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„Rassismus erkennen & bekämpfen“

Es gibt Leute, denen das „Netzwerk Schule ohne Rassismus Schule mit Courage“ ein Dorn im Auge ist. Und das sind nicht nur unverbesserliche Rassisten, Moslemhasser und ähnliche Spinner. Durchaus ernst zu nehmende Leute aus der florierenden Sozialarbeits- und Sozialreparaturszene meinen, es handele sich bei dem von Sanem Kleff als Leiterin und Eberhard Seidel als Geschäftsführer geführten Projekt um ein gut gehendes, mit öffentlichen Geldern alimentiertes „Familienunternehmen“, zumal beide auch privat liiert seien.

Da mag auch Sozialneid eine Rolle spielen. Ich persönlich finde es zwar bedenklich, wenn die Leitung eines Unternehmens derart quasi-familiär monopolisiert wird, aber am Ende zählt die Effektivität der Arbeit. Und wenn über 1250 Schulen dem Netzwerk angeschlossen sind, wenn Millionen Schüler und Schülerinnen an den Projekttagen, Workshops, Kursen und Veranstaltungen des Netzwerks teilnehmen, kann man eigentlich nichts dagegen sagen. Oder?

Verschiedentlich hatte ich mit dem Netzwerk zu tun. (Bekanntlich hat mir meine publizistische Arbeit gegen Xenophobie und Islamophobie bei den Rassisten von „Politically Incorrect“ den Ehrentitel „Döner-Posener“und eine „Anklage“ u.a. wegen „Volksverhetzung“ und „Lobbyarbeit für eine fremde Macht“ (Israel? Die Türkei?) bei den Nazis von „Nürnberg 2.0“ eingebracht.) Deshalb wurde mir auch die neueste Publikation, „Rassismus erkennen & bekämpfen“, mit dem Vermerk zugeschickt: „Über einen redaktionellen Bericht würden wir uns freuen.“

Nun weiß ich nicht, was ein „redaktioneller Bericht“ für eine Textsorte sein soll. Ich habe jedoch das Heft studiert und darüber in der „Welt“ eine Glosse geschrieben:

 

http://www.welt.de/kultur/article118537332/Rassistischer-Antirassismus-fuer-den-Unterricht.html

 

Ich habe nicht erwartet, dass diese Glosse beim Netzwerk gut ankommt, und sie ist nicht gut angekommen. Einige der wütenden Reaktionen kann man – etwa – auf der Facebook-Seite des Netzwerks nachlesen. Nachdenklicher war da die Reaktion Eberhard Seidels, der mir in einem langen, mit Zitaten aus dem Heft gespickten Schreiben vorwarf, ich hätte die darin vertretenen Positionen verkürzt und verzerrt dargestellt. Nun, dass ich mich in einer kurzen Glosse kurz fassen musste, das versteht sich; und dass ich die Aussagen des Hefts zur Kenntlichkeit verzerrt habe, will ich nicht abstreiten. Es hat ja 71 Seiten.

Ich habe jedenfalls Eberhard Seidel und Sanem Kleff angeboten, mich in einem Forum ihrer Wahl der Gegenkritik zu stellen und meine Kritik etwas näher zu begründen, als es in der Glosse möglich war. Darauf hat es keine Reaktion gegeben, aber vielleicht brauchen die Netzwerker noch etwas Zeit. Da ist es vielleicht nützlich, schon mal auf einige Argumente einzugehen.

In seinem Schreiben an mich, das zugleich der Leserbriefredaktion der „Welt“ zur Veröffentlichung zuging (es ist aber leider dafür viel zu lang), kritisiert Eberhard Seidel: „Sie werfen uns weiterhin vor: ‚Der Massenmord an den europäischen Juden wird, weil er so gar nicht in dieses simple antiimperialistische Schema passt, ganze zweimal – in je einem Satz – erwähnt. Überhaupt wird der Antisemitismus verharmlost.’ Herr Posener, sie hätten es besser wissen können. Alleine in dem Kapitel „Geschichte des Rassismus“ das acht Druckseiten umfasst und die Zeit von der Antike bis 1945 kursorisch behandelt, nimmt das Unterkapitel „Rassismus des Nationalsozialismus“ (Seite 21) zwei Seiten ein.“ Es folgen die zwei Seiten in Kopie, die ich unten kursiv nachdrucke.

Stellen wir zunächst fest, dass auch nach Seidels Angaben die Nazi-Zeit ganze zwei von 71 Seiten umfasst. Wenn Sie diese Seiten lesen, werden Sie feststellen, dass der Massenmord an den europäischen Juden in der Tat ganze zwei Mal – nämlich im ersten und im letzten Satz – erwähnt wird:

 

„Zwischen 1933 und 1945 schufen die Nationalsozialisten in Deutschland ein umfassendes rassistisches Gesellschaftsmodell. Die systematische und industrielle Ermordung von JüdInnen, Sinti und Roma, sowjetischen Kriegsgefangenen, PolInnen u.a. sowie der brutale Einsatz von mehr als sieben Millionen ZwangsarbeiterInnen als Sklaven für die deutsche Gesellschaft während des Krieges waren monströse, durch Rassismus motivierte Verbrechen.

 

Sie haben durchaus mit dem Kolonialismus zu tun. Viele Deutsche hatten nach dem Verlust der Kolonien im Zuge der Niederlage im Ersten Weltkrieg 1918 und während der Weimarer Republik und der Nazidiktatur das Gefühl, im Gerangel um die Kolonien in Afrika und andernorts zu kurz gekommen zu sein. Tatsächlich währte die Ära des deutschen Kolonialismus im Vergleich zu anderen europäischen Nationen relativ kurz, rund 35 Jahre lang – von 1884 bis 1919. Die Nationalsozialisten knüpften mit der Besetzung fast aller Länder Europas während des Zweiten Weltkrieges an den Kolonialismus an. Deutschland übernahm dabei das Konzept des überseeischen Kolonialismus und der Versklavung von Afrikanern und übertrug es auf die Europäer.

 

Namentlich die Slawen, also vor allem Polen und die Bürger der Sowjetunion sowie die europäischen Juden galten den Nationalsozialisten als Untermenschen und waren für die Versklavung und Vernichtung vorgesehen. Die Rechtfertigungen für die Unterwerfung, Versklavung und Ermordung von Millionen Menschen in den besetzten Gebieten haben sich nicht erst die Nationalsozialisten ausgedacht. Die rassistischen Grundlagen dieser Politik waren schon Jahrzehnte vorher ausformuliert.

Seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert versuchten Generationen von Anthropologen, Medizinern, Biologen, Philosophen, Kriminologen und Historikern, die verwirrende Vielfalt der menschlichen Spezies durch die Einteilung der Menschen in „Rassen“ biologisch zu erklären und wissenschaftlich zu messen.

Scharen von Wissenschaftlern vermaßen Schädel, Nasen und Körperlängen diverser Bevölkerungsgruppen. Nach dem Ersten Weltkrieg war es nicht ungewöhnlich, über den Nutzen bestimmter „Menschenrassen“ zu diskutieren. Psychiater und Juristen erörterten das Recht zur „Vernichtung des Lebens unwerten Lebens“, wie sie es nannten. Gemeint waren damit Schwerkranke und Behinderte.

 

Keine politische Bewegung in Deutschland hat so viel Papier produziert wie die zahlreichen Splittergruppen und Sekten der völkischen Bewegung. Sie radikalisierten die gesellschaftliche Mitte in atemberaubendem Tempo. Galt es für die Mehrheit der gebildeten Bürger und Bürgerinnen um 1890 noch als anrüchig, sich antisemitisch zu äußern, so gehörte der Antisemitismus kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 schon zum guten Ton konservativer Eliten in Deutschland. Vor allem Richter, Juristen und Ärzte bereiteten dem deutschen Antisemitismus die Bahn. Alte antijüdische Vorurteile vom Finanzjudentum und der Verschwörung zur Erreichung der Weltherrschaft wurden wieder aufgegriffen und in ein geschlossenes „Rassenkonzept“ integriert. „Der Jude“ wurde zum Inbegriff des Dämonischen und abgrundtief Bösen.

 

Kultur besaß nur der „nordische Herrenmensch“. Jener sei besonders kreativ, habe eine niedrige Kriminalitätsrate, ein Bedürfnis nach Eroberungen und sei zur Weltherrschaft auserkoren, während z.B. der „ostische Mensch“ als bäuerlicher Typ sich nach einem bescheidenen und mit weniger Rechten versehenen Leben unter „arischer Führung“ sehne. Juden und „Zigeuner“ galten in dieser Logik als gefährliche „Gegenrassen“, die man bekämpfen und ausgrenzen musste. Rassentheoretiker lieferten die Deutungen und Definitionen für alle Lebensbereiche. Mit ihren Lehrwerken, Schriftenreihen, Reiseberichten, Fachzeitschriften und Sammelbänden zur Rassenkunde füllten sie zahlreiche Forschungsbibliotheken und Archive. Ob man als Bauer oder Stadtbewohner lebte, sich klassenkämpferisch oder soldatisch gab oder eine Karriere als Krimineller oder Beamter verfolgte – alles wurde während des Nationalsozialismus „rassisch“ begründet.

