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Nach der Wahl: Katerstimmung allerseits; mir ist übel

Die Würfel sind gefallen. Der Wähler hat gesprochen. Seinen Willen soll nun das Parlament so umsetzen, dass eine handlungsfähige Regierung möglich wird, die den Volkswillen abbildet. Aus dem Willen der Vielen soll nun der Wille aller werden, das Gemeinwohl. Was aber hat uns der Souverän mit seinen Kreuzchen auf den Wahlzetteln sagen wollen?

Wir haben gelernt, dass die Streithähne Schröder und Lafontaine die Sozialdemokratie so nachhaltig in SPD und LINKE gespalten haben, dass es frühestens bei der nächsten Bundestagswahl zu einer gemeinsamen Regierungsverantwortung von SED-Nachfolgern, linkssektiererischen Wessis und Labour (vulgo: Rot+Rot) kommen kann. Das ist Parteiengezänk, nicht Staatsbürgerpflicht.

Zum eher linken Lager der politischen Republik wird man weite Teile der Grünen rechnen können. Die Addierung von Rot, Rot und Grün hat schon jetzt die Mehrheit. An der Erkenntnis, dass die parteipolitische Mehrheit meines Vaterlandes seit der Wiedervereinigung strukturell links der Mitte steht, geht kein Weg vorbei. Alle Parteien versuchen das vergessen zu machen, außer Gysi, der auf dem Strich geht.

Eine Mehrheit rechts der Mitte könnte durch Schwarz-Grün entstehen, vielleicht noch unter Zuhilfenahme der sogenannten Alternative für Deutschland, den Euro-Gegnern. Zu einer schlichten Spaltung der Grünen kann es aber über Nacht kommen, wenn sich die Öko-Partei in die Arme der Konservativen wirft. Die Opportunistin Merkel kriegt das hin, die gelernten Kommunisten Trittinscher Prägung nicht. Das zerreißt  die Grünen, eigentlich eine FDP für Körnerfresser.

Die Union wird die Nase gerade über Wasser halten; regieren wird sie auch über den Tag hinaus können, wenn die leere Hülle namens FDP nicht implodiert und sie die Rechtspopulisten von der Anti-Euro-Front klein halten kann. Mitten in der nächsten Legislaturperiode wird Frau Merkel ohnehin zurücktreten und den Platz etwa für Julia Klöckner räumen. Zeitgleich gibt Seehofer an die Söder-Konkurrentin ab, deren Namen ich mir nicht merken kann.

Dramatisch ist das Abschneiden der Grünen. Ehedem, angesichts der Flutwelle in Fukushima und der Reaktorhavarie, bei 24% vermutet, landen sie im Ranking der Zukunftsfähigkeit wohl dauerhaft hinter der Links-Partei von Herrn Gysi. Zum Unglück eines verkorksten Wahlprogramms zwischen Steuererhöhung und Ernährungsdiktat kam auch das Pech der Päderasmus-Debatte. Die schlechteste Krisen-PR aller Zeiten raubte jeden Respekt vor den Schwulen-Freunden, die nie, so die Einlassung, diese Kinderfreunde waren. Klammheimliche Freude, diesmal bei den Reaktionären.

Sprechen wir es aus: Es droht eine Große Koalition. Ich fände das ekelhaft. Der Talkmaster Lanz hat dieses Attribut, das ich in seiner Sendung zu äußern wagte, mit aller Autorität zurückgewiesen. Ich bin darauf noch mal in mich gegangen und habe kühlen Kopfes erwogen, was ich von einer Großen Koalition halte. Nun, mein abgewogenes Urteil: Ich finde sie unsäglich. Deutlich genug? Eine parlamentarische Demokratie gibt sich durch solche Koalitionen selbst auf.

Es gilt das Seehofer-Motto: Meine Ein-Partei-Koalition besteht im Bündnis mit den Bürgern meines Landes. Er kennt keine Parteien mehr, nur noch Bayern. Der Satz, dass man keine Parteien mehr kenne, nur noch Deutsche, hat uns vor fast hundert Jahren in einen Krieg geführt. Deutschland steht gut da, das soll so bleiben. Weil am deutschen Wesen…Alternativlos.

Politik ist nie alternativlos. Erst mit dem Erreichen von Alternativen beginnt Politik. Die dreisteste Form der Demagogie besteht in der apodiktischen Setzung: Was wir machen, diktiert die Sache und ist ohne Alternativen. Diese infame Ideologie der Ideologielosigkeit setzt die politische Kontroverse unter Valium, um unbeobachtet Klientelpolitik machen zu können. Das gefährdet die Grundlage jeder deliberativen Demokratie. Ekelhaft.

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6 Gedanken zu “Nach der Wahl: Katerstimmung allerseits; mir ist übel;”

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    @DonGeraldo

    Mit Mathe haben Sie es wohl nicht so?

    29,5 Prozent sind Nichtwähler und von den Wählern (70.5 %) haben ca. 16 Prozent Parteien gewählt, die nicht in den BT gekommen sind, das wären dann noch einmal ca. 11 Prozent der Wahlberechtigten, so dass insgesamt mehr als 40 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung nicht im Bundestag vertreten sind.

    Und Merkel haben letztlich auch weniger als 30 Prozent der Wahlberechtigten gewählt.

    Bei der SPD sind es ca. 18 Prozent der Wahlberechtigten und bei der FDP ca. 3,4 Prozent.

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    Der Vergleich von Seehofer und Wilhelm Zwo ist abstrus, garniert mit einer Prise Geschichtsklitterung; der zitierte Satz führte nicht in den Krieg, sondern fiel als Deutschland schon der Krieg erklärt worden war.

    Erstaunlich sind die Lobeshymnen auf Frau Merkel in der gesamten deutschen Presse.
    Hat noch niemand gemerkt, daß die von Frau Merkel geführte Bundesregierung krachend abgewählt wurde und keine parlamentarischen Mehrheit mehr hat ?

    Daß die linke Parlamentsmehrheit nicht miteinander kann oder will ist deren Problem, aber dafür Frau Merkel feiern ?

    Und bin ich denn der einzige, der es als der Demokratie abträglich empfindet, wenn mehr als 15 Prozent der Wählerstimmen einfach unter den Tisch fallen und keine parlamentarische Vertretung mehr haben ?

  3. avatar

    Eine große Koalition wäre das Ende der SPD als Volkspartei.

    Noch ist Frau Merkel Kanzlerin, sie hat aber – wie 2005 Herr Schröder – ihre Regierungsmehrheit verloren und eigentlich keinen Koalitionspartner aus ihrem Lager.

    Die SPD wäre gut beraten, Frau Merkel gegen die Wand fahren zu lassen. Und Frau Merkel weiß dass, denn sie hat in der Elefantenrunde Demut gezeigt und nicht den Schröder gespielt.

    Die SPD müsste auch erkennen, dass die CDU gerade absolut verwundbar ist. Wenn die SPD eine rot-rot-grüne Regierung auf die Beine stellt, wäre Frau Merkel politisch tot und auch die CDU, denn im Moment hat die CDU keinen Plan B für die Opposition. Selbst bei einem Scheitern von rot-rot-grün wäre Frau Merkel wohl weg und die Karten würden neu gemischt. In NRW hat man gesehen, wie wichtig es ist die Regierungskoalition zu führen, um das Wahlvolk an gegebene Verhältnisse zu gewöhnen.

    Schuld an der Misere war Herr Schröder, der ohne Not Rot-Grün verzockt hat, obwohl er die historische Möglichkeit gehabt hätte, 2006 einen Bundestagswahlkampf bei der WM im eigenen Land führen zu können.

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