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Menetekel für Putin und die Mullahs

Der Sturz Assads zeigt, dass selbst superstabil erscheinende Diktaturen trotz äußerer Hilfe über Nacht zusammenbrechen können. Eine schwere Niederlage für die Verbündeten Russland und Iran, mit weitreichende geostrategischen Folgen. Ein weiterer wichtiger Erfolg für Israel. Und ein Hoffnungsschimmer auch für die Ukraine.

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten in all den Schrecknissen: Nach über 50 Jahren ist das Assad-Regime in Syrien binnen weniger Tage hinweggefegt worden von einer Allianz verschiedener, teils dschihadistischer Milizen und dem Aufstand der Bevölkerung. 24 Jahre hatte sich Baschar al-Assad mit äußerst brutalen Mitteln und einem Krieg gegen das eigene Volk an der Macht gehalten, nachdem schon sein Vater Hafiz genauso grausam 29 Jahre in Damaskus geherrscht hatte. Verwundert reibt man sich die Augen. Hatten nicht zahllose Experten wie der unvermeidliche Michael Lüders bis zuletzt erklärt, Assad habe den Krieg, der Millionen aus dem Land trieb und es verwüstete, gewonnen; seine Herrschaft sei dauerhaft gefestigt, auch dank der Waffenhilfe Russlands, Irans und der Hisbollah?

Und jetzt das: Wie aus dem Nichts hat eine gut ausgerüstete und ausgebildete gegnerische Armee von Milizen Syrien überrollt, eine Stadt nach der anderen genommen und ist in Rekordtempo bis in die Hauptstadt vorgedrungen. Assads Soldaten liefen davon oder über, weil sie für das kleptokratische Clan-Regime nicht mehr ihr Leben lassen wollten; Putin und das iranische Regime konnten oder wollten Assad nicht zur Hilfe eilen, sodass der Diktator nach Moskau fliehen musste. Und ein düsteres Kapitel fürs Erste zuende ging.

Ähnlich wie die Niederlage des Westens 2019 in Afghanistan

Erinnerungen an Afghanistan 2019 werden wach. Damals überranten die Taliban binnen weniger Wochen das Land und eroberten die Macht zurück – eine desaströse Niederlage für den Westen, der 20 Jahre lang vergeglich einen Krieg am Hindukush gegen sie und für die Demokratie geführt hatte. So wie vor fünf Jahren die westlichen Truppen und Helfer unter dramatischen Umständen flohen, fliehen nun russische Soldaten und Zivilisten aus Syrien. Äußerst schlechte Nachrichten für Putin, der seine Soldateska in Syrien den Terrorkrieg hatte üben lassen, den er seit Fabruar 2022 gegen die Ukraine führt – mit dem Vernichtungsbombardement Aleppos, das den Aufständischen nun als erstes fast kampflos in die Hände fiel, mit Fassbomben und auch Spezialtruppen am Boden.

Die Bilder der schmählich Syrien verlassenden russischen Soldaten werden manche Russen an den Abzug der einst glorreichen Roten Armee aus Afghanistan 1989 erinnern. Auch dort hatte die Moskauer Führung versucht, ein brutales Regime mit aller Gewalt an der Macht zu halten. Und musste sich am Ende den weit schlechter bewaffneten islamistischen Mudschahedin geschlagen geben: der Anfang vom Ende der Sowjetunion und der kommunstischen Herrschaft.

Natürlich ist es viel zu früh, daraus Parallelen für heute abzuleiten. Doch das Bild eines militärisch zu allem fähigen Russlands, das so viele fürchten, nicht zuletzt der Noch-Kanzler in Berlin, bekommt weitere Risse. Man darf nicht vergessen: Der Blitzsieg über die Ukraine, den Putin sich 2022 erhofft und den die allermeisten im Westen erwartetet hatten, ist bis heute nach fast drei Jahren ausgeblieben. Zwar ist die russische Armee wieder im Vormarsch, doch trotz der Rüstungshilfe Irans, Nordkoreas, wohl auch Chinas und nun auch nordkoreanischer Soldaten sind die ukrainischen Verteidigungskräfte längst nicht geschlagen, obwohl sie insbesondere aus Deutschland nur begrenzt unterstützt werden.