 

Die Nationalsozialisten haben im mörderischen Spiel um „Rasse, Blut und Gene“ nichts substanziell Neues erfunden. Ihr politisches Erfolgsrezept bestand darin, während der Zeit der Weimarer Republik die rassistischen Ideen und Akteure der deutschen Gesellschaft geschickt zusammengeführt und radikalisiert zu haben. Rassismus wurde nun zum Maß von Recht und Gesetz.

Nach 1933 hatten insbesondere die Berufsgruppen der Lehrer, Ärzte, Juristen und Journalisten die Aufgabe, das gesammelte rassistische Wissen in Schulen und Hochschulen, Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Justiz, Medien, Kunst und Kultur zu tragen. Die gesamte Gesellschaft sollte nach rassistischen Prinzipien erfasst und neu geordnet werden.

 

Zentral war ein radikaler Antisemitismus: Die Vorstellung, dass die „arische Rasse“ mit einer vermeintlich „jüdischen Rasse“ in einen Kampf auf Leben und Tod verstrickt sei, fand ihren rechtlichen Ausdruck in den Nürnberger Gesetzen von 1935 (‚Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre‘ und ‚Reichsbürgergesetz‘), mit denen die Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Gesellschaft rechtlich legitimiert und die fast vollständige Vernichtung des europäischen Judentums erst möglich wurde.“

 

Vieles von dem, was auf diesen zwei Seiten steht, ist ja richtig. Was aber vor allem auffällt, ist eben das, was ich ein „simples antiimperialistisches Schema“ genannt habe. Weil „viele Deutsche“ das Gefühl hatten, beim Gerangel um die Kolonien zu kurz gekommen zu sein, hätten sie „das Konzept des überseeischen Kolonialismus und der Versklavung von Afrikanern einfach auf Europa übertragen.“

Es folgt dann die Aussage, dass besonders die Slawen und Juden zur Versklavung und Vernichtung – analog den „Afrikanern“, nehme ich an – vorgesehen gewesen seien.

Abgesehen davon, dass es selbst in den schlimmsten europäischen Kolonien – den afrikanischen Besitzungen der Belgier und Franzosen – seit Anfang des 19. Jahrhunderts keine Sklaven gab, und dass eine systematische „Vernichtung“ der „Afrikaner“ nie Politik irgendeiner europäischen Macht war; abgesehen davon, dass – im Gegenteil – die britische Marine im gesamten indischen Ozean während des gesamten 19. Jahrhunderts Jagd auf arabische Sklavenhändler machte, ihre erbärmliche menschliche Fracht befreite und den Unglücklichen – etwa – auf den Seychellen eine neue Existenz ermöglichte; abgesehen also von der Geschichtsklitterung, die den Vernichtungs- und Unterwerfungskrieg der Deutschen im 20. Jahrhundert als bloße Variante des Kolonialismus darstellt, womit er im Grunde genommen verniedlicht wird, abgesehen davon, ist es schlicht und einfach unsinnig, den Holocaust abzuleiten aus dem Gefühl „vieler Deutscher“, in Sachen Kolonien zu kurz gekommen zu sein.

Niemals war es Ziel nationalsozialistischer „Judenpolitik“, die Juden sozusagen als Kolonialvolk zu halten und auszubeuten. Ja, es stimmt, die Autoren des Hefts schreiben auch: Alte antijüdische Vorurteile vom Finanzjudentum und der Verschwörung zur Erreichung der Weltherrschaft wurden wieder aufgegriffen und in ein geschlossenes „Rassenkonzept“ integriert. „Der Jude“ wurde zum Inbegriff des Dämonischen und abgrundtief Bösen.

Das klingt zunächst richtig. Aber es handelte sich beim Antisemitismus der Nazis eben nicht darum, dass „alte jüdische Vorurteile wieder aufgegriffen“ wurden; schon gar nicht wurden diese „alten Vorurteile“ in ein „geschlossenes Rassenkonzept integriert“. Vielmehr war es so, dass die Vorstellung, „der Jude“ beute „den Deutschen“ aus, habe es auf sein Leib und Leben abgesehen, stecke als „Wallstreetjude“ und „Kremljude“ hinter den Hauptfeinden der Deutschen und der Menschheit, Kapitalismus und Kommunismus, hinter Sozialismus, Liberalismus, Materialismus, Relativitätstheorie und so weiter und so fort – vielmehr war es so, dass diese Vorstellung, der Arier sei Opfer des überlegenen Juden, ganz und gar nichts zu tun hatte mit dem Kolonialismus und der paternalistischen Vorstellung edler Wilder oder unterlegener Kinder zu tun, die Anfang des Jahrhunderts herangezogen wurde, um die fortgesetzte Herrschaft der Europäer über ihre Kolonien zu rechtfertigen.

Die Vorstellung, dass die „arische Rasse“ mit einer vermeintlich „jüdischen Rasse“ in einen Kampf auf Leben und Tod verstrickt sei, wird ja auch gegen Ende des Textes beschworen. Wie das aber gemeint und begründet war; wie sich dieser „eliminatorische Antisemitismus“ vom milden Antisemitismus unterschied, den es durchaus auch in den USA und Großbritannien, in Frankreich und Italien gab – all das wird nicht erklärt; eben weil es nicht in das „simple antiimperialistische Schema“ passt, dem das Heft verpflichtet ist.

Und das hat eben doch Methode. Denn der starke und wachsende Antisemitismus unter Arabern, Türken, Russen, Polen und anderen Zuwanderergruppen hat eben auch nichts mit dem Kolonialismus zu tun; er entspringt ja auch oft nationalsozialistischen Quellen („Mein Kampf“ ist in all diesen Ländern ein Bestseller); und mit der Dämonisierung Israels, dem man ja nicht, was durchaus diskutierbar wäre, eine gewisse Sturheit vorwirft, sondern – wie es auch Günter Grass und Jakob Augstein getan haben – im Grunde die Manipulierung und Gefährdung der gesamten westlichen Welt, ist der Antisemitismus in neuem Gewand wieder entstanden; wie denn der Antisemitismus seinerseits die Fortsetzung des christlichen Antijudaismus im „wissenschaftlichen“ Gewand war. Freilich ist vom Antizionismus ebenso wenig die Rede wie vom Zionismus; das Wort „Israel“ fällt an keiner Stelle; und obwohl viele Seiten des Hefts dem heldenhaften antikolonialen Kampf der unterdrückten Völker gewidmet sind, wird der Kampf der Juden in Palästina für nationale Selbstbestimmung gegen die Briten konsequent beschwiegen.

Das sind keine Trivialitäten.

Das sind keine Flüchtigkeitsfehler.

Das könnte auch Eberhard Seidel „besser wissen“; und weiß es wohl auch besser; anders kann ich mir sein Schweigen auf meine Aufforderung hin, sich meiner Kritik in einer öffentlichen Diskussion zu stellen, nicht erklären.

 


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69 Gedanken zu “„Rassismus erkennen & bekämpfen“;”

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    APo: Sagen wir statt Rassismus “gruppenbezogene Vorurteile”, damit wir auch jenen Rassismus in den Blick bekommen, der sich nicht gegen eine “Rasse”, sondern z.B. gegen eine Religion richtet

    … aber warum eigentlich so ‚kompliziert‘? … Machtausübung gegen Sinn und Verstand. Gegen Menschen. Wie wäre es damit?

    ‚ … Dann wird der Euro nicht nur die europäische Idee im Kern zerstören und weiter einen Keil zwischen die Völker treiben, sondern auch noch unseren aller Wohlstand auffressen. Eigentlich wurden, um genau das zu verhindern, Gesetze beschlossen, die nun am laufenden Band von oberster Stelle gebrochen werden. Ein Skandal! Es wundert uns sehr, dass nicht Millionen auf der Straße sind und dagegen protestieren. Selbst ein Bahnhof in Stuttgart schafft es, 100.000 Menschen auf die Straße zu bringen. Wenn unsere Demokratie ausgehebelt wird, sollten die Straßen in ganz Deutschland und in ganz Europa voll mit empörten Menschen sein.‘

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    @ Alan Posener
    Dämonische Ansichten ist ein harter Ausdruck. Wenn ich mich umsehe, ist die Mehrzahl aller Bürger relativ gleichgültig gegenüber Israel. Wenn sie denn plötzlich mit einer drastischen Frage konfrontiert werden wie einem Nazivergleich, den irgendwelche Linken einst in die Welt gepustet haben, sagen sie möglicherweise auch in Unkenntnis, ja, genauso sei es. 150 Mio halte ich für zu hoch gegriffen. Das wäre ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. „Dämonische“ Ansichten, ein Ausdruck, der an blood libel erinnert, sind m.E. seltener. Allerdings tragen etliche Medien dazu bei wie auch scheinbar wohlmeinende Organisationen, auch Kirchen, wenn solche Ansichten unreflektiert in vielen Köpfen im Unterbewusstsein abrufbar sind.

