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Trumps erster Erfolg

Israel und die Hamas haben eine Waffenruhe vereinbart, nachdem der kommende US-Präsident den Terroristen die „Hölle auf Erden“ angedroht hatte. Die ersten der verbliebenen israelischen Geiseln könnten nun noch vor seinem Amtsamtritt freikommen. Doch es bleiben viele Fragezeichen. Dennoch: Könnte das ein Vorbild auch für den Krieg in der Ukraine sein?

Die Hoffnungen der vergangenen Tage haben sich erfüllt: Die Unterhändler Israels und der islamistischen Hamas haben sich nach monatelangen, immer wieder gescheiterten Verhandlungen unter Vermittlung der USA endlich auf einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg verständigt. Die ersten der noch wenigen lebenden israelischen Geiseln könnten im Rahmen eines Dreistufenplans schon am Sonntag freikommen, einen Tag bevor Trump wieder ins Weiße Haus einzieht. Im Gegenzug soll Israel weitere palästinensische Häftlinge freilassen und seine Truppen schrittweise aus dem Gazastreifen zurückziehen. Für die Angehörigen und Freunde der Geiseln und für die Menschen in Gaza sind das nach mehr als einem Jahr Bangen und den ebensolangen israelischen Bombardierungen und den Kämpfen mit Hamas-Einheiten erlösenden Nachrichten.

Und für die ganze Region und die übrige Welt ein Hoffnungsschimmer. Mehr allerdings erstmal noch nicht. Denn das israelische Kabinett muss der Vereinbarung an diesem Donnerstag noch zustimmen. Die zwei ultrarechtesten Minister haben schon angekündigt, dagegen zu stimmen. Ihr Nein wird jedoch wahrschneinlich nicht reichen, sie zu Fall zu bringen. Die Regierung von Premier Netanjahu könnte zerbrechen. Doch Teile der Oppostion haben in Aussicht gestellt, trotz ihrer Gegenerschaft zu der rechten Regierung ihr in diesem Fall zu helfen.

Trumps Drohung brachte den Durchbruch

Den Waffenstillstand können sich sowohl der scheidende US-Präsident Joe Biden als auch sein Nachfolger Trump als Erfolg zurechnen. Biden hat seit dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023 Israel politisch wie militärisch energisch unterstützt, aber gleichzeitig immer Druck auf Netanjahu ausgeübt, den Krieg zu beenden, sobald die Hamas stark geschwächt ist und keine Gefahr mehr für Israel darstellt, und sie nicht komplett zerschlagen zu wollen, wie es der israelische Premier anstrebte. Der entscheidende Durchbruch in den Verhandlungen gelang nach vielen Rückschlägen jedoch offerbar erst, als Trump der Hamas androhte, ihre eine „Hölle auf Erden“ zu bereiten, wenn sie nicht einer Waffenruhe zustimmt.

Selbst wenn das israelische Kabinett einwilligt, bleibt die große Frage, ob das vorläufige Schweigen der Waffen hält, und ob es gelingen wird, daraus einen dauerhaften Waffenstillstand zu schaffen und irgendwann auch einen neuen Anlauf zu einem Friedensprozess. Bei einer ersten Waffenruhe waren Ende 2023 zwar etliche Geiseln freigekommen, doch sie scheiterte nach wenigen Tagen. Solange Netanjahu und die Hamas-Führung das Sagen haben, kann das auch diesmal passieren.

Israel hat gewonnen – nicht jedoch in den Augen der Welt

So oder so ist Israel zwar der Sieger auch in diesem Krieg, aber wieder einmal politisch der Verlierer – jedenfalls in den Augen eines Großteils der Weltöffentlichkeit. Die mehr als 1000 Frauen, Männer und Kinder, die die Dschihadisten auf grausamste Weise in dem schlimmsten Progrom seit der Shoa abgeschlachter und das auch noch live gestreamt haben, sind längst vergessen. Im Mittelpunkt der Berichterstattung auch und gerade in deutschen Medien standen nur noch die sterbenden und leidenden Palästinenser. Obwohl auch sie einkalkulierte Opfer der Hamas-Anführer waren.

