„Ich denke mir in der Gegend zwischen Potsdamer Platz und Alexanderplatz jede Baubeschränkung aufgehoben. Hier entstehen mächtige Bautenreihen aus Glas, Stein und Eisen, so hoch, wie das Bedürfnis es verlangt und der Baugrund es zulässt…“ So träumte sich Walter Rathenau 1902 ein Geschäftszentrum Berlins herbei, das er schon damals mit dem englischen Wort City bezeichnete.
Stattdessen hat Berlin nach der Wiedervereinigung ängstlich auf Traufhöhen (22 Meter), Blockrandbebauung und Steinfassaden geachtet. Dadurch ist das Stadtbild im Zentrum nicht nur langweilig und austauschbar geworden. Die dadurch bedingte Verknappung der Büroflächen in bester Lage hat dazu beigetragen, den Baugrund zu verteuern. In den letzten fünf Jahren ging der Büroleerstand in Berlin zurück auf heute 3,6 Prozent, die Durchschnittsmiete für Geschäftsräume stieg von 12,10 auf 14,80 Euro. Schön für Vermieter, schlecht fürs sonstige Geschäft.
Verzagtheit statt Zukunft
Nun war die Wiederherstellung jenes Stadtbilds, das schon Rathenau ärgerte, kein Ausdruck behördlicher Willkür, sondern Ausdruck einer allgemeinen Stimmung, Symptom einer allgemein verzagten Haltung im europäischen Städtebau der letzten 20 Jahre, die eher bemüht war, nichts falsch zu machen als irgendetwas richtig. Man mochte natürliche und soziale Biotope schützen und niemandem etwas zumuten. (Auch die Misere des Flughafens BER hat damit zu tun, dass ein Großflughafen, der den Namen verdient hätte, nicht in Sperenberg oder Jüterbog gebaut werden sollte, weil dort Biotope zu erhalten waren.)
Nun ist es Zeit, etwas größer zu denken. Jetzt gilt es zum Beispiel an den Masterplan Hans Kollhoffs aus dem Jahr 1993 zu erinnern, der zehn 150-Meter-Türme am Alexanderplatz vorsieht. Zwei davon werden jetzt immerhin realisiert. Oder an den Plan Christoph Langhofs für einen 209-Meter-Turm am Zoo. Typisch ist in diesem Zusammenhang die Meldung: „Die Bezirksverwaltung reagierte ablehnend.“ Der Alex ist trist und billig; noch schlimmer ist die Gegend rund um den Hauptbahnhof. Kollhoff meinte dazu schon 2010: „Dort wird eine gigantische Chance vergeben. Der Humboldthafen ist eine großartige städtebauliche Figur, die auf Lenné zurückgeht. Über die wird geistlos hinweggeplant. Das meiste bleibt dem Zufall überlassen. Das kann es doch nicht sein. Hier versagt die Verwaltung. (…) Es ist Zeit, dass Berlin Bilanz zieht und sich fragt, ob die Stadt sich diese Piefigkeit leisten kann.“ Sechs Jahre später steht die Frage immer noch im Raum.
Dort, wo Großes nicht sein darf, der Distinktionswunsch der Investoren jedoch „den Architekten zwingt, in das Stückchen Mauerwall, das ihm als Fassade zu bearbeiten obliegt, seine ganze Seele zu legen“, so Rathenau 1902, ist das Ergebnis eben nicht ein Stadtbild aus einem Guss, sondern ein Konglomerat „Es ist ungefähr, wie wenn ein Zahnkünstler ein prächtiges Gebiss anfertigt und sich rühmt, er habe jedem einzelnen Zahn besonderen Charakter, Ausdruck und Farbenton verliehen.“ Es ist, als habe Rathenau das heutige Elend des Pariser und Leipziger und Potsdamer Platzes schon vor Augen gehabt.
