Wie so viele meiner Kollegen war ich auch fasziniert, als ich zum ersten Mal das Büro von Norbert Röttgen verlassen hatte. Was für eine analytische Schärfe und Präzision, welch rhetorischer Schliff. Dazwischen immer mal ein Rollgriff ins gut gefüllte Gummibärchen-Glas. Und dann noch rasch eine Spitze gegen einen nicht ganz so schnellen und schlauen Kollegen. Dargeboten mit einem kaum wahrnehmbaren, aber doch maliziösem Lächeln, in etwa dem Tonfall, „ach, der Arme, er weiß es einfach nicht besser“.
Schon in diesem ersten Gespräch, dieser ersten Kontaktaufnahme wurde für jeden deutlich, dass Dr. Norbert Röttgen sich zu Höherem, und eigentlich nur dem Höchsten, berufen fühlt. Niemals hätte er das offen gesagt, immer sofort dementiert. Doch das Überlegenheitsgefühl, das dieser Mann vermittelte, durchdrang den Raum, seine Gestik und Mimik und hat sich wahrscheinlich sogar bei den Gummibärchen eingelagert.
Und in der Tat gab – und gibt – es keine Handvoll Politiker in Berlin, die die aktuelle Lage so anregend analysieren, den Fortgang der Dinge prognostizieren und das Geschehen im allgemeinen intellektualisieren können.
Das dieses ungeheure Talent allerdings keinesfalls auch bedeutet, einen guten oder gar erfolgreichen Politiker vor sich zu haben, war damals schon zu erahnen und ist heute nun auch zu besichtigen. Intellektuelle haben es in der Politik generell schwer. Intellektuelle Politiker, die den Großteil ihrer Kollegen und der Wähler und Wählerinnen als nicht satisfaktionsfähig erachten, haben keine Chance an der Wahlurne.
Ist das zu bedauern? Vergeben wir hier eine Chance, besser regiert zu werden?
Nein. Denn was das Drama des Norbert Röttgen eben auch zeigt, ist die notwendige Folgenlosigkeit des klugen Redens, wenn dem keine klugen Taten folgen. Und hier hat Röttgen auf ganzer Linie versagt. Wer es nicht schafft, seine Ideen so zu präsentieren, dass er die Menschen auf dieser Reise mitnehmen kann, ist gerade als Politiker nicht wirkmächtig. Wer die Wähler implizit für doof hält – was Röttgens Lapsus des „bedauerlicherweise wählen hier alle und nicht nur die CDU-Wähler“ so klar zeigt, wird nicht klug regieren – egal, wie hoch sein IQ auch sein mag.
Norbert Röttgen geht momentan durch das politische Äquivalent des Fegefeuers. Die Wahl am Sonntag scheint für ihn sicher verloren – bis hin zur möglichen bitteren Konsequenz, dass sein Landesverband bei einem Ergebnis unter 30 Prozent ihn auch als Landesvorsitzenden loswerden möchte. Sein Ziel, Nachfolger von Angela Merkel – möglichst in beiden Ämter, den CDU-Vorsitz und im Kanzleramt – zu werden, ist damit auf lange Sicht unerreichbar.
Doch Röttgen ist erst Mitte 40. Schafft er es, seinen Dünkel seiner Umwelt gegenüber abzulegen, könnte dies die Episode gewesen sein, die ihn zu einem dann wirklich guten Politiker macht. Wahrscheinlich ist das nicht. Unmöglich allerdings auch nicht.
Wer die Wähler implizit für doof hält – was Röttgens Lapsus des “bedauerlicherweise wählen hier alle und nicht nur die CDU-Wähler” so klar zeigt, wird nicht klug regieren – egal, wie hoch sein IQ auch sein mag.
Das erinnert mich an Sarkozy. Was Röttgen aber richtig festgestellt hat, ist, dass die CDU hauptsächlich wegen Frau Merkel verliert. Ich kenne CDU-Wähler in S-H, die wegen Frau Merkel umgewählt haben. Etliche sind außerdem, wie Frau Lengsfeld ausgerechnet hat, nicht zur Wahl gegangen. Die CDU wird in Landtagswahlen langsam abgewählt. Der Bundesrat ist auch eine Instanz. Röttgen ist natürlich nach NRW geschoben worden, weil er gegen Sympathieträgerin Kraft, die sogar ich als (ehemaliger?) CDU-Wähler sympathisch finde, ohnehin keine Chance hat. Frau Merkel hat das nächste Talent auf’s Abstellgleis geschoben. Es ist wohl weniger Röttgen, der eine geringe Chance hat, sondern verhält sich vielmehr so, wie er zum Ausdruck gebracht hat. Dieses durchsichtige Taktieren mit allen Koalitionen im Hinterkopf inklusive Schwarz-Grün, wird hoffentlich dazu führen, dass die SPD den Kanzler stellt und dann die Ampel bringt.
Macht verschleiert den Blick. Am Ende ertragen wir unsere Kanzler nicht mehr. Am besten wählen wir alle vier Jahre um.
Es fehlt den Machtleuten das Künstler-Gen. Bernstein oder Karajan haben immer die Jüngeren gefördert, auch gegen Widerstände.
… der Gedanke, die Wahl in NRW auch als ‚Entscheidungswahl‘ zur ‚Politik‘ der Ex darzustellen, war hervorragend. Schade das er diesen Gedanken nicht weiter verfolgt und ‚ausgebaut‘ hat.
Mindest 40% Wählerzustimmung wären der Dank. (Kubicki hat ’s vorgemacht.)
Die Ex samt Kumpane und deren ‚Politik‘ sind der Untergang der ‚BRD‘ – nix anderes.