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    Kein Zufall, dass sich Horst Mahler in Michel Friedmans legendärem Vanity Fair-Interview ausgerechnet auf das Johannesevangelium beruft (Er benennt es nicht, sondern zitiert es). Liegt nicht allein am durchgeknallten Mahler, sondern an der widerwärtigen Polemik gegen Juden, die dort Jesus in den Mund gelegt wurde.

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    Kein Zufall, dass sich ausgerechnet Horst Mahler in Michel Friedmans legendärem Vanity Fair-Interview ausgerechnet auf das Johannesevangelium beruft(Er benennt es nicht, sondern zitiert es). Liegt nicht allein am durchgeknallten Mahler, sondern an der widerwärtigsten Polemik gegen Juden, die dort Jesus in den Mund gelegt wurde.

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    Letzten Sommer hatte ich ein langes Gespräch mit meinem Onkel (klar in Serbie). Ich hatte ihn so weit, Israel als normales Land mit normalen Menschen zu sehen. Ok, die Israelis sind normal, weil, wenn Juden keine „Juden“ unter sich haben, weil ja alle Juden sind, ja eigentlich alle normal sein müssten. Es ist also theoretisch möglich, dass Tel Aviv eine normale Stadt mit normalen Bewohnern ist. Juden unter Christen? Pfui, den Mord an Christus kann er ihnen nicht verzeihen. Nur wenn Juden ohne Christen in Tel Aviv normal sind, könnte es doch auch an den Christen liegen. Stevo! Ich sage es dir nochmal ganz langsam: Die haben Jesus umgebracht! Aber der war doch auch Jude. Vielleicht war er ja aus Tel Aviv…

    Das Gespräch hätte ich aufnehmen sollen. Er ist überhaupt nicht bösartig, nur Juden sind Christusmörder, das steht fest wie die Jahreszeiten. Wenn ich nicht einen Faible für Daniil Charms hätte, hätte ich bei dem Gespräch Nasenbluten bekommen.

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    Lieber Herr Posener: bitte genauer lesen (ich heiße KAUSE) und auch verstehen wollen.Um „Kolonialismus schlechthin“ im Sinne von Hitlers „Indien“ wird es mir ja wohl nicht gehen. Habe auch nichts gegen die Ergänzung anderer Stichworte.Ich meine den Aspekt:
    Rosenberg hat an das kolonialistische Konzept,das ihm als Baltendeutschen (wie meinen Eltern) identitätsstiftend war, in der Nachfolge Chamberlains und anderer,auch nach seinen Erfahrungen mit der russ. Rev. den eliminatorischen Aufruf angehängt.Das ist die Nahtstelle. Rosenberg folgte mit seinem „Mythus“ durchaus einer kolonialistischen Logik, obwohl einst in Lettland Deutsche und Juden mit herzhaften Vorurteilen zusammenlebten wie in vielen Vielvölkerstaaten des Ostens. In einer kolonialistsichen Situation im „Warthegau“, der „blonden Musterprovinz“ kam es zum moralischen Dammbruch.
    Hitler machte keinen „Denkfehler“, er nutzte das ideologische Muster des K..
    Versuche das seit zwei Jahren über 500 S. auszubreiten.

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    Dieter Wal: “sind Jesus und seine Anhänger von Apachen gekreuzigt oder verfolgt worden?”

    @ derblondehans: Nein. Von Römern. Juden kreuzigten niemand, sondern wurden von Römern gekreuzigt. Muss schwierig sein, den Unterschied wahrzunehmen.

    … vielen Dank für Ihre Aufklärung … aber woran erkennen Sie, dass ich den Unterschied nicht wahrnehme?

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    Aus einem Interview mit Manfred Gerstenfeld, Autor eines neuen Buchs, „Demonizing Israel and the Jews“:

    HR: In your new book Demonizing Israel and the Jews, you state that more than 150 million adult citizens of the European Union hold a demonic view of Israel and that this resembles the diabolical view many people in the Middle Ages had of Jews. What do you mean by that?

    MG: The core element of anti-Semitism for almost two millennia has been that Jews represent “absolute evil.” The notion what absolute evil is, has changed over the centuries. Many Christians falsely claimed that the Jews had killed God’s alleged son – the worst thing imaginable in their minds. For the Nazis, absolute evil was if people were sub-human, vermin, bacteria and so on in their eyes. After the Holocaust, the worst thing possible now is to commit genocide, or to behave like the Nazis did.

    HR: What is your book’s statement that more than 150 million EU citizens have a demonic view of Israel based upon?

    MG: Various studies asked respondents whether they agree with statements such as, “Israel is conducting a war of extermination against the Palestinians,” or “Israel behaves toward the Palestinians like the Nazis did toward the Jews.” Studies in seven E.U. countries confirm that about 40% or more people there hold such demonic views. Similar studies confirm this for the non-E.U. countries Norway and Switzerland. Several other studies also show strongly negative views of E.U. citizens about Israel.

    http://honestreporting.com/the.....te-israel/

  9. avatar

    „sind Jesus und seine Anhänger von Apachen gekreuzigt oder verfolgt worden?“

    @ derblondehans: Nein. Von Römern. Juden kreuzigten niemand, sondern wurden von Römern gekreuzigt. Muss schwierig sein, den Unterschied wahrzunehmen.

  10. avatar

    Lieber Herr Krause, das deutsche Verhalten beim Herero-Aufstand in Deutsch Süd-West (Namibia) und übrigens auch die, sagen wir: tätige Mitwisserschaft der deutschen Militärs in der Türkei beim Genozid an den christlichen Armeniern dürfen nicht verallgemeinert werden zu einem Bild des Kolonialismus schlechthhin. Genausowenig wie der eliminatorische Antisemitismus der Nazis gleichgesetzt werden darf mit dem milden Antisemitismus, der auch in den USA und Großbritannien im 20. Jahrhundert durchaus verbreitet war (oder mit dem Antisemitismus eines Jakob Augstein heute). Differenzierung ist notwendig. Und für uns Deutsche die Frage nach den gemeinsamen Wurzeln dieser Erscheinungen. Stichworte: „autoritärer Charakter“, „verspätete Nation“ usw.
    Gewiss, Hitler sagte: „Russland und die Ukraine werden unser Indien sein.“ Aber er hatte eben völlig verkannt, was Indien für das Empire war. Wie kam das? Da kann man sich nicht mit einem allgemeinen Begriff (oder eben: Nicht-Begriff) des Kolonialismus oder Imperialismus herauswinden,weil man dann den gleichen Denkfehler begeht wie Hitler.

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    Ich empfehle allen an der Diskussion Beteiligten (vor allem Herrn Posener) dringend die Lektüre von „Peter Moors Fahrt nach Südwest“ von Herbert Frenssen, ersch. 1906.Hier wird in aller Deutlichkeit gesagt, wozu Deutsche verpflichtet sind gegenüber denen, die einer arischen Vervollkommnung der Welt hinderlich sind.

    Dazu hat der Leutnant dem jungen Marinesoldaten zum Schluß einen Vortrag..

    Hitlers „Lebensraumgewinnung“ im Osten berief sich auf das kolonialistische Modell.
    Rosenberg, Himmler und Hitler sahen dabei die Möglichkeit der endgültigen „Lösung der Judenfrage“.
    (Himmler: als „Partisanen behandeln). Der Holocaust begann mit diesen Erschiessungen. Er explodierte, als durch die Ghettoisierung für die NS-Verwaltung weitere Probleme entstanden. Folge war das erste Vernichtungslager Kulmhof.
    Ich staune, was A. Posener für Vorstellungen vom „paternalistsichen Kolonialismus“ hat. Der Kolonialismus ist ganz wesentlich mit eine zum Holcaust führende Denk- und Handlungsform.

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    @ Alan Posener: Danke für das interessante Lüdemann-Zitat. Jürgen Roloff dazu in seiner „Einführung in das Neue Testament“, Reclam: „3.3. In 2,14-16 kommt es aus Anlaß des Rückblicks auf die den Aufenthalt in Thessalonich belastenden Erfahrungen zu einer heftigen polemischen Äußerung gegen die Juden, die „den Herrn Jesus getötet haben und die Profeten und uns verfolgt haben“ und „allen Menschen feindlich sind“; auf sie sei „der Zorn Gottes zum Ende hin“ gekommen. Das ist natürlich kein moderner Antisemitismus. Der Vorwurf ist vielmehr zentral, daß die Juden die Völkermission verhindern wollen und damit Gottes Absicht in den Arm fallen. In ihm spricht Paulus affektbetont und emotional. Ähnliches hat er später nicht mehr wiederholt (vgl. Röm 9-11).“ S. 102f

    Auf der S. 99: „3.2.3. Auch die Aussagen über das jüdische Volk schwanken zwischen heftigen polemischen Ausfällen (1 Thess 2,14-16) und der Hoffnung auf die endgültige Rettung von „ganz Israel“ (Röm 11,25-32).