Wohnungsbau als Gemeinschaftsprojekt
Die deutsche Verzagtheit hat schon zur Ablehnung der Olympischen Spiele in Berlin, Hamburg und München geführt; zum Protest gegen das große städtebauliche Projekt „Stuttgart 21“; zum Scheitern des Transrapidprojekts in München; zum Volksentscheid gegen jegliche Bebauung des Tempelhofer Felds in Berlin. So lange Berlin schrumpfte, mochte der Bestandsschutz und die Abneigung gegen große Pläne eine gewisse Logik haben, wenn sie auch kurzsichtig war. (Die Planung des Flughafens BER etwa erfolgte ohne Berücksichtigung der Fluggastexplosion durch die Billigflieger. Die nachträgliche Umstellung hat viele der Probleme verursacht.) Im Jahr vor dem Mauerfall hatte Berlin weniger als 3,4 Mio. Einwohner. Bis zum Jahr 2000 sank die Bevölkerung um 100.000. Mit Beginn der Zehnerjahre aber setzte Wachstum ein: Jedes Jahr wuchs Berlin um 40.000 bis 50.000 Menschen, die Flüchtlingswelle der letzten 18 Monate nicht mitgerechnet. Bis Ende 2020 dürfte Berlin um 365.000 Menschen wachsen, also um die Größe Bochums. Dann hat die Stadt etwa vier Millionen Einwohner – den Speckgürtel nicht eingerechnet. (Zum Vergleich: Brandenburg hat jetzt weniger als 2,5 Mio. Einwohner, Tendenz sinkend.)
Da der Wohnungsbau nicht Schritt hielt, ist der Quadratmeterpreis für eine 60m²-Wohnung in den letzten fünf Jahren von 6,17 Euro auf 8,77 Euro gestiegen. Der Wunsch, Traufhöhen und Biotope zu erhalten, hat paradoxerweise dazu geführt, dass im Verdrängungswettbewerb ganze Stadtteile ihr Gesicht verändert haben. „Neukölln ist überall“? Von wegen! Neukölln sieht täglich mehr aus wie Prenzlauer Berg. Wir haben keine Banlieus? Bald schon. Berlin muss jährlich 15.000 bis 20.000 Wohnungen bauen, Flüchtlingsunterkünfte nicht eingerechnet. 2015 waren es zwischen 12 und 15.000, also an der unteren Grenze. Allein die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen jährlich 6.000 Wohnungen bauen, der Rest soll privat gebaut werden, wobei das Wohnungsbauförderungsgesetz vorschreibt, einen bestimmten Anteil der Wohnungen als Sozialwohnungen zu konzipieren. Das soll nicht nur für Menge, sondern auch für soziale Durchmischung sorgen.
Das mag gelingen, auch wenn ich aus dem Umkreis befreundeter Architekten andere Stimmen höre. Was aber bei alledem fehlt, ist die große gesellschaftliche Diskussion um das künftige Bild der Stadt. Zehn Großsiedlungen etwa sind geplant, aber die Auseinandersetzung darum bewegt sich auf der lokalen Ebene. Nichts gegen Anwohnerbefragungen und dergleichen; bei früheren Großprojekten wurden sie sträflich vernachlässigt. Doch muss sich Berlin endlich nicht nur fragen, was es nicht will – Hochhäuser, Wohnungen auf dem Tempelhofer Feld, Mietsteigerungen und Gentrifizierung, unregulierte Ferienwohnungen und was der Ärgernisse mehr sind; sondern was es will.
Und ja, der Vorschlag mit dem Dachausbau ist gut. Früher war es möglich, in Ostberlin auf die Dächer zu steigen und gnaze Straßenzüge entlangzuspazieren, was allerorts auch gemacht wurde. Das war ziemlich gefährlich, zu Silvester konnte man da feiern und auch runterkullern, was uns gottseidank nie passiert ist. Jetzt ist das verboten und überall zugesperrt. Man konnte aber sehen, was alles dort oben möglich wäre. Man könnte dort eine zweite Stadt oben drüber aufbauen, mit massenhaft Wohnraum.
