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Das Jagger-Richards-Songbuch (17): Honky Tonk Women

Songs über junge und alte Mädchen in Bars, die aus beruflichen oder sonstigen Gründen Männer abschleppen, sind in der Rockmusik nicht selten; wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil Rockmusiker auf Tour oft mit ihnen zu tun haben. Wie ich in „Backstage Blues“ einer meiner – ähem! – gelungeneren Kompositionen, nach einer Tournee mit der „Berlin Blues Band“ schrieb:

„Show is over and the lights are out / Sitting here all by myself / Drank a lot of wine, sang a lot of songs / Women all went off – with someone else …“

Als junge Stars schrieben Mick Jagger und Keith Richards einen der Klassiker des Genres, der an Klassikern nicht arm ist, man denke an „Lucille“ von Kenny Rogers, „Single Bars And Single Women“ von Dolly Parton, „Help Me Make It Through the Night“ von Kris Kristofferson, aber auch „Sweetheart Like You“ von Bob Dylan und, ja, „Lola“ von The Kinks. Der Klassiker war „The Spider and the Fly“, 1965. Als arrivierte Stars schrieben sie vier Jahre später einen weiteren Klassiker, das viel bekanntere, ironisch mit den Genres spielende „Honky Tonk Women“.

Der Song – den Text findet man wie immer unten – beginnt als Hommage an die Country-songs und die Bars, die sie feiern – die den Engländern Jagger und Richards allenfalls aus Western bekannt sein dürften. Da sitz also der Mann und will sich den Liebeskummer von der Seele trinken, wird aber von einer Dames des Hauses angesprochen, die ihn auf einen Ausritt nach oben nehmen will. Da er unwillig ist, hievt sie ihn kurz über die Schulter und trägt ihn die Treppe hoch. Ein wunderbares Bild, eine wunderbar ironische Art, mit dem Genre des selbstmitleidigen Genres „Tears in My Tequila“ umzugehen.

Und schon in der nächsten Strophe haben wir einen Szenenwechsel; jetzt ist der Sänger zuhause, auf irgendeinem Empfang in Manhattan, wo es jede Menge Koks gibt und danach Sex in einem edlen Appartement mit irgendeiner geschiedenen Frau, gegen den er sich mittlerweile nur noch schwach wehrt, weil sie ihn dafür mit „Rosen“ – 100-Dollar-Scheinen – bedeckt. Wie es bei Bob Dylan in „Idiot Wind“ heißt: „I can’t help it if I’m lucky…“

Danach freilich, wie immer bei diesen Frauen, versinkt der Sänger in postkoitale Depression: den Honky Tonk Blues. Oder wie die Beach Boys sangen: „Tried Peggy Sue, tried Betty Lou, tried Mary Lou, but I knew she wouldn’t do: Barbara Ann etc.“ Bitter. Aber was soll man machen?

Ach so, noch etwas:

In der zweiten Strophe heißt die dritte Zeile laut offiziellem Rolling Stones Video „The lady then she covered me with roses“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jagger so ungeschickt reimen würde. Meines Erachtens singt er: „I laid her, then she covered me …“ Oder vielleicht: „And later then she …“ Das ist das „later“ aus „The Spider and the Fly“: „She told me – later – she’s a machine operator …“ schade eigentlich: die einzige schwache Stelle in einem ansonsten makellosen Song, der gerade deshalb so schön ist, weil er sich nicht ernst nimmt.

I met a gin-soaked, bar-room queen in Memphis
She tried to take me upstairs for a ride
She had to heave me right across her shoulder
‚Cause I just can’t seem to drink you off my mind

It’s the honky tonk women
Gimme, gimme, gimme the honky tonk blues

I laid a divorcée in New York City
I had to put up some kind of a fight
The lady then she covered me with roses
She blew my nose and then she blew my mind

It’s the honky tonk women
Gimme, gimme, gimme the honky tonk blues

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3 Gedanken zu “Das Jagger-Richards-Songbuch (17): Honky Tonk Women;”

      1. avatar

        … ich korrigiere mich, … wer sonst hat jemals ein Beat mit einer Kuhglocke eröffnet. … aaaber meinetwegen, einen halben Punkt für Sie – wegen der 0:48.n min – und einen ganzen Punkt für mich. Das entspricht dann in etwa den Abstand zwischen den ‚Stones‘ und den Schlagermusikern. 😉

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