    Man wird angemessenerweise von einer Konstanz im Wandel sprechen müssen. Die paulinischen Briefe dokumentieren ein ständiges Fortschreiten im Denken, zugleich mit dem Eingehen auf konkrete Situationen.“

    Dem Schlusssatz Roloffs „Ähnliches hat er später nicht mehr wiederholt (vgl. Röm 9-11).“ entnehme ich ein indirektes Eingeständnis, dass besagte Pauluspolemik jede Grenze überschritt, für christliche Theologie untragbar und unwürdig sei. Nur direkt formulierte er es leider nicht. Aus der Summe bei Lüdemann, Wikipedia und Roloff kann man ein uneinheitliches Bild des pharisäischen Schriftgelehrten über Juden entnehmen, das von total bescheuerten Polemiken nicht zurückschreckt, bis verantwortungsvollem Schreiben zum Thema reicht. Sie haben völlig korrekt geschrieben:

    “Das Vorurteil gegen die Juden existierte schon in der Antike, wo es keinen Rassenbegriff gibt, und wird von Paulus – selbst “ethnisch” als Jude geboren und, wie er selbst sagt, “dem Gesetz untertan” – gegen die Juden mobilisiert.”

    Unter welche Voraussetzungen antijüdische Polemiken im NT teilweise entstanden, erklärte mir einmal Gerd Lüdemann folgendermaßen: Z. B. unter dem Einfluss von Synagogenausschlüssen der Jerusalemer Urgemeinde. Zöge man Äußerungen sogen. ‚Rosenkriege‘ vergleichsweise heran, wäre man in unmittelbarer Nähe ähnlicher Polemiken.

    Buch Esther kam mir auch in den Sinn als momumentales hebräisches Märchen und aussagekräftiges Textzeugnis für Judenfeindschaft. Ich liebe dieses Buch besonders in sprachlicher Hinsicht.

    Über Judenfeindschaft im NT bis zu antisemitischer protestantischer Theologie („Deutsche Christen“) im „Dritten Reich“ sollte noch oft und ausführlich geschrieben werden.

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    @ Stevanovic: Apropos „negern“: Als mein Vater Mitte der 20er Jahre Arbeit als Zeichner in Pariser Architekturbüros suchte, hießen die Zeichner „nègres“. Er berichtet, wie ein Architekt, der ihn anheuerte, nach hinten ins Büro rief: „J’ai ici un jeun nègre boche.“Ich habe hier einen jungen deutschen Neger.“ (Später, als die Nazis in Deutschland an der Macht waren und mein Vater Emigrant war, schlug ihm Feindseligkeit entgegen, weil er Mitglied einer „conspiration judéo-boche“ sei, einer „jüdisch-deutschen Verschwörung“ zur Unterwanderung Frankreichs.)

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    Wie lange sich so was hällt:

    http://de.verschwoerungstheori.....k%C3%A4fer

    Das wurde mir in Jugoslawien 1980 in der Schule so erzählt. Kartoffelkäfer sind eine Züchtung der CIA.

    „Übrigens auch in Ländern (wie etwa Polen oder dem Baltenstaaten), die überhaupt keine Kolonien hatten und die darum höchstens abstrakt mit dem Rassismus etwa gegen Schwarze zu tun hatten.“

    Hart arbeiten für wenig Geld heißt im Balkan umgangssprachlich crnciti (gesprochen: zrntschiti), „moram crnciti“ heißt „ich muß negern“.“Nisam crnja!“, „ich bin kein Neger“ = mach ich nicht (im Sinne: unter meiner Würde). Die sexuellen Wendungen erspar ich mir.

    99% haben noch nie einen Schwarzen gesehen.

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    … pardon, Korrektur

    APo: Der älteste christliche Text überhaupt ist der Thessalonicherbrief, also der Brief des Paulus an die Gemeinde im heutigen Saloniki.Er schreibt dort (2,14ff) von den “Juden, die sogar den Herrn töteten, Jesus, als auch die Propheten und uns heftig verfolgten und Gott nicht gefallen und allen Menschen feindlich sind” …

    Da die Gemeinde die Verkündigung des Apostels als Gottes Wort angenommen hat, kann sie in den Bedrängnissen bestehen, die sie von ihren Mitbürgern erleiden muss. Das stellt die Adressaten den Gemeinden in Judäa gleich, die ihrerseits von den Juden verfolgt werden. Paulus benutzt hier traditionelle Topoi der innerjüdischen Gerichtspredigt und des antiken Antijudaismus, um die Schuld der Juden zu beschreiben. Es ist fraglich, ob er mit dieser harten Polemik andeuten will, dass auch in Thessalonich die Juden Urheber der Verfolgung seien.

    Wir müssen uns also der Problematik der paulinischen Argumentation stellen und sie etwa an Röm 11,31f. messen.‘

    … und? … sind Jesus und seine Anhänger von Apachen gekreuzigt oder verfolgt worden?

    Jeder Mensch steht als Einzelner vor Gott. Sünde wird immer nur von Einzelnen begangen. Auch wenn viele zusammen und zugleich sündigen, ist die Sünde stets nur existent als Verfehlung des Einzelnen oder eben vieler Einzelner.

    Wer spricht von Kollektivschuld? Paulus jedenfalls nicht.

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    APo: Der älteste christliche Text überhaupt ist der Thessalonicherbrief, also der Brief des Paulus an die Gemeinde im heutigen Saloniki.Er schreibt dort (2,14ff) von den “Juden, die sogar den Herrn töteten, Jesus, als auch die Propheten und uns heftig verfolgten und Gott nicht gefallen und allen Menschen feindlich sind” …

    Da die Gemeinde die Verkündigung des Apostels als Gottes Wort angenommen hat, kann sie in den Bedrängnissen bestehen, die sie von ihren Mitbürgern erleiden muss. Das stellt die Adressaten den Gemeinden in Judäa gleich, die ihrerseits von den Juden verfolgt werden. Paulus benutzt hier traditionelle Topoi der innerjüdischen Gerichtspredigt und des antiken Antijudaismus, um die Schuld der Juden zu beschreiben. Es ist fraglich, ob er mit dieser harten Polemik andeuten will, dass auch in Thessalonich die Juden Urheber der Verfolgung seien.

    Wir müssen uns also der Problematik der paulinischen Argumentation stellen und sie etwa an Röm 11,31f. messen.‘

    … und? … sind Jesus und seine Anhänger von Apachen gekreuzigt oder verfolgt worden?

    Jeder Mensch steht als Einzelner vor Gott. Sünde wird immer nur von Einzelnen begangen. Auch wenn viele zusammen und zugleich sündigen, ist die Sünde stets nur existent als Verfehlung des Einzelnen oder eben vieler Einzelner.

    Wer spricht von Kollektivschuld? Paulus jedenfalls nicht.

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    Ob Versklavung die Norm des Kolonialismus war, weiß ich nicht; ein häufiger Effekt war sie auf alle Fälle. Und es gab eben Massenmorde in einer Größenordnung, wie sie in Europa bis dato nie vorgekommen sind. Wer „dort“ der Eigentümer oder rechtmäßige Herrscher war, hat die Kolonialisten absolut nicht interessiert.
    Überhaupt: das „dort“ vs. das „hier“. Die Welt wurde aufgeteilt in ein „Drüben/Fremde/Wildheit/Gefahrenzone/Raub- und Arbeitstiere“ auf der einen und ein „Hüben/Heimat/Menschheit/Zivilisisation/unsterbliche Seelen“ auf der anderen Seite.
    „Dort“ war Afrika, nicht nur ein anderer Kontinent, fast ein anderer Planet; dort galten andere Gesetze. Nur leider hat man diese Gesetze dann irgendwie mit den Schiffen nach Europa importiert, wie eine Tropenkrankheit. Im Zusammenschluss mit den hiesigen Ressentiments entstand daraus in Deutschland eine mörderische Mischung.

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    @Alan Posener: Ich glaube, hinter der pseudowissenschaftlichen „Aufladung“ durch die Rassentheorie steckt mehr als das modische Verpacken alter Ressentiments in einem modernen Kleid. Der Rassismus ermöglichte die eliminatorische Radikalisierung; er bildet dafür eine Voraussetzung und eine Innovation. Man muss erst seine Rasse von der anderen Rasse abtrennen, damit man die andere Rasse derart ausradieren kann.

    Oder umgekehrt: Wenn man der Meinung ist, die Juden hätten lediglich eine schlechte Religion/Kultur bzw. wären ein ursündiges Volk, dann kann man vielleicht ein paar zünftige Pogrome, aber keinen flächendeckenden, industrialisierten Genozid organisieren. Dazu benötigt man den Rassismus. Dieser trennt einen und seinesgleichen substanziell von denen und ihresgleichen ab. Durch den Rassismus wurden die Juden sozusagen zu Aliens, die einen existenziell und prinzipiell bedrohen, die man also töten kann bzw. sogar muss.