Hier ist eben alles ne Nummer kleener und unordentlicher, Oleander. Außer Merguez und Döner gibts z.B. noch die Brat- und Currywurst. Die Soße ist dabei die Romantik, und ohne geht es hier nicht. Früher wohnte ich in einer sagen wir mal: äußerst dürftigen Wohnung. Außenklo auf halber Treppe, kaputte Außenwände, ziehende Fenster, keine Dusche und vor der kaputten Haustür ein verwahrloster Garten. Aber die Leute von auswärts kamen, sahen und meinten: toll! – Das ist, glaube ich, nur hier möglich.
Sie haben Recht, Oleander; dass die Touristen wegen der Würstchen kommen, erscheint mir ebenfalls unwahrscheinlich. Eigentlich hatte ich sagen wollen, dass man sie in einer Sonderausgabe darauf hinweisen könnte, z.B. dass es solche algerischen Würstchen gibt. Vielleicht kommen sie dann das nächste Mal auch wegen der Würstchen, kaufen sich einen Minigrill und Bier, setzen sich in den Park und grillen. So wie auch die Einheimischen, z.B. im Mauerpark, Tierpark oder am Schlachtensee. Das sind längst nicht nur Migranten, die sowas gerne tun. Es muss ja nicht immer ein Menü sein und wäre auch viel romantischer.
Eine Würstchenstadt, ja, mit viel Romantik. Vielleicht ist das ein Grund, warum alle hierherwollen. Sie wollen sehen, wie man sich auch mit wenig oder gar keinem Geld einrichtet und romantisch lebt. Dafür gibt es hier eine Menge unterschiedlicher Modelle.
Besagte beiden Brachen sind übrigens auch hier im Gespräch, wie ich soeben gesehen habe:
http://www.tagesspiegel.de/ber.....71796.html
Sie sagen es: Die Errichtung wohnenswerter Vorstädte und deren Anbindung an die Arbeitsplätze im Inneren ist für die meisten ein viel wichtigeres Thema als eine aufpolierte Innenstadt. Es muss nicht immer Quadratgrundstück – Einfamilienhaus – akkurate Hecke mit Zaun – Bürgersteig – Straße sein.
Offen gestanden erscheint mir das Ganze aber viel verwurschtelter als verplante Stadtkonzepte. Man muss sich nur einmal vorstellen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern, BW und Sachsen würden eines schönen Tages mit Österreich einen eigenen Staat aufmachen und desgleichen Flamen mit den NL oder HH+SH plus Mecklenburg mit Dänemark, dann würde die ganze Katastrophe von Berlin bis Rotterdam/Brüssel gnadenlos hervortreten.
Nein, ich sage jetzt nicht, dass es an der spez. Immigration dorthin liegt. Aber ich sage schon, dass man bei Gangs, nicht nur aus dem Libanon, sondern durchaus auch aus Italien, lange weggeschaut hat, außerdem versäumt hat, ein Einwanderungsgesetz aufzustellen, das, nur nebenbei, mit Kriegsflüchtlingen, die man vorübergehend aufnehmen muss, nichts zu tun hätte. Man hat einfach ein Chaos entstehen lassen. In solchem Chaos können auch andere Ideen nicht florieren, und die entstandenen Probleme nehmen gelegentlich die ersten drei Seiten der Zeitungen ein. Und an Zieglers oben erwähntem Würstchenverkäufer interessiert mich vor allem, ob er auch ausreichend Steuern zahlt. Wie man eine Würstchenbude führt, hat mir vor Jahren mal eine clevere steinreiche Frau erklärt, die durch so eine, mindestens 50% am Staatssäckel vorbei, reich geworden ist. Das ist ganz leicht. Wer kann schon nachprüfen, ob der letzte Einkauf nach drei Tagen vergammelt war? Die Romantik solcher Würstchen hat ihre von Thilo Sarrazin beschriebenen Schattenseiten. Aber jetzt ist gut.
