Die nicht mehr ganz junge Frau heißt Ilona Irgendwie, trägt einen Lorexpullover, dessen Oberweite ein Dirndl ausfüllen könnte und deren Hüften eine Litfaßsäule, und nennt mich „junger Mann“, barsch und mit abfälligem Ton. Sie fragt mich mit erhobener Stimme, wo ich die Sonnenbräune her hätte, und unterrichtet dann sogleich, dass „die mitte Schlipse“ es immer eilig hätten. Aber nicht mir ihr.
Um einige Fotokopien beglaubigen zu lassen, hatte ich eine Nummer auf dem Rathaus gezogen, um dann eine dreiviertel Stunde zu warten. Endlich an der Reihe, erfahre ich von der missmutigen Dame vom Amt, dass immer nur eine Kopie beglaubigt wird und ich für jede weitere wieder zurück in den Warteraum darf. Damit ist der Vormittag um.
Ich brüderle nicht, mache eine Faust in der Tasche und will auch nicht wieder mit der Großbaustelle des Berliner Flughafens anfangen. Bestimmt nicht. Aber es wächst doch in mir die Gewissheit, dass dieser Staat nicht kann, was wir von ihm erwarten. Weil die Staatsdiener alles sind, aber keine Diener des Staates, zumindest nicht der Staatsbürger.
Ich bin kein Gewerkschaftsfresser, im Gegenteil. Mindestens einen vollen Monat soll der Arbeitnehmer Urlaub machen dürfen, bezahlten, versteht sich. In vielen Arbeitsverträgen stehen heute meist 30 Tage. Zehn, elf Monate arbeiten und ein, zwei Monate urlauben, das gilt als fair.
Berliner Beamte fehlen aber fast vier Monate im Jahr. Knapp drei Quartale arbeiten, gut ein ganzes Quartal blau, das ist von den Unkündbaren besonders schlau. Das Geheimnis liegt in der Möglichkeit, sich krank zu melden.
Im Bundesdurchschnitt feiert ein Arbeitnehmer an 11,5 Tagen im Jahr krank, also gut zwei Wochen. Blicken wir aber auf die Berliner Angestellten, so steigt der Wert auf 18,3 Tage, sprich fast vier Wochen.
An der Spitze liegen aber die Beamten des Berliner Senats, bundesweit: Sie melden sich pro Jahr 37,6 Tage krank. Mit Urlaub kommt man also als Staatsdiener in der Hauptstadt auf vierzehn Wochen Abwesenheit.
Man kann vernünftigerweise nur einen Schluss ziehen: Mörderjobs, die den Menschen da zugemutet werden. Unvernünftigerweise liegt noch der Schluss nahe, dass die Motivation schlecht ist und der Arbeitsdruck gering.
Beides, Überforderung wie Unterforderung, zeugen von einem Versagen des Arbeitgebers, der Vorgesetzten. Die Behörde animiert zu Gammeldienst. In Berlin ist Missmanagement noch mehr die Regel als im Rest der Republik. Arm, aber faul.
Jeder Malermeister, der so seinen Job anginge, würde im Konkurs landen. Von der Arbeitsverdichtung in der Industrie wollen wir gar nicht reden. Hier regiert der Weltmarkt durch. Für die Selbstständigen des Mittelstandes ist der Name die Botschaft. Man arbeitet selbst und ständig.
Die kleinen Familienbetriebe erweisen sich als Hamsterrad, in dem ein wirtschaftliches Überleben ununterbrochenen Fleiß erfordert. Wer eine Berliner Amtsstube betritt, wird hiervon nichts bemerken. So ist die menschenleere Baustelle des BER vielleicht doch ein treffendes Symbol.
Zur Faulheit kommt die Querulanz und mit der Missstimmung steigt der Krankenstand. Insbesondere an Freitagen, wenn der Donnerstag ein Feiertag war. Überhaupt zeigt sich in der Anfälligkeit für Krankheit eine Struktur.
Das Gesundheitsrisiko von Beamten ist höher an Springtagen, Ferienbeginnen und bei sehr gutem Wetter. Auch wenn die Wohnung gemalert werden muss, schlägt die Unpässlichkeit wie von ungefähr zu.
Die Betriebsräte mögen dem widersprechen, was ihr gutes Recht ist; der Zweifel des Bürgers bleibt.
In Pankow ist sie jetzt aber eifrig, die Bessermenschen der Kommunalverwaltung. Die Häuser werden durchforstet nach Ferienwohnungen. Luxussanierungen sind behördlich untersagt. Man erkennt sie an Durchbrüchen, an Hängeklos und Fußbodenheizungen. Da kommt dann der Blockwart.
Was mit der Wiedervereinigung passiert ist? An der Oberfläche hat der Westen den Osten annektiert; im Wesen die DDR ganz Deutschland. Überall hört man diesen Ton der Preußen aus dem Osten.
Und so ist die Spitze des Staates adäquat besetzt; mit den salbadernden Ossis Merkel und Gauck. Pläne, auszuwandern.