    Und der Rassismus kam mit den Schiffen der Kolonialisierung nach Europa (bzw. wurde von ihr wesentlich verstärkt). Man hat lange und ernsthaft überlegt, ob die „Wilden“, denen die Seefahrer auf ihren Entdeckungsreisen begegnet sind, überhaupt Menschen sind und nicht vielmehr affenähnliche Tiere. Erst kam die Entdeckerlust, dann der mythische Goldrausch, dann die Eroberung, dann die Versklavung und manchmal eben auch der finale Massenmord. Alldies wussten auch die Staatsbürger der Staaten, die selber keine Kolonien gebildet haben.

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    @ Dieter Wal: Der älteste christliche Text überhaupt ist der Thessalonicherbrief, also der Brief des Paulus an die Gemeinde im heutigen Saloniki.Er schreibt dort (2,14ff) von den „Juden, die sogar den Herrn töteten, Jesus, als auch die Propheten und uns heftig verfolgten und Gott nicht gefallen und allen Menschen feindlich sind“ …
    Wie Gerd Lüdemann in seiner Auslegung des Briefs (zu Klampen, 2012) feststellt, ist die Anklage, die Juden häten die Propheten getötet, Teil der innerjüdischen Diskussion; die Anklage, sie würden Gott nicht gefallen und seien allen Menschen feindlich, ist hingegen Teil der heidnisch-antijüdischen Tradition, die (das füge ich jetzt hinzu) man nach heutigen Kritierien rassistisch nennen würde. So schreibt Tacitus, dass „unter ihnen selbst hartnäckige Solidarität herrscht …, während sie gegen alle anderen feindseligen Hass hegen“. Lüdemann schreibt: „Paulus hat die grobe traditionelle Judenpolemik mit voller Absicht in seinen Briefg aufgenommen …, (um) ein paganes Ressentiment gegen die Juden absichtlich zur Geltung“ zu bringen“.
    Das Buch Esther belegt, dass Judenfeindlichkeit auch im persischen Großreich existierte.
    @ Roland Ziegler: Es ist also wenig hilfreich, den „Rassenantisemitismus“ vom jahrtausendealten Ressentiment abzutrennen, weil der Begriff der „Rasse“ lediglich benutzt wurde, um das vorhandene Ressentiment „wissenschaftlich“ aufzuladen. Übrigens auch in Ländern (wie etwa Polen oder dem Baltenstaaten), die überhaupt keine Kolonien hatten und die darum höchstens abstrakt mit dem Rassismus etwa gegen Schwarze zu tun hatten.
    Übrigens gab es Kolonialismus und Kolonialismus, Imperialismus und Imperialismus. mehr in meinem Buch „Imperium der Zukunft“; aber so zu tun, als sei Versklavung und Vernichtung die koloniale Norm im 19. oder gar im 20. Jahrhundert, ist wirklich Geschichtsklitterung.

  20. avatar

    Ich denke, dass Rassismus auch ohne Rassenbegriff auskommt und deshalb eine Erscheinung quer durch die Menschheitsgeschichte darstellt. Wenn ein Volk X über ein Volk Y sagt, das seinen alles keine Menschen so wie sie, sondern wesensmäßig andersartig; schlimme Unwesen, die man umbringen solle; und sie seien erkennbar an einem äußerlichen Merkmal (Wohnort, Federschmuck, Gescihtsform…), dann handelt es sich um einen eliminatorischen Rassismus auch ohne (expliziten) Rassenbegriff.

  21. avatar

    @KJN: Man sollte in so einer Broschüre in jedem Fall unterstreichen, dass Rassismus nicht etwas genuin Europäisches ist, sondern alle Zeiten und Kulturen gleichermaßen betrifft. Auch mitten im Dschungel, unter zwei indigenen Völkern, die noch nie etwas von Europa gehört haben, gab (u. gibt es womöglich noch immer) es rassistische Genozide.

    Eine solche Kritik fände ich berechtigt, sofern sie auf die Broschüre zutrifft. Es wäre übrigens eine Kritik am Eurozentrismus, d.h. eine „linke“ Kritik 🙂

  22. avatar

    APo: Sagen wir statt Rassismus “gruppenbezogene Vorurteile”, damit wir auch jenen Rassismus in den Blick bekommen, der sich nicht gegen eine “Rasse”, sondern z.B. gegen eine Religion richtet

    … genau. Hier ganz konkret. … gern noch mehr, wenn Sie mögen.

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    „Das Vorurteil gegen die Juden existierte schon in der Antike, wo es keinen Rassenbegriff gibt, und wird von Paulus – selbst “ethnisch” als Jude geboren und, wie er selbst sagt, “dem Gesetz untertan” – gegen die Juden mobilisiert.“

    @ Alan Posener: Bitte, wo bei Paulus? Hatte es wie bei Wikipedia beschrieben in Erinnerung.

    „Paulus von Tarsus, der Begründer der Völkermission, sah Jesu stellvertretende Schuldübernahme als Erfüllung des Bundes Gottes mit dem erwählten Volk Israel. Dieser Bund sei nie gekündigt worden und der unaufgebbare Existenzgrund der Kirche. Er warnte judenfeindliche Christen in Rom, diese Wurzel zu leugnen und so ihr eigenes Heil zu verlieren (Röm 9–11 EU). Sein Römerbrief (um 50) gilt daher als ältestes Zeugnis gegen christlichen Antijudaismus.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Antijudaismus

  24. avatar

    APo: … dies zu einem Zeitpunkt, da es deshalb gegenüber Nicht-Europäern kaum Rassismus gibt, da die Europäer kaum andere Völker kennen.

    … mal abgesehen von den antik-griechisch und römischen Imperien, oder Marco Polo und andere, sind andere Völker in ‚präkolumbischer‘ Historie den Europäern sehr ‚wohl‘ in Erinnerung; ausreichend bekannt durch die Eroberungsgelüste der Mohammedaner auf den Kontinent, beginnend im 8. Jahrhundert über die Iberischen Halbinsel bis hin zur Belagerung Wiens im 17. Jhd.. Beispielsweise.

    Wer bietet mehr?

  25. avatar

    @Roland Ziegler
    „Deshalb die Frage an Sie: Was macht die Broschüre in Ihren Augen so “daneben”?“
    Das Schema Imperialismus => Rassismus, bzw. schlimmer: Der in Kauf genommene Umkehrschluss Imperialismus wäre per se rassistisch. Es ist die für Linke typische Anfälligkeit zur Projektion, die mich hier so deutlich hat werden lassen. Zugespitzt: Die bösen Kolonialmächte (die da oben) haben die Kolonien (die da unten) ausgebeutet. Weiter in diesem Denkschema: Die da unten sind immer Opfer – können also nicht Täter sein. Thema erledigt. So einfach ist es aber bekanntermaßen nicht; abstruse Ideen wirken ja entlastend (die da sind schuld an meiner Misere). Bedenken Sie, diese Broschüre ist ja für Schulen und es ist nicht so gut, Kindern eine Anleitung zur Projektion zu liefern.
    Dazu nochmal der Broschürentext:
    „Viele Deutsche hatten nach dem Verlust der Kolonien im Zuge der Niederlage im Ersten Weltkrieg 1918 und während der Weimarer Republik und der Nazidiktatur das Gefühl, im Gerangel um die Kolonien in Afrika und andernorts zu kurz gekommen zu sein… Die Nationalsozialisten knüpften mit der Besetzung fast aller Länder Europas während des Zweiten Weltkrieges an den Kolonialismus an. Deutschland übernahm dabei das Konzept des überseeischen Kolonialismus und der Versklavung von Afrikanern und übertrug es auf die Europäer.“
    Eingetütet – abgehakt – Schuld zugewiesen – fertig. Denn Kolonialismus haben wir ja heute nicht mehr. Das immunisiert aber nicht gegen den Virus Rassismus – z.B. den Rassismus bestimmter „Muslime“ oder den Antisemitismus in gepflegter Form vs. (..Sie wissen schon). Linke Ideologie begünstigt Projektionen, weil „die da oben“ eben nicht immer so leicht zu fassen sind (manchmal sind wir in Form unseres Schuldenstaates, der den Finanzmarkt anschwellen lässt ja „irgendwie“ ein Teil davon). Wohlgemerkt: Nicht jede linke Aussage (die ich ja auch oft hier formuliere) ist Projektion (hoffe ich); klar, sie versucht oft Ross und Reiter zu nennen und ich denke, über gesellschaftliche und wirtschaftliche Fehlentwicklungen muss man sprechen, aber die Broschüre erfüllt so ihren Zweck nicht. Sie müsste m.E. sowas aussagen wie: Die rassistischen bzw. überhaupt eliminatorischen Rattenfänger kriegen dich da, wo du am schwächsten bist: Bei deinem Neid und deinem Frust. Also sorg‘ für dein Fortkommen und dafür daß es dir gut geht. Sowas in der Richtung, ich bin nur Amateur in solchen Sachen. ‚Rübergekommen, was ich meinte?