Aber eins noch: Nach Ziegler kommen die Touristen nach Bln für Merguez-Würstchen. Hm. Nach Paris kommen sie für ein gutes 3-Gänge-Menu, nach London nur, um die Stadt und Buckingham Palace zu sehen, Essen ist zu teuer. Kurz: Das ist also eine Würstchen-Stadt, früher Thüringer, heute Merguez. Herzlichen Glückwunsch. Das ist, mit Verlaub, Meilen entfernt von einer Schweinshaxe im Biergarten, der Basis in München. Und die wird vor allem im Sitzen gegessen, wie auch die Weißwurst zum Frühstück. Der passende Vergleich wäre die Leberkäs-Semmel, aber Touristen kommen nicht nach München wegen des Leberkäs.
Ein Zusatz:
Was will Berlin überhaupt? Will es Großstadt oder Kleinstadt mit Großstadtflair?
Bei Berlin kriegt man immer den Eindruck, dass jeder in der Mitte + 3 bis 5 km sein will. Roland Ziegler deutet das ja an. Andere Städte haben sich entlang ihrer Flüsse Themse und Seine, Elbe und Alster ausgebreitet, und da gibt es weiter draußen dann durchaus attraktive Wohngegenden oder Wohn- und Geschäftsviertel wie im 15. Arrondissement.
Das mit der Traufhöhe erinnert an Paris und wurde möglicherweise dort abgeschaut. Nur scheint mir die dort ca. zwei Stockwerke höher zu sein mit konsequent ausgebauten Dächern, oft zweistöckig unter einer Art Walmdach. Hinzu kommen rechtzeitige Straßenvisionen wie von Haussmann und später Pompidou, außerdem darf man dort überall mit jedem Auto fahren, was die Stadt lebendig erhält. An den Seine-Boulevards wurden unterirdische Parkgaragen eingeplant. Geh’n tut alles.
Somit scheinen seit dem Krieg, kein Wunder in einer lange geteilten Stadt, Visionen zu fehlen, die im Städtebau auch nützlich sein können, darunter die Vision, die Ziegler andeutet, Außenbezirke attraktiv zu machen und hierbei gleichzeitig an Verkehr zu denken, auch Auto selbstverständlich. Es gibt Leute, die ihr eigenes Auto fahren wollen. In Berlin bräuchte es hierfür auch Parkflächen mit CCTV, leider, aber sowas soll in FaM schon für Fahrräder eingerichtet werden.
Solche Glaspaläste, von denen Sie ja vielleicht wie Rathenau träumen, könnten auch außerhalb entstehen, so wie in Paris das leicht dezentral gelegene 15. Arr. zwischen 7. Arr. (Regierung, Universitäten) und Versailles (begehrter Wohnort).
Das ist also alles, um Zieglers Faden aufzunehmen, zu sehr auf die Mitte konzentriert.
Um überhaupt zu so einem Konzept zu kommen, muss auch die Sicherheit, z.B. nachts in Bahnen, gewährleistet sein.
Und dann muss man sich auch an den Kopf tippen und sich fragen, wie lange Münchener nach Halbergmoos brauchen oder Hamburger nach Fuhlsbüttel, aber gut, diese Fehlplanung läuft jetzt weiter.
Also da ist eine Schachtel, die heißt Mitte plus, sagen wir 5 bis 10km, und da wird alles ‚reingestopft. Londoner Flughäfen sind um die Stadt verteilt, auch City liegt dezentral. Das gesamte Personal von Heathrow lebt in Slough und Reading.
Das wirkt also einigermaßen konzeptlos. Für ein Konzept bräuchte es einen genialen Bürgermeister, der auch auf Bevölkerung hört, und die BuReg dürfte kein Wort mitzureden haben. Die ist dort nur zu Gast, was ihr nicht bewusst ist.
