Das Zentralorgan der „Antideutschen“ hat sich erneut mit unserem Bundespräsidenten befasst und dabei, was in dem Zusammenhang nicht zu vermeiden ist, auch mit mir. Hier ist der Artikel:
http://redaktion-bahamas.org/auswahl/web64-2.html
Philipp Lenhard, der im privaten Mailverkehr ein netter Kerl ist, und nur als Autor seine grimmige Marx-Maske aufsetzt, kritisiert die Kritik an Gauck, wie sie von Clemens Heni, Denis Yücel, Richard Herzinger und eben auch von mir vorgetragen wurde. Damit will ich mich zuerst auseinandersetzen. Darüber hinaus aber ist sein Essay ein Musterbeispiel undialektischen Denkens und in so fern über den Tag hinaus interessant.
1. Lenhards Kritik an mir beruht auf Unterstellungen und Verzerrungen
Es lohnt sich, den Schluss des Artikels zuerst zu lesen, wo Lenhard völlig richtig Gaucks Einlassungen zu Israel kritisiert. Man hat das Gefühl dass sich Lenhard hinsetzte, um Gaucks Kritiker zu kritisieren, und dann von Gaucks Korrektur der deutschen Staatsräson kalt erwischt wurde. Zwar behauptet er, „Yücel und Co.“ wären so beschäftigt mit der typischen deutschen Geschichtsdebatte gewesen, dass sie Gaucks Israel-Kritik nicht bemerkt hätten. Das ist Unsinn. Vielmehr hängt Gaucks Relativierung des Holocaust offenkundig zusammen mit seiner Relativierung der deutschen Verantwortung für Israel, die er ausgerechnet nach einem Besuch in Yad Vashem formulierte.
Es lohnt sich auch, die Fußnoten zu lesen. In Fußnote 12 behauptet Lenhard, ich würde „Religion – insbesondere das Christentum – generell für antiaufklärerisch“ halten. Das kann nur behaupten, wer weder mein Buch über die Gottesmutter Maria noch meine Polemik gegen Papst Benedikt XVI. gelesen hat. In beiden Büchern wird auf die potenziell emanzipatorischen und aufklärerischen Inhalte nicht nur der Religion allgemein, sondern speziell des Katholizismus verwiesen. Benedikt wird von mir auch deshalb kritisiert, weil er gerade diese Ansätze brutal unterdrückt.
Es lohnt sich auch, das zu lesen, was ich wirklich gesagt habe. So meint Lenhard, ich hätte mich der Kritik des „antideutschen Aufpassers“ (gute Formulierung!) Clemens Heni an Gauck angeschlossen. Es geht um folgende Formulierung Gaucks: „Unübersehbar gibt es eine Tendenz der Entweltlichung des Holocaust. Das geschieht dann, wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist.“ Heni (den ich bei anderer Gelegenheit als „Antisemitismusschnüffler“ bezeichnet habe) sah darin schlicht die Leugnung der Einzigartigkeit des Holocausts; Lenhard sieht darin eine Affirmation der Notwendigkeit kritischer, auch vergleichender, rationaler Analyse, und stimmt Gauck ausdrücklich zu. Meine Position war differenzierter. Wer das nicht glaubt, kann das hier nachlesen:
Ich schrieb: „Das perfide an dieser Passage ist, dass Gauck eine richtige Aussage – es wäre falsch, wenn man sich damit begnügen würde, den Holocaust „zu verdammen und zu verfluchen“, ohne sich zu bemühen, ihn zu begreifen – in einen Kontext packt, der das Begreifen des Holocausts eigentlich verunmöglichen will.“
Wie das vor sich geht, habe ich erläutert. Zum Beispiel so: „Zunächst benutzt (Gauck) eine rhetorische Figur, die zutiefst unehrlich ist (…). Er nennt keine Namen. (…) Er kritisiert eine „unübersehbare Tendenz“. Damit kann sich jeder angesprochen fühlen – oder keiner. (…) Wenn Gauck kritisiert, „das Geschehen des deutschen Judenmordes“ (was für eine unpersönliche Formulierung! Aus den Mördern wird ein Adjektiv) werde „in eine Einzigartigkeit überhöht, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist“ – meint er da, dass jeder, der die Singularität dieses Verbrechens behauptet (also etwa auch der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker), entziehe es dem Begreifen? Und wenn nicht, warum sagt er es dann nirgendwo in dieser Rede?“