  26. avatar

    Rassismus bei Wikipedia:

    „Rassismus ist eine Ideologie, die „Rasse“ in der biologistischen Bedeutung als grundsätzlichen bestimmenden Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften deutet.“

    Religion und Volkszugehörigkeit spielen in dieser Definition keine Rolle. Weiter heißt es:

    „In anthropologischen Theorien über den Zusammenhang von Kultur und rassischer Beschaffenheit wurde der Begriff der Rasse mit dem ethnisch-soziologischen Begriff „Volk“ vermengt, z. B. von der „Völkischen Bewegung“ in Deutschland und Österreich.“

    Zunächst ist das Merkmal „Rasse“, das der Rassist benutzt, etwas rein Äußerliches: Farbe der Haut, Form der Augen. Da das aber derartig hirnrissig ist, dass es selbst einen Rassisten nicht befriedigen kann, holt er andere Kriterien hervor: pseudowissenschaftliche (die „Gene“) oder ethnologische (die „Kultur“). Mit „Kultur“ erreicht er dann auch den Bereich der Religion und bekommt die Möglichkeit, seinen Rassismus mit dem ursprünglich religiös motivierten Antisemitismus zu verschmelzen.

    Zumal die Rassisten sowieso keine Freunde des genauen Analysierens sind; im Zweifelsfall sagen die auch gerne mal: „Wer Jude ist bestimme ich.“ (Göring) Sie sind keine Wissenschaftler und keine Aufklärer, sondern betreiben Mimikry.

  27. avatar

    Wenn ich das so alles lese, frage ich mich, was das alles mit Ali zu tun hat, der Kevin „Toastbrot“ und Kevin, der Ali „Kümmeltürke“ nennt, zu tun hat. Zu der Initiative kann ich nicht viel sagen, kenne sie nur aus der Presse. Ob für den Rassismus auf einem Schulhof alle diese Themen relevant sind, ich bezweifle es. Ich fürchte Kevin und Ali auch. Mir sieht es eher nach Weltanschauungsunterricht aus (es ist Schule, kann nicht schaden), wo der Bogen zu der Welt der Adressaten gespannt wird, das sehe ich nicht. Wenn Kevin schwarz ist, wird Ali ihn einen Neger nennen, um ihn zu beleidigen. Das klingt nicht nach einer Frage der Geschichtstheorien. Die Broschüre sieht mir nach einer „da muss man doch (irgend) was machen!“-Initiative aus.

  28. avatar

    @Alan Posener: Ja: der Antisemitismus ist das „gruppenbezogene Ur-Vorurteil“ der Europäer. In dem Moment, wo er zu einem rassistischen Antisemitismus mutiert, muss man ihn aber durchaus als Unterart eines allgemeinen Rassismus begreifen. Wenn man das nicht akzeptieren will, darf man ihn auch nicht „rassistischen Antisemitismus“ nennen. Sonst ergibt sich ein Selbstwiderspruch.

    Und Sie haben recht: er ist von vornherein religiös aufgeladen. Diese Eigenschaft haben die Nazis verstärkt und mit dem Biologismus, durch den er rassistisch wurde, ergänzt. (Vielleicht auch noch mit einigem anderen.) Daraus entstand dann der eliminatorische rassistische Antisemitismus des Holocaust.

    Zum Thema: Die Broschüre erwähnt die religiöse Aufladung nicht, weil sie den Antisemitismus nicht thematisiert, sondern den Rassismus, und damit eben nur/in erster Linie die rassistische Komponente des Antisemitismus der Nazis.

  29. avatar

    peeka: @dbh: Sie haben gar nichts “nachgewiesen”. Natürlich kann es Rassismus auch ohne Rassen geben, aber was der Sozialismus wieder damit zu tun hat, wird wohl ihr Geheimnis bleiben …

    … sicher GenIn peeka, die Sozialisten können sogar überholen ohne einzuholen.

  30. avatar

    @ KJN: Eben.
    @ Roland Ziegler: Sagen wir statt Rassismus „gruppenbezogene Vorurteile“, damit wir auch jenen Rassismus in den Blick bekommen, der sich nicht gegen eine „Rasse“, sondern z.B. gegen eine Religion richtet. (Die Serben etwa haben die Bosniaken nicht massakriert, weilk sie genetisch andersartig seien, sondern weil es Muslime waren.) Das Vorurteil gegen die Juden existierte schon in der Antike, wo es keinen Rassenbegriff gibt, und wird von Paulus – selbst „ethnisch“ als Jude geboren und, wie er selbst sagt, „dem Gesetz untertan“ – gegen die Juden mobilisiert. Durchs ganze christliche Mittelalter hindurch „genießen“ die Juden einen Sonderstatus; dies zu einem Zeitpunkt, da es deshalb gegenüber Nicht-Europäern kaum Rassismus gibt, da die Europäer kaum andere Völker kennen. Es ist klar, dass die Haltung gegenüber den Juden eine andere war als jene gegenüber den Arabern, Afrikanern, Indern, „Indianern“ und Chinesen, denen die Europäer später verstärkt begegneten. Der Antijudaismus / Antisemitismus ist daher der „Ur-Rassismus“ für Europa, weil er eingewoben ist in den kulturellen Stoff des „christlichen Abendlands“; andererseits ist er auf eine Weise religiös aufgeladen, wie es nur noch der Islamhass ist (aber sehr viel stärker und mit viel weniger Grund, schließlich standen die Juden niemals mit einer Armee vor Wien). Deshalb kann man den Antisemitismus eben nicht begreifen als Unterart eines allgemeinen Rassismus.

  31. avatar

    KJN: Will sagen: Es sind die Enttäuschten und Frustrierten, die den abstrusen (übrigens damals als “Wissenschaft” geltenden) Ideen von Rassismus verfallen – eine Aufgabe eines Vereins gegen Rassismus wäre m.E., solches aufzuzeigen.

    … aha! … daher!

  32. avatar

    …besagte Verniedlichung des Kolonialismus gründet darin, dass über den Kolonialismus viel zu wenig nachgedacht wird. Im öffentlichen Bewusstsein ist dieses Thema fast komplett ausgeblendet. Diese Tatsache passt nicht mit dem vermeintlichen Schema zusammen, dass Ihre „Links-Einsortierung“ ermöglicht. Oder vielleicht steht das Schema (Antiimperialismus = Links) einer vernünftigen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus im Weg bzw, wird statt dieser als Platzhalter benutzt.

  33. avatar

    @KJN: Ja, was lässt so hassen, das ist eine wichtige Frage, und da gibt es keine einfachen Antworten. Man muss mehrere Aspekte kombinieren und viele verschiedene Genozide und deren jeweilige Gemenge- und Motivationslage miteinander vergleichen.

    EIN wichtiger Aspekt ist, wie in der Broschüre erwähnt, ein grundsätzlicher Rassismus, der immer vorgängig besteht und zur Vorbereitung des Genozids benutzt und irgendwie (d.h. mit verschiedenen Narrativen) vertieft wird. Ich weiß nicht, mit welchem Vorwurf z.B. die Armenier zu einer auszurottenden Rasse gemacht wurden, aber irgendwas wird es gewesen sein. Bei den Nazis spielten die Gottesmöderschaft und die biologistische „Volkshygiene“ eine Rolle. Die Nazis haben den bestehenden Rassismus und Antisemitismus aufgegriffen und mit religiösen und biologistischen Mitteln vertieft.

    Zurück zum Thema: Ich kann überhaupt nicht erkennen, was an der Broschüre „sowas von daneben“ sein soll. Im Zitat aus der Broschüre steht:

    „Die rassistischen Grundlagen dieser Politik waren schon Jahrzehnte vorher ausformuliert.“

    Das ist richtig und relevant. Weiter heißt es:

    „Sie radikalisierten die gesellschaftliche Mitte in atemberaubendem Tempo. […] „Der Jude“ wurde zum Inbegriff des Dämonischen und abgrundtief Bösen.“

    Auch das ist richtig und relevant. Die Frage ist: Wie erfolgte diese Radikalisierung der moralischen Abwertung? Warum erfolgte sie nicht in Frankreich, England usw.?

    Diese Frage ist aber nicht Thema der Broschüre. In ihr geht es nicht um den Holocaust, sondern allgemeiner um den Rassismus. Der wird im Zusammenhang mit dem Kolonialismus präsentiert, und dieser Zusammenhang ist ebenfalls relevant, jedenfalls für uns in Europa.
    Deshalb die Frage an Sie: Was macht die Broschüre in Ihren Augen so „daneben“? Und was ist daran „links“? Wenn Sie wie Herr Posener den nicht erwähnten arabischen Rassismus meinen: Wir Europäer haben uns zunächst mal um unseren eigenen Rassismus zu kümmern. Der hat genug Opfer gekostet. Finden Sie das „links“?

    Abschließend will ich nochmal darauf hinweisen, dass Kolonialismus nicht bedeutet, dass man edle Wilde mit Glasperlen übers Ohr haut. Kolonialismus bedeutet Massenversklavung und Massenmord. Die Vorstellung, der Holocaust würde verharmlost, wenn er in einen Zusammenhang mit dem Kolonialismus gerückt wird, bedeutet umgekehrt eine Verniedlichung des Kolonialismus.

