Mit der geplanten Annektion von Gaza verstößt Netanjahu die letzten Unterstützer Israels
Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 führt Israels rechtsextrem-nationalistische Regierung einen völkerrechtlich legitimen, aber ziellosen Krieg gegen die Terroristen, die den jüdischen Staat und die Juden vernichten wollen. Gegen eine wachsende Mehrheit der eigenen Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit.
Weil die Militäroperation unter riesigen Opfern auf beiden Seiten bislang nicht vom erhofften Sieg gekrönt war und die Hamas immer noch nicht gänzlich zerschlagten ist, will Premier Benjamin Netanjahu nun den Gaza-Streifen völlig besetzen und wieder okkupieren. Obwohl Armeechef Samir dringend davon abrät, wofür er in der Regierung heftig kritisiert wird.
Er nimmt dabei bewusst in Kauf, dass die Hamas und der Islamische Dschihad die noch etwa 20 lebenden Geiseln, darunter sechs Deutsche, ermorden und sich das Leid der Menschen in Gaza ins Unermessliche steigern wird. Ebenso die Zahl der israelischen Soldaten, die dabei sterben werden.
Netanjahu macht das erkennbar nicht, weil er einen Plan hat, was mit Gaza danach passieren soll, sondern weil er die extremsten Minister in seinem Kabinett halten will, um die Mehrheit im Parlament nicht endgültig zu verlieren und sich so im Amt zu halten. Selbst für entschiedenste Unterstützer Israels wie mich, die das militärische Vorgehen bislang gegen alle Proteste verteidigt haben, ist es unmöglich, das noch mitzutragen.
Erfolg der Ultranationalisten
Denn es wird den Hass auf Israel und die Juden nur noch vergrößern und den jüdischen Staat endgültig zum Paria machen. Und jede verbliebene Hoffnung zerschlagen, dass es irgendwann doch noch zu einer friedlichen Lösung des Nahostkonflikts kommt.
Genau das ist offensichtlich das Ziel Netanjahus und der Ultranationalisten. Sie wollen auch das Westjordanland annektieren und so Palästina „befreien“ von den arabischen Palästinensern. Damit unterscheiden sie sich in Nichts mehr von der Hamas und ihren Unterstützern, die das Umgekehrte mit Israel und seinen jüdischen Bewohnern wollen.
Israel verliert seinen demokratisches Selbst
Solidarität damit kann es nicht geben von Menschen, denen am Wohl Israels und der Juden genauso gelegen ist wie am Recht der arabischen Palästinenser auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat. Netanjahus rechter Vor-Vorgänger Arial Sharon hat Gaza 2005 gewaltsam von den dortigen Siedlern räumen lassen, weil er erkannt hatte, dass Israel seinen demokratischen Charakter verliert, wenn es auf Dauer Palästinensergebiete besetzt hält. An dieser Schwelle steht das Land nun.
Ich habe seit dem 7. Oktober unendlich viel Zeit verbracht, das israelische Vorgehen gegen die Massenmörder aus Gaza und alle anderen Juden- und Israelfeinde in Schutz zu nehmen, wo immer es ging. In Zeitungs- und Internet-Kommentaren; hier im Blog; in persönlichen Gesprächen. Ich habe mich dafür wüst beschimpfen und angreifen lassen. Ich war auf Pro-Israel-Demos. Ich bete für die Geiseln und das Volk Israel und war Ende Februar dort, auch um Solidarität zu zeigen. Und habe darüber in mehreren Medien und in einem Vortrag berichtet.
Aber was soll es Israel und den Geiseln helfen, einen politisch nicht zu gewinnenden Krieg noch weiter zu eskalieren? Es wird Israel vielmehr zerstören.
Dafür kann und werde ich nicht eintreten.
Ich kenne mich mit dem Konflikt und in der Region nicht aus. Jedoch soweit ich mitbekommen habe, hat Israel keine Annexion von Gaza beschlossen. Die Regierung hat die militärische Einnahme von Gaza-Stadt und die Ausweitung der Kontrolle angeordnet. Sie lehnt derzeit eine völkerrechtliche Eingliederung unter israelisches Recht ab und plant, das Gebiet nach vollständiger Kontrolle an arabische Kräfte zu übergeben. Wie genau das passieren soll, ist aber unklar, laut Berichten.
Ich verstehe Netanjahu nicht so, dass es ihm um eine Annexion Gazas zu tun ist, lieber Ludwig Greven. Doch könnte man einwenden, dass diese Unterscheidung kosmetisch ist, solange eine Zweistaatenlösung ausgeschlossen wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Zusammenfassung, die mir sehr aus dem Herzen spricht.
Es war immer klar, dass die Hamas die Geiseln nicht freilassen wird, egal, wie viele Menschen in Gaza sterben. Man konnte von Israels Regierung nicht erwarten, dass sie den Preis der Terroristen bezahlt. Es scheint aber, dass man bereit ist, auf dem Rücken der Geiseln die Staatlichkeit Palästinas weiterhin als bloßes Gerücht zu behandeln, obwohl sie von immer mehr westlichen Staaten anerkannt wird.
Ich habe Angst, das Ende Israels zu erleben. Nicht durch seine äußeren Feinde, sondern durch Wellen der Angst- und Talentflucht und das weitere Umsichgreifen des religiösen Nationalismus.
Danke Herr Greven und ausdrücklichen Respekt für diese Änderung Ihrer Haltung!