Freilich hätte Gauck – hätte auch Lenhard, der aber auf dem Auge blind ist – ein in der Tat „unübersehbares“ Beispiel für die „Entweltlichung“ und religiöse Überhöhung des Holocaust leicht finden können. Bei seinem Besuch in Auschwitz im Mai 2006 sagte Papst Benedikt unter anderem: „Im Tiefsten wollten jene Gewalttäter mit dem Austilgen dieses Volkes den Gott töten, der Abraham berufen, der am Sinai gesprochen und dort die bleibend gültigen Maße des Menschseins aufgerichtet hat.“ In Auschwitz „sollte dieser Gott endlich tot sein und die Herrschaft nur noch dem Menschen gehören – ihnen selber, die sich für die Starken hielten, die es verstanden hatten, die Welt an sich zu reißen. Mit dem Zerstören Israels, mit der Schoah, sollte im Letzten auch die Wurzel ausgerissen werden, auf der der christliche Glaube beruht, und endgültig durch den neuen, selbst gemachten Glauben an die Herrschaft des Menschen, des Starken, ersetzt werden.“
So wird aus dem rassisch begründeten Völkermord an den Juden eine quasi-religiöse Tat, das ultimative Verbrechen: der Gottesmord. Das, was die Christen 2000 Jahre lang den Juden vorwarfen, und was letztlich den quasi-religiösen Impuls der Nazis befeuerte, die in den Juden das Böse schlechthin erblickten, wird einfach umgedreht und den Nazis vorgeworfen, mit dem schönen Nebeneffekt, das Christentum von seiner Mitverantwortung am Holocaust freizusprechen und zum potenziellen Opfer zu stilisieren, während jeder „Glaube an die Herrschaft des Menschen“ in die Nähe der Mordideologie der Nazis gerückt wird.
Das passiert in der Tat, wenn der Holocaust „entweltlicht“ – das heißt, wenn von konkreten Tätern und konkreten Opfern abgesehen wird, und es ist ironisch, dass der Ex-Pfarrer Gauck, der die Betonung der „unheiligen Sakralität“ des Holocaust kritisiert, am Ende, bei einer Kritik an der „Orientierungslosigkeit der Moderne“ und der Menschen landet, die eine „religiöse Sinnstiftung“ verloren hätten: also genau da, wo der Papst ihn haben will. Dazu hat der von Lenhard kritisierte Richard Herzinger das Nötige gesagt.
2. Lenhard kann nicht dialektisch denken
Lenhards Bibel ist die „Dialektik der Aufklärung“ von Theodor Adorno und Max Horkheimer. Leider versteht er nicht, was Dialektik ist. Die Dialektik ist, um es kurz zu machen, der Prozess, der dazu führt, dass aus Sinn Unsinn, aus Wohltat Plage wird, wie es in Goethes „Faust“ heißt – und umgekehrt: Wie sich die Dinge durch die Entfaltung der ihnen innewohnenden Widersprüche in ihr Gegenteil verkehren können. Dialektisches Denken ist also darauf aus, diese Widersprüche zu erkennen und den Umschlag von Sinn in Unsinn aufzuspüren. Lenhard selbst gibt ein schönes Beispiel für diesen Prozess zu Beginn seines Essays, als er schildert, wie die Antideutschen, die sich als Negation des bundesrepublikanischen Geschichtskonsenses konstituierten, sich nun als Affirmation dieses Konsenses begreifen müssen. Doch anstatt das als dialektische Entwicklung zu begreifen, redet Lenhard von einer „verflixten Situation“!
Ähnlich ergeht es Lenhard mit seinem Heiligen Buch. Die „Dialektik der Aufklärung“ mit seiner Kritik an der instrumentellen Vernunft spielte eine fortschrittliche rolle, als sie in der frühen Bundesrepublik rezipiert wurde. Damals glaubte Schelskys „skeptische Generation“, die Lehre aus der Katastrophe heiße, jeder „Ideologie“ aus dem Weg zu gehen und eine rein der „Sachlogik“ und dem „Sachzwang“ verpflichtete Politik zu betreiben, um eine rationale und darum menschliche Gesellschaft zu errichten. Mit ihrer Kritik der reinen Vernunft verwiesen Adorno und Horkheimer auf die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit den Ideologien, die jene Katastrophe hervorgebracht hatten. Seit geraumer Zeit jedoch wird das Buch von linken und rechten Reaktionären dazu benutzt, die Aufklärung als emanzipatorisches Projekt zu diffamieren und, wie Gauck und Ratzinger es tun, Auschwitz als notwendiges Produkt der „Orientierungslosigkeit der Moderne“ oder der Selbstermächtigung des Menschen hinzustellen. Sinn wird Unsinn, Wohltat Plage, so auch dieses Buch. Aber das begreift Lenhard nicht.