Außerdem möchte ich vorschlagen, alle Dächer zweistöckig auszubauen und in jedem Altbau Fahrstühle zu genehmigen, norfalls außen im Innenhof – viel Wohnraum. Teuer natürlich, aber aus den Häusern zieht dann jemand hoch, und weiter unten wird günstiger was frei. Nur eine Idee.
Die Verschmelzung mit Brandenburg ist eine weitere Idee.
Schreibe ich über Bln, denke ich an die Zieglers, Leute mit zwei Kindern, die sich schwer tun, etwas zu finden, was groß genug ist. Ich selbst wäre aus solcher Lage längst weggezogen.
Ich selbst, fahre ich mal in die Hauptstadt, wohne außerhalb wegen des Autos. Leute, die Autos anzünden, gehören m.E. zwei bis drei Jahre ins Gefängnis zur Heilung und sollten danach eine Zeitlang Wohnsitzauflage außerhalb Berlins (oder Hamburgs) bekommen. Das wäre sehr abschreckend.
Frau Frommel, die mich hier gelobt hat, lebt in einer Stadt, die sich langgezogen hat entlang des Wassers, wo Leute in Kiel arbeiten und in Strande oder auch im Süden auf dem Land leben, keine solche Sardinenbüchse.
Flughafen ist Fuhlsbüttel, eine Stunde Fahrzeit. Im Falle Berlins hätte das bedeutet, zwischen Hannover und Berlin und ein weiterer zwischen DD und Bln. Hätte das Potential zu großen Drehkreuzen gehabt à la Heathrow und Gatwick und hätte manchen Industriestandort aus der Stadt getrieben. Also 1: Die Fusion mit Brandenburg.
Um solche Sachen überhaupt auf die Beine zu stellen, bräuchte es vielleicht sogar Spezialisten, die nicht aus Bln kommen. Kiezmentalität à la Wowi ist sonnig, aber hinderlich beim Umdenken. M.f.G.
…in diesem Zusammenhang würde mich interessieren, inwieweit eigentlich das öffentliche Verkehrsnetz in die Stadtplanungen mit einbezogen wird. Eigentlich müssten nach Nordosten raus neue Tramtrassen gebaut werden, mit Bussen ist vielerorts kein Durchkommen und die vorhandenen Trams sind schon jetzt total überlastet. Wie sollen die neuen Siedlungen angebunden werden? Auch hier weiß ich leider nicht, was geplant wird. Vielleicht aber jemand anderes?
Ich muss sagen, dass mir die großartige Innenstadtbebauung am Alexanderplatz, Potsdamer Platz oder Hauptbahnhof ziemlich egal ist. Wie hier schon erwähnt wurde, hatte man am Potsdamer Platz offenbar alle architektonischen Freiheiten und hat es trotzdem vegurkt. Mich lässt die Architektur da jedenfalls kalt. Berlin sollte sich abheben von anderen Städten, wo mit Wolkenkratzern, Skylines usw. geprotzt wird. Hier ist es eher kleinteilig oder piefig, das macht Berlin aus und muss sich auch nicht ändern, finde ich. Auf den ersten Blick sind die meisten Straßenzüge mit ihrer Traufenhöhe usw. gleichförmig, aber es gibt in den schöneren Gegenden viele kleine Parks und versteckte Ecken, die eher durch Zufall entstanden sind, wo es ganz nett ist. Begeisterung löst das vielleicht nicht aus, muss es aber auch nicht, im Gegenteil. Berlin ist auch so attraktiv genug, um dort massenhaft hinziehen zu wollen. Man stelle sich vor, was wäre, wenn die Stadt jetzt auch noch ganz toll aussähe! Das wäre eine mittlere Katastrophe. Mag sie also so hässlich bleiben, wie sie ist; so hässlich wie z.B. Köln kann sie nicht mehr werden.
