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Wer will die Arbeit von Ahmad Mansour sabotieren?

Warum das Recherchemagazin „Correctiv“ es für nötig hält, Ahmad Mansour zu diskreditieren, ist mir nicht klar. Jedoch liegt die Vermutung nahe, dass sich die Redaktion instrumentalisieren lässt von so genannten „Antisemitismusforschern“, die etwas dagegen haben, dass Mansour den Antisemitismus auch dort verortet, wo diese Leute ihn auf keinen Fall verortet sehen wollen: unter Muslimen. Und dass er jenseits folgenloser „Trialoge“ und verlogener „Dialoge“ etwas dagegen unternimmt.

Worum geht es? Vor zwei Jahren stellt Mansour beim damaligen Bundesministerium für Bildung und Forschung (heute Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, Bildung ist jetzt beim Familienministerium angegliedert, weiß der Teufel, warum) den Antrag, ein mehrjähriges Projekt zur Entwicklung von Strategien gegen israelbezogenen Antisemitismus und islamistische Radikalisierung an deutschen Schulen zu fördern. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert von Partnern an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, der Universität Köln, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Universität Heidelberg.

Das Ministerium, damals geleitet von Bettina Stark-Watzinger (FDP), lässt Mansours Antrag von drei Gutachtern prüfen, die bis heute anonym geblieben sind. Alle drei haben starke Bedenken. Das Ministerium fordert Mansour auf, den Antrag im Sinne der Kritik umzuarbeiten, was er auch tut; daraufhin ergeht ein vorläufiger Bewilligungsbescheid. Die Gutachter, die ihre Einwände nicht berücksichtigt sehen, kündigen ihre Mitarbeit auf.

Inzwischen ist die FDP aus der Regierung ausgeschieden, erstens, so dass Cem Özdemir von den Grünen das Ministerium kommissarisch leitet. Zweitens geht das Haushaltjahr zu Ende. Mittel, die nicht bewilligt sind, verfallen. Özdemir sorgt dafür, dass Mansours Projekt endgültig gebilligt wird. Die beleidigten Gutachter, so muss man es annehmen, stechen die Geschichte bei „Correctiv“ durch. Tenor, so auch die Überschrift bei „Correctiv“: „Trotz Kritik: Forschungsministerium fördert umstrittenes Projekt gegen Antisemitismus“.

Gut, aber einseitig recherchiert

Der Beitrag von Stella Hesch ist gut recherchiert. Über die Plattform FragDenStaat konnte sie dank dem Informationsfreiheitsgesetz – einer der letzten Großtaten der Rot-Grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder – an Mansours Antrag, die Gutachten (aber nicht die Namen der Gutachter), den Bescheid und interne Mails des Ministeriums kommen, die alle im Beitrag per Link einsehbar sind.

Allerdings ist der Beitrag auch einseitig. Es fehlen zum Beispiel ausführliche Stellungnahmen der vier Universitäten, die Mansours Projekt unterstützen. Hesch hat sich entweder nicht die Mühe gemacht oder war nicht in der Lage, die Namen der Gutachter zu eruieren, obwohl das zur Beurteilung der Motivlage gerade bei einem Mann wie Mansour, der so manchen Leuten auf die Füße getreten ist, die bislang eine Deutungshoheit über das, was Antisemitismus sei, beanspruchen, nötig wäre. Kurzum, Hesch hat sich mit einer halben Recherche zufriedengegeben. Das ist ihr gutes Recht. Aber es spricht nicht für ihre Überparteilichkeit.

So schreibt sie über Mansour:  „Wegen islamkritischer Äußerungen ist Mansour aber auch umstritten. So sagte er beispielsweise im Juli 2021 in einem Podcast der FAZ: „Der Islam hat sich noch nie in eine andere Kultur integriert und wird es auch nicht in Europa tun.“ Auf der Plattform X schrieb Mansour, Gebetsräume in Schulen seien ein „gefährlicher Kompromiss“. Unter streng gläubigen Muslimen, aber auch unter Linken gilt Mansour angesichts solcher Bemerkungen als Reizfigur.“

Ahmad Mansour: eine „Reizfigur“ für Postkoloniale und islamische Fundamentalisten 

Ja, wäre jemand „unter Linken umstritten“, der die Einrichtung von Kapellen für Katholiken an öffentlichen Schulen kritisch sehen würde? Wohl kaum. Sind „streng gläubige Muslime“ etwa der Meinung, der Islam solle sich in die – je nach Sichtweise – judäo-christliche beziehungsweise postreligiöse Kultur Westeuropas „integrieren“? Wohl kaum.