Die „Dialektik der Aufklärung“ hat ihre nützlichen Seiten, aber sie taugt wenig zur Erklärung jener modernen Gesellschaft, wie sie sich jedenfalls im Westen der Republik nach 70 Jahren Frieden, Kapitalismus und Demokratie (in der Reihenfolge) herausgebildet hat. Nichts gegen vergleichende Genozidforschung, aber dann muss es auch eine vergleichende Aufklärungsforschung geben und die Frage geklärt werden, weshalb es in den avanciertesten Demokratien eben nicht zum Faschismus gekommen ist. Das hat mit der schlichten Einübung der Demokratie und des Rechtsstaats zu tun, mit Gewöhnung und – ja, auch Schelskys Unsinn wandelt sich in diesem Zusammenhang in Sinn – mit Skepsis gegenüber Zielen, die jenseits des konkreten gesellschaftlichen Prozesses ausgemacht und gefunden werden. Lenhard hat Recht, wenn er die Nazi-Ideologie als gnostische Religion bezeichnet; was er nicht begreift, ist dass die Gnosis vom Christentum in unser Denken und Fühlen eingeführt worden ist; dass sie auch das linke utopische Denken durchdringt, dass dialektisch denken bedeutet, die Entfaltungsmöglichkeiten der Gegenwart zu erkennen und also zur diesseitigen Weisheit der Genesis zurückzukehren: „Und Gott sah, dass es sehr gut war.“ Aber das ist vielleicht eine andere Geschichte.
Sie sagt es, ich bin ihr Zeuge:
„Für den Krimi aber heißt seine kalkulierte Kannibalisierung, dass wahrhaftige Liebhaber ihn ganz beiseite legen werden, vielleicht für viele Jahre. Bis die Zeit wieder gekommen ist für eine Neuentdeckung des Kriminalromans, der, bevor er in die Hände von Spekulanten geriet, eine großartige Literaturgattung war.“
http://www.achgut.com/dadgdx/i....._ein_wurm/
@Parisien: Nun hat es doch etwas länger gedauert, dass ich antworten kann. Bei uns sind immer noch Ferien, die Kinder also noch zu Hause.
Das Buch von Shlomo Sand war für mich sehr interessant, da sind Sätze, wie:
“Es ist der Nationalismus der Nationen hervorbringt und nicht umgekehrt“ (von Gellner ?)
Shlomo Sand schreibt von der Nationalismusforscherin Liah Greenfeld zum Unterschied der Nationalstaaten im Osten und Westen:
Auch sie folgte den Grundlinien der Einteilung in bürgerlichen und ethnischen Nationalismus, legte aber zusätzlich einen kollektivistischen Maßstab an: Wenn Großbritannien und die USA individualistische Staaten sind, dann ist Frankreich, das während seiner großen Revolution entstanden war, im Gegensatz dazu ein Staat, der die bürgerliche Identität mit der Überhöhung des Staates verknüpft. … Doch vom Rhein ostwärts bis nach Moskau hatte sich eine Form des Nationalismus ausgebreitet, die noch viel problematischer war. In diesen kollektivistischen und ethnizistischen Kulturen galt die Nation als seit Urzeiten unwandelbarer Volkskörper, dem nur Menschen mit entsprechendem Erbgut angehören konnten.
Am Beispiel des Nationalsozialismus und italienischen Faschismus beschreibt Shlomo Sand die Unterschiede, zwischen bürgerlich-politischen Nationalismus und dem ethnisch-organischen Nationalismus. Das Gründungsmythen noch wirken, kann man nicht nur in Israel sehen, sondern hat sich auch beim Auseinanderbrechen Jugoslawiens gezeigt, dort war es der serbische Gründungsmythos Amselgrund http://de.wikipedia.org/wiki/S.....%281389%29.
