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Eine gefährliche Enzyklika

Die neue Enzyklika des Papstes, „Laudato si’“, scheint auf viel Zustimmung zu stoßen. Ich habe sie gelesen, und ich kann in dieses Lob nicht einstimmen. Sie ist ein Dokument, das vor allem die Verantwortung der Kirche – und anderer Religionen – für Armut und Umweltschäden vertuschen soll. Sie ist ein Dokument, das explizit die wichtigste Hoffnung der Armen und der Umwelt – nämlich Wirtschaftswachstum – verteufelt. Kein Wort verliert diese Enzyklika zum notwendigen Zusammenhang zwischen Demokratie, Entwicklung und Menschenwürde. Sie verrät die tiefe Verwurzelung des argentinischen Papstes in der Gedankenwelt südamerikanischen Antiimperialismus und insbesondere des Peronismus.


Dass Franziskus den Klimawandel und den menschlichen Anteil daran als Tatsache anerkennt, hat ihm viel Lob eingebracht. Es ist natürlich gut, wenn der Papst naturwissenschaftliche Ergebnisse anerkennt; sein Orden, die Jesuiten, hat hierin eine gute Tradition. Doch weist Franziskus – wie sein Vorgänger Benedikt XVI – in dieser Enzyklika zugleich die Theorie der Evolution zurück, obwohl diese viel besser belegt und begründet ist als die Theorie des Klimawandels durch Treibhausgase.
Wie sein Vorgänger besteht Franziskus nämlich darauf, theologische als naturwissenschaftliche Aussagen auszugeben, von der Entstehung des Universums bis zur Entstehung des Menschen: „‚Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen’ (Ps 33,6). So wird uns gezeigt, dass die Welt aus einer Entscheidung hervorging, nicht aus dem Chaos oder der Zufallswirkung.“ Oder: „Obwohl auch der Mensch Entwicklungsprozesse voraussetzt, schließt er etwas Neues ein, das von der Entwicklung anderer offener Systeme her nicht gänzlich erklärbar ist.“ Die Enzyklika ist von ähnlichen Aussagen geradezu durchsetzt.
Der Punkt ist aber, wie viele andere Jesuiten betonen, dass die Entstehung von Mensch und Universum naturwissenschaftlich sehr wohl „gänzlich erklärbar“, beziehungsweise nur in dem Sinne nicht „gänzlich erklärbar“ ist, als die Naturwissenschaft selbst eine offenes System und der Mensch ein intellektuell begrenztes Wesen ist. Das heißt, ich muss als religiöser Mensch nicht leugnen, dass die Welt aus dem Chaos und der Mensch aus zufälligen Mutationen hervorging; ich muss lediglich annehmen, dass dies nur eine Beschreibungsweise von Welt und Mensch ist, und dass es eine andere, religiöse Beschreibungsweise gibt, deren Wahrheit von der Wahrheit der Naturwissenschaften nicht tangiert wird. Die Vermengung beider Ebenen , etwa durch Aussagen dergestalt, dass die Entstehung des Menschen durch natürliche Auslese „nicht gänzlich erklärbar“ sei, verletzt die Integrität der Religion nicht minder als jene der Wissenschaften.
Warum erkennt aber Franziskus die Theorie des Klimawandels an, nicht aber die Theorie der Evolution? Weil ihm der Klimawandel, anders als die Evolution, in den politischen – nicht theologischen! – Kram passt. Der Klimawandel ist für ihn nämlich nur ein weiteres Beispiel für die Sünden des Fortschrittsglaubens, des Wachstums und des Materialismus, die er vornehmlich in der reichen Welt des Nordens, also in Europa und Nordamerika – und dort vor allem bei der wiederholt angegriffenen „Finanzwirtschaft“ – ausmacht.

Für Franziskus, wie für den spezifisch katholisch geprägten „Antiimperialismus“, der in Lateinamerika so verbreitet ist, stellt sich die Weltwirtschaft als Nullsummenspiel dar. Reichtum hier bedeutet Armut dort. Deshalb kommt er zum Ergebnis: „Wir wissen, dass das Verhalten derer, die mehr und mehr konsumieren und zerstören, während andere noch nicht entsprechend ihrer Menschenwürde leben können, unvertretbar ist. Darum ist die Stunde gekommen, in einigen Teilen der Welt eine gewisse Rezession zu akzeptieren und Hilfen zu geben, damit in anderen Teilen ein gesunder Aufschwung stattfinden kann.“
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: In einem Europa lebend, das teilweise seit Jahren unter einer Rezession leidet, mit schlimmen Auswirkungen etwa für die Armen in Griechenland oder für die Bereitschaft der Menschen überall in Europa, die knapper werdenden sozialen Ressourcen mit Immigranten aus Afrika zu teilen, fordert das Oberhaupt der größten christlichen Kirche auf, eine noch tiefere Rezession bewusst herbeizuführen, in der völlig irrwitzigen Annahme, das würde anderswo zu einem Aufschwung führen.

Und er setzt nach, im Stil antiimperialistischer Revolutionäre: „In diesem Zusammenhang sind die Mittelwege nur eine kleine Verzögerung des Zusammenbruchs.“ Auch „nachhaltiges Wachstum“, wie es etwa von den Grünen gefordert wird, lehnt Franziskus ab, weil „sich die Rede vom nachhaltigen Wachstum in eine ablenkende und rechtfertigende Gegenrede zu verwandeln (pflegt), die sich (…) in die Logik des Finanzwesens und der Technokratie eingliedert“.
Nun verspüre ich keine Neigung, als blinder Apologet des Kapitalismus jegliche Verantwortung „des Finanzwesens und der Technokratie“ für soziale Missstände und ökologische Zerstörungen zu leugnen. Das überlasse ich gern Lobbyisten, die dafür bezahlt werden. Doch gilt es, hier zwei Dinge festzuhalten:
Dort, wo man heute exzessive Armut und die größten Umweltschäden feststellen muss, sind in aller Regel eben nicht Europa und die USA dafür verantwortlich, sondern die lokalen Eliten.
– Die jährlich erstellten „Arab Human Development Reports“ stellen das für die arabische Welt eindringlich unter Beweis. Nur ein vorsätzlich blinder Mensch könnte annehmen, dass neben der altertümlichen Clan-Struktur, der Herrschaft machthungriger Autokraten, dysfunktionalen Staaten, dem Kinderreichtum und – ja – der Erbschaft des Kolonialismus nicht auch der Islam seinen Anteil an dieser Unterentwicklung hat.
– In Afrika haben postkoloniale Despotie, Vetternwirtschaft und Korruption, Clan-Denken, ethnische Konflikte und Kriege die Entwicklung aufgehalten. Die Behauptung, dies sei alles Ergebnis des Kolonialismus oder gar der postkolonialen Entwicklung in den reichen Ländern,  „der weiße Mann“ sei an allem Unglück schuld, ist eine Rechtfertigungsideologie der Eliten, die von diesen Zuständen profitieren. In Südafrika oder Simbabwe kann man beobachten, wie diese Eliten das den Weißen abgenommene – und zu Recht abgenommene! – Land herunterwirtschaften. Christentum und Islam haben bei dieser Entwicklung keine rumreiche Rolle gespielt, um es vorsichtig auszudrücken.
– In Lateinamerika schließlich ist der Entwicklungsrückstand gegenüber den verhassten „Yanquis“ eben nicht deren schuld. Sondern Ergebnis der Aufteilung des Landes unter – zumeist spanischen – Großgrundbesitzern, die zusammen mit der katholischen Kirche und der Armee als den ideologischen und militärischen Garanten dieser feudalen Ordnung ihre Länder in geistiger und politischer Umnachtung gehalten haben. Dort, wo sich Revolutionäre an die Macht putschten oder – wie die Peronisten in Argentinien – halbwegs legal an die Macht gelangten, hatten sie nie Interesse an der grundlegenden Änderung der Machtverhältnisse, sondern frönten einem ressentimentgeladenen Antiamerikanismus, während sie – anstatt die Wirtschaft ihrer Länder anzukurbeln – allenfalls die wichtigsten Ressourcen verstaatlichten, um sie, wie die Scheichs der Golfstaaten, mehr oder weniger großzügig und erfolgreich zur Bestechung der Armen einzusetzen, wie in Venezuela. Die Kirche hat diese Entwicklung nicht nur hingenommen; sie hat sie aktiv unterstützt, da führende Katholiken– wie der Argentinier Franziskus – die Armut selbst als positiv betrachten, weil sie zu größerer Spiritualität führe.
– Niemals in der Geschichte und nirgendwo in der Welt sind so viele Menschen in so kurzer Zeit aus bitterster Armut emporgehoben worden als in China unter der atheistischen Kommunistischen Partei seit den kapitalistischen Reformen des Modernisierers Deng Hsiao-Ping. Ich sage das erstens als Anhänger der liberalen Demokratie ungern und zweitens im Bewusstsein der gewaltigen Umweltschäden und auch der menschlichen Kosten dieser Entwicklung. Doch die päpstliche Losung der „Rezession“ ist genau nicht das, was China braucht. Umweltschutz ist nun einmal ein Problem das sich den meisten Menschen stellt, wenn sie ihre unmittelbarsten materiellen Bedürfnisse – ihren Hunger – gestillt haben.

