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Dirty Harry kehrt zurück

Manchmal hilft einem das aktuelle Geschehen auf die Sprünge. Mir ist ja klar, dass ich mich als Verteidiger der Präsidentschaft des George W. Bush
nicht drücken kann vor der Diskussion des Senatsberichts über die Verhörpraktiken der CIA. Als ich heute – Montag – dabei war, diesen Artikel im Kopf vorzuformulieren, hörte ich in der BBC zwei Nachrichten, die, wie mir scheint, für die Diskussion durchaus relevant sind. In China gab die Justiz zu, einen Unschuldigen hingerichtet zu haben. Und in Sydney überfiel ein Terrorist ein Café.

Der Teenager Hugjiltu wurde vor 18 Jahren in der Inneren Mongolei hingerichtet, nachdem er gestanden hatte, eine Frau vergewaltigt und erdrosselt zu haben. Um es kurz zu machen: Sein Geständnis nach einem 48-stündigen Verhör war offensichtlich durch physische Folter oder psychischen Druck zustande gekommen.
Was früher als wichtigstes Beweismittel in einem Kriminalfall galt, das Geständnis, wird heute mit Argwohn betrachtet, sofern es nicht durch handfeste forensische Beweise wie DNA-Spuren oder Angaben des Angeklagten, die den Ermittlern Unbekanntes aufdecken, ergänzt wird. Selbst in einem Land, wo man unterstellen kann, dass bei Verhören weder Folter noch „enhanced interrogation“ zur Anwendung kommen, kann das Geständnis in die Irre führen, wie der Fall Sture Bergwall belegt.

Worauf ich hinaus will: Sind schon Geständnisse an sich problematisch, sind Geständnisse aufgrund von Folter völlig wertlos. Völlig zu Recht deshalb sind sie vor zivilisierten Gerichten nicht zulässig.

Bei Folter zur Abwehr einer Gefahr für den Staat und seine Bürger – also zur Gewinnung von Informationen, nicht Geständnissen – liegt die Sache etwas anders. Breit diskutiert wurde hierzulande der Fall des Polizeibeamten Ortwin Daschner.

Im Entführungsfall Jakob Metzler wollte Daschner den mutmaßlichen Entführer Magnus Gäfgen durch Androhung von Folter zwingen, den Aufenthaltsort des Jungen preiszugeben, den die Ermittler noch am Leben vermuteten. Gäfgen gab daraufhin einen Ort an, wo die Polizisten dann die Leiche des Kindes fanden.
Wie mir der bekannte Strafverteidiger Rolf Bossi sagte, hätte er Gäfgen geraten, im Prozess auf unschuldig zu plädieren, statt die Tat zu gestehen. Als Anwalt hätte er, Bossi, beantragt, alle Beweismittel als unzulässig abzulehnen, die nach der Folterandrohung zu Tage gefördert worden waren. Metzler hätte dann, obwohl er offensichtlich der Mörder war, aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden müssen. Dieser Argumentation kann ich folgen. Ich kann aber auch den moralischen Notstand nachvollziehen, in dem sich Daschner befand.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat allerdings im Fall Daschner geurteilt, dass auch die so genannte „Rettungsfolter“ nicht zulässig ist.

Beim Bericht des US-Senats über die Verhörmethoden der CIA geht es um „Rettungsfolter“. Ich will mich übrigens nicht an Diskussionen darüber beteiligen, ob etwa Waterboarding Folter sei oder nicht. Der große Journalist Christopher Hitchens – ein Befürworter des „Kriegs gegen den Terror“ – hat sich selbst der Prozedur unterzogen und hat eindeutig geurteilt: Das ist Folter.

Auch Schlafentzug kann Folter sein, wie all die anderen Maßnahmen, die in dem Senats-Bericht aufgelistet sind. Die meisten wurden im Zuge des „Patriot Act“ nach 9/11 von Präsident Bush legalisiert und von Präsident Barack Obama unmittelbar nach seinem Amtsantritt wieder verboten. Ob die „Rettungsfolter“ in den USA grundsätzlich unter bestimmten Umständen erlaubt sein kann oder – wie in Europa durch den Spruch des EGMR – grundsätzlich aufgrund des verfassungsmäßig verankerten Verbots „grausamer und ungewöhnlicher Strafen“ illegal bleibt, das scheint mir unklar. Unklar, meine ich, in einem rechtlichen Sinn; moralisch und politisch mag die Sache klar erscheinen.
Leider hat der Senatsbericht aber nicht zur Klärung der moralisch-politischen Frage beigetragen. Denn er unterstellt, dass die CIA-Folter nicht nur brutal war, sondern ineffektiv. Also „schlimmer als ein Verbrechen, ein Fehler“, wie Napoleons Polizeiminister Fouché die Hinrichtung eines politischen Gegners kommentiert haben soll. Alle mit der Sache damals befassten Verantwortlichen, von Vizepräsident Dick Cheney über Kriegsminister Donald Rumsfeld und die verschiedenen Chefs der CIA lehnen diese Einschätzung ab und behaupten, die Folter habe zur Vereitelung mindestens eines großen Anschlags nach dem Muster von 9/11 und letztlich auch zur Entdeckung und Hinrichtung Osama bin Ladens Entscheidendes beigetragen. Der gegenwärtige Chef der CIA bezieht eine Mittelstellung, indem er behauptet, es sei schlicht „unknowable“, ob man auch ohne die Folter diese Komplotte vereitelt, die Führungsstruktur von Al Qaida zerschlagen und Osama ergriffen hätte.
Ist die Folter ineffektiv, haben wir kein moralisches Dilemma.
Aber wir wissen ja, dass sie etwa im Fall Metzler effektiv war; ich würde unterstellen, dass Cheney und Co. nicht lügen: auch im Kampf gegen Al Qaida war sie effektiv.
Also haben wir ein moralisches Dilemma.
Wir lehnen den Krieg ab; aber selbst die Katholische Kirche lehrt, dass es gerechte Kriege gibt – im Wissen, dass dabei immer Unschuldige sterben und verwundet werden, und dass der Krieg auch die Gerechten brutalisiert.
Wieso kann es gerecht sein, den Tod von Frauen und Kindern in Kauf zu nehmen, aber unter keinen Umständen gerecht, einen bekennenden Massenmörder wie Ramsi Binalshibh nicht durch Folter zu zwingen, Erkenntnisse preiszugeben, die Frauen und Kinder retten könnten?
Wer nicht zugibt, dass hier ein Dilemma vorliegt, wird für die nächste Herausforderung nicht gerüstet sein. Denn sie kommt auf uns zu, und der Terroranschlag von Sydney weist uns darauf hin. Nehmen wir an, es gibt Anzeichen dafür, dass der Geiselnehmer Mitglied einer Gruppe ist, die weitere solche Anschläge vorhat. Jedes Cafè kann ein Ziel sein, jedes Kino, überhaupt jeder Ort, an dem sich Menschen aufhalten. Wie kommt man einer solchen Gruppe auf die Spur?
Oder nehmen wir die Frage der deutschen IS-Kämpfer. Einige von ihnen, heißt es, werden zurückkehren, um hier Anschläge auszuführen. Wie kommt man ihnen auf die Spur? Früher, wie im Fall des Hamburgers Mohammed Haidar Zammar, ließ der BND die Drecksarbeit von syrischen Folterknechten erledigen und schöpfte danach den Mann ab.

So profitierte man von der Folter, ohne sich die Hände selbst dreckig zu machen. Das ist jetzt, was Syrien angeht, schwieriger geworden, aber es gibt ja gelernte Folterer in den Golfstaaten und Saudi-Arabien, Ägypten und im Irak, vielleicht auch bei den Kurden und den „gemäßigten“ Assad-Gegnern in Syrien, ja möglicherweise auch in der Türkei. Ist es moralisch besser, sich auf deren „Erkenntnisse“ zu verlassen? Wäre es umgekehrt moralisch zu rechtfertigen, Erkenntnisse dieser Art nicht zu verwenden, wenn es um die Sicherheit der Bürger geht?
Vielleicht bleibt uns – um der Selbstachtung Willen – nichts anderes übrig, als die Folter und die Androhung davon – „Reden Sie, Muammar, sonst liefern wir Sie den Saudis aus“ – zu verbieten; vielleicht ist das die Erkenntnis aus dem Experiment der CIA mit der Kodifizierung und Kontrolle erlaubter „Rettungsfolter“.
Aber wenn es um unser Kind geht, hoffen wir, dass ein Ortwin Daschner ermittelt. Wenn die Bombe in unserer Stadt tickt, hoffen wir, dass irgendwo deren Aufenthaltsort aus einem Verdächtigen herausgeprügelt wird. Wie sagte der damalige Innenminister Otto Schily, als man ihn fragte, wie man mit Leuten umgehen soll, die den Tod mehr lieben als das Leben? „Den können sie haben.“ Oder auf Amerikanisch: „Go ahead, make my day.“ Niemand liebt Dirty Harry. Aber er kehrt immer wieder zurück.

