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Flugzeuge im Bauch

Heimlich schafft die Bundesregierung per Flugzeug hunderttausende Flüchtlinge ins Land – wie ein Internet-Hoax die „Junge Freiheit“, das publizistische Flaggschiff der Wutbürger, ins Schlingern bringt.

„Heiko“ aus der 1.593 Seelen-Gemeinde Globasnitz in Kärnten weiß Bescheid: Aufgeregt berichtet er am 6. August in seinem Blog austria-netz.de, dass am Köln-Bonner Flughafen jede Nacht „große Geheimnisse“ vor sich gehen. „Nacht für Nacht alle 3-5 Minuten“ landen dort „ab etwa 1 Uhr morgens klammheimlich Tausende Migranten“. Es seien „große Flieger“, die „über 500 Passagiere fassen“. Das gehe „jetzt schon wochenlang“, behauptet er. Woher er das weiß, schreibt Heiko leider nicht. Dafür rätselt er, woher die Flugzeuge kommen und hat einen Verdacht: „Die Herkunft kann man erahnen: Türkei, Griechenland, Italien!“ Eventuelle Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Vermutungen räumt er vorsorglich gleich aus dem Weg: „Von unseren gleichgeschalteten Medienlandschaften hört man zu diesem Zusammenhang nichts, ist aber auch egal, sollten sie etwas berichten wäre es sowieso gelogen!“ (Alle Zitate in Original-Rechtschreibung.)

Ein kurzer Blick auf den Blog genügt, um dessen Seriösität einordnen zu können: Neben exklusiven Inhalten, etwa dass Serbien mit Hilfe von elektromagnetische Wellen des US-Projekts HAARP das Gehirn kroatischer und bosnischer Staatsbürger beeinflusst, fällt der, sagen wir: kreative Umgang mit Orthographie und Satzzeichen auf, insbesondere dem so genannten „Deppen-Apostrophen“: Österreich’s Politiker“, Daten Sicherheit’s Verletzung, Merkel’s Milliarden-Flüchtlings-Deal.

Die exklusiven „Enthüllungen“ des Kopp Verlags
Dies hinderte den mit dem „Goldenen Aluhut 2015“ ausgezeichneten Kopp Verlag nicht daran, die Meldung aufzugreifen. Unter Berufung auf „mehrere Informanten“ berichtete Kopp Online (Eigenwerbung: „Informationen, die Ihnen die Augen öffnen“) am 8. August: „Nun sollen Merkels Fachkräfte heimlich kommen (…) Ab halb eins beginnt die ‚Rush-Hour for Refugees‘. Maschinen aus der Türkei und Griechenland landen beinahe im Minutentakt.“ Und das nicht nur am Flughafen Köln/Bonn, sondern auch in Hannover sowie – so steckt es ein „Leser“ dem auch als Haus-Verlag von Udo Ulfkotte bekannten schwäbischen Unternehmen – im Bundeswehr-Fliegerhorst im niedersächsischen Wunstorf.

Obwohl die exklusive Enthüllungsstory bar jeder Fakten war, gehörte sie sofort „zu den meist geteilten News-Artikeln im deutschsprachigen Netz“, so Bento, das Online-Jugendmagazin des Spiegel. Einschlägig bekannte radikal rechte sowie verschwörungstheoretische Internetseiten wie „Der „Honigmann sagt“, „Michael Mannheimer“, die „PI-News“, „Quer-Denken“ oder ausländische Portale wie „Pravda-TV“, die gezielt die öffentliche Meinung in Deutschland beeinflussen sollen, wiederholten den Kopp-Text, teilweise nicht ohne der Märchengeschichte das ein oder andere Detail hinzuzudichten. Die Folge: Die Besucher dieser Seiten, die nicht unerhebliche Schnittmengen zum Kreis der AfD- und Pegida-Sympathisanten aufweist, waren nun in heller Aufregung.

Unterdessen hatten der Köln-Bonner Flughafen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Bundesministerium für Inneren die Gerüchte längst dementiert. Auch auf der bekannten Internet-Aufklärungsseite „mimikama.at“ war sie längst als Hoax identifiziert. Aber das interessierte die Meisten nicht.