Die Erfahrungen Asiens – nicht nur Chinas, sondern auch Japans, Südkoreas, Singapurs und Vietnams, Indiens und Indonesiens – blendet Franziskus völlig aus, weil er befangen ist in der Peronistischen Ideologie seiner argentinischen Heimat.

Franziskus predigt also eine „Rezession“ in den reichen Ländern, was zuallererst den Armen schaden würde, da man ihnen weder ihre Waren noch ihre Menschen abnehmen würde. Er wettert gegen die Geburtenkontrolle, was zuallererst den armen Ländern nutzen, weil es den Druck auf natürliche Ressourcen und Bildungseinrichtungen reduzieren und die Frauen zur Bildung befreien würde. Nebenbei erteilt er der Gentechnik eine Abfuhr, wohl wissend, dass verbesserte Weizen- und Reissorten viel zur Behebung des Hungers in der Welt beitragen können.

Vor allem aber verliert er kein Wort über die wichtigsten – und bewährten – Mittel, Armut zu beheben, die Umwelt zu schützen und die Mitmenschlichkeit zu fördern: Wachstum, Ordnung, Bildung und Demokratie. Ich habe Benedikt einmal einen „gefährlichen Papst“ genannt. „Laudato Si’“ ist aber gefährlicher als alles, was Benedikt verkündete – gerade weil die Botschaft des Papstes nun nicht in rechtskonservativer, sondern in „grüner“ und sozialer Verpackung daher kommt.

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71 Gedanken zu “Eine gefährliche Enzyklika;”

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    Tja, Alan Posener, nun haben Sie es doch geschafft, den comment von mir, in dem ich der päpstlichen Enzyklika doch etwas Positives abgewinne, nicht zu setzen. Was genau ist gefährlich? Das sollte noch definiert werden. Das mag ja sein, ist aber nicht wirklich definiert:

    Für die Queen ein wahrhaft königliches Bild:

    http://theredlist.com/media/da.....edlist.jpg

    Das Nichtsetzen eines Widerspruchs veranlasst mich, hier wegzubleiben, vielleicht nicht für immer. Frankreich war auch schon in diesem Zustand: Als Voltaire nach England reiste und dort freedom of speech fand.

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    …aber davon abgesehen interessiert mich der Standpunkt eines Bettelmönches auch, weil der sich in seinem von Armut geprägten Leben wohl fühlt. Er führt ein glückliches Leben, unterstelle ich zumindest. Das ist immer interessant. Damit erweitert er die Möglichkeiten, ein glückliches Leben zu führen, grundsätzlich für jeden. Und es gibt viele Arme; die wenigsten davon können reich werden oder auch nur ihre Ökonomie verbessern. Dass Reichtum glücklich machen kann, sagen uns die Kapitalisten vielstimmig; dass er unglücklich machen kann, wissen wir aus 1000 Soap Operas. Soweit ich wieß gibt es keine Soap Opera über einen glücklichen Bettelmönch (oder doch? ich kenne mich da nicht aus. Viele sind es jedenfalls nicht, und wenn es sie gibt, wird er am Ende zum Reichtum bekehrt oder es endet tragisch).

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    @KJN: Ihr Datensatz ist ganz richtig. Aber der steht doch einem solchen Interesse nicht im Wege?
    „Askese ohne Profit“ stellt einen Gegenentwurf zum Profitstreben dar, d.h. zum Antrieb unseres kapitalistischen Motors. Für Herrn Posener ist er sozusagen der Zucker, der den Motor zum Stottern bringt, deshalb ist er „gefährlich“.

    Meistens wird das Profitstreben als irgendwie selbstverständlich oder natürlich angesehen. Bei echter Armut ist das vielleicht auch so. Aber in „entwickelten Ländern“ passiert etwas anderes.
    Hier läuft das Profitstreben immer häufiger ins Leere.
    Wenn es ins Leere läuft, d.h. wenn sich der Profit partout nicht einstellen will oder, was dem einen oder anderen Manager passiert, sich als unbefriedigend herausstellt, dann wird der asketische Gegenentwurf automatisch interessant. Wenn der Hamster im Hamsterrad merkt, das er nicht vorwärts kommt, hält er an und sieht sich nach etwas anderem um. Er hört auf zu laufen und beginnt sich für den asketischen Gegenentwurf zu interessieren. Keine These ohne Antithese. Wer sich für unsere heutige Gesellschaft interessiert, muss sich auch für die Askese interessieren.

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    No comment, vorsichtshalber:

    Der Bundespräsident, typisch deutsch, suchte die so offensichtlich unangenehme Stimmung mit einem lockeren Spruch aufzulösen: „Wenn Ihnen das Bild nicht gefällt, haben wir ja immer noch Lübecker Marzipan.“ Eine Situation, die in den Augen von Buckingham Palace weniger eine „Beleidigung der Queen“ war – wie das Boulevardblatt „Express“ titelte –, sondern schlichtweg „awkward“, unangenehm, wie es der „Guardian“ treffend beschrieb.

    http://www.welt.de/politik/aus.....uehrt.html

    Immerhin war seine Frau besser angezogen als manch andere. Falls uns der BuPrä nicht gefällt, haben wir ja immer noch Lübecker Marzipan. Hat Oma uns Kindern immer mitgebracht.

    Verpasste Gelegenheit: Kutsche durch Görlitzer Park oder Sanssouci wäre es gewesen, schöne alte Meissner Platte, Unikat. Ach ich vergaß: Das Geld ist beim Gipfel draufgegangen oder bei der Ewigkeitsapanage an diverse BuPräs.

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    @Roland Ziegler
    „Mich interessiert der Standpunkt eines Bettelmönches in jedem Fall.“
    Was interessiert Sie an Askese ohne Profit (ich hatte Sie als Atheisten oder Agnostiker ‚abgespeichert‘)?
    @68er
    Ihren Kulturpessimismus teile ich bis zu einem gewissen Grade, weil auch mich z.B. die Anbetung der Telefone und Schreibmaschinen von Steve Jobs eher an die frühkindliche Prägung von Küken, die einer roten Plastikente hinterherlaufen, erinnert. Ob man das wirklich zur Chraktersierung des Kapitalismus ernsthaft benutzen kann, bezweifle ich aber.
    Tatsächlich meine ich (immer noch) daß wir und nicht ‚der Kapitalismus‘ bestimmen, was wir zum Glücklichsein brauchen. Und dazu brauchen wir von jeher auch Technik und der ‚weiße alte Mann‘ hat nun mal aufgrund der Geschichte darin immer noch einen Vorsprung und hat daher die Möglichkeit, diese so für die Zukunft (mit) zu gestalten, daß diese Technik auch z.B. für Vanuatu brauchbar ist, wo im übrigen bei vielen Fischkonserven immer noch beliebter sind als frischer Fisch. Austerität im Westen zu fordern ist daher, gelinde gesagt, kontraproduktiv. Genauso, wie das Lamento über ‚westliche Kulturhegemonie‘.

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    Übrigens gibt es ja Leute, die sich unter unserem Papst Benedikt dem Katholizismus zugewendet haben. Mal sehn, wie sich diese Leute nun positionieren. Als Opposition zur katholischen Kirche? Dann sind sie wieder da, wor sie hergekommen sind. Sollen sie wieder wie früher auf die katholische Kirche einhauen? Ihnen bleibt eigentlich nur zu sagen: „Nun sind wirklich alle, am Ende sogar die katholische Kirche, komplett verrückt geworden.“ – Das würde aber schon etwas paranoid wirken.

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      DA sind wir einer Meinung, Roland Ziegler. All die Salonkatholiken, denen es vornehmlich darum zu tun war, auf die Grünen (und Protestanten) einzudreschen und ihre reaktionäre Haltung wie eine Monstranz vor sich her zu tragen, sind nun in der Bredouille. Denn selbstverständlich fanden sie auch die papstkritische Haltung eines großen Teils der deutschen Kirche – der „Kirchensteuerkirche“, wie es die „Integrierte Gemeinde“ etwa ausdrückt – auch dégoutant. Katholisch sein heißt ja für sie, betont papsttreu zu sein. Und nun redet der Papst wie ein grüner Aktivist auf einem protestantischen Kirchentag. Dumm gelaufen.

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    …wobei auch die Benediktiner natürlich nicht ihre Tage mit der Steigerung des Bruttosozialproduktes verbrachten. Eigentlich verfolgen alle Mönche ähnliche Ziele: Abkehr von Ehrgeiz, innere Einkehr, Kontemplation. Das sind alles „gefährlcihe“ Ziele, die sich gegen den Fleiß richten und im Kapitalismus (zumindest dem vom echten Schrot & Korn) normalerweise nicht hoch geachtet werden. Sie wirken „gefährlich“. Der Kapitalismus wiederum wirkt durch seine Ziellosigkeit leer und hohl.

