezüglich der Literatur:
Es gibt Geschichte, Mythos und Gegenmythos. Fernández-Morera trägt mit seinem Buch „The myth of the Andalusian Paradise. Muslims, Christians, and Jews under Islamic Rule in Medieval Spain.“ zum Gegenmythos bei. Wesentliche Quellen spart er aus, andere spitzt er zu, vieles belegt er nicht.
Besonders interessiert scheinen Sie an der Geschichte des spanischen Juden zu sein . Dazu kurz:
„Dura fue en verdad la experiencia de los judíos en la centuria larga del reino visigodo catolico, y en gradación progresiva hasta lo intolerable, para terminar dispersos y esclavizados, incluso los conversos sinceros, por toda la geografía del reino.“ fasst Luis García Iglesias auf p. 199 in „Los Judíos en la España antigua.“ zusammen.
Übersetzt:
„Die Erfahrung der Juden im langen Jahrhundert des katholischen, westgotischen Königreichs war im gesamten Gebiet wirklich hart bis unerträglich, sie endeten verstreut und versklavt, zwangsbekehrt.“
Die islamische Herrschaft wirkte befreiend. Natürlich war dann Andalusien kein Paradies für Christen und Juden. Herr Posener erwähnte bereits: „Am Ende aber waren es nicht die Muslime, sondern die Christen, die die Juden im Namen der “Identität” aus Spanien vertrieben haben. „
Lieber Alan Posener,
scheinbar sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt in dieser Frage.
Schade daß wir niemals erfahren werden, wie sich ein vandalisches Nordafrika oder ein ostgotisches Italien kulturell entwickelt hätte, wenn die Reiche nicht schon nach kurzer Zeit von Justinian vernichtet worden wären. Daß Italien nach den Gotenkriegen fast eine Wüste war lag weniger an der Pest, sondern an der Art der Kriegsführung, die Justinians Feldherren Belisar und Narses praktizierten. Bis nach Spanien ist er glücklicherweise nicht gekommen, dort herrschte fast 150 Jahre Frieden, bis die Mauren kamen.
In dieser langen Friedensphase haben die Westgoten zwar das kämpfen verlernt, aber eine beindruckende Kultur geschaffen, die die Eroberer pflücken konnten wie eine überreife Frucht. Ich will nicht abstreiten, daß sie danach zu eigenen Kulturleistungen in der Lage waren, aber sie haben sich in ein gemachtes Nest gesetzt.
PS: Für mich war Justinian nicht tragisch, auch ohne die berüchtigte Justinianische hat er eine verheerende Bilanz hinterlassen. Tragisch war eher Julian, und hätte der sein Programm bis zum Ende durchgezogen, der Welt wäre vieles erspart geblieben.
Justinianische Pest muß es natürlich heißen.
Sorry, ich muß noch mal. Ich verstehe dann Ihre Reaktion auf Baños nicht – was hat er, was Hitler nicht hat? – in Ihrer Lesart. Sollte dann nicht gelten, daß alle Bücher frei zugänglich sind und sich nach Werthaltigkeit im offenen Wettbewerb der Argumentationen einzuordnen haben? Offensichtlicher Quatsch wird widerlegt oder ignoriert oder als Lehrbeispiel genutzt … und basta. Druck auf Verantwortliche entfällt dann.
Ich bin selbstverständlich dafür, dass auch der größte Unsinn – die späteren Werke des David Irving kommen einem etwa in den Sinn – publiziert werden darf. Und wenn ich in dem Zusammenhang daran erinnern darf: Es war Irving, der per Gerichtsbeschluss eine Kritikerin, Deborah Lipstadt nämlich, verbieten lassen wollte, ihn einen Holocaustleugner zu nennen. Es war nicht Lipstadt, die Irving verbieten wollte, seine Meinung zum Holocaust zu publizieren.
Im übrigen habe ich vor einiger Zeit, wie Ihnen erinnerlich sein dürfte, den Beschluss Berliner Hoteliers kritisiert, Irving zur Persona non grata zu erklären:
https://www.welt.de/kultur/article118108548/Kein-Platz-in-der-Herberge-fuer-David-Irving.html
Im Fall Banos war es der Heyne-Verlag und nicht ich, der feststellte: Heyne biete „ein Forum für viele unterschiedliche, auch streitbare Meinungen und Positionen. Antisemitismus ist keine Meinung und hat bei Heyne keinen Platz.“ Heyne weiter in Anbetracht der von mir geäußerten Kritik, die der Verlag gleichzeitig zurückwies: „In kritischer Abwägung hat Heyne deshalb entschieden, keine weitere Auflage des Buches einzuplanen.“
Ich führe hier keine Diskussion darüber, ob Banos‘ Buch wirklich antisemitisch ist. Sie bestreiten das bekanntlich, was Ihr gutes Recht ist. Unterstellen wir aber for the sake of argument, dass es so ist, wie ich behaupte. Es stünde ja dem Heyne-Verlag jederzeit frei, das Werk dennoch weiter zu publizieren oder seine Position hinsichtlich des Antisemitismus zu ändern und antisemitische Werke zu publizieren. Und es stünde und steht mir frei, den Antisemitismus zu kritisieren.
Ich habe, ich wiederhole es, weder zu einem Publikationsverbot noch gar zu einem Boykott des Verlags aufgerufen, und vermutlich hat die ganze Publizität dem Buch bei einer bestimmten Klientel genutzt. Jedenfalls besorgte sich nicht nur Götz Kubitscheks Versand einen Posten; im rechtsradikalen Verlag Der Schelm erschien das Buch mit dem Hinweis: „Ein Pfiff der Auserwählten genügte. Auf jüdischen Druck hin komplett vom markt verschwunden“:
https://mailchi.mp/1f8eb5d8c057/ein-pfiff-der-auserwhlten-gengte?e=51a643458b&fbclid=IwAR1K7ICFES4Kgu6of1bli5TZfucNjUy68lP3pEkBnHRJe-bZXt3IXthzVZ0
Ich denke, die Leute vom „Schelm“ haben eben besser als die Leute bei Penguin und Heyne verstanden, was die Botschaft des Machwerks ist. Aber noch einmal: einem Verbot des Buchs habe ich nirgends das Wort geredet. Ich habe die Seriosität des Heyne-Verlags in Frage gestellt. Denn die Freiheit des Wortes ist nicht identisch mit der Pflicht, jeden Unsinn zu drucken.
@ Alan Posener
Man kann die Tatsache, daß der sogenannte „Schelm“ nun vorgibt, das Buch zu verkaufen – ich bin mir nicht sicher, ob das nicht Fake oder Betrug ist -, auch anders aufzäumen. (Die Mär von der verkauften Auflage ist dann auch obsolet) Weil der Verlag es zurückzog, fühlen sich bekennende Antisemiten – Kubitschek gehört definitiv nicht dazu – davon angezogen: es (der Rückzug) scheint das Narrativ der Weltverschwörung oder Ähnliches zu bestätigen – verstehend gelesen kann er es nicht haben, denn es hat mit seinen anderen Machwerken nichts gemein.
Diese Aporien ergeben sich zwangsläufig aus der Absolutheit des Antisemitismus-Arguments. Und da sind Sie nicht ganz unschuldig. Ich nehme an, Sie wissen, welche Macht ein solcher Vorwurf aus Ihrer Feder im heutigen Deutschland haben kann – damit sollte man sehr sehr vorsichtig umgehen, sonst helfen alle Bekenntnisse zur Meinungsfreiheit nicht.
Der „Schelm“ hatte übrigens versucht, seinen Link bei mir unterzubringen, was ich nicht zugelassen habe.
Die Frage, ob man etwas behaupten kann, was nicht der Realität betrifft, ist eine komplexe. Man sollte es jedenfalls nie wollen. Ich meine, genügend Belege angeführt zu haben, die Ihre These widerlegen.
@ Ben Frick
Ich habe Moreras Buch anders in Erinnerung, als eine fakten- und quellensatte Studie, die den M y t h o s Al-Andalus kritisch befragt. Er schreibt dort ganz konkret, daß die Juden unter den Westgoten stärker gelitten haben als unter den Muslimen – in verschiedenen hist. Phasen unterschiedlich -, aber er räumt auf mit der Vorstellung, der geglückten hochkulturellen, toleranten Multikulti-Gesellschaft …
„It is true, that the Jewish community experienced better living conditions under Spain’s Muslims than under the Catholic Visigoths. It is also true, as a result, for some centuries Andalusian Jewry thrived, producing a brilliant cultural output. But none of this meant that Islamic Spain represented a beacon of tolerance.“ (179)
„Islam has a proud tradition of tolerance. We see it in the history of Andalusia and Cordoba during the Inquisition (sic!).“ (Barack Obama).
„The era of Muslim rule in Spain (8th-11th century) was considered the ‚Golden Age for Spanish Jewry“ (Rebecca Weiner) u.ä.
… und mit der Vorstellung, daß das klassische griechische Erbe ohne die Muslime verloren gegangen wäre und weist nach, daß es immer gelebt hat – auf kleiner Flamme – und ganz wesentlich von Christen (hauptsächlich in Byzanz aber auch in Spanien) weitergetragen wurde.
Da unsere Auseinandersetzung auch von Ihrer Seite ein angenehmes Maß an Sachlichkeit erreicht haben, @Herr Seidel, will ich nicht auf jede Bemerkung von Ihnen eingehen, die ich für fragwürdig halte. Ich kann sehr gut mit Widerspruch leben.
Aber an einem Punkt muss ich einhaken. Sie schreiben:
„Diese Aporien ergeben sich zwangsläufig aus der Absolutheit des Antisemitismus-Arguments. Und da sind Sie nicht ganz unschuldig. Ich nehme an, Sie wissen, welche Macht ein solcher Vorwurf aus Ihrer Feder im heutigen Deutschland haben kann – damit sollte man sehr sehr vorsichtig umgehen, sonst helfen alle Bekenntnisse zur Meinungsfreiheit nicht.“
Ich bitte Sie, diesen Abschnitt noch einmal selbstkritisch durchzulesen. Das gleiche Argument habe ich von Jakob Augstein, Günter Grass, Martin Walser, Peter Schäfer und vielen anderen gehört, und es wird aktuell gegen die Kritiker Jeremy Corbyns (zu denen sich nun der Chefrabbiner Großbritanniens gesellt hat). Es läuft darauf hinaus zu sagen: „Wenn Sie den Vorwurf des Antisemitismus gegen XY erheben, dann berauben Sie ihn der Meinungsfreiheit.“
Damit ist nicht der Antisemitismus der Skandal, sondern der angebliche Angriff auf die Meinungsfreiheit. Dann wird nicht diskutiert, ob der Vorwurf stimmt, sondern es wird die Gemeinheit des- oder derjenigen thematisiert, die nicht zulassen wollen, dass XY seine Meinung äußert. Da diejenigen, die den Vorwurf des Antisemitismus erheben, leider meistens Juden sind (ich bin in dieser Hinsicht eher eine Ausnahme), weil Juden eben aus Erfahrung ein ziemlich feines Sensorium für so etwas haben, läuft die Kritik dann darauf hinaus, dass die Juden den anderen verbieten wollen, bestimmte Wahrheiten auszusprechen. Und dass es ihnen auch noch – kraft ihrer „Macht“, wie Sie ja auch in Bezug auf meine „Feder“ schreiben – gelingt. „Man darf Israel nicht kritisieren“ heißt es dann, oder eben, wie der „Schelm“ schreibt: „Ein Pfiff der auserwählten genügte …“
Ich kann nicht oft genug betonen, und ich verweise auf diesen Artikel von mir
https://starke-meinungen.de/blog/2019/10/01/antisemitismus-ohne-antisemiten-2/
Dass nicht Personen, sondern Argumente (und zuweilen Topoi, Tropen und „Meme“) Gegenstand der Kritik sind. Martin Walser etwa war tief betroffen vom Vorwurf des Antisemitismus (den ich nicht erhoben hatte), bat mich einmal um ein Treffen und zeigte mir die vielen Artikel und Essays, die er gegen den Antisemitismus geschrieben hatte. (Über die anschließende Veranstaltung und deren Störung durch die Antideutschen schrieb ich 2001 einen Artikel in der WELT, den ich aber jetzt nicht finde.) Und es stimmt ja, Walser hat viel früher als andere und entschiedener das Thema angesprochen. Und doch ist „Tod eines Kritikers“, da hatte Frank Schirrmacher Recht, ein antisemitischer Roman, und doch enthält die Paulskirchenrede, da hatte Ignatz Bubis Recht, antisemitische Elemente.
Und, um es damit auch gut sein zu lassen: Weder haben die Vorwürfe des Antisemitismus Walser, Grass, Augstein usw. nachhaltig geschädigt, noch haben sie dazu geführt, dass das deutsche Publikum selbst ein feineres Sensorium entwickelt hätte. Vielmehr sind die Immunisierungsstrategien von der Art „Man wird doch noch sagen dürfen, dass …“ oder eben „Ein Pfiff der Auserwählten genügt …“ offensichtlich immer noch erfolgreich. So stecken die Kritiker des Antisemitismus in einer Falle. Sagen sie nichts, so lassen sie zu, dass bestimmte antisemitische Denk- und Sprachmuster salonfähig werden; sagen sie etwas, so stärken sie die oben beschriebenen Immunisierungsmuster, die ich übrigens auch bei Götz Kubitschek analysiert habe.