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142 Gedanken zu “Dirty Harry kehrt zurück;”

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    Ich komme, wenn ich darüber nachdenke, regelmäßig zurück auf einen zentralen Gedanken, den ich (für mich abschließend) noch einmal sagen möchte: dass die moralische Bewertung von Folter und die moralische Bewertung von der Gesetzgebung zu Folter zwei verschiedene Dinge sind, die man trennen muss. Sie hängen lediglich an einer Stelle miteinander zusammen, die man sich folgendermaßen klarmachen kann.
    Es gibt die folgenden Kombinationsmöglichkeiten: „Folter (manchmal) gut, Legalisierung von Folter schlecht“ (1), „Folter schlecht, Legalisierung von Folter schlecht“ (2), „Folter (manchmal) gut, Legalisierung von Folter gut“ (3). Es geht aber nicht: Folter schlecht, Legalisierung von Folter gut (4). Dies zeigt die Stelle des Zusammenhangs. (Evt. könnte man sich geistig verrenken, um sich 4. doch noch herzuleiten, aber im Prinzip handelt es sich um „objektive“ Sachverhalte).
    Ich selber schwanke (wie wohl die meisten) zwischen (1) und (2), lehne also die Legalisierung aus diversen Gründen jedenfalls ab.

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    @Alan Posener: Wenn man durch Verhörmethoden wie die im Bericht beschriebenen einen Taliban dazu gebracht hätte, den geplanten Angriff auf die Schule in Peshawar zu verraten

    Tja, APO. Ich behaupte mal, das ist geschehen, heißt: das ist versucht worden. Und wahrscheinlich massenweise. In gewissen Gegenden ist das „Rechtspraxis“.

    Und? So – vielleicht ein bisschen „ordentlicher“ und ein bisschen „humaner“, aber im Prinzip so – möchten Sie es haben?

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      Nein, EJ, so „möchte“ ich es nicht haben. Ich „möchte“ eine Welt, in der keine religiösen Fanatiker Kinder abschlachten. Ich lebe in einer anderen. Das anzuerkennen, meine ich, ist der erste Schritt. Dann treten sich bei der Debatte nicht die Vertreter der Menschlichkeit und der Unmenschlichkeit gegenüber, sondern Menschen, die mit einem unauflösbaren Dilemma ringen. Ich „möchte“ die Diskussion auf diese Ebene heben (oder herabsenken).

  3. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,

    die Rettungsfolter setzt stets stillschweigend voraus, dass mit ausreichendem Zwang eine verfügbare Information eine unmittelbar bevorstehendes Verbrechen verhindert werden kann. Dass der Verhörte über das entsprechende Wissen tatsächlich verfügt, und dass diese Information tatsächlich etwas erwirkt werden kann, ist beides strittig. Jakob von Metzler war bei Daschners Androhung der Folter Gäfgens bereits tot.

    Selbst wenn dieses gegeben wäre, wäre der Einsatz von Folter, ob systematisch oder nicht, eine törichte Verengung auf kurzfristige Ergebnisse. Douglas A. Pryer, ein Stabsoffizier der Abwehr des amerikanischen Heeres, hat beklagt, dass trotz vereinzelten Informationsgewinns die Verdächtigen ihre noch verbleibende Menschenwürde vor dem unabwendbaren Geständnis mit „the longest list of lies in the world“ schützen, die dann selbst erst wieder überprüft werden. Auch die Korrosion der eigenen Integrität darf nicht vergessen werden. Empirisch ist Ihr Szenario auch deswegen nicht haltbar, weil die amerikanischen Folterer fast durchgehend weder eine konventionelle noch eine „unkonventionelle“ Verhörausbildung genossen hätten.

    Ihre Einschätzung, dass „Cheney und Co. nicht lügen“, ist womöglich etwas leichtfertig. Auch wenn der Spott und die Häme über das Kabinett Bush ohne Frage selbstgerecht waren und bleiben, so haben die Wilsonianisten des letzten Präsidenten doch versagt. Jegliches Maß ging verloren, sowohl moralisch als auch strategisch. Cheney und Co. gefielen sich an ihrer alarmistischen und konträren Weltsicht, und fassten zunehmende Kritik daran als Bestätigung auf. Jede liberale Kritik wurde mit einem konservativen, jede konservative Kritik mit einem liberalen Argument nach Belieben beiseite gefegt, „liberals mugged by reality“ eben. Die Folgen sind bekannt, der Irak wurde militärisch gekonnt überwältigt, aber der Frieden verspielt und die iranische Hand gestärkt. Ähnlich verhält es sich mit der Folter. Es ist nicht ausschließen, dass sie vereinzelt Informationsgewinne bringt, aber ist es den Integritätsverlust und die Disziplinlosigkeit in den eigenen Reihen, kurzum, die Korrosion des eigenen politischen Kapitals langfristig wert? Mir scheint, das das geschlossene Kontra gegen den Senatsbericht das letzte Aufbäumen der Eitelkeit des ehemaligen Kabinetts darstellt.

  4. avatar

    Auch durch Folter gewonnene Erkenntnisse können genutzt werden, genau so wie die aus Menschenexperimenten und Unfällen genutzt werden. Folter, Menschenexperimente und Unfälle sind passiert, den (teils freiwilligen, mancher schluckt versuchsweise und kontrolliert Pillen) Opfern ist nicht damit gedient, das damit gewonnene Wissen auch noch zu verleugnen, weil ja irgendwie pfui. Und wenn aus den Erkenntnissen geschlussfolgert wird Folter abzulehnen 😉

    Lieber Parisien,
    War der wilde Westen wirklich so wild? http://www.sharlot.org/library.....isticated/
    Zudem sind die USA älter als die maßgeblich mit Hilfe der letzteren entstandene Bundesrepublik Deutschland.

    Lieber Dr. A. Holberg,
    Das ist dann wohl der Vorläufer der Sozialfaschismusthese.

    Ich glaube die Menschen in Hong Kong, Singapur und China finden so ein bisschen bösen Kapitalismus eigentlich ganz gut.

    Lieber Stefan Buchenau,
    „sechs von sieben systembildenden Oligarchen jüdisch“
    Sonst sehe ich es wie Alan Posener.

    Lieber Roland Ziegler,
    Jesus kämpft doch mit der Zigarette äh dem Schwert.

    Lieber Uvo,
    So ganz unterbelichtet ist Bush nicht: Er warnte 2007 vor einem Erstarken des Islamismus im Irak bei einem Rückzug.

    Wie hätte der Westen überhaupt anders auf die Barbarei Saddam Husseins reagieren können?

  5. avatar

    Katastrophe:
    Und Google ist nicht das einzige Unternehmen, das es mit ganz Russland aufnehmen kann. Auch der Ölkonzern Exxon oder die Technologiekonzerne Microsoft und Apple sind größer:
    http://www.welt.de/finanzen/ar.....hrott.html
    Die Russen werden das nie vergessen. Jacques Schuster schreibt in wo, die Deutschen seien Angsthasen. Hierfür bestehen sicherlich Gründe. Das ist was anderes als eingebildetes Waldsterben.
    Im Übrigen halte ich das für eine wahnwitzige Aussage. Etwas, das kein Produkt herstellt, also ein aufgeblasener Algorithmus, kann nicht größer sein als ein Land. Es steckt nur mehr Buchgeld drin.
    Putin trifft sich mit dem Chef von Nordkorea. Wenn die Deutschen Angst haben, sind sie klug. Die Amerikaner sollten auch Angst haben. Aber wie Tommy Lee Jones so schön sagte in M.I.B……

  6. avatar

    Es geht doch nicht um die individuelle Frage von Moral. Es geht darum was in einem Rechtsstaat zulässig ist. Und fuer Deutschland zumindest steht fest, dass Folter nicht zulässig ist. Haben die Muetter und Vater des GG entschieden Art1 GG iVm 79 Abs. III GG. Und das LG Frankfurt hat die Ansicht bestätigt. Also was soll die Diskussion. Im übrigen kannten die Verfasser des GG natuerlich auch das „Dilemma“ das AP umschreibt, und Sie haben ganz klar gesagt: Die Wuerde des Menschen ist unantastbar. Ich gehe auch davon aus, dass diese Herrschaften auf Grund der Erfahrungen in Nazi Deutschland mit mehr Realitaetssinn ausgestattet waren als AP.