    Ich weiß schon, dass er – in seiner akzeptableren Prägung – die Leute freizustellen versucht, ihre Ziele selber zu bestimmen. Das ist ein netter Zug von ihm. Aber trotz dieser Absicht drohen die „eigentlichen“ Ziele und die Zeit dazu abhanden zu kommen. Vor lauter Eifer, den Konkurrenten zu übertrumpfen, den Kopf über Wasser zu halten, einen Kühlschrank zu erwerben und am Fortschritt teilzunehmen.

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    @ 68er

    Einige Male Bilderserien betrachtend musste ich feststellen, dass die Queen als junge Dame die Schönste war, viel schöner und anmutiger als die Aufmerksamkeitsmatronetten danach. Sie repräsentierte die Frau ihrer Zeit: Charakter, Stil, Benehmen, natürliche Anmut. Ihre Bewegungen erschienen angeboren. An anderen klebt das Angelernte oft wie eine Maske, bei Queen Elizabeth ist es intrinsic. Allein vor ihrer Anmut kann man sich verbeugen, knicksen. Die Deutschen machen sich mit der Verweigerung zum pommerschen Kartoffelbauern und Ignoranten.
    Man zieht als Frau am besten ein Kleid oder schönes Kostüm an, wenn man sie trifft, nicht Hose. Daniela Schadt war gut gekleidet.
    Das Programm hat sie anscheinend etwas gelangweilt. Um sie zum Lächeln zu bringen, muss man sie in ein Landesgestüt oder eine großartige Hundezucht einladen oder in einen außergewöhnlichen Park, glaube ich.
    Man kann ihr nichts auf’s Auge drücken, keine untreue Ehefrau und keinen Vortrag. Sie kann lesen und kennt das alles schon. Schloss Görlitz wär’s vielleicht gewesen oder Sanssouci.
    Man muss ein Gefühl für sie haben und kann wohl trotzdem scheitern. Auf jeden Fall kriegt man sie nicht ‚rum und sollte das nicht versuchen (Hybris).
    Sie hat Charakter, ganz einfach, und zwar Charakter, der weitgehend verloren gegangen ist. Ihr Pendant im Film scheint mir Audrey Hepburn. Mein liebstes Photo oder eines davon: Mit Prince Philip, JFK und Jacqueline Kennedy in DC.
    Sie hat Dignity.

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    APo: ‚Wenn Sie es genau wissen wollen: ich bin Republikaner, nicht Monarchist. Oliver Cromwell gehört zu meinen Helden. (übrigens wurde er uns auch in der britischen Schule als Held vermittelt.)‘

    … jau! … das nehme ich Ihnen unwidersprochen ab.

    ‚Anders als der König neigte Cromwell zum religiösen Fanatismus, obwohl er nominell für die Religionsfreiheit eintrat, und hielt sich und das englische Volk für die Auserwählten Gottes.‘ … *rofl*

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    @Alan Posener: Ich bin zwar kein Jesuit, aber mir scheint, dass deren Motto „Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam“ eher ein Gegenentwurf als ein selbständiger Entwurf ist. Eie Antithese zur bestehenden Gesellschaft, die ein ganz anderes Motto vertritt.
    Hätte es damals überall nur Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam gegeben, hätte der Jesuitenorden sich vielleicht ein wirtschaftsliberales Motto zugelegt. Z.B. „ora et labora“. Dieser Grundsatz der Benediktiner müsste Ihnen viel symphatischer oder jedenfalls ungefährlicher erscheinen? Mir bricht bei diesem Spruch der Schweiß aus. Wenigstens „dorma“ hätten sie noch ergänzen können.

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    @ 68er

    Ich bin auch ein Fan dieser Queen, ihres Vaters, des Films „The King’s Speech“ und von Queen Victoria. Auch von Prince Charles, was überhaupt nicht zu meinem fan-Dasein bezüglich achgut passt.

    Apropos Charles: Franziskus wird Verstärkung bekommen, wobei Charles keine diffusen großen Würfe macht und sich um lokale Gegebenheiten kümmert.

    Die gesamte Klima- und Umweltpolitik wird ohnehin ergebnislos bleiben, denn genau dieses Feld kann nur lokal/regional beackert werden (unterschiedliche Flora, Fauna und Mikroklimata und Kenntnisse, die nur vor Ort erworben werden können). Panda brauchen Bambus, Elefanten nicht. In der Wüste leben ganz andere Kraeturen als in Feuchtgebieten. Die Globalisierung ist hier äußerst störend.
    Sehr unangenehm ist, wenn lokale Populationen, die sich seit Jahrhunderten auskennen, verdrängt werden.

    @ Alan Posener
    Kapitel 1, Passage II und III finde ich übrigens gut. Haben Sie das ganz gelesen? Chapeau! Mir geht es damit wie mit dem Deuteronium, zieht sich.
    Einigem kann man nicht widersprechen, Wasserverschmutzung oder Privatisierung von Wasserrechten. Sie wissen, das Tiere um Futter streiten, aber nicht um Wasser, oder? Wasser lokalen Populationen verkürzen ist unterirdisch.
    Wirtschaftswachstum muss im Grunde neu definiert werden. Die Tendenz ist, die Arbeit zu rarefizieren. Es würde Arbeitsplätze schaffen, wenn Telefone, Computer, andere Geräte wieder kostengünstiger repariert werden könnten. Tatsächlich ist hier Raum zu weniger Konsumwachstum bei uns, dafür Reinstallation von Arbeitsplätzen: hierzu gehören auch Schuster und Schneider. Rezession ist ein zu vager Begriff. Die Arbeit sollte wieder wertvoller werden zu Ungunsten der Produktion neuer Gegenstände.

    Schaffen Sie es, dagegen zu argumentieren?

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    Off Topic, aus Anlass des Besuchs von QEII:

    So viel Dreck kann man sich selbst als eingefleischtester „Verschwörungstheoretiker“ nicht ausdenken, wie die „Verschwörungspraktiker“ des GCHQ tatsächlich pratkizieren:

    https://firstlook.org/theintercept/document/2015/06/22/behavioural-science-support-jtrig/

    Aber ich will Herrn Posener, der in der WELT so einen tiefsinnigen Artikel über den Besuch seiner Landesmutter geschrieben hat, die schöne Stimmung nicht verderben. Denn er hat ja recht, Elizabeth ist besser, als alles je Gesehene, sie ist Heidi Klum, Angela Jolie, der Papst und Barak Obama in einer Person, wer genau hinsieht, erkennt die Wundmale an Händen und Füßen, ja sie kann über Wasser gehen und Blinde und Taube heilen…

    http://www.welt.de/politik/deu.....-geht.html

    Wer will da die Hofberichterstattung stören? Wer will denn wirklich hinter die Maske schauen?

    http://www.westendverlag.de/bu.....XcJGkb3aJ8

    Es lebe die Magna Carta! Nur leider nicht in Great Britain.

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      Lieber 68er, die Ironie ist ein Florett, kein Holzhammer. Wenn Sie es genau wissen wollen: ich bin Republikaner, nicht Monarchist. Oliver Cromwell gehört zu meinen Helden. (übrigens wurde er uns auch in der britischen Schule als Held vermittelt.) Aber das bedeutet nicht, dass ich die Augen vor der Leistung Elizabeths und der Schönheit der Monarchie verschließe. Vielleicht liegt da einer der Unterschiede zwischen Ihnen und mir.

  13. avatar

    @ Moritz Berger

    Besseres Beispiel als Kühlschränke und vor der Haustür von Franziskus:

    Um die weltweit wachsende Nachfrage nach eiweißreichem Soja zu decken, haben große Erzeugerländer in Südamerika im vergangenen Jahrzehnt ihre Anbauflächen deutlich ausgeweitet, Brasilien um 160 Prozent und Argentinien sogar um 190 Prozent. Vor allem im Fall Brasilien sehen die Umweltschützer einen deutlichen Zusammenhang mit der fortschreitenden Abholzung. „Dort bedroht der Anbau einmalige Ökoregionen, wie etwa die brasilianische Savanne, den Cerrado mit seinem enormen Artenreichtum“, sagt Dräger De Teran vom WWF.
    http://www.sueddeutsche.de/wir.....-1.1161723

    Um die Ecke von Franziskus‘ Heimat wird das „umweltfreundliche“ Palmöl produziert. Gemeint war umweltfreundlicher als Erdöl:
    http://blogs.taz.de/latinorama.....rten-wird/

    Für Tiere und Pflanzen hatte der Vatikan nie einen Gusto:
    http://www.tagesspiegel.de/wel.....01336.html

    Rezession ist ein verwirrender Ausdruck. Tatsächlich würde es nicht schaden, wenn wir weniger Fleisch essen würden, da die Chinesen mehr essen. Würde das gleich eine Rezession zur Folge haben, wenn China den Konsum ausgleicht?
    Nähme man im Vatikan die Schöpfungsgeschichte wirklich ernst, würde man dem Artenschutzabkommen beitreten. Spricht man von der Schöpfung, betreibt aber andererseits nicht konsequent Artenschutz, ist das doch Gefasel.
    Artenschutz hat aber nicht zwingend etwas mit Klimaveränderungen zu tun, allenfalls, wie bekannt, bei Bäumen. Artenschutz hat jeweils unterschiedliche Gründe und Artensterben verschiedene Auswirkungen.
    Artenschutz führt zu einer Wirtschaft: Tourismus, die Ausfälle andererweitig wieder ausgleichen würde, weitere Wirtschaft: Filmproduktion.