Putin hat das russische Neoimperium überdehnt

Vielmehr unterstreicht die Niederlage von Putins Verbündetem in Syrien, dass die Ukrainer nicht nur für sich und ihre Freiheit kämpfen. Weil der russische Machthaber Truppen und Flugzeuge aus Syrien abziehen musste für den Krieg in der Ukraine, konnte er Assad diesmal anders als 2015 nicht retten. Obgleich Putin Russland komplett auf Rüstungswirtschaft umgestellt hat und stolz seine neuen angeblichen Wunderwaffen präsentiert und in der Ukraine ausprobiert, hat er seine Macht offensichtlich wie früher schon andere Imperien überdehnt. Nun muss er auch um den strategisch wichtigen Stüztpunkt in Syrien fürchten, den einzigen großen russischen am Mittelmeer.

Auch für das iranische Regime und seine Proxy-Armeen ist der Sturz Assads ein Desaster. Geschwächt durch die israelischen Militärschläge und die Niederlage seiner Hisbollah-Schattentruppe im Terrorkrieg gegen Israel ist die „Achse des Widerstands“, die vereinte Front gegen den „zionistischen Feind“, ge-, wenn auch wahrscheinlich noch nicht zerbrochen. Was die Mullahs über viele Jahre mühsam aufgebaut hatten, auch um sie selbst zu schützen, ist innerhalb kurzer Zeit zerronnen. Ihre Macht reicht nun nicht mehr über Libanon und Syrien bis an die Grenzen Israels. Sie selbst stehen weitgehend wehrlos da, und sie können sich auch nicht mehr auf die mehr oder wenige verdeckte Schützenhilfe Russlands verlassen.

Eine neue islamistischer Schreckensherrschaft?

Die Hamas steht nun ebenfalls völlig allein da, nachdem ihre Terrorhelfer der Hisbollah schon die Waffen strecken mussten. So wird der Sturz Assads insgesamt die Lage in Nahost nachhaltig weiter verändern. Denn während Erdogan frohlockt, der die Fäden gegen Assad gezogen und die islamistischen Milizen unterstützt und wahrscheinlich ausgerüstet hat, müssen die anderen arabischen Herrscher, die vor kurzem noch ihren Frieden mit dem syrischen Dikator gemacht hatten, jetzt ebenfalls neu nachdenken. Und womöglich um ihre Macht bangen, falls die Arabellion durch die Ereignisse in Syrien wieder entfacht werden sollte.

Was der Umsturz für die leidenden Menschen in Syrien und die Millionen Geflüchteten bedeutet, ist nicht abzusehen. Auch wenn sich der Anführer der siegreichen Milizen, der früher zu al-Qaida gehörte, nun gemäßigt gibt und die Flüchtlinge zur Rückkehr und das syrische Volk zur Einheit aufruft, ist nicht auszuschließen, dass die Schreckensherrschaft Assads durch eine noch schlimmere islamistische wie in Afghanistan abgelöst wird. Die Kurden, Christen, Juden und anderen Minderheiten im Land, auch die Alawiten Assads, fürchten das. Für den Rest der Welt und den Westen heißt es, dass keineswegs mehr Stabilität und Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten entsteht. Eher im Gegenteil.

Ludwig Greven ist freier Journalist und Autor. Er war Politikchef der „Woche“ und politischer Autor bei zeit-online. Neben Themen wie Migration, Integration und der Verteidigung der Demokratie beschäftigt er sich notgedrungen auch mit Krieg & Frieden.

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Ein Gedanke zu “Menetekel für Putin und die Mullahs

  1. avatar

    Ich stimme Ihnen unbedingt zu, was die Beendigung des Assad-Regimes angeht. Für Israel ist das nur im ersten Moment eine gute Nachricht. Mittelfristig bedeutet das die Eröffnung einer dritten Front, denn die als „Rebellen“ geframten Islamisten werden sich relativ schnell wieder ihrem postulierten Hauptfeind, dem Juden aka Israel, zuwenden.
    Ich befürchte, dass der Westen nicht so naiv ist, wie er zu ein vorgibt, wenn er den Terroristen nun als Befreiern zujubelt. Der Feind meines Feindes ist eben nicht unbedingt mein Freund.

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