    1. avatar

      Ach, Herr Bender, die Mütter und Väter des GG haben auch geschrieben: „Politisch Verfolgte genießen Asyl“, Punkt. Und Kohl hat das geändert. In einem Rechtsstaat ist das möglich, was Recht und Gesetz erlauben. Also auch verrechtete Folter, sofern sie nur umdefiniert wird als „enhanced interrogation“. Sie können die moralische nicht durch eine rechtliche Frage ersetzen.

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    Dann habe ich gelesen, man schämte sich vor dem „Ausland“. Ach was! Vor welchem Ausland denn? Vor dem Vatikan mit diesem Kasperle-Medienpapa? England braucht kein PEGIDA, weil es UKIP hat. Frankreich braucht kein PEGIDA, weil es Marine LePen hat. Die USA haben die Tea-Party. Gegen diese drei ist PEGIDA nur ein kleiner Schachtelhalm, und er ist vorhanden, weil in Deutschland nicht mal mehr eine konservative Partei (außer der neuen AfD) existiert, weil Frau M. alle Werte aufgibt, nur um zu bleiben. Und wenn man seinen Job nicht riskiert und dabei Prinzipien entwickelt, gleitet man ab in „Demokratur“, danke für den Ausdruck.
    Ich verteidige diesen Schachtelhalm, weil die mutig sind. Die werden herabgesetzt mit „Angst- oder Wutbürger“, aber eher sind es Mutbürger, mutiger als die versammelte Mannschaft der einschlafenden gut bezahlten Schreibtischtäter.

  8. avatar

    Nein, Alan Posener, so absurd ist das nicht, denn sie sind ja da. Da ist z.B. Hamed Abdel-Samad:

    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....resse_mehr

    Dann sind da Necla Kelek, die in ihren Büchern reichlich Gründe für die zunehmenden Entgleisungen einer gewissen Schicht genannt hat oder auch Seyran Ates. Hat man ihnen den Rücken gestärkt, diesen gut ausgebildeten, intelligenten Frauen? Nein!!! Die eine wurde beschimpft und unter „Broders Schwestern“ abgeheftet, die andere musste sich eine Zeitlang verstecken. Eine Dritte, Hirsi Ali, bekam zu wenig Personenschutz, wurde in ihrem Mietshaus angefeindet und musste emigrieren. Mina Ahadi wird auch regelmäßig beschimpft. Sie sind da, und sie könnten mehr followers haben und Nachahmer, würde man ihnen den Rücken stärken würde, statt vor irgendwelchen Finanzkrösen aus dem geographischen Gebiet des Persischen Golfs oder auch nur des Mittelmeers zu buckeln und ihnen zu dem Buckeln noch dazu die Fußball-WM zu schenken. Es müsste schon möglich sein, diese Menschen mehr zu stärken. Werbeeinnahmen? Sie wissen ja, dass Jesus sagte, dass der scheißverdammte Mammon, womit er die Mammonkorruption ganz oben meinte, und der Glauben (hier können wir heute getrost die Vernunft mit einordnen) nicht durch ein Nadelöhr passen.
    Und jetzt haben die Medien die Rechnung: PEGIDA, die diversen Leute darin, wollen mit ihnen nichts mehr zu tun haben, weil ihre einstmals so brillanten Journalisten nur noch Auftragsarbeiten machen wie früher Joh Seb Bach, als die Kirche ihn für gut befunden hatte oder Mozart bei Hofe. Zum Glück haben die beiden noch ganz andere Dinge komponiert. Hier eine ausnahmsweise mal nüchterne Beschreibung von PEGIDA:
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....gstbuerger

    Offen gestanden, wenn ich in einem Dorf mit 150 Einwohnern leben würde, würde ich auch bei 10 abriegeln, alles andere ist Chaos. Und das ist nicht fremdenfeindlich, sonst käme die Zahl Null.

    Aber wir waren bei Folter: Und jetzt geht’s los: Wenn einer wochen-, monate- oder jahrelang eingesperrt ist, wartend auf seine Enthauptung, ist das Folter. Die Foleys sind ja dann tot, aber die mit Lösegeld Ausgelösten brauchen vermutlich ihr gesamtes Leben lang Psychtherapie, genau wie vergewaltigte Frauen, um die kaum noch einer kräht. Wenn Ihr über Folter reden wollt, fangt vor der Haustür an und nicht bei Uncle Sam, den ihr nicht versteht. Mit ihr meine ich Sie gerade nicht wirklich, sondern das Gesamte.

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    Hallo Alan Posener,
    was immer Sie unter einer „nebeligen Wirklichkeit“ zu verstehen belieben: Ihr Term ‚Rettungsfolter‘ (u.ä. polit-semantische Beschönigungsversuche) ist für mich jedenfalls selbst nichts anderes als eine Nebelkerze. Denn ersteinmal ist Folter eben Folter; und Folter ist unter den Auspizien des Zivilisatorischen etwas nicht Erlaubtes (weil sie schlicht antizivilatorisch ist und ergo auf die Zerstörung des zivilisatorischen Kontextes hinausläuft), wobei es keine Rolle spielt, ob durch irgendwelche poco-schwangeren Attributionen das Barbarische daran verkleistert werden soll oder nicht. — Das „Rettende in der Gefahr“ (Hölderlin) kann m.E. niemals darin liegen, sich mit dem Gefährdenden auf ein Niveau zu begeben, weil dann — das ist doch wohl leicht einsichtig — natürlich das Movens für die Rettung wegbricht, oder weniger abstrakt formuliert: Wenn wir wähnen, uns auf’s Niveau der Taliban begeben zu müssen im Kampf gegen sie, dann brauchen wir keinen Krieg mehr gegen sie zu führen, sondern dürfen uns auch gleich mit ihnen gemein machen. Soviel Dialektik sollte schon (noch) möglich sein (und das gilt selbstredend nicht nur für die Frage der Bewertung von CIA-Folter an sog. „Islamisten“; schaut man auf die jeweiligen Protagonisten im akuten Ukraine-Konflikt oder in die nah-östlichen polit-moralischen Abgründe, sieht’s kaum anders aus)!
    Im Übrigen: Gestern Abend auf arte konnte man sich ein doch sehr reflektiertes Bild von der Lage u.a. des hier Verhandelten in den USA selbst machen. Der Film (von 20.15 Uhr) steht nun 7 Tage als podcast bereit …
    Ich möchte gern auf eine Diskussion der hier in Rede stehenden Zustände, den 2. WK betreffend, verzichten; nicht, weil das kein lohnendes Thema wäre, sondern weil es wahrscheinlich zu einer Verwässerung dessen führen würde, was Sie doch selbst als *jetzt* akut auf’s Tapet brachten.

    Viele Grüße

    Uvo

    1. avatar

      Lieber Uvo, man kann, vielleicht muss man die Folter zur Erkenntnisgewinnung grundsätzlich verwerfen. Ich habe lediglich darauf hinweisen wollen, dass man sich die Argumentation nicht zu leicht machen darf. Und eines ist klar: Wenn die CIA drei Terroristen simuliertem Ertrinken aussetzt, begeben sich die USA nicht auf das Niveau von Terroristen, die 100 Kinder gezeilet ermorden, um die Gesellschaft einzuschüchter. Das ist eben eine jener allzu einfachen Argumentationen, die ich meine.