    Nun ja: In China sind zwei Panda geboren worden. Immerhin tun die Chinesen etwas für die Panda. Ohne Wirtschaft wäre kein Geld für solche Projekte vorhanden.

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    @Parisien: oh bitte, da wo Sie mich da einreihen gehöre ich keinesfalls hin. Das sind alles Leute, die etwas Großes gemacht haben. Ich bin zu so etwas nicht in der Lage und habe es auch gar nicht vor. Das Größte was ich je hinbekommen habe, werden zum Glück – und zum Glück nur im Team (und eigentlich war es auch nur die Natur) – meine Kinder sein.

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    @KJN: Mich interessiert der Standpunkt eines Bettelmönches in jedem Fall.

    @Parisien: Mich interessiert der Sozialdarwinismus eigentlich nicht, sondern, warum sich die Ursuppe ausgerechnet zu Organismen zusammengebraut hat. Es hätte doch auch einfach irgendein Krottich sein können. Aber nein, es spannte sich eine Membran, es gab untershciedliche Verhältnisse innen und außen und am Ende entstanden Einzeller, die den Lebenskampf aufnahmen. Die sich dann zu Tieren und weiter zu uns verkomplizierten usw. Ging nicht anders, schon klar; die Natur hat es nicht anders ermöglicht. – Man könnte sagen, in einem derart riesigen Universum passiert eben auch das extrem Unwahrscheinliche irgendwo, und das war dann eben hier auf der Erde. Vielleicht ist das so. Aber das extrem Unwahrscheinliche passierte jedenfalls nicht ein- oder zweimal, sodnern in einer langen Reihe von aufeinanderfolgenden Ereignissen über Jahrmillionen. Ich bin auch davon überzeugt, dass es auf vielen anderen Planeten passiert oder jedenfalls passieren wird (denn es benötigt Jahrmilliarden an „Vorlaufzeit“). Hier von „Zufall“ zu sprechen kommt mir albern vor. „Selbstorganisation“ trifft es viel besser.

    @Alan Posener: Ja, stimmt, ich habe mich von dem Namen täuschen lassen. Er ist vn Haus aus gar kein Bettelmönch, schade eigentlich. Immerhin lässt er durch seine Namenswahl aber Sympathien zu den Franziskanern erkennen, was man vielleicht vor der Papstwahl nicht wusste. Übrigens scheinen die Jesuiten ebenfalls Armut gut zu finden: „Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam“.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuiten

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      „Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam“, lieber Roland Ziegler, würden innerhalb kürzester Zeit das Problem menschengemachter Verwüstung des Planeten lösen. Ohne Menschen würde diese paradiesische blaue Kugel sich bald erholen, bis sie irgendwann von einem Meteoriten unbewohnbar gemacht würde.

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    @ Moritz Berger

    Ohne Kühlschrank ginge in der Nördlichen Hemisphäre, aber dann müsste großzügiger gebaut werden: Mit Speisekammer. In warmen Zonen macht ein Kühlschrank durchaus Sinn, wobei ich anmerken muss, dass ich mal bei Spaniern gastierte, die keinen Kühlschrank besaßen und Tontöpfe in der Erde vergraben hatten mit erstaunlich gutem Ergebnis. Aber das ginge nur auf dem Land. Mit diesem hier ginge das nicht (mal lesen):

    @ Posener
    Der link interessiertSie auch wegen Ihrer Schwester. Ein link zu einem weiteren interessanten Stück auf nro ist auch drin.

    http://www.frontpagemag.com/20.....ut-part-i/

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    Nur zur Erinnerung:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Archaeopteryx
    https://en.wikipedia.org/wiki/Evolution_of_mammals

    Was passiert, wenn man sich eher als ihr Verwandter begreift, denn als arrogantes überlegenes Wesen?:
    Sie bleiben sitzen, wenn du aus dem Haus kommst. Sie kennen dich, wie sie Konrad Lorenz kannten, und wissen, dass du freundlich immer dasselbe sagst: „Morgen. Heute schon einen Wurm gefunden? Ich geh mal Croissants holen.“ Außerdem wissen sie, dass du ihnen die Krümel ‚rauslegst. Und dass du sauer wirst, wenn sie Blaubeeren essen und auf die Terrasse kacken.

    Überlegenes Wesen? Wir? Nein. Sie sind schon 150 Mio Jahre da mindestens, wenn man die Saurier dazu rechnet, länger. Nach Atomkrieg würden einige Exemplare überleben wie nach dem mutmaßlichen Meteoriteneinschlag und die Geschichte neu beginnen. Von wegen Ende der Geschichte.
    Der bessere Zugang zur Entwicklung des Menschen wäre, diese, seine, Kreatur nicht ganz so wichtig zu nehmen. Vielleicht wäre man ohne diese Selbstüberhöhung nüchterner. Und da Elefanten trauern können, zusammen halten, Waisen adoptieren und alt werden, sollten wir uns nicht so aufblähen. Jedenfalls haben weder Vögel noch Elefanten ABC-Waffen gebaut, Terroristen kennen sie nicht, Pädophile nur aus Versehen, und sie essen auch nicht unsere Eckzähne, um geil zu werden.

    @ Ziegler
    Spielbergs Film war übrigens ein Joke. Wenn er den vor Hawaii gemacht hätte, wäre der nicht halb so interessant. Spielberg interessiert sich m.E. für die Ausnahme: Der Hai vor New England, der gute Deutsche (Schindler), Indy, der einzige Mensch, den den Gral stehen lassen würde und sich den Kristallschädel nicht für sich selbst grabscht, der liebe Alien (ET) etc.
    Wenn man eine Ausnahme sein will, kann man das jederzeit überall, immerhin.

    Jedenfalls lernte der Wasserscheue in „Jaws“ aus Not, an Land zu schwimmen. Das ist das Leben. Spielberg ist das Leben, mitten drin und dafür liebe ich ihn. Er ist der ultimative Überlebende, denn er lebt für 6 Mio Tote, deren Geschichten er gesammelt hat und muss unendlich viele Geschichten schaffen, weil sie fehlen.

    Der Papst wäre gut bedient, wenn er mal vorn in San Marco die Fresken anschauen würde und sich direkt hierhin orientieren würde, in kleinen Dingen, und von Klimaideologie ablassen würde. Diese Schöpfungen, auch die Fische, haben alle Stürme überstanden. Ganz ohne die Allianz.

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    @ Elvenpath und Roland Ziegler

    Vielleicht hilft uns ja die Vorgehensweise des IS, die Entstehung des Menschen zu verstehen, weil unsere Bildung und Verbildung und unsere Unfähigkeit, uns die Masse Mensch grob und roh und rücksichtslos vorzustellen, hier gebrochen wird durch antike Brutalität. Siebtes Jh? Vielleicht weit gefehlt, denn siebtes Jh war nach Mose, Abraham, Buddha, Sokrates Konfuzius, Jesus. Who knows?
    Lange bevor sich der Geist in Schrift und Regeln goss (Ägypten, Moses), die wir heute noch haben, gewann einfach nur der Stärkere: Schaut man’s an, vergewaltigte und mordete er undifferenziert und verslavte vermutlich damals schon. Das ist nicht Darwin, denn Darwin beschrieb nur Pflanzen und einzelne Tiere. Daher finde ich, dass „sozialdarwinistisch“ ein verkehrter Ausdruck ist, der dem Forscher Darwin oder auch Mendel nicht gerecht wird.
    Das ist aber Auslese des physisch Stärkeren. Und wenn Sie’s ganz genau nehmen, haben wir das heute noch: Goethe: 1 Kind. Novalis: Weggeputzt von Schwindsucht. Hölderlin: Kein Kind. Beethoven: Kein Kind. Mahler: Zwei minus ein Kind (Todesfall). Etcetera. Bachs Dauerzeugung (ca. 20) eher die Ausnahme. Roland Ziegler, Philosophieabsolvent: Zwei Kinder. Das können Sie beliebig durchzählen mit Ausnahmen, dann kommen Sie beim Intellekt, zumindest in Deutschland, auf 0,5 – 0.8 Kinder, vielleicht sogar schon früher. Der Rest ist: Wo rohe Kräfte sinnlos walten. Kriege stutzen das zurecht.
    Man sollte den Menschen nicht überhöhen.
    Und D ist offenbar differenziert.

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    Franziskus findet Rezession (bzw. neudeutsch: „Downsizing“) gut. Er ist aber nicht dafür verantwortlich, das muss man in jedem Fall unterstreichen. Wer Rezession schlecht findet, muss sich an andere, verantwortliche Instanzen wenden.