Am Ende aber gilt: Taktisch kann man sich nicht verhalten, auch wenn es dann heißt: Posener (oder wer auch immer) wittert überall den Antisemitismus. Sie können mir glauben: mich langweilt das Thema extrem.
@Seidwalk
„Ich habe Moreras Buch anders in Erinnerung, als eine fakten- und quellensatte Studie,“
Da Sie offensichtliche keine andere Literatur zu den Themen lasen, wie können Sie das behaupten?
Bei Kenntnis einiger Texte genügt ein erster Blick in die Literaturliste, um beurteilen zu können, dass Fernández-Morera äußerst selektiv vorging. Er stützt sich auf reduzierte und zugespitzte Aussagen ausgewählter Quellen, die seine Thesen bestätigen, und den großen Rest lässt er außen vor. Das ist keine saubere Arbeit und ergibt kein Gesamtbild. Er trägt nicht zur Geschichtsschreibung bei, sondern zum Gegenmythos. Das ganze Buch lässt sich zerpflücken wie Ihr untenstehendes Zitat daraus, das ich kommentierte – und dabei nicht einmal auf die erste Behauptung einging, die er nicht belegt, sondern mit einem „eventually“ dastehen lässt.
„… und mit der Vorstellung, daß das klassische griechische Erbe ohne die Muslime verloren gegangen wäre und weist nach, daß es immer gelebt hat – auf kleiner Flamme – und ganz wesentlich von Christen (hauptsächlich in Byzanz aber auch in Spanien) weitergetragen wurde.“
Auch hier spinnt sich Fernández-Morera seine Alternativgeschichte.
Tatsächlich übertrugen vor allem spanische Übersetzer arabische Schriften und griechisch-hellenistische Werke vom Arabischen ins Lateinische. Ein zweites Zentrum lateinischer Übersetzungen aus dem Arabischen befand sich in Sizilien am Kaiserhof Friedrichs II. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts verfügte die muslimische Welt über den größten Teil der griechisch-hellenistischen Wissenschaft und Philosophie, darunter zahlreiche Werke, die ohne die arabische Übersetzung für immer verlorengegangen wären.
@ Alan Posener
Sehr geehrter Herr Posener,
ich will Sie nicht weiter langweilen, sehe auch die angesprochenen Dilemmata, in denen die Diskussion steckt.
Man kann sie lösen, finde ich, indem man den Absolutismus beendet, zum einen, und indem man – zum zweiten – damit beginnt, nicht „Vorwürfe“ oder „Angriffe“ zu thematisieren, sondern Argumente und Inhalte von Vorwürfen oder Angriffen. Der Vorwurf (des Antisemitismus) kann stimmen, aber sollte nicht als Vorwurf, sondern als Sachargument artikuliert werden – damit verliert er seinen Schrecken. Es geht hier natürlich nur um den intellektuellen Antisemitismus, nicht um den habituellen und auch nur um den europäischen.
Solange man – Jude oder nicht – sich triggern läßt, oft nur durch Signalwörter, denen der eigentliche Inhalt fehlt (in Ihrem Banos-Fall: „Rothschild“) und sofort einen Vorwurf darin sieht, den es zu bekämpfen gilt, wird man aus dem Teufelskreis nicht aussteigen können. Man hätte sich hier um das Argument oder die Tatsache kümmern müssen. Stimmt die Aussage: „Es ist leicht zu erkennen, dass das Vermögen der Rothschilds jenes der anderen (Familien) bei Weitem übersteigt.“ oder nicht? Wird mit dem Vermögen politischer Einfluß ausgeübt? etc. Das sind Sachfragen, die man stellen können muß! Man muß auch Soros` Tun hinterfragen können, ohne sogleich Antisemit zu sein etc. Wenn das nicht geht, dann ist die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Und selbst wenn jemand der Meinung sein sollte, Soros agiere a l s Jude und nicht als Geschäftsmann oder „Philanthrop“, so muß er das beweisen können. Kann er es nicht, ist die Aussage blamiert und erledigt. Werden diese Differenzierungen nicht gemacht, wird jedes Sprechen über Menschen, Organisationen oder Staaten, die jüdischer Herkunft oder Identifikation sind, verunmöglicht.
In Ihrem Fall führte das dazu, daß Sie ein Buch und einen Autor des Antisemitismus bezichtigten, der es (dort zumindest) de facto nicht ist – die Belege liegen vor. Sie haben sich nicht mit Baños‘ Argumenten auseinandergesetzt – wie Münkler das tat –, sondern Sie haben ein Schlagwort, ein Todschlagwort aktualisiert und anhand dessen „Beweise“ gesucht und sind noch nicht mal überzeugend fündig geworden. Das hat zum mysteriösen Verschwinden dieses Buches geführt, das hat der Meinungsfreiheit geschadet und das hat eine Figur wie den „Schelm“ auf die Bühne katapultiert. Sie haben recht: Das Ergebnis Ihrer Intervention ist desaströs.
Antisemitismus sollte kein institutionalisierter Skandal sein, wie auch jeder andere Anti-X kein Skandal sein sollte. Er sollte widerlegt werden oder auch ignoriert werden, wenn er zu plump daherkommt und nur dort inkriminiert werdeb, wo er unmittelbar zur Gewalt aufruft (ich scheue mich, hier so ein Wort wie „menschenverachtend“ zu schreiben), gesetzeswidrig ist. Alle Menschen haben ihre Taten zu verantworten und zu legitimieren – man kann davon nicht bestimmte Gruppen ausnehmen. Die Gesellschaft sollte sich darum bemühen, alle Positionen zivilisiert zu behandeln – abgestuft je nach geistiger Tiefe. Der Antisemitismus blüht in bestimmten sozialen Milieus auch (in D zumindest), weil er die Faszination des Verbotenen hat.
Falsch ist es desweiteren, Argumente zu skandalisieren oder zu ignorieren, w e i l sie aus dem Mund eines Anti-Sonstwas kommen. Aus dem Munde des größten Antisemiten (= x) könnten die bedeutendsten und notwendigsten Gedanken stammen. Selbst wenn Baños z.B. antisemitisch argumentiert hätte, so können – theoretisch – seine Argumente valide sein; seine anderen Argumente sowieso aber sogar seine „antisemitischen“. Sie müssen zuerst nach ihrem Gehalt, ihrer Stringenz geprüft werden und erst danach nach ihrer Ideologie. Wenn man Ihnen „Heidegger“ sagt, dann verfallen sie sofort in den Nazi-Reflex und das gewaltige Denken dieses Mannes ist scheinbar erledigt … Sie hören das Bild vom vergifteten Brunnen und sehen darin das antisemitische Klischee obwohl das Bild als solches eine starke Aussagekraft hat … und Sie machen sich damit selbst verletzbar, weil man hier ganz einfach Konditionierungstricks spielen könnte. Deswegen auch das Falsifikationsargument, denn wer so argumentiert, der läuft immer Gefahr, daß der Gewährsmann seiner Argumentation (z.B. Popper) irgendwann als Anti-X, als unmoralisch etc. entzaubert wird.
Letztlich ist es in der Tat eine Abwägungsfrage, welcher Wert der höhere ist: die Meinungsfreiheit oder die Diffamierung einer Gruppe. Allein die kategoriale Differenz, die Abstraktionshöhe, sollte die Antwort vorgeben.
Das feine erfahrungsbasierte Sensorium der Juden ist verständlich und auch notwendig, aber das ändert nichts daran, daß man auch das Sensorium hinterfragen können muß, denn es kann schnell in die Irre führen, vor allem, wenn Automatismen entstanden sind.
Ich schreibe das unter Beklemmungen, weil ich weiß, daß besagtes Sensorium auch diese Zeilen abscannen wird – da haben wir das Paradox wieder … ad infinitum? (Bsp.: Die „Macht Ihrer Feder“ wird von Ihnen bereits wieder antisemitisch aufgeladen, dabei sprach ich natürlich ausschließlich von Ihrer Macht als bekannter Debatteur in maßgeblichen Blättern …) Die von Ihnen beschriebenen Dilemmata werden von Ihnen selbst erzeugt – das einzusehen, wäre der erste Schritt, den Circulus vitiosus zu durchbrechen.
Sorry, ist doch wieder lang geworden – der Komplexität noch immer nicht gerecht werdend.
Nein, @Herr Seidel, Sie irren. Ich habe keine Bringeschuld antisemitischen Gedankengängen gegenüber dergestalt, dass ich mich damit sachlich auseinandersetze. Soll ich mich ernsthaft mit der Verschwörungstheorie beschäftigen, der zufolge die Welt von den Juden beherrschst wird? Das mache ich nicht, allein schon aus dem Grund, den mir ein hochrangiger israelischer Diplomat einmal augenzwinkernd sagte: Überschätzt zu werden hat auch seine Vorteile.
Sehr geehrter Herr Posener,
von Bringeschuld war nicht die Rede. Es gibt aber eine Beweispflicht und entsprechend der Schwere des Vorwurfes sollte der Beweis sehr akribisch sein. Im Falle Baños haben Sie das unterlassen und damit dazu beigetragen, daß ein in dieser Hinsicht unschuldiges Buch verschwand und ein Autor diskreditiert wurde.
Außerdem hatte ich versucht, Ihnen einen – die andere Seite steht natürlich ebenso in der Pflicht – Ausweg aus dem von IHNEN beschriebenen Dilemma aufzuzeigen. Da ging es um Argumentationsstrategien. Schade, daß Sie sich verweigern. Die Weigerung belegt, daß Sie sich selbst als unangreifbare Instanz betrachten, zu entscheiden, wer Antisemit ist oder nicht und sich dann das Recht der öffentlichen Bezichtigung herausnehmen ohne auch nur nach Hintergründen und Beweisen zu fragen.
Und ja, ich finde, daß man sich mit einer „Theorie“ auseinandersetzen muß, die man bekämpft, zuvörderst sachlich. Es genügt mitunter einfach nur das Nachfragen, da sind keine großen Studien notwendig. Es liegen zudem genügend Auseinandersetzungen dazu vor. Immerhin beschäftigen Sie sich ja auch sehr intensiv mit der „Naziverschwörungstheorie“ und der „Antisemitismusverschwörungstheorie“.
Es grüßt
Jörg Seidel
Der Antisemitismus, @ Herr Seidel, ist keine Theorie. Er ist, wie schon Jean-Paul Sartre gezeigt hat, eine psychische Deformation des Antisemiten. Dagegen helfen keine Argumente. Genauso gut könnte man versuchen, gegen die Paranoia zu argumentieren, der ja der Antisemitismus – wie jede Verschwörungstheorie – verwandt ist. Auch wenn Sie, aus welchem Motiv heraus auch immer, das dringende Bedürfnis verspüren, darüber zu diskutieren, ob die Juden vielleicht doch die Welt beherrschen, so ist das Ihr Bedürfnis, nicht meins.
https://www.adl.org/news/article/sacha-baron-cohens-keynote-address-at-adls-2019-never-is-now-summit-on-anti-semitism
sollte eigentlich unter diesem Thread stehen:
@Jörg Seidel
Um die Rothschilds ranken sich seit über 150 Jahren Märchen, Legenden, Hetze und Verschwörungstheorien, dazu verwendet, um die Macht des Judentums zu verdeutlichen. Antisemitismus.
Wenn ich das richtig verstehe, behauptet Baños, sich wahrscheinlich hinter einer unseriösen Quelle versteckend, dass „das Vermögen der Rothschilds jenes der anderen [Familien] bei Weitem übersteigt.“ Und verbindet damit politischen Einfluss.
„Der Antisemitismus blüht in bestimmten sozialen Milieus auch (in D zumindest), weil er die Faszination des Verbotenen hat.“
Nein, der ist uralt und Milieu übergreifend. Ich kenne ihn aus bürgerlichen Umfeldern.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rothschild_(Familie)
wieder im falschen Thread….
zur Rede Cohens:
Er spricht sehr wichtige Punkte an.
1.) „On the internet, everything can appear equally legitimate.“
Nicht nur hier, aber ganz besonders. Das ist das Kernthema.
Die technische Entwicklung ist viel weiter als die durchschnittlichen menschliche Fähigkeit, Güte und Qualität der großen Menge an Informationen und an Informationsquellen zu beurteilen.
2.) „They [die großen Internetunternehmen] could fix these problems if they wanted to.“
In Wirklichkeit sind die Algorithmen nicht so perfekt, wie viele denken. Die künstliche Intelligenz ist noch längst nicht so weit, die Qualität der Informationen und deren Herkunft tatsächlich beurteilen zu können. Die Internetunternehmen müssten sehr viele Wissensarbeiter beschäftigen.
Einen dritten Punkt möchte ich anfügen:
Die Fähigkeit, Internetquellen und -informationen einzuordnen und zu beurteilen ist erlernbar. Meiner Erfahrung nach (damit u.ä. habe ich beruflich zu tun, beratend für das ein oder andere der genannten Unternehmen) können wir Menschen diese sehr einfach einstudieren und üben. Wir lernen das bisher in den Schulen nicht. Ich kenne sehr einfache und v.a. simpel anwendbare zwei- und dreistufige Modelle zur Qualitätsbeurteilung von Internetinhalten. Es ist keine Zauberei, gute und schlechte Informationen voneinander unterscheiden zu können, keiner benötigt dafür außerordentliche Intelligenz, Bildung und den Wissensstand eines Lexikons, das ist vollkommen unabhängig davon. Auch das Bildungssystem ist gefragt.