  10. avatar

    @ Uvo Wirnsperger

    Sehr geehrter Herr Wirnsperger,

    Alles, was Sie sagen, stimmt! Allein, als Familienvater glaube ich nicht, daß ein Vater oder eine Mutter eines ermordeten Kindes Ihre Argumentation würden hören wollen.

    Ein Vernehmer, der durch Folter Erkenntnisse gewinnt, die vielen Menschen den Tod durch einen terroristischen Anschlag ersparen, handelt meiner Meinung nach verantwortungsethisch.

    Ebenso nachdenklich wie Sie

    Stefan Trute

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    …man kann auch die schrecklichen Bilder der IS-Enthauptungen nehmen: Die Opfer werden vor ihrer Enthauptung in orangene Overalls gesteckt, eine Anspielung auf Guantanamo. Damit wird ausgesagt, die Enthauptung wäre eine Reaktion auf Guantanamo. Ob das zutrifft oder nicht (d.h. ob der IS auch ohne Guantanamo enthaupten würde), ist völlig bedeutungslos: Diese Aussage bewirkt faktisch, dass die IS Zulauf von Leuten bekommt, die ohne Guantanamo (und das dazugehörige Strafkoloniesystem inkl. Folter) nicht dabei wären.
    Dies gehört auch zum Realitätssinn, und das können wir nicht wollen. Es gibt eine Wechselwirkung. Die Rationalität von Folter erfassen wir nicht, wenn wir nur fragen, was alles Übles mit Folter verhindert werden kann. Wir müssen auch fragen, was mit Folter verstärkt oder gar verursacht wird. Gerade dann, wenn wir zu allgemeinen Regeln kommen wollen. Der Einzelfall ist sowieso von vornherein nicht moralisch zu bewerten.

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    @Alan Posener: Demnach nehmen Sie dem Talibankommandeur einfach nicht ab, dass es bei dem Anschlag um sehr konkreten „Schmerz“ ging? Das ist eine simple Möglichkeit. Ich glaube das aber nicht. Was wäre, wenn der Talibankommandeur seine Motivation – und damit die Ursache des Anschlags – völlig korrekt wiedergegeben hätte? Dann gäbe es eine Ursache außerhalb des Islamismus, die im Zusammenhang auch mit Folter steht. Dafür spricht auch die von Ihnen zitierte Distanzierung der afghanischen Taliban, die den Standpunkt des Islamismus darstellen. Der Anschlag wäre unislamisch, sagen sie. War es ein irrer Amoklauf, wie sie glauben? Das glaube ich ebenfalls nicht; es war ein geplanter und von mehreren Attentätern – die man ja auch irgendwie motivieren muss – durchgeführter Anschlag, vermutlich tatsächlich aus „Schmerz“.

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    @ Alan Posener

    Auf Ihre Frage an alle antworte ich, daß sie tragische Helden wären. Ohne Wenn und Aber.

    Mit freundlichem Gruß

    Stefan Trute

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    @ Alan Posener
    Facebook fing ganz klein an und war eine geniale Erfindung. Was daraus geworden ist, ist eigentlich nicht mehr Zuckerberg.
    Klar. Darum geht es immer: Leben retten.
    Es war ziemlich unrealistisch, den Teufel einschmelzen zu wollen. Bush lag nicht ganz daneben mit seiner Aufteilung, wenn auch die Bezeichnung nicht geschickt war. Inzwischn hat Obama dafür einen Ausdruck aus der persischen Linie adoptiert.
    Islamophobie ist übrigens ein viel zu platter Ausdruck für Sie, so platt wie eine Scheibe. Wenn diese diversen Menschen in Frieden leben wollen, müssen sie ihren Fundamentalismus selbst bekämpfen. Andernfalls lebt die Menschheit irgendwann wieder auf einer Scheibe, die Frau aus der Rippe des Mannes geschnitzt, ein minderwertiges spare rib.

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      Das, lieber Parisien, ist so absurd wie die Vorstellung, die Deutschen hätten die Nazis, die Russen die Kommunisten selbst loswerden müssen. Diese bösen Geister, die aus den Untiefen einer Zivilisation hochkommen, in diesem Falle der „abendländischen“, im Fall der Dschihadisten der islamischen, bedrohen leider auch jene, die dafür nichts können.

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    @Parisien: Nachdem sich Herr Posener am Begriff „flächendeckend“ gestört hat, stören Sie sich nun am Begriff „systematisch“.

    „Die Rechtslage der Gefangenen, deren Haftbedingungen, die verwendeten Verhör- und Foltermethoden und die Verstöße gegen die Menschenrechte führen international zu scharfer Kritik und zu Forderungen nach Schließung. Nachdem seit 2002 insgesamt 779 Gefangene dort inhaftiert worden waren,[3] betrug deren Zahl Anfang Juni 2014 noch 149.[4]“

    http://de.wikipedia.org/wiki/G.....Naval_Base

    Hierbei geht es nur um das Lager Guantanamo Bay Naval Base. Nicht um sämtliche dieser Lager. Zusammen mit der Legalsierung der Folter im „Patriot Act“ finde ich beide Adjektive eigentlich recht passend.

    Worüber man diskutieren kann, ist, welche „Maßnahmen“ schon Folter sind oder noch harte Verhörmethoden, um Verdächtige unter Druck zu setzen. Hier gibt es einen fließenden Übergang. Wenn man aber das „schlechte“ Ende dieser Skala, die Folter, plötzlich zu „gut“ oder nötig umwertet, schmeißt man die gesamte Skala und die damit zusammenhängende Entscheidungsfähigkeit über Bord und macht die Ermittler zu Maschinen.

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    Die Begründung für jenen Anschlag auf die Kinder ist: „Sie [die Soldateneltern] sollen unseren Schmerz spüren“, so hat der verantwortliche Talibankommandeur gesagt. So unangenehm es sich anhören mag, aber das bedeutet doch: der Schmerz ist die Motivation, die Ursache dieses Anschlags (wenn der Kommandeut nicht gelogen hat). Dieser Schmerz wurde erzeugt (durch Tod und Folter) und hat sich jetzt in ein kindermordendes Monster verwandelt.

    Damit will ich natürlich nicht sagen, dass man die Taliban nicht weiter bekämpfen sollte. Im Gegenteil. Aber man sollte sich dieser Wechselwirkung stellen und seine rationalen, humanen Maßstäbe nicht den Gegebenheiten anpassen.

    1. avatar

      Lieber Roland Ziegler, die Stellungnahme der pakistanischen Taliban – die afghanischen Taliban haben den Massenmord geächtet! – richtet sich an die Pakistanische Armee, die, nachdem sie die Leute jahrzehntelang gefördert und geduldet hat, nun eine Offensive begonnen hat, die, wie man annehmen darf, an Brutalität nichts zu wünschen übrig lässt. Das hat also mit dem, was die USA mit Gefangenen tun oder nicht tun, eben nichts zu tun. Übrigens gehören Angriffe auf Schulen zum Programm radikaler Muslime weltweit, dazu müssen sie nicht besonders ermuntert werden. Fragen Sie Malala.