    Man kann natürlich auch fordern: „Ihr müsst den Gürtel enger schnallen und euch gleichzeitig mehr anstrengen! Und je ärmer ihr seid, desto mehr müsst ihr dies tun!“ – So wie jener bundespräsidiale hemdsärmelige Spruch vom Ruck, der durch Deutshcland (resp. Europa) gehen müsse.

    Solchen leeren Schlangenbeschwörereien hört zurecht keiner zu. Franziskus‘ Umkehr ist begründet in seinem Franziskanertum, und das wird jetzt von der Kirche dazu genutzt, wieder mehr Bedeutung zu finden. Da sonst nur Motivationssprüche bzw. Durchhalteparolen zu finden sind, die Geldflüsse aber immer andere Mühlen antreiben, ist das mehr als eine oberflächliche PR-Strategie. Es ist eine Rechtfertigung, der Versuch einer Sinnstiftung.

  20. avatar

    Ich kann Ihnen in allen Punkten nur zustimmen, Herr Posener. Viele Linke machen es sich in ihrer Gegnerschaft zum Kapitalismus und zu Wirtschaftswachstum viel zu einfach. Dabei hat selbst Marx geschrieben, dass „uns nicht nur die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise [quält], sondern auch der Mangel ihrer Entwicklung. Neben den modernen Notständen drückt uns eine ganze Reihe vererbter Notstände, entspringend aus der Fortvegetation altertümlicher, überlebter Produktionsweisen […]. Im Vergleich zu englischen ist die soziale Statistik Deutschlands und des übrigen kontinentalen Westeuropas elend“ (aus dem Vorwort zur ersten Auflage von ‚Das Kapital‘; in der Ausgabe des Anaconda Verlags von 2009 auf S. 53 f.). Marx hat also eindeutig den industriellen Frühkapitalismus Englands der vorkapitalistischen Wirtschaftsordnung Deutschlands vorgezogen: Eine Abschaffung des Kapitalismus wäre aus seiner Sicht nicht automatisch ein sozialer Fortschritt gewesen, da alle davorgewesenen Wirtschaftsweisen viel zu unproduktiv waren.
    Da alle bisherigen Versuche, den Kapitalismus zu ersetzen und dabei den Entwicklungsstand der gesellschaftlichen Produktivkräfte zu wahren, gescheitert sind, weiß ich aber auch nicht, ob eine Überwindung des Kapitalismus überhaupt Fortschritt bringen kann. Letztlich können alle Gegenmodelle nur auf einer zentral(er)en Verwaltung der Wirtschaft beruhen und das bringt erfahrungsgemäß ganz eigene Krisen mit sich: Das sind dann eben keine Über- sondern Unterproduktions-, sprich Hungerkrisen. Das macht vielleicht den Papst glücklich, mich (und wahrscheinlich auch die meisten Linken) aber ganz bestimmt nicht. Trotzdem sollten wir nicht aufhören, über Alternativen zum Kapitalismus nachzudenken, denn ich bin mir gar nicht so sicher, ob sich kapitalistische Wirtschaften/Gesellschaften im globalen Wettbewerb überhaupt (noch) einen Wohlfahrtsstaat leisten können. Im Moment sieht mir das eher nach einem sozialpolitischen Race-to-the-bottom aus und dann stehen ähnliche Hungerkrisen vor der Tür.

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    Nachtrag: Es ist auch noch nicht ausgemachte Sache, daß das Wachstum in Zukunft so aussieht, wie in der Vergangenheit. Ich denke, man sollte das Bedürfnis von so vielen nach so etwas, wie mehr Selbstbestimmung, ‚work-life-balance‘ usw. ernst nehmen und sich nicht darüber lustig machen. Auch das ist ein Markt, der zu entwickeln wäre: Produktivität ohne 16h-Tage, ohne Staus am Kölner Ring, ohne Präsenzkultur usw. usf. Phantasie ist gefragt und kein Pietismus a la Franziskus.
    In China macht man sich schon nach 30 Jahren Hochindustrialisierung Gedanken über die Ressourcen – bei allem Asthma dort aufgrund der schlechten Atemluft. Langsam sind wir eher hier in Europa gewesen mit dem Bemerken dieser Missstände. Ich finde von daher hat dieses katholische Anbiedern an den ökologischen Zeitgeist auch etwas Überhebliches. Aber ich sagte ja bereits, daß ich dort andere Beweggründe sehe, als die Weltrettung.

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    Die „Kühlschrank-Frage“, die auch als „Auto-„, „Smartphone-“ oder „Plastikmüll-Frage“ gestellt werden kann, ist die zentrale Frage unserer Zukunft. Aus der westlichen Sicht antorten auf diese Frage (Herr Posener ist da ausdrücklich ausgenommen) viele Leute, sie wollten auf diesen Komfort nicht verzichten, weil sie ihn sich verdient hätten, aber wenn das alle so machen, geht die Welt zugrunde. Also ziemlich widersprüchlich.

    Aus Sicht der Bisher-zu-kurz-gekommenen wird, ziemlich nachvollziehbar argumentiert, dass sie im Vergleich zum Westen noch einiges nachzuholen hätten und daher auch ein Recht besäßen, so rumzusauen, wie wir und unsere Vorfahren, die uns zum heutigen Wohlstand gedreckt haben.

    Wer glaubt, dass die ganze Welt so weitermachen kann, wie der Westen es derzeit vormacht, den kann ich nicht ernst nehmen. Die Ressourcen sind endlich und auch der wissenschaftliche Fortschritt wird uns kein Perpetuum Mobile bringen. Es muss also verteilt werden. Dabei stellt sich eben die „Kühlschrank-“ bzw. besser die „Auto-Frage. Sagt man wie Posener, alle dürfen frei Fahren, fügen wir dem Planteten einen schwer wieder zu heilenden Schaden zu. Der Kampf um Rohstoffe und deren Verteilung nimmt zu und hochseltene Stoffe werden teilweise unwiderbringlich zur Verdummung breiter Bevölkerungsschichten, insbesondere unsere smartphonsüchtigen Kinder, vernichtet.

    Wenn man sagt, das geht so nicht, gibt es zwei Möglichkeiten.

    1. Es dürfen nur die Fahren, die wirtschaftlich oder politisch so stark sind, dass sie es den anderen verbieten oder durch sonstige Maßnahmen unmöglich machen können.

    2. Es wird eine gerechte Verteilung der Ressourcen hergestellt. Wie das funktionieren soll, weiß ich derzeit nicht. Die heilige Marktwirtschaft versagt bei einer verantwortungsvollen Nutzung unserer Ressourcen jedenfalls im großen Maße. Wenn alle Leute in China und Sri Lanka das selbe Recht haben, sich durch Autofahren zu entfalten, wie wir „Wessis“, dann müssen wir, wenn wir den Planeten verantwortungsvoll behandeln wollen, auch in unseem Konsumverhalten zurückstecken.

    Es ist doch ziemlich menschlich, dass die meisten Politiker bei uns niemals auf die Idee kommen würden, uns wirklichen Verzicht vorzuschreiben. Es wird keine Plastikverpackung verboten sondern die Ersatzreligion Mülltrennung eingeführt. Das ist alles nur zur Beruhigung des schlechten Gewissens.

    Dass der Papst da anders denkt liegt, glaube ich auch daran, dass er keine Nationalinteressen vertritt, sondern mit seiner katholischen (katholikós, aus κατά katá ‚um … willen‘ und ὅλον hólon ‚das Ganze‘) Mission eher einen ganzheitlichen Blick auf die Welt richtet.

    Ich glaube auch, dass es das ist, was Herrn Posener an Papst Franziskus so gefährlich findet. Der Gedanke des Verzichts wird als Bedrohung für den kapitalistischen Glauben empfunden. Wirkliches Christentum ist dann nämlich eine revolutionäre Bedrohung für den Status Quo, eine Anklage gegen die Akkumulation von Reichtum, derm manischen Hinterherrennen nach dem immer größeren Auto, dem immer schnelleren Smartphone dem Irrglauben, Eigentum und Besitz mache glücklich. Es geht um das Goldene Kalb, das jedem gehören soll. Nicht in jeder Gesellschaft ist Religion Opium für das Volk, in unserer ist es der Konsum, der die Menschen abhängig macht. Und wie echte Junkies empfehlen Posener & Co:

    „Probiert doch auch mal, das Zeug ist so geil!“

    anstatt sich um einen Platz in der nächsten Entzugsklinig zu bemühen, weil der Job verloren, das Konto gekündigt, die Frau schon weggelaufen und der erste Bruch in der Nachbarschaft gemacht worden ist, um sich den nächsten dringend benötigten Schuss zu setzen.

    Zugegeben, ich bin auch eher einer von den Junkies, aber mir schwant, dass es so nicht weiter gehen kann.