Wer es nüchterner betrachtet, ohne der Hamas- und linker Propaganda aufzusitzen, wird erkennen, dass Netanjahu und die israelischen Verteidigungskräfte mit ihrem entschlossenen Vorgehen erst gegen die Hamas, dann die Hisbollah und ihre Auftraggeber in Teheran die Architektur im gesamten Nahen Osten verändert und die Sicherheit nicht nur für die Israelis, sondern auch für andere Länder gestärkt haben. Erst dadurch konnte die Assad-Diktatur nach mehr als einem halben Jahrhundert gestürzt werden und haben nun auch die Syrer Hoffnung auf ein Ende des Kriegs.

Das vorläufige Fazit: Die Hamas ist zwar nicht eliminiert, wie es die Hardliner in Israel wollten, aber fürs Erste entscheidend dezimiert und ihrer führender Köpfe beraubt, sodass sie hoffentlich auf lange Zeit es nicht wagen wird, Israel erneut anzugreifen. Genauso die wesentlich stärkere Hisbollah, ohne ihren getöteten Führer. Das Mullahregime im Iran, die Terrorkrake mitsamt der vormaligen „Achse des Widerstands“, die bis in den Irak reichte, ist gleichfalls stark geschwächt. Das ist auch im Interesse der arabischen Golfstaaten, die sich deshalb die ganze Zeit zurückhielten.

Kommt nun ein Abkommen auch mit den Saudis?

Israel hat damit seine Position nach dem fürchterlichen Angriff, der das Land so tief getroffen hat wie keiner seit dem Jom-Kippur-Krieg, und der vor allem das Sicherheitsgefühl der Israelis und aiuch vieler Juden auf der ganzen Welt in den Grundfesten erschüttert hat, entschieden verbessert. Vieles wird nun davon abhängen, wie Trump vorgehen wird. Schon in seiner ersten Amtszeit hat er sich klar an die Seite Israels gestellt und die Abraham-Abkommen mit den Golfstaaten ausgehandelt, die Israel dauerhafte Sicherheit verschaffen sollen. Und die die Hamas genau deswegen mit ihrem Überfall torpedieren wollte, bevor auch Saudi-Arabien ein Friedensabkommen mit Israel schließt. Das könnte nun folgen.

Wird Trump auch Putin und die Ukraine zu Verhandlungen zwingen?

Die noch viel größere Frage ist, ob die Vereinbarung in Nahost zeigt, wie Trump auch mit Putin und der ukrainischen Führung umgehen wird, um sie zu einem Waffenstillstand zu zwingen. Auch dem russischen Kriegsherrn hat er bereits mit einem harten Zuschlagen und massiv verstärkten Waffenlieferungen an die Ukraine gedroht – und dieser mit einem Entzug aller Militärhilfen. Trump hält nichts von Diplomatie. Er kennt nur Druck, Gewalt und „Deals“.

Genau das hat wohl den Durchbruch in Gaza gebracht. Und es könnte genauso den Krieg gegen die Ukraine stoppen, genauer: einfrieren, wie auch den Krieg in Gaza. Um den Preis allerdings, dass die Ukraine auf die von Russland eroberten Gebiete verzichten muss für sehr lange, wenn nicht alle Zeit. Und Russland jederzeit wieder losschlagen könnte, genauso wie die Hamas und Hisbollah, sobald sie sich erholt haben. Es sei denn, Trump macht ihnen jeweils klar, dass auch er dann mit der US-Militärmacht losschlagen wird.

Das ist die längere Fassung eines Kommentars, der an diesem Donnerstag im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erscheint.

Ludwig Greven ist Publizist. Er war Politikchef der „Woche“ und politischer Autor bei zeit-online. Er schreibt für verschiedene Medien und in diesem Blog.

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