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    Hallo Alan Posener,
    zunächst einmal ein pragmatischer Aspekt: wenn Folter — oder welche andere *Barbarei* auch immer — in einer prophylaktischen Verhöraktion diese furchtbare (und ebenfalls barbarische) Tat verhindert hätte, so wäre mit hoher Sicherheit eine andere, ähnlich furchtbare Tat an deren Stelle getreten. Das will heißen: Da es wohl schlicht aussichtslos ist, die Taliban als Gesamtheit zu foltern, um ihren wahnwitzigen Taten zuvorkommen zu können, erweist sich diese Methode schon vom Ansatz her als schlichtweg verfehlt — eben weil man nicht glauben sollte, man könne mit Erfolg barbarisches Tun durch ein ebensolches (sei’s nun vereinzelt oder prinzipiell) entweder verhindern bzw. gar grundsätzlich verunmöglichen, wenn denn diese Barbarei auf einer breiten Basis steht …

    Andererseits gibt es aber m.E. auch noch einen grundsätzlichen (also nicht nur pragmatischen) Aspekt, der hierbei Beachtung erheischt: Denn wenn man im Rahmen *zivilisatorischer* Prinzipien agieren und aufgrund des dabei zum Tragen kommenden Wertekanons eben u.a. auch Barbarei ausschließen möchte, kann man unmöglich auf Praktiken zurückgreifen, die barbarisch — ergo antizivilisatioorisch — sind; und zwar, weil man dabei einer Mimikry an das, was man gerade verhindern möchte, anheimfällt, also, kurz gesagt: selbst die zivilisatorischen Grundsätze preisgibt, um deren Aufrechterhaltung willen ja gerade „die Anderen“, die sie tatsächlich ablehnen, bekämpft werden. Das heißt dann im Klartext: Wenn jemand gute Gründe zu haben meint, zivilisatorische Grundsätze hochhalten zu wollen, kann er auch aus ganz prinzipiellen Erwägungen heraus unmöglich z.B. Folter gutheißen, weil das eben darauf hinausliefe, die Werte des Zivilisatorischen zu relativieren; oder anders ausgedrückt: Sie unter den Vorbehalt des Situativen zu stellen, also *je nach Lage* mal hochzuhalten oder auch außer Kraft zu setzen. Damit begänne dann eine Diskussion darüber, wann eine Außerkraftsetzung gerechtfertigt wäre und wann nicht. Unter solchen Auspizien jedoch ist der *Prinzip*charakter zivilisatorischer Werte bereits ausgehebelt; ein Rekurs auf sie käme dann reiner Makulatur gleich — und zwar, weil Zwecke die Reflexion darüber bestimmten, Machtverhältnisse, diskursive Strategien usw. usf.
    Kurz gesagt: Diese Werte wären dann instrumentalisierbar. Wenn sie das aber wirklich wären — und wenn man sich dagegen nicht zur Wehr setzte –, bedürfte es ihrer (wie hoffentlich leicht einsehbar ist) nicht, weil nämlich dann die Barbarei sowieso fröhliche Urständ‘ feierte, womöglich manchmal unter’m Schleier einer dünnen, aber stets zerbrechlichen und stets manipulierbaren zivilisatorischen Hülle.

    Der — zugegebenermaßen — intellektuell nicht gerade besonders belichtete George Dabbelju Bush sagte dieser Tage, die von ihm seinerzeit verpflichteten Folterer seien ‚Patrioten‘ und für ihre Taten keineswegs anzugreifen, vielmehr gebühre ihnen Dank. Legt man das mal etymologisch aus, wären die USA das „Vaterland der Folter(er)“ zu nennen. — Ob der gute Georgy-Boy so etwas intendiert hatte? — Schaut man sich jedenfalls die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika an, sieht es nicht so aus, als habe der selbsternannte „Krieg(er) gegen den Terror“ bei dieser Absonderung viel nachgedacht; womöglich — um noch mal den prinzipiellen Gegensatz, sozusagen die Dichotomie von Zivilisation hier und Barbarei dort in Spiel zu bringen — gilt das gar für die meisten seiner Administration Aktionen, denn ob seit denen die Welt nun zivilisierter oder barbarischer geworden ist, dürfte wohl kaum einem Zweifel unterliegen …

    … die Opfer jedenfalls steigen. Tod und Tränen, namenloser Schmerz und unsagbares Leid bestimmen die Szene. Wäre das auch so, wenn „wir“ (also ich meine hier pauschalisierend „den Westen“), anders, u.a. auch weniger barbarisch auf eine freilich kaum ausdrückbare Barbarei reagiert hätten?

    Nachdenkliche Grüße

    Uvo

    1. avatar

      Lieber Herr Wirnsperger, ich bin geneigt, Ihnen Recht zu geben, aber die Wirklichkeit ist eben doch eher nebelig als klar. In jedem noch so gerechten Krieg gibt es schlimme Auswüchse, in keinem übrigens schlimmer als im Krieg gegen Nazi-Deutschland. Ich halte die moralische Grundlage der Rettungsfolter für erheblich weniger problematisch als jene für den Bombenkrieg 1939 – 1945, zum Beispiel. Andererseits weiß ich nicht, wie ich an Churchills Stelle unter dem Druck Stalins und angesichts der Verheißungen des Bomberkommandos entschieden hätte. Wie man sich auch immer entscheidet: Realitätssinn beginnt dort, wo man ein politsch-moralisches Dilemma erkennt, statt vom hohen Ross aus Grundsätzliches zu sagen.

  18. avatar

    Ich möchte außerdem nochmal die Frage stellen, was passiert, wenn die staatliche Folter Anschläge BEWIRKT? So wie das doch auch der Fall ist? Was ergibt sich denn dann für eine Bilanz? Einen Anschlag durch Folter vereitelt, einen oder zwei verursacht? Egal, wir freuen uns und fühlen uns sicherer? Was ist denn das für eine Rationalität?

  19. avatar

    Meiner Meinung nach wären sie meistens beides: Schurken und Helden, je nach Situation in verschiedenem Proporz. Man muss genau und konkret hinsehen. Wenn die Ermittler vorher durch normale Ermittlungsmethoden von einem solchen Anschlag erfahren hätten, einen der Drahtzieher dingfest gemacht haben und nun foltern, um die Einzelheiten besser zu verstehen, wären sie sicher mehr Helden als Schurken. Wenn sie – im anderen Extem – einfach nur so auf blauen Dunst (ihrer Zigaretten) und weil es ja sowieso den Richtigen trifft, herumfoltern und dabei zufällig den Plan entdecken, wären sie eindeutig Schurken. Auch Schurken können Gutes bewirken, das scheint trotz Allgemeinbildung (Faust) eine sehr ungewohnte Überlegung zu sein.

    Die Rettungsfoltererlaubnis lehne ich ab. Jede Form der Folter, jede Todesstrafe gehört überall auf der Welt verboten und geächtet – ausnahmslos. (Warum hier ausgerechnet derblondehans Verständnis für Folterer kundgetan hat, ist mir ein katholisches Mysterium; man stelle sich mal Jesus vor, wie er Zigaretten auf einem Schurken ausdrückt, um einen Anschlagsplan herauszufinden…)

    Was man aber machen kann und sollte, sind Begnadigungen bzw. Straflosigkeiten. Z.B. wie das bei uns bei der Abtreibung geregelt ist. Grundsätzlich bin ich dafür, so viele Strafgefangene wie irgend möglich freizulassen, und wenn jemand aus moralisch guten Gründen straffällig geworden ist und keine Gefahr für die Allgemeinheit von ihm ausgeht, sollte man ihn freilassen. Vielleicht kann man auch bestimmte Gremien (Ethikräte o.ä.) zu solchen Entscheidungen hinzuziehen, die einen modernen Königersatz bieten können.

  20. avatar

    Wieso ist eigentlich Dirty Harry „tragisch“? Weil er seinem eigenen Gewissen folgt und nicht einem kollektiven, per Rechtssystem festgelegten?
    Die Vorstellung eines ’neuen Menschen‘, einem Zombie, der im kollektiven Sinne alles ‚richtig’macht, lässt mich erschaudern. Die ganze Problematik schreit geradezu nach einem komplementären (religiösen) moralischen Bezugssystem mit einer klaren Priorität: dem Leben.

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    Und eine Frage an alle: Wenn man durch Verhörmethoden wie die im Bericht beschriebenen einen Taliban dazu gebracht hätte, den geplanten Angriff auf die Schule in Peshawar zu verraten – wären die Verhörer Schurken oder auch „tragische Helden“? (Und: würden wir überhaupt etwas von ihrer Schurkentat / Heldentat erfahren?)

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    Das war ein Unterschied: Die Stasi, KGB, wer auch immer und aus welchem Land, brauchte meist ja gar nicht die Ergebnisse der Befragung, sondern das politische Einknicken, die Demütigung. Das dürfte der CIA ziemlich egal sein. Und das war auch der Grund, warum das im Westen (hoffentlich) überhaupt endete. Wenn es keine weitere Taten verhindert, ist es falsch. Den Grundkonsens konnte niemand aufheben und der hat dieses Programm beendet. Wie man auf die Idee kommt, manchmal nachzuhelfen, ist mir klar. Wie man auf die Idee kommt, so was regeln und legalisieren zu wollen…

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    @Edmund Jestadt

    Sorry, hab ihren Beitrag übersprungen. Sehe es genauso wie sie. Aber das macht ja Dirty Harry so wertvoll und beliebt. Daschner war ein Held, es war aber Richtig ihn zu bestrafen. Manche Sachen kann man nicht auflösen.