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    @Moritz Berger / Alan Posener
    Was die Frage betrifft, was geeignet ist, Wohlstand und Umweltschutz zu gewährleisten, würde ich die Technikgeschichte zu Rate ziehen: Immerhin wurde in der Marktwirtschaft auch Umweltschutz hervorgebracht, im Kommunismus roch es stets nach Braunkohle und Schwefeldioxid. Da bekommt man tatsächlich Athma, wie derzeit in China.
    Alan Posener wollte ich fragen, ob mein Kommentar vom 22. Juni 2015 um 17:45 (@Roland Ziegler) vielleicht nicht angekommen ist, da sagte ich auch schon was zu China.

  24. avatar

    Lieber Ala Posener,

    zum Thema Armut:

    Was heißt eigentlich Armut.

    Da schweigen Sie sich leider aus:

    Kein Auto zu haben keinen Kühlschrank…etc.

    heißt das Armut?

    Wollen Sie die Infrastrukrtur des Industrielands .de nach Sri Lanka exportieren??

    Sie definieren Wohlstand doch nur nach den Kriterien unserer “ Wohlstandsgesellschaft, letztlich gemessen am GDP per capita.

    Das führt doch dazu, dass wir 3 Erden zukünftig benötigen.

    Ich habe schon mehrmals auf diese Fragestellungen hingewiesen.

    Stattdessen wird hier immwer wieder mit dem Wachstum argumentiert.

    Und letztlich müssen wir in den Industrieländern auch einmal überlegen, obes mit dem quantitativen Wachstum so weiter gehen kann.

    Soviel in Kürze und in Eile.

    P.S. Was China betrifft:

    Bei einer langsameren Entwicklung der Wirtschaft mit Schwerpunkt auf die Basisversorgung hätten wir heute nicht die Umweltschäden.

    Mao mit seinem großen Sprung, bzw. mit seiner Kampagnen der Ausrottung von Spatzen lasse ich hier einmal weg.

    On die Marktwirtschaft, sowie sie sich derzeit existiert d i e L ös u n g ist, zweifeln Sie selbst an.

    1. avatar

      Lieber Moritz Berger, ich gebe die Frage zurück: Wollen Sie „im Interesse des Umweltschutzes“ natürlich, den Menschen in Sri Lanka das Recht auf einen Kühlschrank absprechen? Oder im Interesse der Menschen in Sri Lanka den Menschen in Deutschland weniger Wohlstand zumuten? Und das hieße was genau? Mirz zu unterstellen,ich würde Wohlstand und Armut NUR an GDP pro Kopf messen, ist Unsinn. Wichtig ist in der Tat das Vorhandensein von Infrastruktur: Gesundheit, Erziehung, Verkehr und, ja, Industrie. Erst auf einer bestimmten Stufe der materiellen Entwicklung wird Umweltschutz zu einem Bedürfnis: Schauen sie sich nur an, wie wenig es Leute etwa in Albanien kümmert, wie verdreckt ihr Land ist: Plastikflaschen überall, Müll, wohin man blickt. Wenn die Marktwirtschaft „nicht die Lösung“ ist, wie Sie schreiben, was dann? Sie erwähnen ja selbst Maos Spatzen-Holocaust. So viel zur Planwirtschaft.

  25. avatar

    Vielleicht noch mal zu „natürlicher Auslese“ und „Mutation“: Die Bedeutung dieser Prinzipien wird nicht bestritten, es geht nicht um ein Entweder-Oder. Die Frage ist lediglich, ob sie allein die Entwicklung hin zu unserer Realität – wie wir als belebte Wesen sie wahrnehmen – erklären können. Es sind Prinzipien aus der Zeit von Newton, und ähnlich wie dessen Theorie in der Relativitästheorie nicht widerlegt, sondern inegriert u. erweitert wurde, so könnte es doch sein, dass auch die alten Prinzipien der Genetik in einer erweiterterten Theorie von der Organisation des Lebens ihren Platz finden?

    Oder wäre das nicht denkbar?

  26. avatar

    …wobei ich, muss ich zugeben, seit einigen Jahren die dazugehörige Diskussion nicht mehr verfolgt habe. Man müsste sich mal auf den neuesten Stand bringen…

  27. avatar

    Hm, irgendwie scheint die Kommentarfunktion nicht richtig zu funtinieren. Deshalb noch einmal der Nachsatz: es geht ihm nicht um den Menschen, sondern um die Frage des Bewusstseins“, die er nach einer Phase der Reduktion als nebensächlicher Effekt wieder ins Zentrum rückt. Im Gegensatz zur Religion nicht exklusiv für Menschen, sondern z.B. auch für Fledermäuse: „What is it like to be a bat?“. – Was auch immer man dazu denken will, es ist in jedem Fall ein vielleicht nebulös-intuitiver, aber fruchtbarer Beitrag, der einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel prognostiziert u. in der dazugehörigen Diskussion schon viele Früchte getragen hat.

  28. avatar

    @Elvenpath: Na Sie sind gut: „nur ein Philosoph“… Immerhin beschäftigt sich Herr Nagel durchaus intensiv mit Naturwissenschaften und denkt sich dabei nicht irgendwas einsam am Schreibtisch aus, sondern arbeitet im Team. Darüber hinaus ist er ein kluger, unvoreingenommener Mensch, so dass es wenig Anlass gibt zu glauben, er hätte keine Ahnung, wovon er spricht. Oder handelt es sich bei der Natur- um eine Geheimwissenschaft?

    Seine Frage ist, ob die Entstehung des Menschen durch die Naturwissenschaft – in ihrer reduktionistischen Spielart – ausreichend erklärt werden kann. Und er meint (wie andere, darunter auch Naturwissenschaftler): Nein.

  29. avatar

    Der Papst ist der Vertreter des Petrus. Dass er als Gottes Vertreter bezeichnet wurde und wird, liegt lediglich an dem Alleinvertretungsanspruch, den die Römisch-Katholische Kirche vor ca. 1500 Jahren und danach auf die Beine gestellt hat.
    Petrus war einerseits ein Verräter, also ein Sünder, also ein Mensch, andererseits demütig, denn er wollte angeblich andersherum gekreuzigt werden als Jesus. Jesus weiß also den Menschen fehlbar und setzt deswegen Petrus ein, der auch als Feigling beschrieben wird. Sagen wir, der Papst hätte hier gefehlt – und das wäre nicht das erste Mal in der Geschichte des Vatikans – wenn er ein politisch voreingenommenes Institut bestellt.

    Der erste Gang des Papstes aus dem Garten, der immer noch mein Papst ist – denn Päpste treten nicht zurück – war zu der Kirche Paul vor den Mauern, die dem Apostel Paulus gewidmet ist. Petrus‘ Aufgabe hat er in seiner Antrittspredigt genau erläutert.
    Als Johannes Paul II, der selig gesprochen ist, in die Kirche getragen wurde, brach die Sonne durch die Wolken, und ein Strahl fiel auf seinen Sarg. Das sind die Dinge, die zählen. Und nur wenige Päpste werden selig oder heilig gesprochen.

    Und jetzt brauchen sie noch einen für Johannes, dann wird’s erst richtig interessant, drei Päpste. Sie könnten ja einen nach Avignon auslagern.

    Wenn ich Jude wäre, wäre ich spätestens jetzt auf der Hut. Ich muss das nicht erklären.

    Ich bin nur einmal in meinem Leben einem heilig wirkenden Menschen persönlich begegnet: Das war Frère Roger von Taizé.

  30. avatar

    Eins ist klar: An den vorigen Warmzeiten waren GE, Siemens und unsere Autos nicht schuld.

    Hier waren wohl die Aryer schuld 😉 :
    Die iranische Mythologie erzählt uns schon bald,„dass die Arier aus einem Land stammen, indem es zehn Monate lang Winter war.“ [Just, Persische Geographie, Marburg 1870]. Völkerwanderungen hatten schon immer die negative Veränderung der Lebensbedingungen als Ursache. Ein wesentlicher Parameter für die Migration von alten Völkern ist deshalb die Betrachtung des Klimas. Wer seriös Wissenschaft betreiben will, muss die klimatischen Bedingungen jener Zeit in seine Forschungen mit einbeziehen.
    https://parseundparse.wordpress.com/2014/05/10/die-herkunft-der-arier-mythos-und-fakt/

    Hier müssen die Briten schuld gewesen sein:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalterliche_Warmzeit

    Hier bestimmt Uncle Sam:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Burchardiflut

    Und das letzte geben wir den Juden:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Marcellusflut

    So. Das ist nix weiter als eine antikapitalistische Methode. Und alle Ungebildeten, die noch nie von der Marcellusflut gehört haben – und das ist die Mehrheit – springen auf den Wagen auf.
    Der Vatikan springt auf, besonders unter diesem Papst, weil es sich um Antikapitalismus handelt, nach dem Motto: Wasser predigen und Wein saufen.

  31. avatar

    @ Moritz Berger

    Ja schon, aber das sind nicht alles Klimaschäden oder – veränderungen. Nehmen Sie den Aral-See, der ausgetrocknet wurde durch die Bewässerung von Baumwollplantagen und jetzt durch eine Staumauer im Norden wieder vollläuft, während er im Süden ausgetrocknet bleibt.