@ Alan Posener
Hier irrte Sartre: Pathologisierung eines Denkens – und sei es noch so falsch – ist immer ein Fehler, außer man hat es mit einem wahren Irren zu tun … aber auch da ist es der Irre und nicht zwangsläufig sein Denken. Dazu waren viele Antisemiten aber zu klug und auch Sie sprachen ja von einem gewissen „Format“ das man haben müsse, um überhaupt Antisemit sein zu können. Aber ich gebe zu, daß auch Antisemitismus zu Besessenheit führen kann – in beide Richtungen. Ähnlich wie die Verschwörungstheorien – aber gibt es deswegen etwa keine Verschwörungen?
Ich verspüre keinerlei „Bedürfnis, darüber zu diskutieren, ob die Juden vielleicht doch die Welt beherrschen“ – das sind mal wieder Ihre Projektionen -, denn ich halte eine so platte Aussage für unsinnig und habe noch nie einen Gedanken darüber verschwendet, ich verspüre aber sehr wohl ein Bedürfnis, darüber zu diskutieren, was wer wie wann sagen kann, darf, soll, muß. Gern auch am Beispiel des Antisemitismus. Der wäre am Ende nur aufzulösen, wenn man den Begriff des „Juden“ oder des „Jüdischen“ dekonstruieren würde und seine Nichtexistenz nachweisen könnte, ganz im Sinne des feministischen oder linksideologischen Vulgärdekonstruktivismus, der das Denken des Juden Derrida vollkommen entstellt. Solange es Juden gibt, als identitäre Größe, mit zuschreibbaren Idiosynkrasien, müssen diese auch beschreibbar oder kritisierbar sein, wie jede andere identitäre Kategorie.
So etwas z.B.:
„Ununterbrochen gehen die Gedanken in diesem Kopfe; ununterbrochen hört das innere Ohr sich selber zu, als wäre das Herz des Menschen in sein Gehirn und sein Gehör verlegt. Er nimmt auf, indem er etwas Dargebotenes in Worte faßt. (Daher gleitet der Jude so leicht in die Journalistik, Literatur und Advokatur: das Wort, das gesprochene Wort dominiert.) Er verarbeitet, er produziert sprechend. Die Methode des Talmud-Lernens, alle ankommenden, einfallenden Worte zu verlauten, stammt aus diesem Zwang; er schafft Redner und Lehrer. Die ewige Wachheit dieses Typs setzt ihn in hoffnungslosen Gegensatz zur Ebene, zum Gebirge. Er kann damit nichts anfangen; sie sind ihm nur Hintergrund zum Gespräch. Aber der große Strom und das Meer, das rauschende, ruhelose ist ihm vertraut: es fängt ihn ein …“
zu Baños: https://de.wikipedia.org/wiki/Rothschild_(Familie)#Das_Bankhaus_Rothschild_und_seine_Finanzgruppen_heute
Angesichts der Verzweigtheit ist der Begriff der „Familie“ bei Baños möglicherweise irreführend und zu vereinfachend – das wäre ein möglicher Kritikpunkt.
@ Ben Frick
Sie haben geflissentlich das „auch“ und die Klammer in meinem Satz überlesen: „Der Antisemitismus blüht in bestimmten sozialen Milieus auch (in D zumindest), weil er die Faszination des Verbotenen hat.“
Mir ist bekannt, daß der Antisemitimus sehr alt ist, primär religiös, und unzählige Formen kennt. Ich weiß auch, daß die Familie Rothschild als antisemitisches Klischee mißbraucht wird. Wollen Sie daraus – aus ihrer jüdischen Abstammung und aus dem Klischee – schlußfolgern, daß jede Beschreibung, Hinterfragung oder Kritik zu unterlassen sei, weil damit ein antisemitisches Klischee bedient werden könnte?
Da Sie meine Kritik an Alan Poseners Verriß offenbar gelesen haben, würde mich interessieren, ob sie sie stichhaltig finden und warum oder warum nicht. Der Adressat verweigert leider jede sachliche Stellungnahme.
Sehr geehrter Herr Seidel, dies ist der Kern Ihrer Argumentation: „Solange es Juden gibt, als identitäre Größe, mit zuschreibbaren Idiosynkrasien, müssen diese auch beschreibbar oder kritisierbar sein, wie jede andere identitäre Kategorie.“
Sie könnten „Juden“ durch jede andere „identitäre Kategorie“ ersetzen: Deutsche, Franzosen, Russen, Chinesen oder – um eine „identitäre Größe“ zu nehmen, die zahlenmäßig etwa den Juden entspricht – Holländer. (Es gibt etwa 15 Millionen Juden weltweit und 17,5 Millionen Holländer.)
Keiner dieser „Größen“ aber wird – als „Größe“ – das unterstellt, was die Antisemiten den Juden unterstellen. Und das liegt nicht daran, dass die Juden wesensmäßig anders wären. Sondern es liegt daran, dass der Antisemitismus wesensmäßig anders ist als die – denkbare, aber dumme – Abneigung gegen Holländer, Chinesen, Schwarze usw.
Der Antisemit hat nämlich eine Obsession. Er will nicht über Banken reden, sondern über die Rothschilds. Er will nicht über Gier reden, sondern über gierige Juden. Er will nicht über das Dublin-II-Abkommen reden, sondern über den Juden Soros. Nicht über den französischen Poststrukturalismus, sondern über „den Juden Derrida“, wie sie schreiben. Er will überhaupt nicht über Strukturen reden, ja nicht einmal über Individuen, sondern über „identitäre Größen“.
Diese Größen sind aber Wahnvorstellungen, und die größte Wahnvorstellung ist die „der Juden“ als „identitäre Größe“, die „kritisierbar sein muss“. Ihnen kommt das logisch vor. Aber es ist weder logisch noch für irgendjemanden, der außerhalb Ihrer Wahnkategorien denkt, auch nur nachvollziehbar.
Ich schreibe das auch nicht für Sie, weil ich fürchte, dass Ihnen durch Argumente nicht zu helfen ist. Ich schreibe das für die zwei, drei Leser*innen, die möglicherweise unserer Unterhaltung folgen. Dorthin führt nämlich die „identitäre“ Denkweise: dass man doch auch „die Juden kritisieren dürfen muss.“ Schtonk! Aber damit soll es auch gut sein.
@Sidewalk
… nix für ungut werter ‚Seidwalk‘. Ein wenig erinnert mich Ihre Diskussion an einen alten ‚DDR‘-Witz, in dem eine MfS-Figur den Hasen am Schlafittchen packt, ihn ohrfeigt und dabei immerfort sagt; ‚gib endlich zu ein Schwein zu sein‘. Warum? … weiß ich nicht, aber fürchterlich langweilig.
Ja, Kritiker des Antisemitismus erinnern Sie an MfS-Offiziere. Alles klar.
Sehr geehrter Herr Posener,
ich würde das sehr gerne selbst beenden, aber jede Ihrer Erwiderungen enthält eine Unterstellung (meist ist es – Antisemitismus), die ich so nicht stehen lassen kann.
Ich wollte z.B. ausdrücklich nur über Banken reden (wie übrigens Baños auch) und nicht über Rothschild oder Soros als Juden. Für mich sind das zuerst Finanziers und als solche ist ihr Verhalten kritiserbar, legitimierbar. Einen jüdischen Zusammenhang kann ich nirgendwo sehen.
Nichtdestotrotz stellt das jüdische Volk im identitären Selbstverständnis in der Geschichte der westlichen und nahöstlichen Zivilisationen eine Besonderheit dar und zwar mehr als die meisten anderen Völker – Deutsche (in der jüngeren Geschichte) vielleicht ausgenommen. Auf deren Kritsierbarkeit a l s Deutsche wird weiterhin bestanden – sie haben sich in der Verantwortung ihrer Vorfahren zu sehen.
Darauf zielte auch das obige Zitat von Arnold Zweig (Das ostjüdische Antlitz, 1919) ab, wo Zweig „vom Juden“ spricht, darauf stellte auch Derrida in verschiedenen Arbeiten seines Spätwerkes ab und damit setzte sich z.B. Sloterdijk in „Derrida ein Ägypter. Über das Problem der jüdischen Pyramide“ auseinander. Der Zionismus ist nichts anderes als die Beschäftigung mit sich selbst als apartes Volk, die jüdische Religion ist stark selbstimmuniserend – die Eintrittshürden sind enorm, sie steht am Beginn des Monotheismus und ohne sie wären die beiden anderen nicht denkbar gewesen …
Es ist daher ein bißchen seltsam, wenn man die volkliche Identität („das Volk Israel“) – zu der sich natürlich nicht alle rechnen – in eine apriorische Individualität auflöst. In dieser religiösen Apartheit liegt eine Besonderheit, eine wesensmäßige Andersheit der Juden als Volk, zu der sich freilich nicht alle bekennen müssen. Sie hören dann auf, irgendwann Juden zu sein … so wie meine Vorfahren. Die starke jüdische Identität wird zudem ausgerechnet durch den Antisemitismus gestärkt, wie jede Exklusion zu Identitätsstärke führt. Umgekehrt gewinnt auch der Antisemitismus sein „Wesensmäßiges anderes“ u.a. aus dieser Apartheit. Dialektik …
Ich begrüße und verteidige diese Andersheit ausdrücklich, denn sie ist ein unermüdlicher Motor kultureller Hochleistungen und eine Quelle der westlichen Kultur in der wir alle leben, weben und sind. Ich begrüße und verteidige andererseits auch das Recht jedes Menschen als Individuum, als Ich, wahrgenommen zu werden – und als solches auch kritisiert werden zu dürfen.
Wer eine Sachkritik – bei Baños war es das ja noch nicht mal, sondern nur eine Feststellung – an einer Person, die zufälligerweise Jude ist, als „antisemitisch“ diffamiert und damit die sachliche Kritik verunmöglicht, perpetuiert just das, was er zu bekämpfen meint: den Antisemitismus – gleich, ob er selbst Jude ist oder nicht.
Es war, @Jörg Seidel (danke!), in den 20er und 30er Jahren auch unter Juden üblich, von „dem Juden“, „dem Deutschen“, „dem Amerikaner“ zu reden. Aber auch von „dem Weib“ (dessen vorgebliche Eigenschaften man oft „dem Juden“ andichtete), „dem Neger“, „dem Perversen“ usw. usf.
In der Regel lagen solchen Verallgemeinerungen schlicht und einfach Vorurteile zugrunde. Dass „Identitäre“ nun diese Vorurteile als irgendwie wesenhaft ansehen, spricht eher für deren Halbbildung als für die Existenz von „Identitätsgrößen“ und dergleichen.
Wenn Sie aber Interesse haben an der Entstehung solcher Vorurteile (die ja von den Betroffenen oft geteilt werden), dann empfehle ich Ihnen Yuri Slezkine, „Das jüdische Jahrhundert“. Ich lese es gerade mit großem Gewinn.
APo: ‚Ja, Kritiker des Antisemitismus erinnern Sie an MfS-Offiziere. Alles klar.‘
… daran hatte ich zwar nicht gedacht – aber meinetwegen.
@Jörge Seidel
„Sie haben geflissentlich das “auch” und die Klammer in meinem Satz überlesen: „Der Antisemitismus blüht in bestimmten sozialen Milieus auch (in D zumindest), weil er die Faszination des Verbotenen hat.“
Nein. Meine Antwort war und ist: „Nein, der ist uralt und Milieu [und Länder] übergreifend. Ich kenne ihn aus bürgerlichen Umfeldern.“
„Ich weiß auch, daß die Familie Rothschild als antisemitisches Klischee mißbraucht wird. Wollen Sie daraus – aus ihrer jüdischen Abstammung und aus dem Klischee – schlußfolgern, daß jede Beschreibung, Hinterfragung oder Kritik zu unterlassen sei, weil damit ein antisemitisches Klischee bedient werden könnte?“
Soweit Sie nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen, können Sie über jeden schreiben, was Sie wollen. Bei Personen des öffentlichen Lebens oder Personen der Zeitgeschichte ist sogar viel mehr zulässig. Unser Recht schützt unbekannte Personen stärker als der Öffentlichkeit bekannte Personen.
Die Wahnvorstellung, die Rothschilds seien die mit Abstand reichste Familie der Welt und beeinflusse den Lauf derselben, ist eine antisemitische Tradition. Keine seriöse Quelle belegt den sagenhaften Reichtum der Rothschilds, ein geschlossenes Vorgehen der weit verzweigten Familie und deren politische Macht.
Pedro Baños verbreitet in Spanien nun seine Weisheiten im Berlusconi-Sender Cuatro.
„Da Sie meine Kritik an Alan Poseners Verriß offenbar gelesen haben, würde mich interessieren, ob sie sie stichhaltig finden und warum oder warum nicht. Der Adressat verweigert leider jede sachliche Stellungnahme.“
Zur Diskussion, ob und inwieweit antisemitische Inhalte antisemitisch sind, kann ich nichts weiter beitragen.
Ein wunderbares Buch über bildende Kunst (inkl. Architektur), Poesie und Prosa:
The Arts of Intimacy: Christians, Jews, and Muslims in the Making of Castilian Culture von Jerrilynn D. Dodds, María Rosa Menocal, and Abigail Krasner Balbale
Gut zu lesen und schön illustriert. Mit riesigem Literaturanhang.