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    @ McNamara vs Cheney

    McNamara steht in „Fog of War“ in guter Tradition der Läuterung, Einsicht und des Bereuens. Womit man Lehren aus seinen Fehlern ziehen kann. Vielleicht sogar politisch vergeben.

    Cheney hat die Selbstreflexion eines Ayatollahs in den Revolutionsgarden. Er will uns nicht mal an seinem Scheitern lernen lassen. Das unreflektierte Selbstbewusstsein des Alpha-Berggorillas, ohne Nährwert. Wer den mag, der mag bestimmt auch kreuz.net von der Tonlage her. Irgendwie PI mäßig.

    Stilfragen, natürlich. Aber deswegen können wir von dem einen lernen und von dem anderen nicht.

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    Es gibt Situationen, die funktionieren nur, wenn man Glück hat. Ohne formulierbare Gesetzmäßigkeiten. Dazu gehört Sterbehilfe und Rettungsfolter. Jeder Versuch, diese Situationen in Gesetze zu gießen, wird am Leben scheitern. Und in diesen Nischen brauchen wir die Harrys dieser Welt. Oder die barmherzige Krankenschwester.
    Das schlimme seinerzeit war nicht die Folter (da gibt es schlimmere Sachen, selbst im Westen), das schlimme war, dass die Bushkrieger den nicht normierbaren Ausnahmezustand in eine Norm packen wollten und dass dadurch der Ausnahmezustand selbst zur Norm wurde. Das Versagen der amerikanischen Besatzungsmacht im Irak ist darauf zurückzuführen. Abu Ghraib war eine der Folgen.

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    Ach ja, ich habe, trotz gelegentlich stark abweichender Meinung, hier immer mal wieder gerne gelesen. Aber nun? Meinungsstarke Lichtgestalten wie Sonja Margolina (9 von 10 Oligarchen waren jüdisch/Klimaschutz und Energiewende sind eine Verschwörung) und jetzt noch Apo: Ein bisschen Folter ist zwar schlimm aber irgendwie auch O.K….
    Danke, das reicht.
    Ich wünsche allen ausreichend Schutz vor Überflutungen, Stürmen und Dürre und hoffe, dass niemand an einen tragischen Folterhelden gerät.

    1. avatar

      Lieber Stefan Buchenau, da Sie sich in moralischer Abscheu abwenden, werden Sie das nicht lesen. Schade, denn etwa aus den Kommentaren von Stevanovic, denen ich im Großen und Ganzen zustimme, hätten Sie etwas lernen können. Was Sonja Margolina betrifft, so weiß ich nicht, ob sie Recht hat, dass 9 von 10 Oligarchen Juden waren, aber wenn dem so war, so müsste das gesagt werden können, genau so wie die Tatsache, dass Google und Facebook von Juden erfunden, gegründet und geleitet werden. Das macht den Antisemitismus nicht weniger ekelhaft. Genau so, wie die Tatsache, dass monatlich 5000 Menschen den Dschihadisten zum Opfer fallen, gesagt werden muss, was die Islamophobie nicht besser macht.

  27. avatar

    Nachtrag:
    A.Poseners Überlegungen haben insbesondere deshalb den Vorteil des Realismus für sich, weil natürlich all diese Foltermethoden und -aktivitäten ungeachtet dessen, dass sie die Ausübenden zu Monstern machen (falls sie nicht ohnehin welche waren), nichts sind im Vergleich zu den „normalen“ Aktivitäten der Politik (nicht nur der US-amerikanischen!):
    Massenmorde durch offene und verdeckte Kriege, Massenmorde und Verelendung durch das unter dem Kapitalismus unvermeidliche Primat der Profitmaximierung etc.etc. Das mediale Aufsehen, das diese längst bekannten Tatsachen btr. der Folter nach sich gezogen haben, scheint mir deshalb eine teilweise durchaus bewusste Ablenkung von den viel größeren Verbrechen zu sein, die jede Klassengesellschaft offensichtlich notwendigerweise mit sich bringt.

  28. avatar

    In diesem Bericht fällt auf, dass dort immer wieder steht „einer, zwei, manche“ etc.
    Das kann man kaum systematisch nennen. Was systematisch zu sein scheint, jedenfalls auffällt: In den USA gibt es mehr Rohheit, rohe Gestalten, die sich nicht an Grenzen halten. Begründung?
    Ich würde sagen, dass die Gründe darin liegen könnten, dass neben Pilgrims (harmlos) jede Menge Goldsucher und Verbrecher ‚rüber machten, über die Indianer herfielen und durch und durch gesetzlos den Westen besiedelten. Der Staat ist einfach zu jung, um genügend Distanz davon zu haben.
    Es wird immer Leute geben wie in Abu Ghraib sowie Folterer. Wie der Staat davon loskommt, muss er selbst klären (wollen).
    Systematisch ist was anderes: Wenn derlei Order gegeben wird. Davon ist bisher nichts zu sehen:
    http://www.spiegel.de/politik/.....07646.html

    Folterandrohung würde ich persönlich von Folter abgrenzen. Wie Posener sagt, jeder Vater, jede Mutter braucht ihren Daschner. Außerdem: Folterandrohung ist längst nicht so schlimm, wie wenn einer den perfekten Mord plant und dann noch an einem Kind. Wir sind hier juristisch oft wahren Moralverdrehungen ausgesetzt.

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    … und dass ausgerechnet der Gysi, der Linken-Fraktionschef, der als RA der ‚DDR‘ für den ‚Freikauf‘ politischer Häftlinge von der SED bestellt war, über die Folter in ‚DDR‘-Gefängnissen an tausenden politischen Häftlingen genauestens informiert gewesen sein muss, nun gegen CIA-Mitarbeiter Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet, ist mehr als Chuzpe.

  30. avatar

    Der Unterdchied zwischen Cheney und McNamara ist, dass McNamara sich über seine Entscheidungen im Vietnamkrieg im Nachhinein wenigstens Gedanken gemacht hat. Cheney nicht.

    Und was soll das mit der Rettungsfolter? Die Frage ist doch uralt, und wurde in ähnlicher Form jedem Kriegsdienstverweigerer gestellt. Und bis heute gibt es noch kein Beispiel in der Geschichte fuer die tickende Zeitbombe, die wird es in Zukunft auch nicht geben. Außerdem hieß der Cop nicht Ortwin Daschner, sondern Wolfgang, Ortwin hieß der andere der ebenfalls angeklagt wurde. Die Namen sollten Sie schon auseinanderhalten können.

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    Nein, den kenne ich leider nicht. Mich würde ja interessieren, was Clint Eastwood, der ja durch jahrzehntelange Anverwandlung und Regiearbeit zu einem profunden Kenner amerikanischer tragischer Helden gereift sein dürfte, heute zu Dick Cheney sagt.

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    Übrigens: den tragischen Helden sieht man es an, dass sie in einem Dilemma stehen. Sie sehen normalerweise sehr mitgenommen aus. Dick Cheney dagegen sieht aus wie aus dem Ei gepellt, bleckt die Zähne ud tut auch sonst so, als sei er völlig mit sich im Reinen. Ein tragischer Held ist niemals mit sich im Reinen. Andernfalls wäre er nicht tragisch und oft wohl nicht mal ein Held.

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      Wunderbar, Roland Ziegler: Der tragische held sieht aus wie Clint Eastwood im Film. Na dann. Ich gebe zu, dass sich Cheney nicht für die Rolle eignet. Haben Sie aber den Film „The Fog of War“ über Robert McNamara gesehen? McNamara kam mir vor wie ein tragischer Held, auch wenn Regisseur Errol Morris womöglich etwas Anderes intendierte. Und gegenüber dem, was McNamara in Vietnam angestellt hat, ist das, was Cheney zu verantworten hat … Nun ja, nicht von vergleichbarer Größenordnung, meine ich.