Als Beispiel für einen langanhaltenden ethnozentrischen Nationalismus (bis Ende 20. Jhd.) nennt Shlomo Sand Griechenland, ein Blick nach Griechenland in den letzten Monaten zeigen auch dort noch solche Tendenzen.
Sie schrieben den Satz: Die Deutschen grenzen Zuwanderer aus. Nun gibt es zur Politik der Zuwanderung in der Vergangenheit einiges zu sagen. Viele Fehler wurden dabei gemacht, z. B. die Konzentration von Migranten in Wohngebieten (häufig in ärmeren Stadtvierteln). Nach Shlomo Sand sind es die Erziehungssysteme (Einführung der allgemeinen Schulpflicht), die den Code der Nation verbreiten und somit zur Integration beitragen. Wenn Schulklassen zu einem hohen Prozentzahlen mit Migranten gefüllt sind, ist dies schwer möglich und nicht nur ein sprachliches Problem. Gleichzeitig wirkt auch noch ein ethnizistischer Nationalismus, den ja auch andere Nationen kennen. Hinzu kommt bei muslimischen Einwanderungen der Islam mit Kopftuch, Burka und Speiseregeln, die auch als Abgrenzungszeichen verstanden werden können.
Persönlich glaube ich auch nicht, dass in Deutschland der ethnizistischer Nationalismus vollständig überwunden ist, als Ostdeutsche habe ich nach der deutschen Einheit vieles mit Skepsis beobachtet, zunächst glaubte ich, dass dies mit meinem Aufwachsen in der DDR zusammenhängt. Reaktionen wie nach der Veröffentlichung des Buches „Deutschland schafft sich ab“, nach der Aussage von BP Christian Wulff zum Islam und den Kommentaren im Internet machen mich doch sehr nachdenklich in Bezug auf die Einwanderungspolitik in Deutschland. Inzwischen glaube ich, dass man doch die Einwanderung diskutieren und gegebenenfalls begrenzen sollte.
Die Diva frisst sich langsam in den Köpfen fest:
Als bedenklich empfindet der Leiter der Studie die Zunahme religiöser Vorurteile. Der Aussage „Ich wünsche mir, dass in Deutschland irgendwann mehr Muslime als Christen wohnen“ stimmten 46 Prozent der befragten Migranten zu. 2010 waren es nur 33 Prozent gewesen. 25 Prozent sind der Meinung Atheisten seien minderwertige Menschen. 18 Prozent empfinden Juden als minderwertig.
http://www.welt.de/politik/deu.....rheit.html
@ Kerstin
– Doch davon sei man leider noch weit entfernt, da an ihrer Spitze Intellektuelle stünden, die zur Abgrenzung von der Mehrheit aufriefen. Deren bekanntester Vertreter sei der unverschämte Historiker Heinrich Graetz. (Anm. jüdischer Historiker: Geschichte der Juden )“
Heute haben wir das genau andersherum. Der Wunsch nach Abgrenzung, ein nachvollziehbarer und natürlicher Wunsch, da er mit Identitätsstiftung zu tun hat, ist bei Minoritäten vorhanden. Heute haben wir keine rechte Diktion (Treitschke), sondern eine linke, und die benennt das so: „Die Deutschen grenzen Zuwanderer aus.“ Neuerdings hört man den Vorwurf von zwei Seiten.
Minoritäten haben immer Komplexe. Ich hatte auch welche, als ich im Ausland weilte, nur machte das nichts, weil ich ohnehin gewohnt war, als Deutscher der letzte armselige Heuler mit einem Sack von Schuld auf dem Rücken zu sein. Deshalb sind wir Deutschen im Ausland immer angenehme Minoritäten, lernen hatz-fatz die Sprache und sind froh, wenn man uns für Holländer oder Dänen hält. Ich habe in allen Sprachen einen holländischen Akzent, der von Vorfahren aus Flandern herrühren mag, wer weiß. Wir Deutschen sind so was von froh, wenn man uns weder an der Sprache noch am Schwanz von anderen unterscheiden kann.
@ Lyoner
Danke für die Buchtipps.
@ RZ
Danke für die Diva. Ich werde APo’s Religionskritiken etwas ernster nehmen.