@Ben Frick
The Rothschild family is one of the world’s richest families, accumulating wealth since their rise in the 19th century, which is now divided among a web of descendants. However, the ownership structure is often opaque, which makes it hard to estimate the family wealth, and there have been controversial, often conspiratorial attempts to do so.
https://www.ft.com/content/f159e16a-3610-11df-aa43-00144feabdc0
Rothschild Family net worth: $400 Billion
https://www.celebritynetworth.com/richest-businessmen/rothschild-family-net-worth/
Wenn man nur das aktive Netto Vermögen nimmt, so besitzt die Familie Rothschild ein geschätztes Vermögen von 285 Milliarden Euro. Ebenso wurde ein Vermögenswert von über zwei Billionen Dollar geschätzt, welcher zudem auch alle Wirtschaftsgüter mit beleuchtet.
https://www.vermoegenmagazin.de/vermoegen-familie-rothschild/
A meme recirculating the internet claims the Rothschild family „holds about 80 percent of the world’s wealth,“ and thus has the ability to „feed, clothe and settle every man, woman and child“ if they so choose.
The family is certainly wealthy but claiming they control 80 percent of the world’s wealth is a tall order. There is no longer any centralized family wealth, with the closest being an investment banking firm. But the firm’s revenues are far less than what many corporations make.
The rumor is a baseless exaggeration that furthers the spread of anti-Semitic theories.
https://www.politifact.com/facebook-fact-checks/statements/2019/jan/09/viral-image/meme-way-rothschild-family-wealth-they-do-not-cont/
[CORRECTION: An earlier version of this article cited an estimate of the combined net worth of the Rothschilds at $350 billion. That estimate came from a source that does not meet Investopedia’s standards, and we have consequently retracted it. Similarly, an estimate that the Rothschilds controlled more than $2 trillion worth in assets was also inadequately sourced and retracted.]
https://www.investopedia.com/updates/history-rothschild-family/
Das ist Banos‘ Quelle.
„Between 1818 and 1852, the combined capital of the five Rothschild ‚houses‘ (Frankfurt, London, Naples, Paris and Vienna) rose from £1.8 million to £9.5 million. As early as 1825 their combined capital was nine times greater than that of Baring Brothers and the Banque de France. By 1899, at £41 million, it exceeded the capital of the five biggest German joint-stock banks put together.“
Niall Ferguson, The Ascent of Money (2008), p. 88
Rothschild family: net worth estimated at up to $700 trillion
One of the wealthiest and most influential families in the world, the banking dynasty was founded in the 1760s. Because the family’s wealth is private, it’s difficult to ascertain its net worth – estimates range all the way up to a staggering $700 trillion, split between legions of descendants. The philanthropic clan has interests in real estate, art and wine.
https://www.msn.com/en-us/money/markets/the-worlds-richest-families-staggering-wealth/ss-AAAafIb#image=34
usw.
@ Jörg Seidel: Wenn das „aktive Netto-Vermögen“ der gesamten Rothschild-Familie (die ja nicht als Einheit handelt) 285 Mrd.Euro beträgt, so ist das kaum ausreichend, um die Welt zu kontrollieren. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2020 sieht Ausgaben von 362 Mrd. Euro vor. Das Vermögen des Bundes (Unternehmensbeteiligungen und Immobilien) beträgt z.Zt. 272,1 Mrd Euro. Die Schulden des Bundes belaufen sich auf 1.974,6 Mrd. Euro, davon 1.112,3 Mrd. Euro Kreditmarktverbindlichkeiten. Es ist klar, dass allein die Bundesregierung mit solchen gewaltigen Schulden den Finanzmarkt ungleich stärker beeinflussen kann als eine Familie, deren Gesamtvermögen gerade einmal so groß ist wie die Ausgaben des Bundes in einem einzigen Jahr.
@ Alan Posener
Genau das war mein Punkt. Die Zusammenstellung verschiedener seriöser Quellen, die sich maßgeblich widersprechen, sollte zeigen, daß man Banos Argument falsifizieren kann (statt es einem Narrativ unterzuordnen) und zumindest den ersten Teil der Aussage Ben Fricks („Keine seriöse Quelle belegt den sagenhaften Reichtum der Rothschilds, ein geschlossenes Vorgehen der weit verzweigten Familie und deren politische Macht.“) relativieren. Das wahre Vermögen der „Familie“ bleibt hingegen weiter unbekannt – und das erklärt sich schon logisch aus dem irreführenden Begriff der Familie nebst der Frage, was man alles dazu zählt.
Daß die Rothschilds die Welt regieren, habe weder ich noch Banos jemals behauptet – die Aussage ist schlicht und einfach unsinnig. Das ändert nichts an der Tatsache, daß man mit viel Geld viel erreichen kann, wenn man es möchte. Soros wurde auf läppische 25 Milliarden geschätzt, kaum genug, um den Lauf der Welt signifikant zu beeinflussen – dennoch ist sein Engagement offensichtlich politikrelevant und als solches kritisierbar ohne sich sogleich gewisse Vorwürfe einzuhandeln.
Sehen sie, @ Jörg Seidel, das macht die Auseinandersetzung mit Ihnen teilweise so mühsam. Sie behaupten Dinge, die nicht stimmen, hauptsächlich weil Sie nicht genau lesen, und dann muss man entweder wertvolle Zeit aufwenden, um Sie zu widerlegen, oder ewig und immer wieder von Ihnen den Vorwurf hören, man habe keine Argumente, sondern arbeite mit Vorurteilen und Vorwürfen. Jetzt behaupten Sie: „Daß die Rothschilds die Welt regieren, habe weder ich noch Banos jemals behauptet – die Aussage ist schlicht und einfach unsinnig.“
Die Aussage ist nicht nur unsinnig, sondern auch, wie Sie wissen, antisemitisch. Aber Banos hat genau das behauptet:
„Ich glaube, dass es Leute gibt, die noch über dem Bilderberg-Klub stehen. Es gibt jemanden, der ihn kontrolliert. Es ist sehr schwer, die Leute zu identifizieren, aber wir haben etwa den Fall der Rothschild-Familie, die im Wesentlichen die Weltwirtschaft kontrolliert. Wer kennt die Mitglieder dieser Familie? Wir wissen nicht, wer in Wahrheit die Welt beherrscht.“
Der letzte Satz, nur um einer Uminterpretation vorzubeugen, bedeutet: „Da kontrollieren Leute die Welt. und wir kennen sie nicht einmal.“
Nun machen Sie auch noch den Soros-Fass auf.
Und, um es vorweg zu nehmen: Mit Geld kann man viel erreichen. Russische Oligarchen im Auftrag des und in Zusammenarbeit mit dem Kreml haben das Brexit-Referendum beeinflusst:
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/10/russian-influence-brexit-vote-detailed-us-senate-report
Die (nicht-jüdischen) Koch Brothers sind die Hauptfinanzierer von Gruppen, die den menschengemachten Klimawandel leugnen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Koch_family
Sheldon Adelson (jüdisch) ist ein Gegenspieler von Soros und – da er das Ohr Donald Trumps hat, den er finanziell unterstützt – erheblich mächtiger, wenn auch nicht ganz so reich.
Und so weiter und so fort.
Das Beispiel Adelson – Soros legt die Vermutung nahe, dass es schon deshalb keine Clique gibt, die die Welt heimlich beherrscht, weil sich ja die Reichen untereinander nicht einig sind; ja nicht einmal (besonders nicht) die Juden unter ihnen. Wenn man aber nur Soros nennt, ohne Adelson und die Koch-Brüder zu nennen, so hat man eine Agenda, und die ist nicht aufklärerisch.
Aber Herr Posener,
Sie verschweigen etwas ganz Wesentliches! Das das von Ihnen angeführte Zitat stammt nicht aus dem von Ihnen verrissenen Buch „So beherrscht man die Welt“, sondern aus einem Interview, das Baños „El Boletin“ gegeben hat. Die Frage war nicht und war nie, ob Baños Antisemit – das interessiert mich nicht -, sondern ob das Buch antisemitisch sei. Das ist es nicht – Ihre Kritik ist obsolet und falsch. Und selbst wenn es das wäre, können seine (anderen) Argumente, die in Ihrer Besprechung fast gar keine Rolle spielen, korrekt oder wenigstens interessant sein.
Ich hatte in meinem „Offenen Brief“ im Zshg. der Frage nach der Verschwörungstheorie (Münkler) ausdrücklich auf dieses Interview hingewiesen: „Schon etwas besser paßte es auf das von Posener hinzugezogene Interview Baños‘ mit El Boletin – dort läßt sich der Geostratege zu einigen fraglicheren Äußerungen hinreißen. Man sollte das aber trennen können: Im Buch agiert der Autor vorsichtiger.“
Die Passage lautet im Original: Frage: „¿Existen los illuminati?“
Antwort Banos: „Lo que creo es que existe gente por encima de los club Bilderberg. Si aparecen ahí es que esos no son los que controlan. Hay alguien que sí que lo controla. Es muy difícil identificarlo, pero tenemos por ejemplo el caso de la familia Rothchild, que son en buena medida los que controlan la economía mundial. ¿Quién conoce a los miembros de esa familia? Nadie. No conocemos a los que de verdad dominan el mundo.“
Ich werde Baños nicht verteidigen, aber er sagt hier nicht zwangsläufig, daß die Rothschilds die Welt dominieren („nur“ die Weltwirtschaft), sondern daß man die Mitglieder dieser Familie nicht kenne, ebenso wie man diejenigen nicht kenne, die die Welt dominieren. Das könnte nichts anderes meinen, als die altbekannte Tatsache, daß Politik nur der sichtbare Teil unsichtbarer ökonomischer Machtspiele ist. Leider wird im Interview hier nicht nachgehakt.
Die Aussage, daß die Rothschilds die WeltWIRTSCHAFT kontrollieren, halte ich persönlich für Nonsens, wie ich auch nicht an irgendeine „Clique“ glaube, die die Welt beherrscht, aber – das ist entscheidend – ich würde mir jederzeit jedermann anhören, der dies überzeugend beweisen zu können glaubt … und mir danach erneut eine Meinung bilden. Deswegen müssen auch diese Leute, vor allem, wenn sie kundig sind, zu Wort kommen können, ohne sogleich die schwersten und rufschädigendsten Vorwürfe um die Ohren gefeuert zu bekommen.
Zudem wies ich in der Rezension daraufhin, daß man „dominar“ (im Buch) besser mit „beeinflussen“ als mit „beherrschen“ übersetzen sollte – das ist es, was Baños im Buch im Grunde meinte. Und so kann man auch Ihre jetzigen Beispiele interpretieren. Diese zahlungskräftigen Herren, Damen, Familien … was auch immer, nutzen ihre finanzielle und ökonomische Macht, um politischen Einfluß auszuüben. Jeder nach seiner politischen Orientierung, auch gegeneinander, sich widersprechend, und ganz unabhängig davon, ob jüdisch oder nicht. Letzteres wird nur von Ihnen immer wieder hineininterpretiert. Auch Baños spricht nicht von den Juden R., sondern von der Familie (die es so nicht gibt), so wie man auch von der Familie Clinton oder Kennedy etc. sprechen kann – da kennen Sie sich besser aus.
@ Jörg Seidel: Wir kommen hier nicht weiter. Und wenn Ihnen nicht auffällt, dass Sie erstens sich selbst ständig widersprechen und zweitens einen Autor verteidigen, der – wie Sie selbst sagen – Nonsens verbreitet, dann ist Ihnen auf diesem Blog nicht zu helfen. Am Ende sagen Sie bloß: Es ist Nonsens, aber nicht antisemitischer Nonsens; und wenn es teilweise doch antisemitischer Nonsens sein sollte, so ist es nicht nur antisemitischer Nonsens. Ich habe jedoch nie behauptet, dass das Buch nur Nonsens oder nur antisemitischen Nonsens enthält. Das könnte man nicht einmal von „Mein Kampf“ behaupten.
Sie schreiben:
„Die Aussage, daß die Rothschilds die WeltWIRTSCHAFT kontrollieren, halte ich persönlich für Nonsens, wie ich auch nicht an irgendeine “Clique” glaube, die die Welt beherrscht, aber – das ist entscheidend – ich würde mir jederzeit jedermann anhören, der dies überzeugend beweisen zu können glaubt … und mir danach erneut eine Meinung bilden. Deswegen müssen auch diese Leute, vor allem, wenn sie kundig sind, zu Wort kommen können, ohne sogleich die schwersten und rufschädigendsten Vorwürfe um die Ohren gefeuert zu bekommen.“
Das ist Ihr Problem. Sie glauben, man könnte vielleicht doch beweisen, das es eine solche Clique gibt, und sie würden „jederzeit jedermann“ anhören, der eine solche Theorie präsentiert. Ich hingegen halte die Beschäftigung mit Verschwörungstheorien für Zeitverschwendung. Und ich werde Ihnen jetzt nicht darlegen, warum das so ist – und warum sie nicht zu widerlegen sind. Das habe ich anderswo zur Genüge getan.