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    Der Begriff „System“ ist mir egal (die Nazis haben auch die Sonne als „Sonne“ bezeichnet. Noch kein Grund, sie nun Mond zu nennen). Sie werden nicht bestreiten, dass jede Gesellschaft eine bestimmte „Ordnung“ hat. Die habe ich einfach „System“ genannte. Dazu gehört ihre sozio-ökonomische Grundlage und die politische Organisierung, die diese Grundlage schützen soll. Imm übrigen weiß ich nicht, welche Andersdenkenden ich hier „diffamiert“ haben sollte. Meinen Sie „die Grünen“, denen ich ihr Moralgesülze (nicht zu verwechseln mit Moral an und für sich – ich erkenne beispielsweise die Tatsache voll an, dass etwa die „Zeugen Jehovas“, mit denen ich ansonsten nun wirklich „nichts am Hut hab“ aus moralischen Gründen jeglichen Kriegsdienst verweigern!) zur Verteidigung handfester Machtinteressen nicht abnehme? Sei’s drum.

  34. avatar

    …so ist das Ende des Films:

    „Als der Mörder nochmals zu seiner Waffe greift, wird er von Callahan erschossen und fällt ins Wasser. Angewidert wirft der Inspektor seine Polizeimarke in den anliegenden See.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/Dirty_Harry

    Das ist doch sehr interessant: Dirty Harry wirft konsequenterweise die Polizeimarke fort. Daran sollte sich Dick Cheney ebenfalls ein Beispiel nehmen. Wenn er sich schon von Dirty Harry inspiriert fühlt.

  35. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,

    Ihre Argumentation ist absolut nachvollziehbar. Das moralische Dilemma, das Sie in den letzten beiden Absätzen ihres Textes noch einmal eindrücklich beschreiben, ist m.E. nicht aufzulösen.

    Jeder, der in einer vergleichbaren Situation handelt wie Herr Daschner, hat meinen Respekt.

    Mit fteundlichen Grüßen

    Stefan Trute

    P.S. Ihre Einlassung gegenüber einer von der Ihren abweichenden Meinung – Sie benutzen das Verb „diffamieren“ – ist ein Foul, das Sie eigentlich nicht nötig haben – trotz der Tatsache, dass auch Sie sich einiges anhören müssen.

  36. avatar

    …vielleicht meinten Sie, warum ist der eine ein toller tragischer Held und der andere nur ein stinkordinärer Diktator? Ich denke, weil der sich einen ganzen Staatsapparat gefügig macht. Dem tragischen Helden geht es normalerweise nur um sein jeweiliges Gegenüber. Den schaltet er aus. Mehr nicht. Aber vielleicht können auch Diktatoren tragische Helden sein. Viele klassische Dramen handeln jedenfalls von Diktatoren, die gleichzeitig tragische Helden sind.

  37. avatar

    Dann ziehe ich lieber mein Adjektiv zurück, bevor Sie Ihren ganzen Beitrag zurückziehen müssen, und ersetze „flächendeckend“ durch „systematisch und legalisiert“.
    Wieso ist Dirty Harry ein tragischer Held? Da gibt es mehrere Antwortmöglichkeiten. Ein paar davon: Weil er für das Gute kämpft, indem er das Böse ausmerzt (funktioniert nicht, klassisch tragisch vgl. Hydra), weil er als Gesetzesmann aus höheren Gründen Gesetzesbrüche begehen muss (und dafür ggf. am Ende bestraft wird? Ich weiß nicht, wie der Film endet), weil er außerhalb des Rechts für das Recht kämpft (Paradoxie), weil er nicht den Eindruck macht, bei allem heldischen Handeln besonders glücklich geworden zu sein.

    Warum ist Dick Cheney ein Diktator? Dick Cheney ist ein Diktator, weil er das Recht beansprucht und auch durchgesetzt hat, sich über das normale Gesetz zu stellen (Folter ist in USA für die Normalbevölkerung verboten), weil er sich anmaßt, im Namen des Guten die Körper von Schutzbefohlenen traktieren zu dürfen, was grundsätlzich nur Diktatoren glauben tun zu dürfen, weil er die Wahrheit solange abstreitet, bis sie ihm nachgewiesen wird, sie danach bis zur Unkenntlichkeit herunterspielt und anschließend keinerlei Einsicht zeigt, jemals irgendetwas falsch gemacht zu haben (nach alter Väter und Diktatoren Sitte).

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    Lieber APO, ist ja nicht völlig unverständlich, was sie sagen. Trotzdem ist es Murks – weil, Ihr Vorschlag in Praxis übersetzt, auf Murks hinausläuft – immer und prinzipiell.

    In der Praxis würde immer auch weit über die Rettungsfolter hinaus gefoltert. Und zwar in jeder Hinsicht – sowohl was die Qualität/ Intensität der Folter betrifft als auch im Hinblick auf diejenigen, die ihr unterzogen werden. Die CIA hat – mindestens im Einzelfall, womöglich aber auch systematisch – schon vor jeder Befragung foltern lassen. Und offenbar hat sie auch „mit Todesfolge“ foltern lassen. Beides ist kein Zufall.

    Das Folterproblem ist unter diesem Aspekt kein anderes als das der Sterbehilfe (und der Todesstrafe) – institutionalisieren Sie die Sterbehilfe oder die Rettungsfolter (oder die Todesstrafe), schaffen und standardisieren Sie eine Handlungsmöglichkeit, zu der (im Rahmen des unvermeidbar gegebenen Interpretations- und Ermessensspielraums selbstverständlich) auch aus völlig „sachfremden“ Erwägungen gegriffen werden kann. Und – bitte, schauen Sie sich um – auch gegriffen wird.

    Barttragender Moslem – jetzt aber mal! Dass die Knochen knacken! Oma – wenig lukrativer Pflegeaufwand! Hahn abdrehen! (Schwarzer Delinquent – eh klar! Rübe runter!)

    Und wenn ich richtig verstanden habe, hat die CIA genau auch in diesem Sinne nicht nur im Ausland – die machen das gerne! -, sondern auch „privatwirtschaftlich“ – Gier foltert gut! – und mit einschlägig „qualifiziertem“ Personal – Blut! *Lechts!* – foltern lassen.

    Mal ganz davon ab, dass man die Unvermeidbarkeit des „Ermessensspielraums“ und das, worüber in diesem Falle in ihm zu entscheiden ist – der prinzipielle und unvermeidbare Murks-Charakter unseres Handelns also -, gerade bei dieser Gelegenheit in bester europäischer Tradition strickt erkenntnistheoretisch und ethisch abhandeln müsste – mit dem Ermessensspielraum der Baubehörde oder mit den Ermessensspielraum des Finanzamts sind wir schon ziemlich gut bedient. Auf jedem Polizeirevier ’ne Rettungsfolter-Kammer brauchen wir nicht auch noch, APO.

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    … ich würde die CIA, in diesem Fall, eher in ‚Schutz‘ nehmen wollen. Gegenüber der Stasi der Ex-‚DDR‘, und die sitzt in ‚BRD‘-Parlamenten, sind die Verhörmethoden der CIA … Pille-Palle.

    Wen wundert es wirklich, dass es keine Geständnisse gab. Die gibt es bei wirklicher Folter, selbst wenn der Beschuldigte ohne Schuld ist.

    Die amerikanische Politik ist ein anderes Thema.

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    Ja, guter Text über ein Dilemma.
    Gefunden in Welt online:
    Teheran hat die Geiselnahme in Sydney scharf verurteilt und den ausgewanderten iranischen Geiselnehmer als geistesgestört bezeichnet. Der Iran habe die australischen Behörden mehrmals über den gestörten mentalen Zustand des iranischen Predigers informiert, sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham am Montag in einer Presseerklärung. Der Mann sei schon vor fast 20 Jahren nach Australien ausgewandert und habe dort Asyl beantragt, so die Sprecherin.

    Folter hilft nicht gegen mentale Erkrankungen, und ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass einige dieser Täter nicht gesund sind.
    http://www.welt.de/politik/art.....erten.html

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    Meistens bin ich ja gründlich anderer Meinung als Herr Posener. Deshalb möchte ich an dieser Stelle kundtun, dass ich mit der o.a. Argumentation sehr einverstanden bin. Ohnehin: was mich bei den meisten systemkonformen Einlassungen am meisten stört, ist nicht die Tatsache, dass dabei eine Gesellschaftsordnung verteidigt wird, deren sozioökonomischen Grundlagen ich für eine tödlicheGefahr für die Menschheit überhaupt halte, sondern die Versuche, diese Verteidigung mit Hilfe des Vergießens von Moralinsoße zu bewerkstelligen. Johann Gottfried Seume (1763-1810) sagte dazu das Notwendige: „Das Schild der Humnität ist die beste, sicherste Decke der niederträchtigsten öffentlichen Gaunerei“ – dabei kannte er noch nicht einmal die „Grünen“.