    Viele Schäden sind lokale industrielle Schäden oder Schaden, der durch falsche Landwirtschaft hervorgerufen wurde. Das müsste man erstmal von tatsächlichen Klimaveränderungen subtrahieren, aber das passiert nicht. Fast in jedem Artikel über Klimaveränderungen finden sich Beispiele für fokale, lokale Flurschäden und nicht nachhaltig durchgeführte Wirtschaft.

    Wenn Sie den Vatikan hernehmen, müssen Sie also zuerst gucken, ob und wo dieser Beteiligungen hat. Die Klimadebatte dient m.E. auch der Vertuschung dieser auf eine einzelne Fa./Aktionärsgruppen zurückzuführenden Umweltschäden am Boden, an denen oft kein einziger Kubikmillimeter Luft beteiligt ist. Seveso zum Beispiel war keine Folge von Klimaveränderung. Kalifornische Dürre wäre erst eine, wenn ausgeschlossen ist, dass es solche Dürrephasen schon immer gab oder dass sie eher auf El Nino zurückzuführen sind. In Australien jedenfalls gab es diese immer, am Anfang nur mit Schafen, big deal.

    Wenn außerdem der Vatikan beobachtet, dass in sektenförmiger Art Klimaapostel zum Gebet aufrufen, muss er sich auf das Pferd schwingen, um die Schafe wieder abzuwerben. Und das ist leicht. In einem schönen Dom betet sich’s besser als in einem schnöden Betonbau für Konferenzen.

    Der Vatikan würde auch für die Ölindustrie beten lassen, wenn der Staat Texas ihm die Hälfte seines BIP zur Verfügung stellen würde.

    Wie Sie doch jetzt wissen:
    „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. Und bei dem anderen laufen Sie bitte nicht mit.
    Beten Sie also für was die Regierung will oder was die meisten Spenden requiriert.

    Ich bete, wenn überhaupt, am besten für mehr Widerstand gegen diese stupide und klein wirkende Monoformität, Widerstand unter Parlamentariern meine ich.
    Beten gegen Denkvorgaben, Neusprech, Renaissance der DDR-Mentalität etc. macht eher Sinn. Oder Schilder mit 1984 NO.

    1. avatar

      Lieber Moritz Berger, ich habe gleich zu Beginn meines Essays den Papst gelobt wegen der Anerkennung des Klimawandels als Tatsache entsprechend dem Konsens der Wissenschaftler. Schon auf „AchGut“ habe ich mich unbeliebt gemacht wegen meines Beharrens darauf, dass man nicht warten dürfe, bis die Theorie bewiesen ist, nämlich durch massive Störung des ökologischen Gleichgewichts. Ich habe auch die Umweltschäden in China benannt. Ob diese weniger gravierend wären, wenn die Bevölkerung in Armut leben würde, darf man bezweifeln. Die Lösung – – na, „Lösung“ – des Problems der „Commons“, nämlich des gemeinsamen Besitzes von Luft, Wasser und Erde, wodurch diese sozusagen kostenlos verschmutz werden dürfen, liegt nicht in der Aufhebung der Marktwirtschaft, wie der Papst meint, sondern darin, diesen Gütern einen Marktwert zuzuerkennen, wie das etwa in Europa mit den CO2-Zertifikaten geschieht.

  32. avatar

    Lieber Alan Posener,

    brauchen wir defakto nicht schon zwei Planeten um das derzeitige Wachstum zu bewältigen ??

    Und was den sogenannten Wohlstand in der VR China betrifft:

    Die Weltbank hat schon Anfang 2000 die realen Wachstumsraten in Cina auf max. 4 % eingeschätzt.

    Warum wohl??

    Die Umweltschäden in China sind so dramatisch, dass der Aufwand die Schäden zu beseitigen gigantisch ist.

    Ich war wieder einmal in China…..

    50 bis 70 % der Böden sind kontaminiert.

    Trinkwasser aus der Wasserleitung können Sie nicht trinken

    Es gibt mittlerweile apps die Ihnen raten beim Verlassen Ihrer Wohnung eine Atemmaske aufzusetzen bzw. gleich zuhause zu bleiben.

    Soviel zu Ihrer “ realistischen Einschätzung “

    Und ganz nebenbei

    3 Monate in Beijing und Sie haben Asthma!!

  33. avatar

    „Sie ist ein Dokument, das vor allem die Verantwortung der Kirche – und anderer Religionen – für Armut und Umweltschäden vertuschen soll.“

    Die Vertuschungshypothese halte ich für wenig plausibel. Das würde ja voraussetzen, dass man sich erstens seiner (Mit-) Verantwortung bewusst wäre und sich zweitens eines raffinierten Kalküls zur (anhaltenden) Irreführung der Gläubigen und anderer bedienen würde.

    Ich fürchte, es ist alles viel banaler: Es geht um die Aufrechterhaltung einer 2000 Jahre alten Institution, in der man selbst an hervorgehobener Stelle steht. Da sich Institutionen nicht reformieren, sondern nur abschaffen können, bleibt nur die immer wieder aktualisierte Selbstlegitimation. Das alles glaubt man dann auch ganz ehrlich und aufrichtig selbst. So dass einem kaum irgendetwas ferner liegen dürfte als irgendeine Vertuschung. Die Vorkommnisse des Machiavellismus werden in ihrer Häufigkeit schwer überschätzt – was eigentlich schade ist. Denn damit könnte man besser umgehen, weil es da tatsächlich etwas zu entlarven gäbe. Hier ist nur die Leere ganz armer Würstchen.

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    @Roland Ziegler:
    Der Mensch ist nicht durch natürliche Auslese entstanden. Evolution besteht nämlich aus 2 Säulen: Zufällige Mutation und natürliche Auslese. So ist der Mensch entstanden und darüber gibt es in naturwissenschaftlichen Kreisen keine geteilte Meinung. Für ein „geistiges Prinzip“ gibt es keinerlei Belege.

    Ihr Herr Thomas Nagel ist nur ein Philosoph und hat, was Naturwissenschaften betrifft, keinerlei Kompetenz.

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    @Roland Ziegler: Der „Standpunkt eines Bettelmönches“ würde mich dann interessieren, wenn das Ziel seiner Askese klar wäre, bzw. er ihn mit einer persönlichen Entscheidung begründen würde, z.B. sich mehr Gott zu widmen, mehr Zeit zum Philosophieren zu haben, mehr persönliche Freiheit zu gewinnen, Gewicht zu verlieren, Gedanken zu ordnen, was auch immer. Solche Ziele finde ich interessant – allein den Zeigefinger zu heben, seht her, wie genügsam ich bin, ist mir zu autoritär-belehrend. Oder anders ausgedrückt: Genügsamkeit zu predigen, damit andere mehr haben, setzt so eine Vorstellung voraus, daß, wenn wir Wasser sparen, es in der Sahel-Zone mehr regnet.
    Daß wir uns im Westen mit unnützem Luxus und Schnickschnack (Lebens-)Zeit stehlen: geschenkt, aber ich glaube nicht daß Franziskus dieses Luxusproblem meint, wenn er von Ressourcenverschwendung predigt. Ich denke, er meint eher dieses uralte christliche Erbsünden-, Schuld- und Selbstgeißelungsprogramm, daß die Ökologisten so bereitwillig adaptieren. Diesmal eben mit lateinamerikanisch-befreiungstheologischem Anstrich.

    Übrigens findet die ausgedehnteste Beeinträchtigung von Wasser und Luft (das scheint wohl mit ‚Umweltzerstörung‘ gemeint zu sein) in China statt. Wenn die Produktion nicht – auch aufgrund von überzogenen Umweltauflagen hierzulande – weitgehend dorthin ausgelagert worden wären, würde sie unter besseren Bedingungen für Arbeiter und Umwelt noch hier stattfinden. Aber ‚die Chinesen‘ arbeiten auch daran. Ohne Franziskus.

  36. avatar

    Der für mich interssanteste Punkt betrifft den Bettelmönch. Franziskus findet Armut besser als Reichtum. Ist das verantwortungslos? Möglicherweise. Aber DARF Franziskus überhaupt etwas anderes predigen? Wer das kritisert, sollte dafür plädieren, dass ein Franziskaner niemals Papst wird. Der Franziskanerorden als Sekte; das Mittelalter lässt grüßen.

    Aber ist es nicht – noch immer, trotz der Grünen – viel seltener und damit wertvoller für uns, den Standpunkt eines Bettelmönches zu hören? Als den fetten Sound der echten und Möchtegern-Kapitalisten?

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    Der beste Satz von Jesus lautet:

    „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“

    Wenn sich die Pfaffen (oder Imane, Mullahs, Rabbis) immer daran gehalten und aus der aktuellen Politik herausgehalten hätten würde die Welt besser aussehen.

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      Ja, Don Geraldo, Jesus sagte aber auch: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“; „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein reicher Mann ins Himmelreich eingeht“; und ähnliches mehr. Dem messianischen Judentum, Christentum und Islam ist nun einmal eine starke soziale Botschaft eingewoben. Dagegen kann man etwas haben, aber man kann nicht so tun, als sei das nicht der Fall. Mein Argument gegenüber Franziskus ist ein anderer: man macht nicht den linken Arm stärker, wenn man den rechten abbindet.