@ Roland Ziegler So ist es.
Ich meinte die Schul-Debatte von neulich. Sie meinen offenbar etwas wie eine Schuld-Debatte, mit einen „d“ mehr. – Freut mich aber trotzdem, dass Sie mir zustimmen 😉
@EJ: So ist es. Die Enschuldigung bedeutet die Anerkennung, dass jemand ein Problem hat, für das man selber die Ursache darstellt. Ob jemand zurecht oder zu Unrecht das Problem hat, ist hierfür völlig nebensächlich.
@ Klaus Kocks
Tja, Anerkennung – in der Schuldebatte, drüben bei Posener, kommt „Anerkennung“ nur einmal und nur beiläufig vor, dabei wäre sie die Lösung gewesen – Anerkennung macht’s. Sie macht aus dem (blöden, lästigen, angeblafften …) Kollegen den „geschätzten Kollegen“. (Schon Hegel, wird Ihnen aber eher nichts sagen, wusste das.)
Alan Posener gibt mir (zumindest bin einem Punkt) Recht; siehe oben. Alle Achtung. Das darf ich (!) aber nicht erwähnen, weil ich immer dagegen war, dass in einer Redaktion für oder gegen Kollegen geschrieben wird. Wir schreiben nicht unter uns, sondern für Leser, war mein Motto.Gute PR-Leute sind die besseren PÖublizisten. Und sollte ich diesen Grundsatz jetzt brechen, aus Eitelkeit. Ach, was soll’s. Ja. Danke, geschätzter Kollege.
KK
PS.: Posener hat heute ein gutes Stück in der WELT zur FDP.
nu das hier ist ja wohl auch der Ton der Preußen. Ob aus’m Osten oder nicht weiß ich nicht, doch ich weiß, daß er mir höchlichst angenehm ist.
Jörg Asmussen offers the first hint of an answer—in his personal behavior. He is a type familiar in Germany but absolutely freakish in Greece—or for that matter the United States: a keenly intelligent, highly ambitious civil servant who has no other desire but to serve his country. His sparkling curriculum vitae is missing a line that would be found on the résumés of men in his position most anywhere else in the world—the line where he leaves government service for Goldman Sachs to cash out. When I asked another prominent German civil servant why he hadn’t taken time out of public service to make his fortune working for some bank, the way every American civil servant who is anywhere near finance seems to want to do, his expression changed to alarm. “But I could never do this,” he said. “It would be illoyal!”
http://www.vanityfair.com/busi.....ope-201109
und was die dämlichen Auslassungen über die deutsche Analfixiertheit in dem Artikel anlangen, die schnarchten schon in Erica Jong’s Fear from Flying oder wie immer jenes Geschreibe hieß.
Vielleicht ist das typischst Deutsche aller typisch Deutsch-Plapperer, daß sie sich selber grandios finden, wenn sie typisch Deutsch Argumente absondern.
@ KJN
„“
„Was mit der Wiedervereinigung passiert ist? An der Oberfläche hat der Westen den Osten annektiert; im Wesen die DDR ganz Deutschland. Überall hört man diesen Ton der Preußen aus dem Osten.
Und so ist die Spitze des Staates adäquat besetzt; mit den salbadernden Ossis Merkel und Gauck.“
So isses.
j.z.v. Als Trost an die Deutschen – die Polka welche die Deutschen 1844 nach Texas brachten ist heute 2013 die “Musica Nortena” in Mexiko!
… die Polka ist ‚tschechisch‘, Böhmen. Ansonsten, werter j.z.v., was – nachhaltige – 😉 Musik angeht, brauchen die Deutschen sich bestimmt nicht zu verstecken.
@Jan z. volenz
„Deshalb sollte man immer den Mensch der Amerikas hoeflich bitten – weil seine Psyche nicht vom Erbe des straffen Zuegel der europaeischen Beamtentyrannen verkrueppelt wurde.“
So ist es wohl: Wie der Herr so’s Gescherr.