Interessanter finde ich, wie die neuen Siedlungen aussehen werden, die in den Randgebieten entstehen. In der Innenstadt kann und will sowieso keiner leben, der eine Familie hat oder haben will. Elisabethaue in Französisch Buchholz oder die Brache zwischen S Pankow und S Heinersdorf fallen mir da zum Beispiel ein. Hier muss das Rad nicht neu erfunden werden: kleinere Mehrfamilienhäuser zu bezahlbaren Preisen, mit einer Dachterrasse hier und einem großen Balkon dort, dazwischen kleine Gärten oder Parks und Ecken, die nur über verschlungene Wege zu erreichen sind u.ä. So würde ich mir das vorstellen. Ich habe aber keine Ahnung, was da genau geplant wird.
Vielen Dank für die interessanten Informationen.
In der Tat: Objekte wie BER oder Stu21 hätten zurückgestellt werden müssen zugunsten von Investitionen in bezahlbaren Wohnraum für die Mittelschicht.
Lieber Herr Posener,
den Deutschen Verzagtheit vorzuhalten, verwechselt ein wenig Ursache und Wirkung. Wenn man es nüchtern betrachtet, stellt sich die Sache eher so dar: Seit dem Fall des Ostblocks haben neoliberale Think-Tanks den Auftrag, den Sozialstaat sturmreif zu schießen; daß das Volk nun mehrheitlich Projekte wie Olympia-Bewerbungen ablehnt, ist in diesem Zusammenhang denn auch als „Friendly Fire“ zu werten. Denn seit ungefähr zwei Jahrzehnten wird von den Vertretern dieser Think-Tanks regelmäßig verlautbart, die Deutschen hätten über ihre Verhältnisse gelebt und müßten den Gürtel enger schnallen; die Medien verbreiten diese Thesen unreflektiert, und jeder, der sie in Frage stellt, wird wahlweise als Altkommunist, Geldverschwender oder als Fortschrittsverhinderer gebrandmarkt (mit einem Preis wie „Bremser des Monats“). Irgendwann glaubt das Volk wirklich, es müsse gespart werden, und fängt eine kurzfristige Kosten-Nutzen-Analyse überall dort an, wo öffentliches Geld ausgegeben wird. Und da sieht es für Projekte wie Stuttgart 21, den Transrapid oder eine Olympiade nicht gerade gut aus.
Lieber Opa Krempel, da ist was dran. Stoff für einen eigenen Artikel.
@ Beobachter:
Entscheidend für die Entwicklung der Wohnungspreise ist, wer baut und welche Rahmenbedingungen die Politik vorgibt. In Berlin galt lange Zeit, dass öffentliche Grundstücke zu Höchstpreisen verkauft werden sollen. Das Ergebnis sind dann klassische Anlage-Immobilien wie die “Kronprinzengärten”.
Das haben Sie in jeder deutschen Stadt inzwischen.
Danach bringen Sie, klassisch, den sozialen Wohnungsbau. Wo es aber inzwischen effektiv mangelt, ist im Bereich von bezahlbarem Wohnraum, sei es zum Kauf, sei es zur Miete, für die gesamte Mittelschicht, den arbeitenden und (zum Teil miserabel) verdienenden Anteil der Steuerzahler. Das in fast jeder deutschen Stadt.
Objekte wie BER oder Stu21 hätten zurückgestellt werden müssen zugunsten von Investitionen in bezahlbaren Wohnraum. Zusätzlich wäre eine prozentuale Obergrenze für Investitionen aus dem Ausland erforderlich. Einerseits wird auf diesem Sektor gern zu viel bezahlt, auch aus Unkenntnis, andererseits steht mancher Wohnraum dadurch 9-10 Monate leer.
Man sieht jetzt langsam die Effekte von Wucher, auch hier:
http://www.welt.de/finanzen/im.....ffekt.html
Anmerken möchte ich außerdem, dass 7.14% Maklergebühren inc. MWSt in Bln den Rahmen langsam sprengen. Natürlich schlagen Gestehungskosten (+Notar, +Grunderwerbssteuer) auf die Miete durch.