Und was den Antisemitismus angeht: Antisemiten „mögen dumm sein, lernfähig sind sie dennoch“, wie Henryk Broder neulich schrieb. Selbst die neonazistische Rechtspartei schreibt nicht auf ihren Plakaten „Die Juden sind unser Unglück!“, sondern „Israel ist unser Unglück!“ Jeder weiß aber, was gemeint ist. Na, Sie vielleicht nicht, aber Broder schon,und die Anhänger der „Rechten“ ebenfalls. Es gibt eine antisemitische Technik, die auf Englisch „dog whistling“ heißt, ich weiß nicht, ob es dafür einen deutschen Ausdruck gibt. Es ist die Art, bestimmte Codes und Reizwörter zu benutzen, die an sich nicht antisemitisch sein müssen, die aber den Eingeweihten signalisieren, dass hier etwas Anders gemeint ist: „Ostküsten-Elite“, „Globalisten“, „Kosmopoliten“, aber auch „Zionisten“, „Rothschilds“ oder „Soros“. Diese Ausdrücke umfassen teilweise mehr als „nur“ die Juden, teilweise weniger (wie es ja auch die „Wallstreet-und Kremljuden“ taten, was am Ende aber den Kurfürstendamm-Juden nicht half), aber es hat keinen Zweck, sie als analytische Begriffe ernst zu nehmen. Sie sind eben Code- und Signalwörter. Das ist ihre Funktion.
Beim antisemitischen Arzt Eikemeier finden Sie teilweise die gleichen Aussagen wie bei Banos, nur eben explizit mit den Juden verbunden. Der Unterschied ist nicht wesentlich, weil die Übergänge fließend sind.
Ich lege Ihnen zwei Sachen ans Herz:
1. Lassen Sie uns die Diskussion um Banos beenden. ich überzeuge Sie offensichtlich nicht, und Sie mich auch nicht. Wer daran schuld ist, mag ein Außenstehender beurteilen.
2. Lesen Sie Slezkines „Das jüdische Jahrhundert“.
https://www.perlentaucher.de/buch/yuri-slezkine/das-juedische-jahrhundert.html
Sehr geehrter Herr Posener,
einverstanden, beenden wir das Baños-Thema. Jeder kann – bzw. konnte 😉 – das Buch lesen und sich eine Meinung bilden.
Eines Ihrer Probleme ist die Unfähigkeit oder der Unwille, zu differenzieren. Das haben Sie mit Anmerkung Baños und Eikemeier – „der Unterschied ist nicht wesentlich“ – gerade wieder unter Beweis gestellt. Tatsächlich liegen hier Welten dazwischen.
Alles, was ich mit meiner Forderung nach Meinungsfreiheit sagen will, ist, daß die Wahrheit auch aus häßlichen Mündern, auch aus antisemitischen kommen kann – deswegen schaue ich nicht auf den Mund, sondern auf das Argument.
So auch am Bsp. “dog whistling”, das es natürlich gibt, vor allem in antisemitischen Kreisen. Das kann nun aber nicht heißen, daß jede Nennung der „Reizwörter“ ein Hinweis auf Antisemitismus ist. Wenn Kommunikation so funktionieren würde, dann wäre es besser zu schweigen.
Es grüßt
Jörg Seidel
Danke für den Buchtip.
@Jörg Seidel
“ Und selbst wenn es das wäre [antisemitisch], können seine (anderen) Argumente, die in Ihrer Besprechung fast gar keine Rolle spielen, korrekt oder wenigstens interessant sein.“
Ja klar, Wagner (z.B.) war Antisemit, deswegen kann man seine Musik dennoch mögen, bzw. wird sie auch in Israel aufgeführt. Tatsächlich kommen wir aber nicht weiter, bzw. es ist falsch verstandene Rücksichtnahme, Antisemiten bzw. derartige Klischees nicht als solche zu identifizieren. Daher verstehe ich Ihre zähe Verteidigung (wogegen eigentlich?) von Banos auch nicht. Wer diese Chiffren benutzt, in dem schwingt nun mal der schrille antisemitische Oberton – oft weiß derjenige es noch nicht mal. Und ist (insgeheim/im nachhinein) dankbar, dass man es ihm sagt. Natürlich nicht in einem bigotten Milieu, wo ein solches Eingeständnis einem sozialen Suizid gleicht. Das aber ist kein von Juden erzeugter Zwang, sondern ein rein arischer und führt zur bekannten christlichen (heutzutage ökologistischen) Scheinheiligkeit. In Hollywood (z.B.) sieht man das etwas entspannter und humoristischer und macht sich über Antisemitismus als eine etwas hinterwäldlerische unterkomplex-mystische Schrulle lustig. Geht in D nicht, weil.. Sie wissen schon. Aber es ist eben ein Problem der Nichtjuden, verursacht von Nichtjuden, denn – mal ehrlich – welcher Jude stellt sich heute noch hin und sagt: „Ihr habt meine Verwandschaft umgebracht!“ was ja auch noch verständlich und nachvollziehbar wäre, aber man nimmt ja z.B. einem Komiker, wie Oliver Pollak schon krumm, wenn er seinem nichtjüdischen Publikum auf eher flapsig-humoristische Art vorführt, wie wenig sie sich mit der (vielleicht tatsächlichen) Schuld ihrer Vorfahren bzw. einer (nicht existierenden) ‚Kollektivschuld‘ – besser würde man sagen: der Geschichte ihres Landes beschäftigt haben (psycholgisch könnte man sagen: getrauert haben). Nethanjahu sagte vor Jahren mal völlig zu Recht: „das [er meinte hier die’Israelkritik‘] sind innerdeutsche Befindlichkeiten“. DAS war allerdings die richtige (Psycho-)Analyse. Sie prangern ja (vielleicht) zu Recht den Missbrauch des Antisemitismus-Vorwurfs zu politischen Zwecken an, aber das können Sie Posener nicht vorwerfen, er mag ‚Linker‘ sein aber wenn Sie seine Beiträge lesen, werden Sie feststellen, dass er – so vermute ich – ähnlich denkt wie ich. Ich z.B. bin (wahrscheinlich) ‚Rechter‘ oder doch eher ‚Libertärer‘ (ich weiß es nicht) und wäre mich folgerichtig gegen übertriebene verschleiernde political correctness und genau die erkenne ich auch darin, dass man einen Antisemiten nicht mehr als solchen bezeichnen dürfen soll. Falsche Rücksichtnahme aufgrund der (nun) deutsch-arischen Dämonisierung des Antisemiten (mit Gründen.. aber auch zum Zweck der politischen Instrumentalisierung => Dilemma) führt genau dazu, wie es der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex formulierte:“Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.“
..und wäre mich folgerichtig gegen übertriebene verschleiernde..
[b]wehre[/b] mich.. (Meine Güte: Orthografischer Suizid)
Sehr geehrter Herr Seidel,
über den Namen Rothschild finden Sie in Büchern und noch mehr im Netz sehr viel Schund.
Ich wiederhole meine Aussagen: „Die Wahnvorstellung, die Rothschilds seien die mit Abstand reichste Familie der Welt und beeinflusse den Lauf derselben, ist eine alte antisemitische Tradition. Keine seriöse Quelle belegt den sagenhaften Reichtum [- damit sind die durchs Internet spukenden Summen von 100 Milliarden € bis sogar 2 Billionen € gemeint -] der Rothschilds, ein geschlossenes Vorgehen der weit verzweigten Familie und deren politische Macht.“
Ihre zitierten Quellen sind absehen von der erstgenannten Humbug. Die Inhalte genügen journalistischen Standards nicht. Die Verfasser bleiben oft anonym und wir meistens im Unklaren darüber, wer für diese Medien verantwortlich ist. Die Seiten verfügen über kein Renommee, ihre Expertise und Vertrauenswürdigkeit sind sehr gering. Die Quellen sind unseriös. Wie Baron Cohen sagte: „On the internet, everything can appear equally legitimate.“
Auf zwei Ihrer zitierten Quellen werde ich kurz eingehen:
1. https://www.ft.com/content/f159e16a-3610-11df-aa43-00144feabdc0
Der Inhalt ist journalistisch. Er dreht sich mehr um die Geschichte als um das aktuelle Vermögen der Nachkommen der vor über 150 Jahren reichsten Familie der Welt. Am Schluss des nicht mehr ganz aktuellen Artikels aus 2010 stellt die Autorin fest, dass es schwierig ist, das heutige Vermögen der Familie zu beziffern. Ja, das ist es. Literatur und Internet sind voller Müll über die Rothschilds. Und es gibt viele Nachkommen. Da ist es gar nicht einfach, sich einen Überblick zu verschaffen. Eine Zahl nennt sie dann doch noch: der Wert des in 2010 wichtigsten Rothschildunternehmens Paris Orléans betrug 600 Mio. €. Doch Vorsicht, Familienmitglieder hielten daran nur Anteile von etwa 60%.
Die Autorin des Artikels wird genannt, das Medium hat ein Impressum und es ist sogar bekannt und renommiert, spezialisiert auf Wirtschafts- und Finanznachrichten.
Sehr geehrter Herr Seidel, Sie zitieren sogar eine seriöse Quelle, wenn auch aus 2010. Diese Quelle spricht über einige 100 Mio. € Vermögen. Das ist sicherlich sehr viel Geld, aber weit entfernt von den astronomischen Billionen, die Baños behauptet. Und wir ahnen bereits: Die Rothschilds sind nicht die mit Abstand reichste Familie der Welt.
2. Die Baños-Quelle https://www.investopedia.com/updates/history-rothschild-family/
Die Autorin stellt eingangs fest, dass die Vermögenswerte von 2 Billionen € (diese Zahl nennt der „Geheimdienstexperte“ Baños) und 350 Milliarden € falsch und zu hoch geschätzt waren. Die Qualität der Vorgängerartikel war also noch erbärmlicher. Sie nennt dann keine konkreten Werte, sondern eine Kennziffer eines Tochterunternehmens der Finanzholding der französischen und englischen Familienzweige – warum auch immer, denn der Vermögenswert der börsennotierten Holding lässt sich tagesaktuell beziffern. Letztendlich sagt der Artikel nichts über das heutige Vermögen.
Die Finanzholding ROTHSCHILD & CO (bis September 2015 Paris-Orléans, siehe oben, ist uns bekannt aus dem FT-Artikel) ist aktuell das größte und wichtigste der Rothschildunternehmen. Sie bündelt Beteiligungen und Unternehmensaktivitäten. Französische und englische Familienmitglieder halten heute 47,1% Anteil am Aktienkapital. Ein Großteil der Holding ist im Streubesitz, also nicht im Besitz der Familie. Die Marktkapitalisierung (das ist die Multiplikation der Aktienanzahl mit dem aktuellen Aktienwert) der Holding an der Börse betrug heute nach Börsenschluss 1,928 Milliarden Euro. Der Anteil der Familie daran beträgt etwa 908 Mio. Euro. Das ist der wichtigste Vermögenswert der Rothschilds heute. Vertrauenswürdige Quellen gehen von einem Gesamtvermögen der Rothschilds im unteren einstelligen Milliardenbereich aus.
Der folgende Link zeigt ein seriöses Ranking der heute mit Abstand reichsten Familien der Welt (ausgeschlossen sind Einzelpersonen mit sehr hohen Vermögen wie Bezos, Buffet und Gates, es geht nur um Familienvermögen): https://www.bloomberg.com/features/richest-families-in-the-world/
Yep.
@Seidwalk
Ich möchte mit Verlaub anmerken, dass Sie im Bezug auf Baños keinen Stich machen, wenn Sie ihn gegen den Vorwurf des Antisemitismus verteidigen wollen. Wenn man denn schon die einschlägigen Vorurteile (Verschwörung, weltumspannendes Lobbysystem) über „die Rothschilds“ untersuchen möchte, dann erwarte ich ein nach den Regeln der Wissenschaft herausgearbeitetes Netz aus Fakten, das überdies in viele Richtungen zu blicken versucht. Da aber diese Vorurteile nunmal abertausendfach zu antisemitischen Ressentiments degeneriert sind und im Sinne ihrer Interpreten auch in aller Regel zu nichts anderem dienen sollen, ist schon das Andeuten solcher Aussagen zumindest ein Spiel (meist aber mehr) mit dem Antisemitismus. Denken Sie an Hohmanns Rede. Auch hier erstmal nur eine (bittere) Andeutung: „Wie kommt Ford zu seinen Thesen…?“ Die Thesen bestehen u.a. in dem schon rein geschichtswissenschaftlich zu verwerfenden Urteil, die bolschewistische Revolution in Rußland sei ein vornehmlich jüdisches Projekt gewesen. Normale Menschen, die sich zutrauen über solche Themen zu refererieren, wissen von vornerein, dass das der blanke Antisemitimus ist. Doch Hohmann deutet vornehm an, als ob es sich lohnen könnte, es doch nochmal zu hinterfragen.
Und das macht auch Baños – er rührt nochmal quer durch die Jauche, die scheinbar noch nicht oft genug gerührt wurde.
Huch, wo kommt das denn jetzt her? Ich dachte, die Diskussion ist beendet?
@ Klaus J. Nick @ Thomas Reichert
Sie haben das Buch von Baños gelesen? (Kennen Sie Herrn Poseners Besprechung? https://www.welt.de/kultur/plus198471875/Heyne-Verlag-publiziert-antisemitisches-Werk-von-Pedro-Banos.html)
Dann belegen Sie bitte, daß das Buch antisemitisch ist. Falls Sie das Buch nicht mehr erwerben konnten – aus bekannten Gründen – dann lesen Sie bitte meine Kritik des Buches nebst den „Offenen Brief an Alan Posener“ und machen Sie sich bitte mit der Sachlage vertraut.