„Quoth the raven: Nevermore.“ (Poe)
Jetzt bin ich wieder aus dem Urlaub zurück, ich hatte gleich 3 Bücher in meinem Gepäck, die sich nach meiner Meinung auch noch gut ergänzen:
Götz Aly Warum die Deutschen? Warum die Juden? ,
Schlomo Sand Die Erfindung des jüdischen Volkes ,
und Soma Morgenstern Alban Berg und seine Idole. .
Zusammen mit Tom Reiss „Der Orientalist“ ergibt sich für mich doch ein besseres Bild der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
@Parisien: Das Buch von Götz Aly Warum die Deutschen? Warum die Juden? habe ich jetzt gelesen, es war sehr interessant, da er ja viele Aussagen der Aufklärer und Demokraten zitiert und kommentiert hat. Bereits früher hatte ich einiges über Ernst Moritz Arndt und Turnvater Jahn gelesen. Dabei war mir aufgefallen, dass es sehr unterschiedliche Entwicklungen im Westen und Osten Europas zum Nationalstaat gab. Götz Aly schreibt auch über den Versaillers Vertrag, deshalb will ich doch noch etwas dazu bemerken. Im Buch von Tom Reiss hatte ich folgenden Fussnote von Gordon Wright gefunden. Die französischen Investitionen im zaristischen Russland (und auch die im Osmanischen Reich) sind weitgehend dafür verantwortlich, dass Frankreich, … , sich in den Jahren von 1919 bis 1939 ständig am Rand des finanziellen Zusammenbruchs bewegte. Die bolschewistische sowie türkische Revolution haben so manchen französischen Investor ruiniert … Es gab also durchaus auch wirtschaftliche Gründe für Frankreich.
Bereits bei Samuel Agnon Nur wie ein Gast zur Nacht hatte ich einiges über die Zeit zwischen den Weltkriegen in Polen gelesen, die Flucht vieler Juden z. B. nach Wien und die Hinwendung junger Juden zum Zionismus. In dem Buch von Shlomo Sand Erfindung des jüdischen Volkes interessierte mich weniger die Frage: Religion oder Volk, viel interessanter waren seine Erklärungen zur Bildung von Nationen und die Entstehung deren Gründungsmythen. Ich konnte mir auch die Fragen: Warum die Deutschen? Spielt die Lage Deutschlands eine Rolle? kaum beantworten. Nach Schlomo Sand herrschte noch bis ins letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Deutschland und in Osteuropa ein hartnäckiger ethnizistischer Nationalismus. (Privileg jederzeit deutscher Staatsbürger zu werden für „ethnische Deutsche“)
Ich schrieb: Gleichzeitig zeigen sich für mich auch die Parallelitäten zwischen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Dazu zwei Zitate aus Schlomo Sand aus Die Erfindung des jüdischen Volkes :
„Zwischen 1880 und 1914 strömten etwa 2,5 Millionen jiddischsprechende Juden nach Deutschland und von dort in weiter westlich liegende Aufnahmeländer, ein Teil von ihnen gelangte schließlich in die sicheren Häfen Amerikas (weniger als drei Prozent von ihnen entschlossen sich zur Reise ins osmanische Palästina, von denen wiederum die meisten nicht auf Dauer blieben).“
„Die größte Angst des hoch geachteten Historikers (Anm. von mir: Treitschke) bezog sich auf die Demografie. Durch Einwanderung aus Osteuropa vergrößerte sich die Zahl der Juden, was er als Bedrohung der nationalen Existenz Deutschlands wahrnahm. … Jene Juden müssen doppelte Anstrengungen unternehmen, um sich an die deutsche Nation, mit der sie nie zuvor in Kontakt gekommen waren, zu assimilieren. Doch davon sei man leider noch weit entfernt, da an ihrer Spitze Intellektuelle stünden, die zur Abgrenzung von der Mehrheit aufriefen. Deren bekanntester Vertreter sei der unverschämte Historiker Heinrich Graetz. (Anm. jüdischer Historiker: Geschichte der Juden )“
@ Parisien
gut, dass Sie die economy ins Spiel bringen.
„Wirtschaftskrimis“ vom feinsten sind
Andrew Ross Sorkin, Die Unfehlbaren
Michael Lewis, The Big Short
Michael Lewis, Boomerang, Europas harte Landung
Faction, not fiction.