Lieber Herr Posener,
ja, der Kollhoff-Plan für den Alex sollte realisiert werden. Dass es dazu bislang nicht gekommen ist, liegt allerdings weniger an der Piefigkeit der Politik (immerhin ist der Plan bewilligt worden), sondern an fehlenden Investoren.
Der Baugrund in Berlin hat sich im Übrigen nicht verteuert, weil man nicht in die Höhe bauen darf. In London etwa gelten keine Höhebeschränkungen, vierhundert (Wohn-)Hochhäuser sind geplant oder im Bau, und die Immobilienpreise explodieren dennoch (von Manhattan ganz zu schweigen). Vielmehr würden die Bodenpreise noch weiter steigen, wenn man auf den Grundstücken mehr Stockwerke (=mehr zu verkaufende Wohnungen) errichten dürfte.
Entscheidend für die Entwicklung der Wohnungspreise ist, wer baut und welche Rahmenbedingungen die Politik vorgibt. In Berlin galt lange Zeit, dass öffentliche Grundstücke zu Höchstpreisen verkauft werden sollen. Das Ergebnis sind dann klassische Anlage-Immobilien wie die „Kronprinzengärten“. Der soziale Wohnungsbau wurde in Berlin nach der Wende als nicht mehr zeitgemäß eingestellt, Genossenschaften und Baugruppen eher zurückhaltend behandelt. Kein Wunder, dass sich Berlin sozial entmischt. Im „Tagesspiegel“ hieß es vor einigen Jahren dazu, es gebe nun mal kein Menschenrecht darauf, im Stadtzentrum zu wohnen…
Zur „deutschen Verzagtheit“: Es ist doch ganz praktisch, dass eine überteuerte S-Bahn wie der Transrapid uns erspart geblieben ist. Auch die Chinesen haben inzwischen festgestellt, dass die Kosten absurd hoch sind und daher alle Erweiterungspläne still und heimlich beerdigt. Und ob die Klötzchen-Architektur, die in Stuttgart auf den Gleisflächen des Hauptbahnhofs geplant ist, die Vorfreude auf dieses „große städtebauliche Projekt“ befeuert und als Vorbild für große Entwürfe in Berlin taugt, können Sie ja mal hier überprüfen: http://www.europaviertel-stuttgart.eu/
Zu den „Biotopen“ in Sperenberg und Jüterbog: Der BER ist in Schönefeld gebaut worden, weil Diepgen und seine Mannschaft einen stadtnahen Flughafen wollten. Wie stark dieses Argument für viele ist, sieht man derzeit am präventiven Phantomschmerz über die Schließung von TXL („in fünfzehn Minuten mit dem Taxi am Flugsteig“).
Mit freundlichen Grüßen
Lieber Beobachter,
alle Ihre Punkte sind valide. Vielen Dank für die Hinweise.
Was Stuttgart 21 betrifft, habe ich vor einigen Jahren mit dem Baubürgermeister die künftige Baustelle besichtigt und darüber geschrieben:
http://www.welt.de/kultur/arti.....affen.html
Oleander hat recht!
Berlin ist nur wegen der Mauer – zum Glück noch – im „Rückstand“. Leider holen jetzt alle nach! In ein paar Jahren sind es dreißig Jahre!
Was Walter Rathenau 1902 betrifft: eine interessante Person, liberal, offen,säkular, also ein moderner jüdischer Spross einer Unternehmerfamilie. Der in der Weimarer Republik berühmte sozialdemokratische Justizminister Gustav Radbruch verehrte ihn, was mich veranlasst anzunehmen, dass Walter Rathenau wohl sehr weitsichtig war. Leider setzten sich diese rationalen und weltgewandten Menschen nicht durch war und die Blüte um 1900 – 1912 erst spät erstarrte, etwa vor dem Ersten Weltkrieg und dann etwa 1927. Das Bürgertum, das diese Blüte hervorgebracht hatte, kam in Bedrängnis oder wechselte die Seiten oder emigrierte.