@ Ben Frick
Weshalb wiederholen Sie meine Argumente? Ich habe die Liste in 5 Minuten Googelei zusammengestellt, um genau das aufzuzeigen, was Sie jetzt hier ausfalten, was Sie aber zuvor – in Ihrem vorletzten Beitrag – angezweifelt haben: 1. daß es seriöse Quellen gibt, die Zahlen zum Vermögen nennen (Ben Frick: „Keine seriöse Quelle belegt den sagenhaften Reichtum der Rothschilds“) 2. daß diese Zahlen sich deutlich widersprechen und man also schwerlich feststellen kann, wie groß das Vermögen der Rothschilds ist. Exakt das, letzteres, meint auch Baños – nennt dann aber die Quelle Investopedia: er referiert eine Quelle, nicht seine Meinung – der Unterschied müßte doch deutlich sein. Ob die nun seriös ist oder nicht, weiß ich nicht, interessiert mich auch nicht. Baños eigentlicher Fehler – das ist mir durch die Diskussion hier erst richtig bewußt geworden! – ist die Annahme einer „Familie“ Rothschild, nicht der vermutliche Irrtum in der Zahl, die nicht seine ist. Er hätte die Zahl besser recherchieren können, vermutlich gab es aber die Korrektur auf Investopedia damals noch nicht – sie könnte eine Reaktion auf sein Buch sein. Er behandelt die Rothschilds auch nicht als Juden, wie er auch das Haus Saudi nicht als Muslime oder Araber behandelt. Hätte er die Familie Rothschild in seinem Buch nicht erwähnt – er tut das nur ein einziges Mal – dann hätte das an seiner Argumentation überhaupt nichts geändert. Die Erwähnung ist – im Buch – sekundär.
Alan Posener hatte in seinem Beitrag allerdings behauptet, Baños behaupte, daß das Vermögen 2 Billionen betrage und das entsprach nicht der Wahrheit und d a s ist der Skandal.
Auch nimmt hier niemand daran Anstoß, daß Alan Posener im Forum ein Zitat Baños‘ bringt (aus El Boletin), das im Buch nicht vorzufinden ist. Es wird zudem die Trennung zwischen Person und Buch aufgehoben – das unterbietet intellektuelle Grundstandards. Niemand stößt sich daran, daß Herr Posener auf meine Argumente permanent mit Unterstellungen antwortet anstatt sie zu widerlegen – wenn Bedarf besteht, zähle ich sie mal durch – er stellt Baños und diesen Eikemeier auf eine Stufe usw. Kurz, man muß an der Seriosität seiner Arbeit zweifeln und das erklärt sich auch ganz einfach psychologisch: Wenn nämlich jemand auf die Jagd geht, dann sieht er überall das, was er sucht. Was nicht heißt, daß es das Gejagte nicht gibt. Man kann sich zur Falsifikation wortreich bekennen und dennoch chronischer Verifikationist sein.
@ an alle
Ich verspüre keinerlei Versuchung, Baños in irgendeiner Weise zu verteidigen. Ich habe sein Buch – nicht ihn – so objektiv wie es mir möglich erschien kritisiert, seine Vor- und Nachteile und Fehler benannt, mehr nicht. Ich halte das Buch auch nicht für sonderlich gelungen oder wertvoll, wie sie dort leicht nachlesen können. Alles wofür ich eintrete, ist sein Recht, das was er sagen will – auch wenn ich es teilweise für Quatsch halte – auch sagen zu können, ohne via Totschlagargument „Antisemitismus“ diskreditiert zu werden. Immerhin verschwand danach sein Buch vom Markt. Darum drehte sich die gesamte Diskussion – was man hätte verstehen können, wie ich finde, wenn man sie unvoreingenommen nachliest. Da dies aber offensichtlich nicht leicht fällt, ist es wohl in der Tat besser, sie hiermit zu beenden.
Ach so, noch was, das Entscheidende: Das Buch ist nicht antisemitisch! Bitte lesen Sie wenigstens die von mir abgelichteten 5 Seiten (von 460), die in Poseners Verriß eine Rolle spielen und begründen Sie dann bitte hart am Text, daß auch Sie sich „beschmutzt fühlen“. Wenn Sie den Vorwurf rational begründen könne, werde ich mich gern zu meinen Fehlern bekennen.
@Jörg Seidel
Die Angelegenheit war mir bekannt. Es ist doch die unternehmerische Entscheidung des Heyne-Verlags, ob er aufgrund eines Hinweises von Posener das Buch aus dem Programm nimmt. Anscheinend nimmt der Verlag seine Einschätzung sehr ernst und will sich in der Wahrnehmung seiner Zielgruppe besser positioniert sehen. Wg. Geld und so. Ich kenne Ihr Pseudonym „seidwalk“ übrigens vom Internet-Sender ‚lightbeat-radio‘, den ich tatsächlich sehr gerne höre (->Musikauswahl, Quarantäne gegenüber Indy-Pop, mit dem man in den Öffentlich-Rechtlichen überschüttet wird) , wo auch Ihre Texte dargeboten werden und deswegen werden Sie nachvollziehen können, dass ich unter Bezug auf Marktmechanismen, insbesondere Marktnischen argumentiere: Banos könnte auch bei Antaios (wo ich durchaus auch schon mal bestelle) publizieren, sein Buch wird nun bekannter sein. Der Heyne-Verlag ist keine öffentlich-rechtlich Anstalt, die qua Staatsauftrag Meinungsvielfalt zu präsentieren hat (hätte).
@Alan Posener
Nach Lektüre des Klappentextes auf perlentaucher.de des von Ihnen empfohlenen Buchs des Yuri Slezkine..
„Dabei bezeichnet er den Habitus jüdischer Lebenswelten als „merkurianisch“, den der agrarischen Bevölkerung als „apollonisch“. Im Zuge der Moderne, so Slezkine, verwandelten sich immer mehr Menschen in Merkurianer, sie werden gleichsam zu „Juden“.
..weiß ich nicht, warum ich auch nur minutenweise meine Zeit mit einem solchen Machwerk verschwenden sollte, das die von der feudalistischen Gesellschaft an die Juden zugewiesene Rolle nun als Erfolgsmodell feiert. Ein Phyrrus-Sieg, wie man in gebildeten Kreisen so sagt.
Die (prgmatischen) Zionisten waren schon schlauer -> Israel; viele Juden wurden Physiker, das ist das Gegenteil von ‚merkurianisch‘ (lesen Sie Biographien über Einstein); mein ‚merkurianischer‘ Großvater war Ziegen und Schafshirte, später ‚Tagelöhner‘ und kein ‚Geschäftsmann‘, Buchhalter oder Geisteswissenschaftler.
(Provokativ gefragt:) Wie lange wollen Sie die Abhängigkeit der Juden von gegebenen Verhältnissen der jeweiliegen Zeitgeist-Mächte noch perpetuieren?
Lieber KJN, ich lese das Buch von Yuri Slezkine mit großem Gewinn. In der Tat stellt der Zionismus den Versuch dar, aus „Merkurianern“ „Appllonier“ zu machen; ob das „schlau“ war, steht auf einem anderen Blatt. Slezkine arbeitet mit großen, ja groben Verallgemeinerungen und dialektischen – jetzt benutze ich selbst die Vokabel – Volten, aber das intellektuelle Vergnügen an einer Provokation, die eben nicht – wie manches, womit wir es hier zu tun hatten – politisch motiviert ist, sondern geistesgeschichtliche Räume neu auslotet, wiegt für mich jede Ungenauigkeit auf. Es mag Ihnen anders gehen; vielleicht ist das Buch nur etwas für Insider. Könnte mir aber auch vorstellen, dass viele Juden es als allzu respektlos abtun.
Nachtrag @ Jörg Seidel
Ich teile (zunächst) Alan Poseners Einschätzung des Impetusses von Banos. Deswegen mein (für Sie unerwarteter Einwurf.. Alan Posener „beendet“ hier nicht Diskussionen.. selbst ich darf..). Allerdings bezweifle ich, dass die Verantwortlichen des Heyne-Verlags tatsächlich verstanden haben, worum es wirklich geht. Das versuchte ich nun auch in meinem Einwurf an Sie gerichtet darzustellen. (was mir wohl nicht gelungen ist.) Die weitere (erforderliche) Diskussion ergibt sich dann, wenn Foren möglich sind, die zwischen, sagen wir Heyne und Antaios streiten.
Lieber Alan Posener, das „Ausloten von geistesgeschichtlichen Räumen“ ist sicherlich nicht mein Metier, da haben Sie wohl recht – obwohl – neugierig haben Sie mich jetzt schon gemacht, aber das Buch ist wohl gar nicht mehr so einfach zu bekommen. Falls Sie Lust hätten, Ihre Gedanken zu dem Buch hier aufzuschreiben, wäre das sicher auch für mich ein Gewinn.
Was ich aber meinte, ist ein Punkt, an dem wir beide immer wieder konträr ankommen hier, nämlich dass ich mir nicht vorstellen kann, wie eine Wirtschaft ohne Produktion (von was auch immer) laufen soll, bei allen sicher möglichen Verteilungen zwischen Produktion und Dienstleistung. Insbesondere, wenn sie sich noch entwickeln soll. Wesentliche Fähigkeiten zur Erhaltung und Entwicklung der technischen Zivilisation gehen ohne den Ingenieur in der Produktion verloren und es war eben – um nochmal zu Israel zu kommen (ich könnte das aber auch aktuell an Deutschland oder Trump erörtern) – in meinen Augen völlig planvoll und folgerichtig, im Zionismus dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung ausbildungsmäßig ‚divers‘ aufgestellt ist, wie man derweil so sagt. Wie ein gutes Aktion-Portfolio. Doch wohl auch, um sich von der feudalistischen (meist für die Juden) schmerzhafte Symbiose aus Fürsten und deren jüdischen Financiers, Verwaltern und Händlern zu emanzipieren. Aber vielleicht denke ich da zu sehr national-ökonomisch, allerdings werden wir wohl gerade in einer dezentralen Produktionslandschaft, wie sie sich m.E. schon für die Zukunft abzeichnet, weniger Verwalter und Organisatoren (‚Häuptlinge‘) und mehr technisches Fachpersonal (‚Indianer‘) brauchen. Jedenfalls, wenn es rentabel sein soll. Soweit mein Standpunkt zu Apollo und Merkur (ich finde diese Einteilung etwas beklemmend) – berufsbedingt sozusagen.
Lieber KJN, die Sozial- und Mentalitätsgeschichte der Ingenieure ist faszinierend.
https://www.springer.com/de/book/9783531186023
Ich weiß nicht, ob es eine entsprechende Studie für die Zeit nach 45 gibt, aber die von Tobias Sander entwickelten Kategorien scheinen mir übertragbar.
Ich denke, die KI bedroht weniger die Häuptlinge und Vermittler und mehr das mittlere Personal, also auch die Ingenieure. Aber ich kann mich irren.
Interessantes Buch lieber Alan Posener, danke! An die Existenz von ‚KI‘ glaube ich übrigens nicht, ‚Künstliche Logik‘, ja, aber ‚Künstlich Intelligenz‘ erfordert wohl noch ein paar 10000 Jahre Evolution. Auch die menschliche Wahrnehmung, nicht nur die Intelligenz sind auch weiterhin unverzichtbar für das Denken. Und ich sehe die Gefahr von zu viel totalitärer psychologischer Technokratie, wie in China. Aber sicher ein anderes Thema.
APo: ‚Ich denke, die KI bedroht weniger die Häuptlinge und Vermittler und mehr das mittlere Personal, also auch die Ingenieure. Aber ich kann mich irren.‘
… ‚KI‘ ist Soft- und Hardware.
Bedroht sindSozialismus, Bürokratie, Geschwätzwissenschaften und Politik haben fertig. Das wird auf ein ‚gesundes‘ Maß zurückgestutzt. Und das ist auch gut so.@ Seidwalk
Sie verwechseln Spitz- und Hufeisenbögen, wie ich bereits unten bemerkte. Bitte suchen Sie über eine beliebige Bildersuchmaschine nach Spitzbögen und nach Hufeisenbögen. Das sind zwei vollkommen verschiedene Bauelemente.
Die Westgoten kannten keine Spitzbögen, während die gotische Baukunst auf Hufeisenbögen verzichtete.
Sie verbreiten Halb- und Unwissen.
@ Ben Frick
Sie haben recht! Die mozarabische Architektur kennt allerdings den Hufeisenbogen. Meine Aussage, die die Begriffe durcheinander brachte bezog sich auf Aussagen wie diese:
„Eventually, the flowering of Islamic art in Spain took advantage of the nonrepresentational aspects of Hispano-Roman-Visigoth art. Famously, Muslims adopted the Visigoth horseshoe arch, seen in many Islamic buildings. Of course the horseshoe arch was itself of Greco-Roman origin, and even before conquering Spain, Islam had imitated the architecture and construction techniques of Christian Greek Roman Empire in the Middle East and North Africa. Indeed, Ibn Khaldun pointed out that in North Africa the constructions built by the Arabs themselves did not last very long because of the Arabs sloppiness, poor materials, and lack of knowledge of building techniques.“ Fernández-Morera 66f.
„Irrtum“ hätte es vielleicht auch getan.
@Seidwalk
Dieser kurze, zitierte Abschnitt über die andalusische Architektur zeigt hervorragend, wie Fernández-Morera mit seinem Buch„The myth of the Andalusian Paradise. Muslims, Christians, and Jews under Islamic Rule in Medieval Spain.“ zum Gegenmythos beiträgt.