„Strenge Vorschriften = Tote Buchstaben“ – so erklaerte erklaert der Geschichtswissenschaftler Caio Prado – das Geheimnis warum das Weltreich Portugals laenger bestanden hat als alle anderen Kolonialreiche. Die Portugiesen waren schon 1488 in Angola – und blieben 500 Jahre bis 1999 in China (Macau). 2013 ist das Portugiesisch die Sprache von 300 Millionen in 9 Laendern in den Amerikas, Africa, Europa und Asien. Macau/China hat 2013 noch Medien im Portugiesisch und in Ost-Timor ist es nach 500+ Jahren trotz Naehe zu Australien, Indonesien, Neu-Guinea – auch heute die Nationalsprache. Die Herrscher Portugals in Lisabon, hielten keine straffe Zuegel und liessen die Verwaltung als Verantwortung an die „lokalen Eliten“ und die Verbreitung der Kultur an die Priester der katholischen Kirche. Vietnam und Indonesien verwenden unsere lateinischen Buchstaben – das war das Werk der portugiesischen Priester im 16ten Jahrhundert. Im 16ten Jahrhundert war das Portugiesisch – wie heute das Englisch – die Handels&Verkehrsprache in Asien, auch rund um Afrika und sogar in the Karibik (das Papamiento der Nederland Antillen ist 80% portugiesisch) – weil die Portugiesen den Seefrachtverkehr dominierten. Und die Priester der katholischen Kirche sorgten fuer eine kulturelle Verbindung zwischen den vielen, fernen Kolonialbesitztuemern Portugals. Die Portugiesen waren auch bis 1970+ in Indien (Goa)und das erklaert die portugiesischen Familiennamen mancher Inder, und kaempften schon im 16ten Jahrhundert „in the Gulf“ zwischen Arabien und Iran – wo heute die U.S. Navy fuer „Sicherheit“ sorgt. Deutsch sprechen nur 100 Millionen in der Mitte Europas – und die Deutschen wurden entweder rausgeworfen (Afrika, China, Pazifik), aufgesogen (Nord&Lateinamerika), oder kehrten heim (Osteuropa, Russland). Aber in diesem deutschen Mitteleuropa werden Vorschriften streng eingehalten… Die Musik in Sri Lanka 2013 – klingt fast wie die „Musica Sertaneja“ (Bauern-Musik) 2013 in Brasilien – obwohl die Portugiesen dort schon seit zwei hundert Jahren abgezogen sind. Als Trost an die Deutschen – die Polka welche die Deutschen 1844 nach Texas brachten ist heute 2013 die „Musica Nortena“ in Mexiko!
K.K. Und so ist die Spitze des Staates adäquat besetzt; mit den salbadernden Ossis Merkel und Gauck. Pläne, auszuwandern.
… auswandern nützt nix Hr. Koks. Die kommen alle nach, wie Sie es selber bemerken. Besser hier und jetzt.
Der Deutsche hat noch die vielen Jahrhunderte der kleinen, tyrannischen Aldeshoefe in seiner Psyche: Unerbittliches Besserverlangen gegenueber Untertanen and grundsaetzliche Ablehnung gegen „Andere“. Wenn man sich manchmal ueber die hysterische Unbaendigkeit der U.S.-amerikanischen Gewohnheiten wundert: Das ist noch das ferne Echo der Wut mit welcher ihre Vorfahren ueber das feudale Europa wetternten. In Lateinamerika war das noch „freier“ – weil der Nachwuchs mehrheitlich von kurzweilige stationierten Maennern von Spanien oder Portugal gezeugt wurde – mit „einheimischen“ Indianerinen, Mestizinen, Afrikanerinen, Mulattinen. Deshalb sollte man immer den Mensch der Amerikas hoeflich bitten – weil seine Psyche nicht vom Erbe des straffen Zuegel der europaeischen Beamtentyrannen verkrueppelt wurde. Also immer erst anfangen mit: „Por favor tenga la gentileza….(Bitte haben Sie die Freundlichkeit…) oder „Sure would appreciate your help on this matter… —-Wie man das lernt: Guyaquil/Ecuador, der Lufballonverkaeufer lehnt sich im Park an den Sockel des Denkmals des Libertador Simon Bolivar (er war Venezolaner, aber seine kaempferische Geliebte war Ecuadoriana – Manuelita Saenz !). Der Polizist zu dem Lufballonverkaeufer: „Der Herr Buergermeister wuenscht dass man sich nicht gegen das Denkmal lehnt!“ Antwort des Luftballonverkaeufers: „Mir hat das der Buergermeister aber nicht gesagt!“ Der Polizist greift zur unwiderstehlichen Waffe: Hoeflichkeit und Anerkennung der Wuerde des „Anderen“ und anwortet: „Na ja dann: BITTE!“ Der Luftballonverkaeufer hebt sich weg vom Sockel des Denkmals und meint: „Ja: SO GEHT DAS!“ Den Kleinkram mit den Behoerden macht der U.S. Ami entweder nur direkt mit Computer oder wenns ums Geld geht – beauftragt er eine spezialisierte Anwaltskanzlei („Is the IRS harassing you ? Call THE DEFENDER -we negotiate with the IRS on your behalf!“). In Lateinamerika: “ – Beim Verlassen des Verwaltungsgebaeudes fragte einer der davor lungerten „Macher“ : „Alles gut gegangen ?“ „Nein die Hexe wollte mir fast keine Verlaengerung genehmigen!“ Der „Macher:“ Na ja dafuer sind wir ‚Gebuehren-Agenten‘ hier: Das naechste Mal komm zu mir, ich gehe hoch und geb den $ 5 und die stempeln sofort die Verlaengerung. Hier ist meine Telefonnummer – Alberto ….“. —„Anstellen“:“only in Berlin/Germany“. Da ist noch das alte Preussen. Nicht nur auf der Museuminsel…
Die Kollegenfrage lautet schon lange: hast du deine kranken Tage schon genommen?