Gibt es nicht in Brandenburg noch interessante Mittelstädte, die man verbessern kann?
In Bayern sind die Mittelstädte seit den 1980er Jahren interessant geworden, man denk an Regensburg, selbst Passau etc Das hat München ein wenig entlastet. Mit einem guten Nahverkehrssystem geht das dann ganz gut! Nach München pendeln sehr viele Menschen.
Lieber Herr Posener, Sie haben wohl Recht mit Ihrer Kritik an der allgemeinen Verzagtheit. „Eher bemüht, nichts falsch zu machen als irgendetwas richtig“, das ist gut gesagt. Aber unabhängig davon: Ist das „Stadtbild aus einem Guss“ tatsächlich wünschenswert? Städte und Stadtteile, in denen Menschen sich gern aufhalten, sind gewöhnlich nicht aus einem Guss, sondern aus einem Gemisch mit veränderlichen Anteilen von Planung, Zufall und Kompromiss entstanden.
Lieber Hanno Kabel, völlig d’accord. Nicht ich wollte oder will ein „Stadtbild aus einem Guss“; das wollte die Stimmann-Schule mit der Vorgabe: Blockrandbebauung, Berliner Traufhöhe, Steinlochfassade. und das Ergebnis ist am Leipziger Platz zu besichtigen. Freilich ist der Versuch, es ganz anders zu machen, am Potsdamer Platz peinlich gescheitert, das muss ich zugeben.
„An der Schönheit kann’s nicht liegen“, Peter Schneider, köstlich.
Ich fürchte, Sie irren, wenn Sie meinen, der Quadratmeterpreis würde durch Neubauten sinken. Im Gegenteil beobachte ich seit Jahren, dass Neubauten immer sehr teuer sind und der qm-Preis um Neubaugebiete, so sie gut gemacht sind, steigt.
Auf der einen Seite ist es seltsam, dass die Mieten in der Hauptstadt niedriger sind als in anderen Städten (Muc, Dus, HH, Stuttgart, Fra). Das ist in keinem Land so. Es scheint sich um eine artifiziell billige Stadt zu handeln.
Auf der anderen Seite ist dadurch wohl eine Vitalität entstanden, die anderswo fehlt, wie Peter Schneider gut beschreibt. Die Geschichte mit dem Sofa hat Lacher bei uns ausgelöst (ich las sie natürlich laut vor).
So ist es etwas schwierig. Niemand mag so recht diese Vitalität zerstören. Das hässliche Stadtbild lässt sich auch schwer korrigieren.
Wenn ich dann durch so abgestorben wirkende Städte wie Anklam komme, frage ich mich, warum man nicht einen Teil der Industrie in solche Orte lockt mit dem entsprechenden Nachzug an Menschen. Das frage ich mich schon lange. Wieso müssen alle Verlage oder die meisten in Bln hocken? Wieso kann Sony nicht vor die Tore von Bln ziehen, damit die Menschen in der Stadt leben können? Aber der Raffgeier, der vor keiner stadt Halt macht, hat es so vorgesehen: Wer in die Mitte will, muss zahlen, und das können Sony und Co. besser.
Wer größer will, sollte dazu verdonnert werden, einmal morgens im Uhrzeigersinn auf M25 um London zu fahren und zwischen 16 und 19 Uhr zurück gegen den Uhrzeigersinn oder umgekehrt. Rationale Gemüter wie mich, die Autos gern schnell fahren, und die ihre Freizeit gern außerhalb von Straßen verbringen, schreckt das ultimativ von jedem Metropolis-Gedanken ab.
Was Rathenau betrifft: Gut, dass das Geld gespart wurde, denn es wäre ja alles kaputt gegangen 44/45.