1. Wesentliche Quellen und Aspekte spart er aus
Grundsätzlich hat der Autor Mut zur Lücke. Viel mehr als diesen Absatz schreibt er nicht über die andalusische Architektur. Dabei gibt es (Fach-)Literatur zum Thema, siehe den unten zitierten Artikel. Und jeder kann sich dort die Hinterlassenschaften der muslimischen Zeit anschauen und zur Kenntnis gelangen, dass es sich um einen Baustil handelt, der sich so woanders in Europa nicht finden lässt. Das sind nicht nur die touristischen Hotspots in Sevilla, Córdoba und Granada, sondern die Straßenlabyrinthe alter Stadtkerne, zu Kirchen umfunktionierte Moscheen in fast jedem älteren Ort, Festungen, Wasser- und Wehranlagenbauten usw.
2. Er spitzt zu
Der Autor verwendet ein paar mehr oder weniger abwertende Aussagen und Quellen über die andalusische Architektur und spitzt diese zu. So reduziert er die andalusische Architektur auf die Übernahme eines Bauelements (die Hufeisenbögen, die übrigens in der andalusischen Architektur eine vollkommen andere Form und Funktion einnehmen als in den Vorgängerarchitekturen) und (beinahe vorwurfsvoll) auf Nachahmung. Hätten die Araber das Rad neu erfinden müssen? Hätten ihrerseits die gotischen Baumeister auf die Weiterentwicklung und den stilprägenden Einsatz der Spitzbögen verzichten müssen, weil sie arabischen Ursprungs sind?
Stile entstehen durch die neue Kombination alten Wissens und bekannter Techniken unter Zugabe der einen oder anderen Innovation, Dank schöpferischer Menschen.
Zusätzlich erweckt Fernández-Morera den Eindruck (Bezug nehmend auf einen anderen Autor und auf eine bestimmte Zeit in einer vollkommen anderen Region), arabische Bauwerke seien eigentlich von kurzer Dauer wegen der arabischen Schlampigkeit, des schlechten Materials und des Mangels an Bautechniken. War „Made in Germany“ immer ein starkes Label oder die deutsche Industrie im 19. Jahrhundert noch verlacht? Wenn die Araber grundsätzlich derartige Baustümper sind und waren, frage ich mich, warum so viele arabische Wörter im Bereich des Bauens Eingang in die spanische Sprache fanden. Für den Maurer gibt es im Spanischen nur ein Wort arabischen Ursprungs: el albañil. Eigenartige Selbstironie der Spanier oder Folge einer gewissen arabischen Kompetenz?
3. Vieles belegt er nicht
In der Fußnote Nummer 44 (zugehörig zum Zitat) behauptet der Autor, dass die Muslime keine katholischen Kirchen in Südspanien zurückließen. Das ist Humbug. Wir können sogar eine erhaltene westgotische Kirche auf dem Gebiet der durch die Araber gegründeten Ortschaft Alcuéscar besichtigen. Solche widerlegbaren Behauptungen ziehen sich durch das ganze Buch.
@ Ben Frick
Morera schreibt in der Fußnot: „No Catholic churches were left in Southern Spain after the Muslim tide retreated“
Man kann vielleicht das Wort „tide“ kritisieren. Ob die Behauptung stimmt, kann ich nicht beurteilen, Ihr Beispiel jedenfalls widerlegt sie nicht. Die von den Westgoten erbaute Kirche Santa Lucía del Trampal, auf die Sie anspielen, war jedenfalls nicht intakt, als die Muslime das Land verließen. Als die Araber kamen verlor sie sofort an Bedeutung und wurde im 9. Jahrhundert von den ansässigen Mönchen verlassen und verfiel danach. Man begann sie im 15. Jh. wieder aufzubauen, in gotischem Stil. Die heutige Kirche ist das Ergebnis von Restaurationsarbeiten in den 90er Jahren.
„Sin embargo, con la llegada de los árabes en el siglo VIII, la actividad del monasterio se vería pronto limitada y hacia el año 900 fue finalmente abandonado. A finales del siglo XV se reconstruye el cuerpo principal del templo, bastante deteriorado después de más de cuatro siglos de abandono.“ https://www.viajarporextremadura.com/cubic/ap/cubic.php/doc/Basilica-de-Santa-Lucia-del-Trampal-318.htm
Fernández-Morera äußert sich auch andernorts zur Architektur, allerdings sehr verallgemeinernd, was dem Charakter des Buches voll und ganz entspricht, denn es will einen kulturellen Gesamtüberblick leisten worin die Baukunst nur ein Gesichtspunkt von vielen ist.
@Jörg Seidel
Um die Rothschilds ranken sich seit über 150 Jahren Märchen, Legenden, Hetze und Verschwörungstheorien, dazu verwendet, um die Macht des Judentums zu verdeutlichen. Antisemitismus.
Wenn ich das richtig verstehe, behauptet Baños, sich wahrscheinlich hinter einer unseriösen Quelle versteckend, dass „das Vermögen der Rothschilds jenes der anderen [Familien] bei Weitem übersteigt.“ Und verbindet damit politischen Einfluss.
„Der Antisemitismus blüht in bestimmten sozialen Milieus auch (in D zumindest), weil er die Faszination des Verbotenen hat.“
Nein, der ist uralt und Milieu übergreifend. Ich kenne ihn aus bürgerlichen Umfeldern.
zur Rede Sacha Cohens:
Er spricht sehr wichtige Punkte an.
1.) „On the internet, everything can appear equally legitimate.“
Nicht nur hier, aber ganz besonders. Das ist das Kernthema.
Die technische Entwicklung ist viel weiter als die durchschnittlichen menschliche Fähigkeit, Güte und Qualität der großen Menge an Informationen und an Informationsquellen zu beurteilen.
2.) „They [die großen Internetunternehmen] could fix these problems if they wanted to.“
In Wirklichkeit sind die Algorithmen nicht so perfekt, wie viele denken. Die künstliche Intelligenz ist noch längst nicht so weit, die Qualität der Informationen und deren Herkunft tatsächlich beurteilen zu können. Die Internetunternehmen müssten sehr viele Wissensarbeiter beschäftigen.
Einen dritten Punkt möchte ich anfügen:
Die Fähigkeit, Internetquellen und -informationen einzuordnen und zu beurteilen ist erlernbar. Meiner Erfahrung nach (damit u.ä. habe ich beruflich zu tun, beratend für das ein oder andere der genannten Unternehmen) können wir Menschen diese sehr einfach einstudieren und üben. Wir lernen das bisher in den Schulen nicht. Ich kenne sehr einfache und v.a. simpel anwendbare zwei- und dreistufige Modelle zur Qualitätsbeurteilung von Internetinhalten. Es ist keine Zauberei, gute und schlechte Informationen voneinander unterscheiden zu können, keiner benötigt dafür außerordentliche Intelligenz, Bildung und den Wissensstand eines Lexikons, das ist vollkommen unabhängig davon. Auch das Bildungssystem ist gefragt.
Hallo Herr Posener,
hallo Herr Seidel,
zunächst sollte man sich davon verabschieden, Recht haben zu wollen. Eigentlich sind Sie beide in bestimmten Dingen gar nicht so weit auseinander. Herr Posener hat hier ja schon wiederholt kritisiert, dass die Meinungsfreiheit in der BRD, wenn auch aus historisch verständlichen Gründen teilweise zu weit beschränkt wird. Aus rein logischen Blickwinkel muß es im Rahmen der Wissenschaftsfriheit grundsätzlich möglich sein, jeden geschichtlichen Sachverhalt zu hinterfragen. Wer dabei nach alldem was ich gesehen, gelesen und auch von Zeitzeugen persönlich gehört habe, zu dem Ergebnis kommt, es hätte z. B. keinen Holocaust gegeben, dem kann man vielleicht nicht überzeugen, aber man sollte es versuchen, denn man hat die besseren Argumente. Gleiches gilt für die Frage der Ursachen des Antisemitismus. Diesen als eine Art Krankheit und Verschwörungstheorie zu bezeichnen, könnte man auch als Verschwörungstheorie identifizieren und nach der Logik von Herrn Posener bräuchte man dann nicht mehr darüber zu diskutieren. Da beisst sich die Katze dann doch in den Schwanz.
Wenn man über den Einfluss des Finanzkapitals oder richtiger formuliert, einiger Milliardäre diskutieren will, frage ich mich, wieso die Diskussionen so oft bei „den Rothschilds“ endet. Das Problem des undemokratisch überproportionalen Einfluss der Reichen auf die Weltpolitik, Weltwirtschaft und die Gesellschaftssysteme kann ja niemand ernsthaft wegdiskutieren. Aber da fällt mir aktuell nicht zuerst die Familie Rothschild ein sondern die Namen Koch, Bezos, Gates, Trump und Zuckerberg. Das ist ja eine recht bunte Mischung. Die Namen der einflussreichsten Mexikanischen, indischen und chinesischen Milliardäre kenne ich leider nicht, aber auch bei denen gehe ich aus Erfahrung im Zweifel davon aus, dass sie ihren Reichtum nicht durch Nächstenliebe und Solidarität mit den Schwächen erlangt haben und in Ihrem gesellschaftsrelevanten Handeln auch nicht viel anders sein werden. Die Macht der Kochs, Murdochs, Bezos, Trumps und Co. ist eine ernsthafte Bedrohung für die Zukunft unseres Planetens, sowohl sozial, was den Weltfrieden betrifft aber auch in ökologischer Hinsicht. Ob die wie die Ameisen eine Königin haben, ob die sich absprechen oder nur die selben Interessen und Anwaltskanzleien haben oder alle scheinbar autonom mit einer Art Schwarmintelligenz handeln ist nicht ganz unbedeutend, wenn man Abwehrstrategien dagegen entwickeln will. Der Ansatz einer „jüdischen Weltverschwörung“ ist nach meiner Überzeugung der dümmste und wohl auch dee am wenigsten wahrscheinlichste. Dass eine religiöse Verschwörung fast die ganze Welt beherrschen kann es hat man zwar am Christentum gesehen, ich glaube aber, daß man da Herrn Posener und dem von ihm zitierten Botschafter Recht geben muss, dass dies eine Überschätzung ist. Aber wer glaubt, darüber ernsthaft diskutieren zu müssen, soll auch damit leben können, dass man ihn für einen Antisemiten hält. Ihn zu patologisieren, erscheint mir aber nicht der richtige Ansatz zu sein.
Apropos, da ja immer wieder von Bilderberg gesprochen wird. Dass da hochrangige Politiker, Medienleute und Wirtschaftslenker regelmäßig treffen, wird sicherlich nicht allein an der schönen Atmosphäre, dem guten Bier oder Wein liegen. Die Leute haben ja sonst genug zu tun und genug Geld, um ihren Urlaub selber zu bezahlen. Die Treffen werden für die meisten Beteiligen also besucht werden, um für das eigene Unternehmen, die eigene Institution oder die eigene Karriere von Nutzen zu sein. Von mir aus können die sich so oft treffen, wie sie wollen, aber ich erlaube mir dann auch, das Verhalten einiger Politiker und Medienkeuten, die an solchen Treffen und Programmen wie dem „Young Leader Dingenskirchen“ teilnehmen, entsprechend einzuordnen. Die Herren Guttenberg, Özdemir und Lambsdorff fallen mir da sofort ein. Mit „jüdischer Weltverschwörung“ hat das nach meiner Meinung nichts zu tun. Auch die Habgier der Koch Brüder, die Bernie Sanders einmal als psychischen Defekt bezeichnet hat, liegt einfach in der menschlichen Natur. Es gibt irgendwo in der menschlichen Psyche offenbar eine Einstellung, dass der Mensch, auch wenn er mehr als genug hat, immer noch mehr haben will. Und wenn er nicht so viel hat wie die anderen dafür einen Sündenbock zu suchen, der daran Schuld ist. Gegen beides hilft nur Bildung und gesellschaftliche Kontrolle.
Gute Nacht!
68er
dieses blinde Huhn scheint mir geradezu sprichwörtlich zu sein für die 1950er – 1970er Jahre. Erst spät wurde ein wenig nachgedacht. Aber selbst dann noch nicht ohne Peinlichkeiten. „Sondergotik“ – aberwitzig.
… die Backsteingotik, auch ’norddeutsche Backsteingotik‘, kann, wer will, natürlich als ‚germanische Gotik‘ sehen. Was denn sonst? Da gab‘ s noch kein Islam oder Sozialismus in Europa. ‚Norddeutsche Backsteingotik‘ entstand als ‚Repräsentationsbedürfnis‘ der aufstrebenden Hanse. Die Hanse, übrigens ein tolles Beispiel, wie Europa funktioniert hat und gegenwärtig funktionieren könnte, ohne dass die Staaten ihre Identität aufgeben müssen.
Ich mag unsere Marienkirche, 12./13. Jahrhundert, auch wenn sie zurzeit von Lutheranern okkupiert ist. Sie hat als einzige Kirche den englischen Bombenangriffen ’42 fast unbeschadet widerstanden. Mecklenburger halt. 😉
… und wenn es einen Einfluss aus dem Orient gibt, dann <a href="https://www.bundestag.de/parlament/geschichte/gastredner/benedict/rede-250244"Papst Benedikts XVI. im Deutschen Bundestag:
‚Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas. Sie hat im Bewußtsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen Stunde aufgegeben ist.‘
https://www.welt.de/kultur/article1957436/Was-Europa-dem-Islam-verdankt-und-was-nicht.html
… ahem, werter APo, was hätte eigentlich Ihr Vater – ‚Ich lebte in Deutschland, dem besten Land, das es gab, … war ich zufrieden mit der Welt und dem lieben Gott sehr dankbar.‘: Heimliche Erinnerungen (2004) – zum vorgebl. Einfluss ‚islamischer Architektur‘ in Europa geschrieben/gesagt?