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    Lieber Alan Posener,

    ich habe mich schon bei diversen Kirchenleuten ernsthaft gefragt, ob sie überhaupt religiös sind oder nur attraktive Rituale und auch, wo möglich, strenge Rituale, pflegen zur Aufrechterhaltung poltischer und vor allem finanzieller Interessen. Der berüchtigte Klingelbeutel, ein seltsam Ding, wo man sich nicht traut, nichts ‚reinzustecken wegen der Banknachbarn, die dann blöd gucken, ist ein Symbol davon.

    Wenn Sie darüber noch nicht belesen sein sollten, lesen Sie mal über einen klassischen mächtigen Kirchenmann: Sepúlveda, Aristoteles-Anhänger, der im frühen 16.Jh lediglich die Interessen von Conquistadoren und anhängigen Industrien vertrat, selbst dann noch, als sein König/Kaiser Carlos I/V und sein Papst schon weiter waren, und vergleichen Sie den mit de las Casas (Mönch und hinreißender Christ) und dessen Vorläufern.

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    …auch anderen Punkten würde ich widersprechen.

    – über den Klimawandel haben wir hier schon reichlich diskutiert; wer den nicht sehen will, sieht ihn eben nicht.
    – Clan- und Religionswirtschaften in Afrika und Arabien usw. stellen Probleme dar. Klar. Man sollte sich aber nicht von einem Problem mithilfe anderer Probleme ablenken. Hier, bei der Verantwortlichkeit des „Finanzwesens und der Technokratie“, ist eben das „eine“ Problem angesprochen.
    -In Lateinamerika ist der Entwicklungsrückstand durchaus in erheblicher Weise „Schuld“ der USA, die dieses Gebiet als ihren Vorhof betrachtet und munter ausgebeutet haben. Erst jetzt beginnen die Leute dort ihre Geschicke halbwegs selber zu bestimmen, nicht immer (Venezuela scheint katastrophal dysfunktional zu sein), aber manchmal (Ecuador) mit beachtlichen Erfolgen.
    – China ist doch ein Musterbeispiel für „Finanzwesen und Technokratie“ – wo ist der Widerspruch?

    Und dass ein Bettelmönch (Franziskaner) die Armut sinnvoll und besser als den Reichtum findet, das ist nunmal so und ganz normal.

    Zum Schluss möchte ich auch mal vor Wissenschaftsgläubigkeit warnen, was eigentlich KJNs Metier ist. Wir sollten nicht glauben, dass der technische Fortschritt für gegenwärtige Probleme schon rechtzeitig eine Lösung finden wird und sehenden Auges in Katastrophen schliddern, um Geld zu verdienen. Das ist übleste Spekulation mit der Zukunft. Das rheinländische „Et hätt noch immer joht jejange“ und der dazugehörige Optimismus ist eine symphatische individuelle Eigenschaft, die manchmal arg ins Bräsige spielt, aber für das Gemeinwesen jedenfalls nicht ratsam. Das sollte zwar auch nicht pessimistisch sein, aber skeptisch: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – dieser Spruch ist viel besser.

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    Die Entstehung des Universums ist nicht „gänzlich erklärbar“. Ich kann Erklärungen, die per definitionem – mangels der Möglichkeit von Daten – keine Fragen z.B. nach den Begebenheiten vor, neben oder an dem Urknall beantworten kann, nicht als „gänzlich“ anerkennen. Wenn eine Frage unbeantwortbar ist, heißt das aber nicht, dass sie sinnlos, überflüssig oder sonstwie zweiter Klasse wäre.
    Die Entstehung des Menschen durch „natürliche Auslese“ ist nicht in Stein gemeißelt; das ist eher eine veraltende Theorie aus dem 19. Jahrhundert. Viele Wissenschaftler halten diese naturalistisch-reduktive Erklärung für zweifelhaft, ungenügend bis extrem unwahrscheinlich (z.B. Thomas Nagel). Man hält Ausschau nach einem „geistigen Prinzip“ innerhalb der Natur, das für die Organsisation hochkomplexer Formen zuständig ist. Dass die „religiöse“ Erklärung hier mindestens genauso unwahrscheinlich ist und mehr Fragen aufwirft als beantworten kann, gebe ich allerdings sofort zu.

    Ansonsten kommt mir die „Gefährlichkeit“ von dem Papst nicht ganz so dramatisch vor. Die Rezession kommt möglicherweise sowieso und eher durch eine Überschuldung der Staaten als durch den Papst und seine Ansichten. Dem scheint es eher um eine Umorientierung weg vom Konsumismus zu gehen – nach dem Motto: Es geht sowieso bergab; machen wir das Beste draus. Lieben wir lieber unsere Nächsten statt unser Geld. Das fände ich sehr vernünftig und gar nicht gefährlich.

  41. avatar

    Haut sie endlich ‚raus, damit man wieder wählen kann:

    Ramsauer sagte in einem als Film eingespielten Beitrag vor laufender Kamera entlarvend zur derzeitigen Stimmung in der Unionsfraktion: „Die Empörung über die griechische Vorgehensweise ist einhellig. Und wenn man zurzeit völlig frei abstimmen ließe in der Fraktion, gäbe es keine Mehrheit für weitere Hilfen.“

    Wer diese Einschätzung ernst nimmt, sollte an das Jahr 2005 denken: Damals reagierte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf das wachsende Misstrauen in seinen eigenen Reihen wegen der Reformagenda 2010 und leitete deshalb Neuwahlen ein.
    http://www.welt.de/vermischtes.....ilfen.html

    Ein Schrecken ohne Ende mit dieser Kanzlerin. Nächstes Mal wähleich aus Wut die Sahra, die da abgebildet ist. Und lanciert sie ja nicht in die EU.

  42. avatar

    ‚Das Gefühl des Chaos wird man nicht ganz los‘ – Spaemann über Papst Franziskus.

    Der deutsche Philosoph wählt prophetische Worte der Heiligen Schrift, um seine Distanz zum Ausdruck zu bringen: Es werden ‚Lehrer kommen, die Dinge sagen, die für die Ohren schön klingen, und die Menschen werden diesen Lehrern folgen‘.

    Worte der Missbilligung für einen undefinierbaren, ambivalenten und daher besorgniserregenden Kurs des amtierenden Kirchenoberhauptes.

    Daher!

  43. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,

    Gute Zusammenfassung dessen was ich und mein Rechtsbeistand seit 2013 beobachten konnten und habe. Vielen Dank.

    Es grüßt ihr/euer/dein
    Erkan Boğan

  44. avatar

    Nun macht ein Papst ja auch Politik im Sinne seiner Kirche, d.h. er will Schäfchen – die insbesondere in Südamerika zu den Pfingstkirchen laufen – wieder einsammeln: Den Lateinamerikanern ist zwar Umweltschutz mehrheitlich von ganzem Herzen schnuppe, aber das Theorem des menschengemachten Klimawandels ist schon ein Mittel, um sich gegenüber den ‚alten‘ Industrieländern bei Verhandlungen Vorteile zu verschaffen. Zumindest werden deren Eliten damit kalkulieren. Und wenn man damit in Europa bei den Ökologie-Gläubigen zusätzlich noch Punkte sammeln kann, ist Franziskus‘ Enzyklika durchaus politik-taktisch genial.
    Wäre ich katholischer Theologe, würde ich mich vielleicht daran stören, daß naturwissenschaftliche Sichtweisen (die sich ändern können!) zu theologischen Inhalten umgedeutet werden. Ich vermute, das ist für eine Religion wie den Katholizismus, der bis dato viel auf Kontinuität setzte und damit lange gut ‚gefahren‘ ist, schwächend. Zumindest dann, wenn die eine oder andere gängige Annahme sich als weniger tragfähig oder bedeutsam herausstellt, wie derzeit angenommen. (Ich bin bestimmt nicht der einzige, der zuviel Statistik-Gläubigkeit und Zeitgeist im derzeitigen Wissenschaftsbetrieb beklagt.) So könnte ich mir vorstellen, daß Franziskus eben nicht als guter Papst in die Geschichte eingeht und die derzeitige Begeisterung nur ein kurzfristiger PR-coup ist.

  45. avatar

    @ Alan Posener

    “ rumreiche Rolle “
    Christentum und Islam haben bei dieser Entwicklung keine rumreiche Rolle gespielt…

    Bei Ersterem nicht sicher 😉
    Haben Sie schonmal von Bénedictine gehört? Dom Pérignon?

    Schön, Ihre Ausführungen.

    1. avatar

      „Rumreiche Rolle“: Freud’sche Fehlleistung, lieber Parisien. Zuckerrohr, Plantagen, Sklaven, das Gutheißen der Sklaverei durch die Kirche … Und dann wieder die Rolle der Nonkonformisten, Quäker usw. beim Kampf gegen Sklavenhandel und Sklaverei. Ein faszinierendes Kapital.

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