Die Junge Freiheit investigativ
Auch das Flaggschiff der neurechten und nationalkonservativen Szene, die „Junge Freiheit“, berichtete über die Dementi. Doch dadurch stachelte man die Empörung im Leserkreis noch mehr an. Die Reaktionen auf der Homepage der Wochenzeitung sind deshalb so interessant, weil dort nur Abonnenten kommentieren dürfen. „August Heinrich von Loen“ schrieb: „Die einzige Wahrheit ist die, daß das deutsche Volk in der Flüchtlingsfrage von allen Seiten hemmungslos belogen wird!!!“ User „Pyritzer“ fügte hinzu: „Dieses Dementi ist wohl eher ein Offenbarungseid! Lüge, Lüge, und nochmals Lüge von den Lügenmedien!“

JF-Chef Dieter Stein schickte daraufhin ein Mitglied seiner Redaktion zur investigativen Recherche an den Köln-Bonner Konrad-Adenauer-Flughafen. Wenig überraschend konnte dieser nach einer Nacht in, am und rund um den Airport keinerlei Belege für eine geheime Masseneinwanderung finden. Allerdings wollte die JF – vermutlich als Konzession an die Verschwörungstheoretiker im Käuferkreis – keine völlige Entwarnung geben: „Aber noch mal: ganz ausschließen kann man es eben nicht. Dafür ist eine Nacht zu wenig und auch der Kölner Flughafen zu groß, die Zugangsbarrieren zu hoch, als daß man es definitiv ausschließen kann.“

Festgefügte Weltbilder sind nicht zu erschüttern
Stein und seine Redaktion bekamen nun eine Lehrstunde darin, dass gegen ein festgefügtes Weltbild alle journalistische Aufklärungsarbeit letztlich vergebens bleibt. „May Free“ kommentierte: „Danke für die Recherche. Aber wie Sie selber sinngemäß schreiben: es gibt viele Flughäfen in Deutschland. Die Frage ‚Warum sollte die Politik so blöd sein?‘ hilft in diesem Fall nicht weiter. Es ist nicht anzunehmen, dass Merkel, die weiß, dass sie mit dieser Frage bei der nächsten Wahl untergehen wird, DIESE Invasionspolitik aus eigenem Antrieb fortdauernd so betreibt. Da kommt eher der große Bruder in Frage, der die deutsche Handpuppe zu dieser Umvolkungspolitik zwingt, um Deutschland und Europa weiter zu schwächen. Auch die schnelle Reaktion der Regierung spricht eher für den ertappten Lügner, der etwas vertuschen möchte.“

Mit Logik braucht man diesen Leuten bekanntlich nicht kommen. Denn wenn sie wittern, das gemeinsame Feindbild von Rechts- wie Linksradikalen, die USA, könnten irgendwelche Fäden ziehen, dann bleibt die Vernunft auf der Strecke. Eine Lehre daraus können die Pressestellen dieser Republik immerhin ziehen: Wer Gerüchte zu schnell dementiert, macht sich also schon automatisch verdächtig. Es wird jedoch schwierig, diese Erkenntnis mit der sehr beliebten Behauptung in Einklang zu bringen, es müsse schon etwas dran sein, weil das Dementi so lange auf sich hat warten lassen.

Die JF am Pranger mit der „Lügenpresse“
Stein sah sich gezwungen, das Thema nochmals aufzugreifen. In der heute erschienenen neuen Ausgabe der Jungen Freiheit stellt er auf Seite 1 unmissverständlich fest: „Es ist nichts dran an dieser Story.“ Der JF-Chef spricht in seinem Leitartikel, der auch online abrufbar ist, auch die negativen Reaktionen aus der Leserschaft an: „Für einige Unbelehrbare aber waren wir damit wiederum selbst Teil der vermeintlichen ‚Lügenpresse‘, weil wir diesen schönen Luftballon haben platzen lassen.“

Warum so viele Leute den Unsinn glauben, darauf geht Stein ebenfalls ein. Er sieht eine „Info-Revolte“ gegen das Medien-Establishment. Die „Vertrauenskrise“ sei befeuert worden, durch „schönfärberische und bevormundende Berichterstattung der meisten Medien über die Asylkrise und massenhafte illegale Einwanderung nach Europa und Deutschland“, Nachrichten seien „verdreht und Vorfälle vertuscht“ worden. Sein Fazit: „Deshalb verwundert es nicht, daß alternative Nachrichtenportale boomen und Zeitungen wie die JF, die hier Informationslücken schließen, Auflagenzuwächse verzeichnen können.“

Den Thymos zu sehr angeheizt
Leider verliert er kein Wort darüber, dass auch seine Zeitung mit dazu beiträgt, die Glaubwürdigkeit der seriösen Medien zu untergraben. „Lesen, was andere verschweigen“ – mit diesem Slogan macht die Junge Freiheit seit vielen Jahren für sich Werbung, und unterstellt damit der Konkurrenz indirekt, sie sei Teil der „Lügenpresse“. Stein beklagt eine „Vertrauenskrise“, die er selbst mit angeheizt hat.