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    @dbh: Sie haben gar nichts „nachgewiesen“. Natürlich kann es Rassismus auch ohne Rassen geben, aber was der Sozialismus wieder damit zu tun hat, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Denn den gab es vor 500 Jahren noch nicht.
    Ansonsten lassen sich unterschiedliche Theorien und Thesen zum Rassismus finden:
    Einleuchtend erscheint mir, dass der Rassismus mit der Bibelübersetzung kausal korreliert: Im Umkehrschluss heißt ja „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ dass derjenige, den ich nicht liebe, nicht mein Nächster sein kann, also brauche ich ein Unterscheidungsmerkmal. Nachdem Cavalli-Sforza (jun. und sen.) nachgewiesen haben, dass es wissenschaftlich nicht haltbar ist, von Rassen bei Menschen zu sprechen, gibt es meiner Beobachtung nach eine Art Postrassismus, der lediglich auf kultureller Herrenmenschheit beruht. Also ein „ich hab nichts gegen Ausländer, wenn sich sich so benehmen wie wir und unsere wunderschöne westliche Kultur annehmen, unsere Waren kaufen, in Häusern wohnen und Englisch sprechen“.
    Demnach kann dann jeder ein Herrenmensch werden, im Gegensatz zu der Zeit, als man davon ausging, dieses Herrenmenschentum sei genetisch bedingt.

    Ansonsten stimme ich Herrn Ziegler zu: Der Genozid an den Herero wird sehr gern verschwiegen, die damaligen Protagonisten tauchen weiterhin als Denkmäler oder auf Straßennamen auf.
    Und in der Gegenwart sind es vor allem Sinti und Roma, die als Minderheit durch ganz Europa gejagt und von den meisten Regierungen diskriminiert werden und die das größte Hasspotenzial bilden. Das lässt (nicht nur) Herr Posener gern unter den Tisch fallen.

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    …man sollte sich die Bewertungsskala ja nicht so vorstellen, dass sie bei Null anfängt. Null bedeutet (im mathematischen Gleichnis): kein Wert. Neutralität. D.h. Gleichgültigkeit, Achselzucken. Nutzvieh hat einen positiven Wert, wie auch Sklaven. Wenn der Sklavenhalter Herr X den Sklaven von Herrn Y tötet, muss er Herrn Y einen Schadensersatz zahlen (nicht etwa der Familie des Sklaven; die hat als Institution den Wert Null). Die Juden haben von den Nazis – wie in allen Genoziden – einen negativen Wert verpasst bekommen: Deshalb galt es als „gut“, Juden aufzuspüren, damit sie getötet werden. Deshalb lachen viele Mörder auch so feist auf den Bildern: sie glauben in ihrer Verblendung, das moralisch Richtige zu tun. Sie haben kein schlechtes Gewissen, sind aber auch nicht gewissenlos, wie viele glauben. Sie haben ein GUTES Gewissen.

    Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal der Nazis, sondern auch bei anderen Genoziden so (Armenier, Hereros, Tutsis, Indianer: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer“…). Man KANN keine Kinder und Frauen rassistisch und massenhaft töten, ohne zuvor eine pauschale Abwertung dieser Menschen in den negativen Bereich der Skala – d.i. der eliminatorische Bereich – vollzogen zu haben. Der religiöse Hintergrund des Antisemitismus (Ihr „Ur-Rassismus“) ist für diese zentrale Abwertung nur eine Möglichkeit unter vielen; andere Genozide haben andere Hintergründe.

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    Will sagen: Es sind die Enttäuschten und Frustrierten, die den abstrusen (übrigens damals als „Wissenschaft“ geltenden) Ideen von Rassismus verfallen – eine Aufgabe eines Vereins gegen Rassismus wäre m.E., solches aufzuzeigen.

  37. avatar

    Roland Ziegler:
    „Krankheitserreger, Teufel, Raubtiere, Müll…
    .. und was lässt so hassen, wie Sie das so schön illustrieren? Was treibt das an? Ideologie? Das reicht nicht. Es ist der Minderwertigkeitskomplex des treudoofen Ariers (Diktion Posener) der eher dem Staat und seinem Arbeitgeber vertraut, als seiner eigenen Nase. Oder anderen „Autoritäten“, die Ordnung schaffen sollen – am Finanzmarkt oder sonstwo. Wer draußen war/ist, entwickelt notwendigerweise eine eigene Nase. Wer drinnen ist, vertraut Autoritäten. (Bin mal gespannt, wer als nächstes dran ist, wenn das naturgemäß chaotische System kippt..)
    Diese Broschüre (Kolonialismus -> Rassismus -> Holocaust) ist anscheinend sowas von daneben, danebener geht gar nicht.
    Es scheint tatsächlich zu gelten: Hauptsache Links! (Dann kann man auch ein Holocaust-Denkmal gerne besuchen..)

  38. avatar

    @Alan Posener: Gut, Ihre Hauptkritik, dass der „kolonialistische“ europäische Rassismus nicht alles und die Darstellung unvollständig ist, wird wahrscheinlich zutreffen. Dazu müsste man die Broschüre im Gesamtüberblick beurteilen. Ich habe v.a. Ihre Interpretation der zitierten Passage bemängelt.

    Ich denke aber schon, dass die Juden in den Augen der Nazis das unterste Ende der Bewertungsskala darstellen. Wer sollte dieses Ende denn sonst darstellen? Und wo würden sie die Juden verorten? Als Herrenmenschen haben sich nunmal die Nazis selber definiert (bzw. die Arier, die mitnichten als treudoof, sondern als super – genial – stark – intelligent – in allen Hinsichten überlegen galten). Sie haben sich nach ganz oben und die juden nach ganz unten gesetzt. Sie SOLLTEN leben (weil sie es verdienen); die Juden SOLLTEN sterben. Ganz unten sind nicht die, gegenüber denen man gleichgültig ist, sondern die, die man vom Erdboden vertilgen will: Krankheitserreger, Teufel, Raubtiere, Müll… Das ist der Minusbereich; die dort sind, müssen – in den Augen der Rassisten – weg.

    Zum „Ur-Rassismus“: Es gab auch vor und neben dem Christentum Rassismus. Rassismus bedeutet, verschiedene Rassen voneinander zu unterscheiden und unterschiedlich zu bewerten. Dazu braucht man keine Gottesmörder. Das ist eine Möglichkeit unter vielen, eine aber, die ins Extrem des Holocaust führen kann, weil ihnen eine extreme Sünde angelastet wird. Das meinen Sie wahrscheinlich mit „Ur-Rassismus“.

  39. avatar

    APo: Man kann schlechterdings nicht über den europäischen Rassismus reden, wenn man den Ur-Rassismus – Ergebnis christlicher Vorstellungen vom Volk der Gottesmörder – als ein Element unter vielen abhandelt.

    … so ein Unsinn: ‚Christliche Vorstellungen vom Volk der Gottesmörder‘ … sei Ur-Rassismus.

    Es gibt keine ‚christliche Vorstellung vom Volk der Gottesmörder.‘

    Wie zuvor nachgewiesen, kann es nicht mal Rassismus geben.

  40. avatar

    Lieber Herr Wal,
    wie ich Eberhard Seidel geschrieben habe, ziehe ich nicht die Arbeit von „Schule ohne Rassismus“ insgesamt in Frage. Ich kritisiere dieses Heft.

  41. avatar

    Lieber Roland Ziegler,

    die hier geäußerte Kritik an der Interpretation des Holocaust ist vor allem zu verstehen als Vertiefung eines Punktes der Kritik an der Broschüre insgesamt, wie ich sie in der Glosse „J’accuse“ geleistet habe.

    Meine Hauptkritik lautet: Da unter Rassismus nur der europäische Rassismus verstanden wird, vor allem im kolonialen Zusammenhang, geraten andere Formen des Rassismus aus dem Blick. In diesem Heft erscheinen die Europäer als Volk der Täter, alle anderen als Opfer. Weder wird der arabische Sklavenhandel geschildert, dem viel mehr Menschen zum Opfer fielen als dem europäischen, noch ist die Rede vom Völkermord an den Armeniern in der Türkei; schon gar nicht werden der Antisemitismus oder die Vorurteile gegen „Biodeutsche“ unter den muslimischen Zuwanderern angesprochen.
    Warum? Weil sie nicht ins simple Schema passen.
    Weil das Heft insgesamt einem recht primitiven „antiimperialistischen“ Schema folgt, kann es eben nicht fassen, dass der Rassismus auch ganz andere Wurzeln hat als ein Gefühl weißer Überlegenheit. Es ist eben nicht so, wie Sie schreiben, dass sich „die Juden am unteren Ende der Bewertungsskala“ befanden und deshalb vernichtet werden sollten. Vielmehr malten die Nazi-Ideologen ein Bild von „dem Juden“, in dem er zum dämonischen Über-menschen mutierte: Schlauer als der treudoofe Arier, von geradezu unheimlicher Lebenstüchtigkeit, weshalb es nicht ausreichte, ihn zu entrechten und auszubeuten, überdies mit einer gewaltigen Libido ausgestattet, weshalb ihm reihenweise blonde Mädels als Sexualopfer verfielen.
    Man kann schlechterdings nicht über den europäischen Rassismus reden, wenn man den Ur-Rassismus – Ergebnis christlicher Vorstellungen vom Volk der Gottesmörder – als ein Element unter vielen abhandelt.