Wer – wie ich und die meisten Linken – Kruzifixe in Klassenzimmern ablehnt, dürfte kaum damit einverstanden sein, mit seinen Steuergeldern muslimische Gebetsräume zu finanzieren; wer – wie ich und die meisten Linken – jeden religiösen Fundamentalismus ablehnt, dürfte kaum damit einverstanden sein, wenn die Gefühle strenggläubiger Muslime zum Maßstab genommen werden, den Status eines Islamismus-Experten zu beurteilen.

Genauso gut könnte man jeden Biologielehrer als „umstritten“ bezeichnen, der die Evolutionstheorie unterrichtet, weil das strenggläubigen Christen nicht passt. Was ich – und die meisten Linken – für absurd halten würde; was allerdings in amerikanischen Bundesstaaten, wo Evangelikale die Mehrheit der Wähler bilden, dazu geführt hat, dass die Evolution nur als eine mögliche Erklärung für die Vielfalt der Arten neben der biblischen unterrichtet werden darf. Es ist eine Machtfrage. Und wenn Mansour verdächtig ist, weil er Integrationsdefizite des Islam benennt, von denen er als Muslim aus Israel einiges versteht  – und die Unterwanderung des religionsneutralen Raums der Schule durch radikalisierte Schüler bekämpft, so ist das ein Beleg für die Verschiebung von Machtverhältnissen auch hierzulande zugunsten der religiösen Intoleranz – mithilfe der postkolonialen Theorie, für die Ahmad Mansour ein Nestbeschmutzer ist.

Wer sind die Ankläger?

Ähnlich stichhaltig waren die Hauptargumente der Gutachter. Sie „äußerten die Sorge, dass die geplanten Maßnahmen Kinder und Jugendliche mit Migrationsbiografie und muslimischem Glauben diskriminieren könnten.“ Mansours Projekt zeige einen „defizitorientierte[n] Blick auf Menschen mit Migrationsbiografien und muslimischer Religiosität“. Nämlich, dass in einem „muslimischen Kulturkreis“ antisemitische Einstellungen „per se gegeben“ seien. Eine solche „Verkürzung“ werde den „Forschungen nicht gerecht“. Dass Mansour explizit muslimische Jugendliche ansprechen wolle, weil er dort antisemitische Einstellungen vermute, sei „ungeeignet“ als Ausgangspunkt „einer Studie und darauf basierenden Praxisformaten“.

Kurzum, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, sollte Mansour erst gar nicht untersuchen dürfen, was tatsächlich der Fall ist. Jede Lehrkraft, die in einer schule unterrichtet, wo es eine Mehrheit oder beträchtliche Minderheit muslimischer Schüler gibt – in Berlin oder München, Bremen oder Frankfurt am Main – , weiß, dass der israelbezogene – aber selten auf Israel beschränkter – Antisemitismus ein Problem ist. Wenn das nicht bei allen Schülern und Schülerinnen der Fall ist – umso besser. Mansour geht es ja darum, einen innermuslimischen Dialog, eine innermuslimische Auseinandersetzung zu führen, der Indoktrination durch radikale Muslime etwas entgegenzusetzen. Da kann er jeden Schüler „mit Migrationsbiografie und muslimischem Glauben“ brauchen, der seinen „defizitorientierten Blick“ widerlegt.

Warten wir doch ab, ob seine Erfahrungen seine Vorurteile bestätigen. Der Versuch, gezielt Muslime anzusprechen, entlastet weder die biodeutschen Schüler und deren Vorurteile gegen Juden, noch bestätigt er deren Vorurteile gegen Muslime. Es gibt aber eine Reihe postkolonial angehauchte Antisemitismusforscher, die auf keinen Fall zugeben wollen, dass wir hier ein Problem haben.

Ja, das Gerede vom „importierten Antisemitismus“ wird von rechts benutzt, um alle Zuwanderer zu diskreditieren und die Abkömmlinge der einstigen Arier (heute will’s ja keiner gewesen sein, man darf nicht einmal den Begriff benutzen, ohne angeranzt zu werden) zu entlasten. Ja, wer gegen Muslime ist, wird sich früher oder später auch gegen Juden wenden. Die Intoleranz ist unteilbar. Aber das gilt auch umgekehrt: Der Antisemitismus unter Muslimen geht einher mit einer Verachtung des Systems, in dem ethnische und religiöse Vielfalt Staatsräson sind. Wehret den Anfängen gilt auch hier oder gar nicht mehr. Muslime sind nicht sakrosankt, weil sie eine diskriminierte Minderheit sind.

Diejenigen, die dafür sind, Mansour die Gelder zu entziehen, sollten sich nicht weiter hinter einer jungen Journalistin verstecken, die Fachfrau für Datenjournalismus ist, nicht Antisemitismus, Israelhass, Islamismus oder Hass auf den Islam. Ich habe so meine Vermutungen, wo sie stecken. Man sieht ja auch, wer den Bericht von „Correctiv“ in den asozialen Medien teilt. Also: Burka runter! Zeigt euer Gesicht!

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