Manchmal ist ist die Geschwindigkeit, mit der Nachrichten uns aus allen Teilen der Welt erreichen atemberaubend. Es ist daher nicht so einfach nachzuvollziehen, ob sie der Wahrheit entsprechen oder nicht, erst recht, wenn sie sich nicht vor der Haustür abspielen und Personen involviert sind, deren Sprache die Journalisten nicht beherrschen.
Gerade bei der Berichterstattung aus dem Nahen Osten fällt auf, dass die englischsprachigen Nachrichten oft von den deutschen abweichen, ganz zu schweigen von den hebräischen oder arabischen. Dadurch entsteht ein Problem: Die Rezipienten erhalten unterschiedliche Informationen abhängig davon, welchem Kulturkreis sie angehören.
Aber das ist erst der Anfang. Mittlerweile kann man davon ausgehen, dass es gerade in Deutschland mindestens drei derartige große sprachenabhängige Kulturkreise gibt: Den deutschsprachigen, den englischsprachigen und den russischsprachigen. Dazu kommen Arabisch und Türkisch als weitere wesentliche Kulturkreise. Social Media verstärken diese Einflüsse: Algorithmen tragen dazu bei, dass jeder in seiner eigenen bequemen Informationsblase bleibt.
Deutsche Medien sind bei Israel sehr homogen
Musk, Twitter/X und den russischen Trollfabriken stehen die Tore weit offen. Das dient nicht nur der Manipulation der Wählermeinungen, sondern dazu gesellen sich auch palästinasolidarische Aktivitäten, die selbst vor Plattformen wie Facebook nicht haltmachen. Beiträge, deren Einstellung gegenüber Israel zu positiv erscheint, werden einfach gelöscht und man bekommt die Mitteilung, dass man gegen die „Standards“ verstoßen habe. Das ist nicht nur mir, sondern einer ganzen Reihe von Facebook-Nutzern seit dem 7. Oktober 2023 passiert.
Was folgt daraus? Des einen Nachricht ist nicht die des anderen. In der deutschsprachigen Berichterstattung entfallen viele Informationsquellen, sie ist relativ homogen, wenn man von den wenigen dezidiert pro-israelischen Quellen absieht. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien tun sich dadurch hervor, dass sie in ihrer Berichterstattung prinzipiell solchen israelischen Nachrichten misstrauen, es sei denn es handelt sich um kritische jüdische oder israelische Stimmen.
Kritische Stimmen sind wichtig für eine Demokratie. Wenn sich die Berichterstattung allerdings ausschließlich auf die kritischen Aspekte konzentriert – was ja durchaus einen Nachrichtenwert hat – entsteht ein verzerrter Eindruck von der Realität. Das wiederum fördert eine einseitige Wahrnehmung, die am Ende nur noch auf negative Aspekte fokussiert ist und alle angenehmen Aspekte einer freiheitlichen Demokratie ausblendet.
Dass nicht sein kann, was nicht sein darf
Dazu kommt: Was nicht dem eigenen Weltbild entspricht, kann eigentlich nicht wahr sein. Aktuelles Beispiel: Die Drusen in Syrien auf dem Golan. In englischsprachigen und israelischen Medien hört, sieht und liest man, dass sie gerne israelische Staatsbürger werden würden. Das scheint in Deutschland unvorstellbar. Warum?
Wer sich mit der Geschichte und Ethnographie des Staates Israel auskennt, weiß: Die Religionsfreiheit ist in der als Verfassung fungierenden Unabhängigkeitserklärung garantiert. Es leben viele Drusen in Israel, 1957 wurden sie als eigenständige Religionsgemeinschaft anerkannt, viele dienen in Spezialeinheiten der israelischen Armee. Zum Wissensrepertoire der deutschen Journalisten bei der Tagesschau scheint diese Information nicht zu gehören. Dabei war in der Berichterstattung nach dem Anschlag der Hisbollah, bei dem im Juli 2024 zwölf drusische Jugendlicheauf dem Golan getötet wurden, durchaus noch eine andere Stimme zu hören: „Das Zugehörigkeitsgefühl der Drusen auf dem Golan zum syrischen Staat schwäche sich jedoch ab, sagt Salah Tarif. Er ist der Cousin von Sheikh Mowakaf und war Anfang der 2000er-Jahre der erste nichtjüdische Minister in einer israelischen Regierung: „Die jungen Leute von den Golanhöhen kommen jetzt zum Studium nach Haifa, Tel Aviv und Jerusalem. Früher sind sie nach Damaskus gegangen.“ Die Jüdische Allgemeine berichtete, dass die Hizbollah-Millizionäre vor den Drusen sogar mehr Angst hätten als vor den Israelis und deshalb die Urheberschaft, nachdem sie sich zuerst zu dem Raketenanschlag bekannt hatten, von sich gewiesen und unter anderem behauptet hätten, dass es eine israelische Abfangrakete gewesen sei, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Toten drusische Jugendliche waren.