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      O je, „Dr. Holberg“. Wenn Sie mir zustimmen und dabei die Nazi-Formel vom „System“ verwenden, um Andersdenkende zu diffamieren, wird mir ganz flau.

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    …eine letzte Bemerkung noch zu Dirty Harry als Figur: Das ist ein Einsamer, ein „lonely wolf“. Ein tragischer Held, der das Gesetz bricht, um das Böse zu bestrafen. (Wenn das Böse bestraft bzw. weggepustet ist, dann kann eigentlich nur das Gute übrigbleiben, so seine Logik.) Stellen Sie sich nur mal vor, Dirty Harry wäre ein Aktivist einer ganzen Gruppe – das wären dann doch Terroristen? Oder ein Beamter, der durch seinen Staat legitimisiert statt auf eigene Rechnung handelt – das wäre dann die Diktatur. In beiden Fällen würde die Erzählung sich komplett auf den Kopf stellen.

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      Lieber Roland Ziegler, gewiss ist Dirty Harry eine Einzelperson, wie Ortwin Daschner. Meine Argumentation (ich habe das Gefühl, auch aus Ihren vorherigen Beiträgen, dass Sie meinen Text nur überflogen haben) – meine Argumentation lautet: Im zweifelsfall (in der Grauzone) verlassen wir uns auf die Dirty Harrys. Die CIA hat zwischen 2001 und 2008 das Experiment gestartet, diese Methoden zu kodifizieren und zu institutionalisieren. Das sollte in einer vermuteten oder wirklichen Notsituation der „Rettungsfolter“ einen Rahmen geben und die Dirty Harrys unnötig machen. Vielleicht war das falsch. Aber dann kehrt Dirty Harry zurück. Mein Beitrag ist eine Einladung zur Diskussion über Paradoxien des Rechtsstaats. Wieso ist für Sie Dirty Harry ein „tragischer held“, Dick Cheney aber ein Diktator? Wie, wenn der Vize von Clint Eastwood gespielt würde?

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    Die moralischen Vorstellungen innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft sind sehr unterschiedlich, und im Prinzip muss man die Gesetze, düe für alle gelten, davon abrücken. Die Gesetze sollen übergeordnet, egalistisch und zurückhaltend sein. Man darf nicht töten, nicht foltern, nicht stehlen, andere nicht benachteiligen usw. Auf solche Sachen muss man sich einigen, wenn die Idee eines zivilisierten Zusammenlebens irgendeinen Sinn haben soll. Und wer im einzelnen glaubt, dennoch töten oder foltern zu müssen, glaubt immer auch, im Recht zu sein. Vielleicht ist er es sogar, vielleicht aber auch nicht; der Staat sollte sich das gar nicht fragen. Der Staat ist kein Gottesersatz, sodnern eine Schiedsrichterinstanz. Er mag mildernde Umstände wegen höherer Motive einräumen, z.B. bei CIA-Folterern, z.B. bei Terroristen, die beide ja nicht um sich zu bereichern oder aus reiner Grausamkeit bomben. Die Strafe also reduzieren. Mehr aber nicht.

  44. avatar

    Jeder ist froh, wenn einem der Klemptner die verstopfte Toilette richtet.
    Aber danach soll er gefälligst mit seinen stinkenden Klamotten verschwinden.

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    Sie diskutieren hier das grundsätzliche moralische Dilemma, zu dem ich gleich was sagen will. Zur konkreten Folter derf CIA muss man aber unbedingt und gleich zu Anfang die Frage der Verhältnismäßigkeit ansprechen. Durch diese Frage wird die flächendeckende Folterei der CIA deutlich abgegrenzt zur Folter eines einzelnen Ermittlers, der ein konkretes Kind, das nachweislich jetzt und hier bedroht wird, durch die Folter eines überführten Täters außerhalb der Legalität zu retten versucht.

    In diesem Fall entsteht tatsächlich ein moralisches Dilemma. Im Fall der CIA entsteht keines, hier ist der Fall eindeutig. Denn nicht nur der Täter, sondern jeder kann jederzeit ins Visier einer solchen Folterpraxis kommen; man muss nur zufällig in der Nähe eiens anderen herumgestanden haben. Schon fragen die Folterer den anderen, den sie gerade foltern, was der danebenstehende Typ denn mit dem Ganzen zu tun hat, der andere sagt, ja das ist auch einer von uns, und schon ist man selber dran. Ein solches Vorgehen ist kein Dilemma, sondern eine heuristische Stümperei und obendrein ein Staatsverbrechen ersten Ranges, bei dem ein entfesselter „Staat im Staate“ Verdächtige foltert, um irgendetwas herauszufinden. Erschwerend kommt hinzu, dass es um eine abstrakte Gefahrenabwehr geht, deren Risiko für die Gesellschaft – verglichen mit z.B. dem Unfalltod im Straßenverkehr – gegen Null geht. Ein weiteres Argument: Man kann zwar mit Folter unter Umständen einen Anschlagsplan vereiteln – man kann aber gleichzeitig viele weitere erzeugen. Meist gehen die Leute irrigerweise von einer Gruppe von Wahnsinigen oder Unbeeinflussbaren aus; in Wirklichkeit finden die, die man foltert, durch die Folter ihren Zulauf. Jetzt werdern sie sagen, wir lagen richtig, die USA ist ein Folterstaat, und werden viele weitere rekrutieren.

    Zum Schluss wie versprochen zum Dilemma. Der Ermittler, der foltert, begibt sich in ein moralisches Dilemma, das ist nicht zu bestreiten. Insofern ist er eine Art tragischer Held. Die Gesetze werden aber nicht für tragische Helden gemacht, sondern für die „große Masse“; sie sollen Heldentum eigentlich verhindern, aber produzieren es paradoxerweise. Denn sie bringen tragische Helden hinter Gittern, wenn sie für einen höheren Zweck kämpfen, z.B. foltern. Der Folterer, der aus moralischen Gründen foltert, muss wissen, dass er auf der anderen Seite des Gesetzes steht. Und wenn er ausnahmsweise mal recht hat mit seiner Folterei? Das Gesetz hat die Moral nicht gepachtet; man kann im Extremfall auch mal das Gesetz brechen. Dann steht man auf der anderen Seite des Gesetzes. Von einem Polizisten zu verlangen, dass er irgendwann foltern MUSS (denn das ist die Alternative), geht nicht – das müsste eigentlich ohne weitere Begründung auch moralisch einleuchten?

    Natürlich wäre ich froh, wenn ich einen effizienten Ermittler hätte, falls ich einmal darauf angewiesen sein sollte. Idealerweise einen, der bereit ist, Gesetze zu übertreten, wenn sich das lohnt. Trotzdem ist es Unsinn zu fordern, Gesetze von vornherein so zu gestalten, dass sie für jede denkbare Situation passen. Sie sind allgemeingültige Anweisungen, und unsere allgemeingültige Forderung ist eben: Du sollst nicht foltern.

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      Lieber Roland Ziegler, wenn Sie mir aufgrund des Senatsberichts nachweisen können, dass es, wie Sie sagen, „flächendeckende Folter“ der CIA gab, ziehe ich meinen Beitrag zurück. Sie können es nicht, weil das nicht der Fall war. Ich habe mit Absicht in meinem Beitrag die quantitative Seite der Geschichte nicht thematisiert, weil man schwer sagen kann, OK, drei Leute foltern ist OK, aber bei dreihundert hört der Spaß auf. Tatsächlich aber gab es laut Bericht drei Fälle von Waterboarding. Das ist, wie man auch immer dazu steht, nicht „flächendeckende Folter“.

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    Lieber Herr Posener, ein sehr guter Text. Das Sage ich vor allem deshalb, weil Sie sich in das Dilemma, das sie beschreiben hinein begeben und es nicht auflösen. Es ist nicht auflösbar.

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