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Kritik und Selbstkritik

Aus gegebenem Anlass möchte ich mich heute mit „Kritik und Selbstkritik“ befassen, der kommunistischen Entsprechung der katholischen Beichte. Sie hat in meinem Leben eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Ich war manchmal selbst Gegenstand der Prozedur; oft habe ich ihr bei anderen beigewohnt, zuweilen auch als Ankläger.

Der Ablauf des Kritik-Selbstkritik-Prozesses folgte dabei immer dem gleichen Muster. Ein Genosse hatte – vielleicht durch intern geäußerte Zweifel an der politischen Linie, vielleicht durch „Arbeitsstilschwierigkeiten“ oder das Versagen bei einer bestimmten Aufgabe,  meistens durch eine Kombination aller drei Symptome (Anführungszeichen sind im Verlauf dieses Essays ggf. vom Leser mitzudenken), auf sich aufmerksam gemacht. Die Kritik-Selbstkritik-Sitzung wurde anberaumt; einbestellt wurden neben dem zu kritisierenden Genossen in der Regel die Genossen der entsprechenden Ebene (also bei dem Mitglied einer Uni-Leitung des KSV die anderen Mitglieder der Unileitung) sowie ein Genosse (oder Genossin – die KPD/AO und ihre Massenorganisationen hatten einen hohen Anteil von Mädchen und Frauen in leitender Position) einer höheren Ebene.

Dem zu kritisierenden Genossen (ich bitte um Nachsicht, dass ich fortan nur die männliche Form benutze) wurden kurz die Kritikpunkte vorgehalten; dann wurde er zur Stellungnahme aufgefordert. Erwartet wurde eine vollständige, tief gehende Selbstkritik, das heißt nicht nur die Anerkennung der Tatsache eines Fehlverhaltens, sondern die Aufdeckung der zugrunde liegenden Ursache, die immer die gleiche war: bürgerlicher (oder „kleinbürgerlicher“) Individualismus, daher mangelndes Vertrauen in die Arbeiterklasse und in ihre revolutionäre Vorhut, die proletarische Partei.

Das heißt: Die Klassenherkunft war das Hauptproblem.

Wie Ulrike Meinhof mir einmal sagte: „Tendenziell ist alles, was ein Proletarier macht, richtig, und alles, was ein Kleinbürger macht, falsch.“

Doch bestand der Trick darin, den Prozess der Selbstkritik nicht zu kurz geraten zu lassen. Leugnete der Genosse zunächst, dass sein Problem diese Ursachen hatte – „Es gab kein Papier, deshalb konnte das Flugblatt nicht gedruckt werden“; „Meine Frau war krank, deshalb kam ich nicht zur Zellensitzung“; „Das ZK hatte doch selbst noch vor zwei Wochen genau diese Position vertreten“; „Ich will doch nur verhindern, dass die Partei einen Fehler macht“, „Ich denke, bei uns herrscht der demokratische Zentralismus. Da wird man noch sagen dürfen ….“  usw. usf. – war der Genosse also uneinsichtig, so machte er es den Anklägern leicht. Da ging es nur darum, ihm nach und nach jeden Ausweg zu versperren: „Papier hättest du dort und dort finden können.“ – „Deine Frau hat selbst gesagt, dass deine Anwesenheit nicht nötig war.“ – „Als das ZK diese Position vertrat, waren die Bedingungen andere.“ – „Der schlimmste Fehler, den die Partei machen kann, ist Zwiespalt in den eigenen Reihen zulassen.“ – „Selbstverständlich darfst du sagen, dass … Dir wird ja auch kein Ausschlussverfahren angedroht, sondern Gelegenheit gegeben, deine Meinung zu ändern…“ usw. usf. Sah der Genosse hingegen gleich ein, dass er keine Chance hatte und bekannte seine bürgerliche Abweichung, ging es – was schwieriger war, aber keineswegs unmöglich – darum, ihm nachzuweisen, dass diese Beichte nicht ernst gemeint, nicht wirklich tief gehend, nicht wirklich den klassenmäßigen Kern des Problems erfasst habe.

Das Ende einer solchen Sitzung war so oder so immer die gleiche: Irgendwann brach der Genosse zusammen, oft unter Tränen, war im Grunde bereit, sich vollständig aufzugeben. Ein kathartischer Moment für ihn und seine Peiniger.