Sie wissen, lieber Blonderhans, dass die von Ihnen zitierten Worte aus dem – von mir herausgegebenen – Buch meines Vaters die Empfindungen eines naiven Zehnjährigen wiedergeben?
Was nun die islamisch-arabische Kultur und ihren Einfluss auf Europa angeht, so müsste ich etwas länger suchen; es ist aber bekannt, dass er im palästinensischen Exil die zionistische Moderne ablehnte und wie sein Lehrer (und damaliger Arbeitgeber) Erich Mendelssohn verlangte, die Neuankömmlinge müssten von der arabischen Architektur lernen. Sie können das gern selbst googeln oder hier nachlesen:
http://www.nextroom.at/data/me.....542234.pdf
… schreiben wir mal so; es gibt keine ‚islamische Architektur‘ und auch keine ‚christliche Architektur‘. Architektur ist Architektur ist Architektur. Stil-Epochen in der Architektur beschreiben, bis in die Moderne, im Wesentlichen ideologische Machtansprüche. Ob das ‚ganz oben‘ so gut ankommt, wage ich zu bezweifeln. O-Ton Jesus; wenn du betest, ’so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.‘ … aber wie schon geschrieben; ‚ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.‘
Lieber Blonderhans, selbstverständlich gibt es „christliche Architektur“. Das beginnt bei der banalen Ausrichtung des Chors nach Osten und endet beileibe nicht mit dem Programm der Gotik, das Himmelreich sichtbar zu machen.
… ooops? Formatierungsfehler … daher!
… die Backsteingotik, auch ’norddeutsche Backsteingotik‘, kann, wer will, natürlich als ‚germanische Gotik‘ sehen. Was denn sonst? Da gab‘ s noch kein Islam oder Sozialismus in Europa. ‚Norddeutsche Backsteingotik‘ entstand als ‚Repräsentationsbedürfnis‘ der aufstrebenden Hanse. Die Hanse, übrigens ein tolles Beispiel, wie Europa funktioniert hat und gegenwärtig funktionieren könnte, ohne dass die Staaten ihre Identität aufgeben müssen.
Ich mag unsere Marienkirche, 12./13. Jahrhundert, auch wenn sie zurzeit von Lutheranern okkupiert ist. Sie hat als einzige Kirche den englischen Bombenangriffen ’42 fast unbeschadet widerstanden. Mecklenburger halt. 😉
… und wenn es einen Einfluss aus dem Orient gibt, dann Papst Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag:
‚Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas. Sie hat im Bewußtsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen Stunde aufgegeben ist.‘
Ich finde es schon erstaunlich, daß Sie es selbst in einem kurzen Aufsatz über einen mittelalterlichen Baustil schaffen, den Bogen von der angeblich überlegenen islamischen Kultur bis hin zur NSDAP zu schlagen.
Wenn Sie glauben, in Venedig islamische Einflüsse zu entdecken, versuchen Sie sich einfach vorzustellen, wie das byzantinische Konstantinopel aussah, bevor es den islamisch-türkischen Eroberern in die Hände fiel. Die Islam hatte nicht nur keine überlegene Kultur, er hatte überhaupt keine Kultur. Das was Sie und auch andere als islamische Kultur mißverstehen, sind die Reste de hellenistischen, römischen, byzantinischen und persischen Kultur, die übrig blieben nach deren Auslöschung durch die primitiven islamischen Eroberer. Insoweit sind die Taliban und die IS-Barbaren eigentlich die wahren Vertreter eines unverfälschten Islam.
Lieber Gerald Wissler, dass jede Zivilisation, auch die unsere, auf anderen aufbaut, kann als gegeben angenommen werden. So selbstverständlich auch die islamische. Wer je in Cordoba oder Sevilla, Istanbul oder Jerusalem war (um nur die Städte aufzuzählen, die mir Eindruck gemacht haben), oder auch nur im Berliner Museum für Islamische Kunst, wird kaum bestreiten können, dass die arabisch-islamische Kultur eine Tatsache ist. Ich glaube kaum, dass Sie außer Ihren Vorurteilen irgendeinen seriösen Historiker anführen können, um Ihre Ansichten zu bestätigen.
Lieber Alan Posener,
auch vermeintliche Vorurteile sind zuerst mal Urteile, und Urteile können falsch sein oder richtig sein.
Meine Kenntnisse über den Islam, das gebe ich offen zu, habe ich nicht durch eigene Studien, sondern durch lange Gespräche mit einer koptischen Ägypterin.
Deren Kenntnisse des Islam gehen weit über das hinaus, was der türkische oder marokkanische Durchschnittsmoslem über seine eigene Religion weiß, zumal die wenigsten Moslems den Koran im klassischen Hocharabisch lesen können.
Was die kulturellen Hintergründe der heute als islamisch geltenden Regionen betrifft, man muß kein Historiker sein um hellenistische, römische, byzantinische und persische Einflüsse zu erkennen.
Gerade die Einflüsse der uralten persischen Hochkultur erklären teilweise den Gegensatz zu den schiitischen Moslems und ihren sunnitisch/wahabitischen „Glaubensbrüdern“.
Lieber Gerald Wissler, auch ich kenne einige ägyptische Kopten – mit einem bin ich vor einigen Jahren zehn Tage lang durch Ägypten gereist. Sie nennen sich immer noch „Ägypter“, während ihnen die Muslime, die das Land vor 1400 Jahren eroberten immer noch als „Araber“ gelten. Ich kann das verstehen, aber man muss zugeben, dass die Kopten, was die Muslime betrifft, kaum weniger parteiisch sind als, sagen wir, die meisten Mizrachim in Israel. Um ein gar nicht so fernab liegendes Beispiel zu nehmen: Sie werden zwar von einem Hindu-Nationalisten viel Interessantes und Richtiges über den britischen Imperialismus hören, aber sie werden dessen Worte cum grano salis nehmen und nicht deshalb ihren Rudyard Kipling auf den Müll werfen.
Selbstverständlich gibt es in der islamisch-arabischen Welt „hellenistische, römische, byzantinische und persische Einflüsse“, darüber hinaus heute britische, französische, deutsche, amerikanische usw. Auch unsere Kultur ist ohne „Athen, Jerusalem und Rom“ nicht denkbar, wie Papst Benedikt XVI im Bundestag sagte. Dennoch reduziert sich unsere Kultur nicht darauf, und die Gotik reduziert sich gewiss nicht auf das Kopieren des Spitzbogenstils, dem die Conquistadoren und Kreuzfahrer begegneten, ebenso wie sich der Kapitalismus nicht allein erklären lässt durch die Übernahme arabischer Ziffern und der in der arabischen Welt gebräuchlichen Null, und die Renaissance nicht allein durch die Wiederentdeckung jener hellenistisch-römischen Tradition, die arabische Gelehrte konserviert und gepflegt hatten. Dennoch ist es klar, dass die Begegnung mit dem Orient für Europa bedeutend war; wenn sie für uns bedeutender war als für die Araber, dann spricht das ja nicht gegen unsere Vorfahren, sondern für sie.
… nun ja, Spätantike, Romanik, Gotik; wo sehen Sie in dieser histor. Reihenfolge, werter APo, eine Verbindung zur … ooops … ‚überlegenen Zivilisation des Islam‘ oder einen Einfluss ‚islamischer Architektur‘ in Europa? … ‚islamische Architektur‘ gab es zu der Zeit – wenn sie denn so benannt werden soll – als Nomadenzelt oder ‚Lehmhütte‘ in Timbuktu und anderswo in Afrika und j.w.d.. (Nein, auch nicht in Cordoba.)
… und Daniel Cohn-Bendit zu den ’schönsten Blüten aus der Mischung ungleicher Elemente‘; ‚Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam und wenig solidarisch, sie ist von beträchtlichen sozialen Ungleichgewichten geprägt und kennt Wanderungsgewinner ebenso wie Modernisierungsverlierer; sie hat die Tendenz, in eine Vielfalt von Gruppen und Gemeinschaften auseinanderzustreben und ihren Zusammenhalt sowie die Verbindlichkeit ihrer Werte einzubüßen.‘
… no comment
Ganz richtig – und Posener will ja die Vernichtung der deutschen Kultur. Zerstörung, Massenmord, das sind die Kennzeichen der marxistischen Leere (sic). Da Linke selbst niemals Kultur geschaffen haben, wollen sie die anderer schlechtreden und schließlich zerstören – so zeigt sich das Satanische im Marxismus. Und mal ehrlich: hat Marx nicht selbst irgendwie teuflisch ausgesehen? 😉
Das zeigt sich unter anderem darin, dass kein Marxist je postulieren würde , dass Nichtproletarier auch Menschen mit unveräußerlichen Menschenrechten sind. So wie auch der dreiste Migrant Posener uns Deutschen unverschämterweise sagen will, wie wir zu denken und zu leben haben.
Nein, Posener-Alien, für mich sind Sie mitsamt Ihrer Ideologie das letzte, so wie die anderen schamlosen Migrationshintergründler von Biller über Blumenshit bis Yücel, die beweisen, dass Invasoren nun einmal minderwertig sind, charakterlich wie menschlich.
Ihre venezianische Beobachtung trügt Sie nicht. In der Gotik mischen sich viele Elemente, weniger entfaltet sich germanischer Formwille. Das auffälligste Merkmal stammt aus der islamischen Architektur: die Spitzbögen, die wir auch auf dem Titelbild der „Baukunst der Gotik in Europa“ sehen. Sie kamen über Spanien und Sizilien, den Brückengliedern zwischen Orient und Okzident, in die abendländische Architektur. Zunächst schlichen sich die Spitzbögen in die schon lange abgerissene Klosterkirche Montecassinos und in die dritte Abteikirche des Klosters Cluny. Fast 200 Jahre später wanderten die Spitzbögen über Frankreich nach Deutschland ein und prägen seitdem unsere gotischen Bauwerke. Die tapferen Verteidiger des Abendlandes müssen sich also auch den gotischen Spitzbögen entgegenstellen.
Allerdings ist die Gotik weit mehr als Spitzbögen, lieber Ben Frick, sondern ein konstruktives und ideologisches Programm. Daneben aber: Gibt es Untersuchungen über den von Ihnen nachgezeichneten Einfluss der Araber auf die Entwicklung der europäischen Baukunst?
Zwar galt die gotische Baukunst auch als Spitzbogenstil, dennoch behaupte ich nicht, dass die Gotik mit Spitzbögen gleichzusetzen ist. Die Spitzbögen stellen lediglich ein gutes Beispiel dafür dar, dass Ideen universell und grenzenlos sind. Die Gotik ist eine „Mischung ungleicher Elemente“, unter denen sich auch ein paar islamischen Ursprungs finden.
Ich denke, dass kulturelle Entwicklung den Austausch benötigt. Zwischen Gesellschaften fand immer ein gegenseitiges Geben und Nehmen statt. Das kollektive Bewusstsein scheint die Herkunft vieler Ideen rasch zu vergessen und eigene Leistungen zu idealisieren.
Was speziell die Spitzbögen angeht, schlage ich Ihnen vor:
Islam and the West: The Early Use of the Pointed Arch Revisited
Author(s): Peter Draper Source: Architectural History, Vol. 48 (2005), pp. 1-20
Daraus zitiert (p.19): „The history of Western medieval architecture, like that of Western culture in general, cannot be written without reference to the lessons learnt from Islamic culture.“
Allgemein empfehle ich (selber bisher nur quer gelesen, Quellen gut belegt): Arabische Kultur und europäisches Mittelalter von Hans-Peter Hebel
Ich lebte einige Zeit in Andalusien…daher las und hörte ich so einiges, v.a. in Spanisch.
Die europäisch-arabische Kulturbegegnung ist ein verdrängtes Thema.
„Die europäisch-arabische Kulturbegegnung ist ein verdrängtes Thema.“ Absolut. Nach Besuchen in Valencia, Cordoba und Sevilla ist mir das klar geworden. Den Alcazar in Sevilla bauten arabisch-muslimische Handwerker für den christlichen Eroberer-König, weil die Christen keine vergleichbaren Fähigkeiten hatten.
Allein der „islamische Spitzbogen“ oder „Hufeisenbogen“ oder „maurische Bogen“ ist in Wirklichkeit ein westgotischer Bogen. Die muslimischen Architekten haben ihn von den christlichen Westgoten übernommen und vielfältig weiterentwickelt – nachdem sie deren blühende Kultur vernichtet hatten. So kam europäische Kultur über das Vehikel muslimische Kultur wieder zu den Europäern. Ganz ähnlich wie mit den berühmten philosophischen Tradierungen.
Eine interessante These. Haben Sie dafür einen Beleg?
Sie haben Recht. Die Westgoten benutzten Hufeisenbögen und die islamische Architektur entwickelte sie weiter. Nur schrieb ich über Hufeisenbögen? Hufeisenbögen sind keine Spitzbögen, wie Sie das bereits am Namen erkennen könnten. Hufeisenbögen sind bereits aus dem vorislamischen Syrien bekannt – und finden in der Gotik im Gegensatz zu den stilprägenden Spitzbögen keinen Einsatz,