Das ist auch die Welle, welche die AfD reitet. Die „Thymos-Spannung heben“, also den Zorn der Bürger anzustacheln, hat der AfD-Politiker und Philosoph Marc Jongen Anfang des Jahres als Ziel seiner Partei genannt. Nicht nur die AfD, sondern auch ein mediales Umfeld, zu dem auch die Junge Freiheit gehört, lebt davon, die Empörung gegen die Eliten dieses Landes zu schüren. Stein musste nun feststellen, dass eine Zeitung wie die seine, die immerhin einen gewissen journalistischen Anspruch an sich selbst hat, sehr rasch gemeinsam mit dem „Medien-Establishment“ am Internet-Pranger steht, wenn sie nicht so berichtet, wie es sich der Wutbürger vorstellt.

Denn wer „Flugzeuge im Bauch“ hat, wie Herbert Grönemeyer singt, und sich von seinen Gefühlen leiten lässt, der hinterfragt nicht mehr. Die Revolution frisst ihre Kinder – manchmal schon, bevor sie ausbricht.

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12 Gedanken zu “Flugzeuge im Bauch;”

  1. avatar

    @Herr Wallasch: das ist auch noch eine Möglichkeit, die zutreffen könnte.
    Die Fälle Mannichl und Sebnitz sind ja sonnenklar und unvergessen…die Lückenpresse hat auch damals ihrem Spitznamen Ehre gemacht.

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    Ich glaube sogar, das überhaupt kein Asylbewerber angekommen ist. Alles eine Erfindung von Dieter Stein von der JF um Angela Merkel zu diskreditieren. Dafür hat die JF – wieder nachts – gaaaaanz viele Mitarbeiterauf Arabar getrimmt, in Köln ein paar Mädels begratscht, und nur um den Firnis der Zivilisation implodieren zu lassen, übernachten diese ganzen IM’s der JF jetzt in Asylantenunterkünften.

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      Wieso sind auch Sie auf diesen Zug aufgesprungen, Herr Wallasch. Wurden Sie einmal zuviel gelobt? Sie wirkten einmal ganz vernünftig.

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    Hallo Pepe,

    ich schließe mich Ihrer Meinung an. Ihr Kommentar gefällt mir gut.

    Das Gegenteil können Sie idealtypisch beim Kommentar des Herrrn Ziegler sehen: außer eEmotionalität und Beleidigung nichts – so wie man es von unseren heißgeliebten Gutmenschen eben kennt.

    Schönen Sonntag noch.

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      lieber Gutmensch als Wutbürger. Vielleicht sollten Wutbürger ihre Gutgläubigkeit bestrahlen lassen? Aus unterrichteten Quellen (NSA!) weiß ich, dass sowas möglich ist…

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      Gottseidank haben Merkel und Göring-E. noch ihren Verstand und wissen genau was sie tun. Wir schaffen das, kriegen Menschen geschenkt und es wird sich alles ändern, worüber wir uns freuen sollen;)

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    Die JF hat doch völlig richtig gehandelt: Einen Reporter zum Flughafen Köln-Bonn geschickt, der recherchiert hat, ob an den im Internet umlaufenden Gerüchten etwas dran ist. Offenbar nicht. Die anderen Medien waren sich dafür zu fein. Auch das ist Lückenpresse. Die JF hat sich dagegen über die Jahre die Reputation erarbeitet, heiße Eisen anzufassen. Und in diesem Fall hat sie kalten Kaffee aufgedeckt. Entgegen Herrn Eibls irreführender Überschrift kam die „Junge Freiheit“ nicht ins Schlingern, sondern ist dem Kurs treu geblieben, einen seriösen Journalismus für eine demokratische Rechte zu machen. Dafür mein Respekt!

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    Das man den Medien der etablierten Großverlage nicht mehr glaubt hat doch nichts mit der JF zu tun.
    Wallraff hat schon in den 70igern erhellendes über die Methoden dieser Medien veröffentlicht, wenn man an einem Kiosk das „Lügenblatt“ will bekommt man fast immer das gewollte. Seit es das Internet gibt muß man keine Bücher mehr kaufen und lesen, die Informationen kommen frei Haus aus aller Welt.

  6. avatar

    Gaunern traut man halt alles zu, das nennt man Erfahrungswerte. Diese Regierung hat schon so oft gelogen und betrogen und ihre Schlechtigkeit unter Beweis gestellt, dass man denen jetzt jede Schandtat zutraut. Das ist nur zu verständlich.

  7. avatar

    Bravo!
    Eine der besten Darstellungen dieses Themas, speziell unter dem Aspekt, woher die irrsinnige Meldung WIRKLICH stammt (es haben sich ja alle auf Kopp konzentriert, die haben es lediglich bekannt gemacht).

    Mit lieben Grüßen
    Andre von Mimikama

    1. avatar

      Vielen Dank für das nette Kompliment, das ich aber hiermit zurückgebe. Ihr habt schließlich in Eurem Text auf den obskuren Blog des Herrn aus Kärnten aufmerksam gemacht.
      Beste Grüße zurück und vielen Dank für die wertvolle und wichtige Arbeit von mimikama.at!

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