Israelische Verteidigungs-Siedlungen
Und nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien? Am 14.12. titelt tagesschau.de „Notruf aus der Pufferzone“ und die Korrespondentin Bettina Meier drückt auf die Tränendrüse der Zuschauer, wenn sie erklärt: „Den Drusen, die an der Grenze zur Pufferzone zwischen Israel und Syrien in den Golanhöhen leben, macht der Einmarsch der israelischen Truppen große Sorgen. Ein Besuch an der Grenze zeigt, warum das der Fall ist.“ Der Bericht glänzt durch folgende Zwischenüberschriften: „Es fehlt am Nötigsten“ „Ich bin ein besetzter Mensch“ „Angst vor Bau jüdischer Siedlungen“. Immerhin endet der Bericht mit „Israelische Armee betont Nichteinmischung“ – warum sie die Golanhöhen besetzt hat, sollte jedem militärstrategisch denkenden Menschen klar sein. Israel ist als kleines, in seinen ursprünglichen Grenzen von 1967 schwer zu verteidigendes Land gezwungen, strategisch relevante Anhöhen im Blick zu behalten – und das eben auch mit Hilfe von Siedlungen. Es handelt sich um eine Besetzung, die aus Gründen der Selbstverteidigung notwendig ist.
Das gleiche gilt für die Zerstörung der umfangreichen syrischen Waffenarsenale durch die israelische Luftwaffe. Alleine die Berichterstattung in Deutschland lässt, so wie die deutsche Außenpolitik, anderes vermuten: Israel wird gewarnt, sich nicht in syrische Angelegenheiten einzumischen. Ein besonderer Höhepunkt war die Schlagzeile auf t-online vom 16. Dezember um 9:06: „Israelischer Luftangriff löst Erdbeben aus“ hieß es da. Wow, denkt sich der Leser, welche Übermacht! In der Tat wirkt es etwas anders, wenn man die ganze Meldung liest. Zwar wurde ein leichtes Erdbeben der Stärke 3 registriert, allerdings ist dies dem Umstand zu verdanken, dass ein Boden-Boden-Raketenlager getroffen wurde. Weiter heißt es dann: „Seit dem Sturz des Assad-Regimes greift Israel immer wieder Ziele in Syrien an. Israel hat nach eigenen Angaben Sorge, dass die Waffenregime des Regimes in die Hände von Extremisten fallen und gegen Israel eingesetzt werden könnten.“ Das ist alles nicht falsch, aber es ist doch alles sehr einseitig in der Betrachtungsweise.
Also ist es offensichtlich nur Israel, das diese Sorgen hat und solche Äußerungen als „eigene Angaben“ tätigen muss, um diese Friedensmission zu rechtfertigen? Ich frage mich wo bleibt der Beifall der deutschen Friedensbewegung? Eine derart gründliche Zerstörung von Kriegswaffen sollte doch eigentlich eine breite Zustimmung bei allen friedliebenden Menschen finden. Wenn es um Israel geht, ticken die Hirne eben anders. Nicht nur Erdbeben, auch die Eroberung der ganzen arabischen Welt durch die kleine jüdische Nation sind offensichtlich furchterregende fantastische Hirngespinste, die eine realistische Bewertung der Lage zumindest erschweren, um es vorsichtig auszudrücken.
Nikoline Hansen ist Amerikanistin, Kommunikationswissenschaftlerin und Politologin. Sie war Redakeurin der Zeitschrift „Die Mahnung“ und arbeitet als Journalistin mit den Schwerpunkten Menschenrechte, jüdisches Leben und Israe. Sie ist Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. und ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der Leo Trepp Stiftung und im Anti-Kriegs-Museum.