  42. avatar

    …um die Größenordnung von kolonialen rassistischen Verbechen mal (am Beispiel Belgien) in den Blick zu bekommen:

    „Die schlimmsten Folgen hatte die Konferenz aber wohl für die Bevölkerung Zentralafrikas, wo König Leopolds II. skrupellos profitorientiertes Regime innerhalb weniger Jahre schätzungsweise zehn Millionen Menschen das Leben kostete.“

    http://www.berlin-postkolonial.....8;Itemid=5

    Ich weiß nicht, wie glaubwürdig die genannte Zahl von 10 Millionen Toten ist. Es ist jedenfalls eine monströse Zahl.

  43. avatar

    ..es gibt viele Interpretationsfehler im Detail. Zwei Beispiele:

    „Niemals war es Ziel nationalsozialistischer „Judenpolitik“, die Juden sozusagen als Kolonialvolk zu halten und auszubeuten.“

    Das behauptet der Text auch gar nicht. Sondern dass die Slawn als Kolonialvolk gehalten, die Juden hingegen vernichtet werden sollten. Die Juden befanden sich am untersten Ende der Bewertungsskala, was Vernichtung bedeutete; die Slawen waren etwas weiter oben einsortiert, was Sklavendasein hieß.

    „Geschichtsklitterung, die den Vernichtungs- und Unterwerfungskrieg der Deutschen im 20. Jahrhundert als bloße Variante des Kolonialismus darstellt“

    Kolonialismus bedeutet doch: Vernichtungs- und Unterwerfungskriege gegenüber anderen Völkern. Mehr Unterwerfung als Vernichtung normalerweise, aber eben auch Vernichtung (Herero). Oder als was würden Sie Kolonialismus bezeichnen?

  44. avatar

    https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_Seidel-Pielen

    Sehr geehrter Herr Posener,

    jener Herr Seidel zitiert nicht wenig Stuss zum 3. Reich, welcher über besagtes Netzwerk, so ist zu befürchten, unter Schülern Verbreitung findet.

    Finde es überaus erstaunlich, dass jener Herr Seidel den Ihnen im Detail zusandte. Daher ist für mich davon auszugehen, dass er es tatsächlich nicht besser wusste, er demzufolge in bester Absicht handelt.

    Bleibt zu wünschen, dass jener Unsinn künftig nicht länger an Schüler verteilt wird.

    Vielleicht hilft der Stiftung eine Liste mit Literaturempfehlungen kompetenter Historiker zum Dritten Reich.

    Das auf der Facebookfanseite am 31. Juli 2013 veröffentlichte Statement Herrn Seidels auf Ihre nette Glosse spricht für einen überaus konstruktiven Umgang mit Kritik. Zitiere es vollständig im Wortlaut:

    „Uns beschäftigen heute die Folgen dieser, sagen wir mal, etwas übellaunigen Rezension in der „Welt“. Die Flut von Leserbriefen, die nun „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ erreichen, beantworten wir wie folgt:
    Sehr geehrte/r …
    vielen Dank für Ihre Mail und die Zusendung des Artikels der „Welt“. Wir haben diesen mit Interesse zur Kenntnis genommen und kommen zu dem Schluß, dass sich Herr Posener leider nicht wirklich mit der Arbeit und den Ansatz von „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ beschäftigt hat, sondern sein Artikel ein vor allem meinungsfreudiger Schnellschuß ist. Die Vorwürfe von Herrn Posener laufen aus folgenden Gründen ins Leere:
    „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ beschäftigt sich seit Jahren nachweislich mit dem Rassismus und Antisemitismus von Minderheiten in Deutschland ebenso intensiv wie mit dem Rassismus und Antisemitismus der Mehrheit. Aus diesem Grund haben wir uns vor dem nun erschienenen und von Herrn Posener kritisierten Themenheft „Rassismus. Erkennen & Bekämpfen“ intensiv mit dem Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus unter Einwanderern in Deutschland beschäftigt. Das entsprechende Themenheft heißt: „Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft. Exjugoslawen, Russlanddeutsche, Türken, Polen“. Und in den Themenheften „Jugendkulturen zwischen Islam und Islamismus. Lifefstyle, Medien und Musik“ sowie „Islam & Ich. Muslimhasser. Lifestyle für die Umma. Soundtrack für Allah. Dschihad 2.0. Jung, Deutsch, Gotteskrieger“ beschäftigen wir uns sowohl mit dem Islamismus als auch den Antisemitismus unter Jugendlichen mit muslimischen Hintergrund.

    Wir freuen uns weiterhin über jede Kritik und Anregung und vor allem Ihrem Interesse an unserer Arbeit

    Mit freundlichen Grüßen
    Eberhard Seidel“

    Daher gehe ich davon aus, dass er die von Ihnen freundlicherweise hier noch einmal veröffentlichten dringend korrekturbedürftigen Texte zum Dritten Reich schnellstens einstampfen lässt, und gerne sinnvolle publiziert.

    Herzliche Grüße
    Dieter Wal

  45. avatar

    Vieles von dem Text ist richtig, schreiben Sie, und das finde ich auch. Entsprechend habe ich Schwierigkeiten, den Punkt zu erkennen, der für Sie so anstößig ist.
    Es geht ja im Text offenbar um Rassismus, nicht primär um den Holocaust. Bei einer solchen breiteren Thematik muss letzerer eine Rolle „unter anderem“ einnehmen; das ist ganz normal. Vielleicht kommt der Holocaust tatsächlich über den gesamten Text deutlich zu kurz, keine Ahnung, ich kenne nur das, wa ssie hier zitiert haben. Und da nur „zwei Erwähnungen“ ganz vorn und ganz hinten zusammenzuzählen, sind schon etwas unfair. Nach meinem Verständnis sind es mehr, eigentlich wird fast überall in diesem Text (auch) vom Holocaust gesprochen.
    Der Holocaust wird nicht auf den Kolonialismus zurückgeführt, wie Sie es offenbar verstehen. Sondern er wird eingebettet in ein übergeordnetes rassistisches Denken, das mit dem Kolonialismus „zu tun“ hat, wie es ausdrücklich heißt. D.h. es gibt außer dem Kolonialismus auch andere (z.B. psychologische, soziologische) Gründe, die aber z.T. unerwähnt oder unterbelichtet bleiben, weil der Text eben nicht den Holocaust, sondern den Rassismus und den Kolonialismus thematisiert.
    Richtig ist deshalb, wie Sie sagen, dass der spezifisch eliminatorische Charakter des Holocaust – das, was aus ihm einen Sonderfall innerhalb des allgemeinen Rassismus und Antisemitismus macht – nicht erwähnt und analysiert wird.

    Der „erste Völkermord des 20. Jahrhunderts“ (Wikipedia) an den Hereros in Namibia war übrigens ebenfalls ein systematisches Ausmerzen eines Volkes aus eliminatorisch-rassistischen Gründen, begangen von Deutschen. 80 % dieses afrikanischen Volkes wurde dabei umgebracht. Ein bis heute sagen wir: selten angesprochenes, vom monströsen Holocaust verdecktes, unaufgearbeitetes und ungesühntes Verbrechen deutscher Kolonialisten und Rassisten, das dem hier kritisierten Text eher recht gibt.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Herero
    http://www.berlin-postkolonial.de/cms/

  46. avatar

    … Korrektur …

    Moin, moin … da es keine Rassen gibt, gibt es auch keinen Rassismus. Rassismus – auch ‚Rassismus-Vorhalt‘ – war/ist/wird ausschließlich ideologisch von Sozialisten, bis hin zum Völkermord, begründet. Von wem sonst?

    … Goethe, anno Schnee:

    Parabase

    Freudig war vor vielen Jahren
    Eifrig so der Geist bestrebt,
    Zu erforschen, zu erfahren,
    Wie Natur im Schaffen lebt.
    Und es ist das ewig Eine,
    Das sich vielfach offenbart.

    Klein das Große, groß das Kleine,
    Alles nach der eignen Art.
    Immer wechselnd, fest sich haltend,
    Nah und fern und fern und nah;
    So gestaltend, umgestaltend –
    Zum Erstaunen bin ich da.

  47. avatar

    Moin, moin … da es keine Rassen gibt, gibt es auch keinen Rassismus. Rassismus – auch ‚Rassismus-Vorhalt‘ – war/ist/wird ausschließlich ideologisch von Sozialisten, bis hin zum Völkermord, begründet. Von wem sonst?

    … Goethe, anno Schnee:

    Parabase

    Freudig war vor vielen Jahren
    Eifrig so der Geist bestrebt,
    Zu erforschen, zu erfahren,
    Wie Natur im Schaffen lebt.
    <b<Und es ist das ewig Eine,
    Das sich vielfach offenbart.
    Klein das Große, groß das Kleine,
    Alles nach der eignen Art.
    Immer wechselnd, fest sich haltend,
    Nah und fern und fern und nah;
    So gestaltend, umgestaltend –
    Zum Erstaunen bin ich da.

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