Dann ging es darum, ihn wieder aufzubauen und ihn mit Aufgaben zu betrauen, die ihm ermöglichten, das Vertrauen der Partei zurückzugewinnen. Dazu gehörten in der Regel die öffentliche Wiederholung der Selbstkritik vor der nächstniedrigen Ebene, also eine Selbsterniedrigung, oft auch die Abgabe der bisher innegehabten Leitungsfunktion und die Zuarbeit für den Genossen, der ihn ersetzte, und natürlich – wenn einer an der Fülle der Aufgaben gescheitert war – die Übertragung weiterer und schwierigerer Aufgaben. Was der betreffende Genosse in der Regel mit Bravour absolvierte. Wie sagt O’Brien zu Winston Smith? „Ich will dich heil machen.“

In nur wenigen Fällen kam es zu verstockten Reaktionen, zum Abbruch der Sitzung und zum Bruch mit der Organisation.

Grosso modo kann man diese Technik unter die Rubrik Psychoterror subsumieren, wie er von jeder Sekte angewendet wird. Ihr Zweck ist nicht in erster Linie die Brechung des Individuums, die Ersetzung seines Willens durch den Willen des Kollektivs, obwohl das natürlich auch ein Zweck der Prozedur ist. Der gruppendynamische Hauptzweck dieses Mini-Schauprozesses besteht jedoch für den Angeklagten wie für seine Ankläger in der Bestätigung der Weisheit der Partei.

Oft brachte der Zusammenbruch für die Ankläger selbst überraschend eine Fülle von Selbstanklagen hervor, belegt durch Tatsachen, von denen sie bisher keine Ahnung gehabt hatten. So zeigte sich, dass die Leitung das richtige Gespür gehabt hatte, als es diesen Genossen zur Kritik und Selbstkritik aufforderte: „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht …“ Brach der Kritisierte hingegen verstockt die Sitzung ab, war das oft unter einer plötzlichen Schimpfkanonade – „Ihr könnt mich mit eurem Marxismus-Leninismus am Arsch lecken! Ihr seid ja doch nur eine aufgeblasene Truppe stalinistischer Wichser!“ – die ja erst recht bewies, wie richtig es gewesen war, dieses konterrevolutionäre Element zur Rede zu stellen: „Die Partei stärkt sich, indem sie sich reinigt.“ (Stalin)

Ur- und Vorbild der Kommunistischen Partei ist natürlich die Katholische Kirche mit ihren Hierarchien für den Klerus und Unterorganisationen für die Laien. Nun ist die Kirche – altersweise und altersmild, erfahren und klug wie sie ist – längst nicht mehr auf derart primitive Mittel angewiesen, wie sie beim kleinen Studentenverein KPD angewendet wurden; und doch kann sie mit ihren verfeinerten und menschlicheren Mitteln ein ähnliches Ergebnis Erzielen.

Joseph Ratzinger, nachmals Papst Benedikt XVI, berichtet in seinen Memoiren von Diskussionen unter seinen Lehrern im Vorfeld der Entscheidung des damaligen Papstes Pius XII, die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel zum verbindlichen Dogma für alle Katholiken zu erklären, was dann 1950 geschah. „Die Antwort unserer Lehrer war streng negativ“, berichtet Ratzinger, ohne zu verraten, wie er zu der Frage stand. Als jedoch ein evangelischer Theologe den Ratzinger-Lehrer Gottlieb Söhngen fragte, was er tun würde, wenn das Dogma dennoch komme; ob er nicht seiner Kirche den Rücken kehren müsse, antwortete Söhngen: „Wenn das Dogma kommt, werde ich mich daran erinnern, dass die Kirche weiser ist als ich, und ihr mehr vertrauen als meiner eigenen Gelehrtheit.“ Eine Haltung, die Ratzinger als vorbildlich hinstellt. („Aus meinem Leben“, S. 66f.; weitere Beispiele siehe Posener, „Der gefährliche Papst“ S.68ff.)

Wie ich schon angedeutet habe, spielte die Selbstkritik in meiner eigenen Karriere bei den Kommunisten eine wichtige Rolle. Ein paar Beispiele:

Kurz nachdem ich 1970 in die Gruppe kooptiert wurde, die mittels „Kampf, Kritik, Umgestaltung“ eine Übernahme der „Roten Zelle Germanistik (Rotzeg)“ als Zelle des zu gründenden Kommunistischen Studentenverbands vorbereiten sollte, bekam ich den Auftrag, im Plenum der Rotzeg ein Referat über den damals tobenden Unabhängigkeitskampf Ost-Pakistans (heute Bangladesch)  zu halten. Anstatt aus der „Peking Rundschau“ zu zitieren, der zufolge die Unabhängigkeitsbewegung eine Marionette Indiens im Auftrag der sozialimperialistischen Sowjetunion war, mit der Chinas Verbündeter Pakistan geschwächt werden sollte, forschte ich im Otto Suhr Institut, las Berichte örtlicher Korrespondenten usw. und  kam zum Ergebnis, dass Antiimperialisten wie wir den Unabhängigkeitskampf Bangladeschs unterstützen müssten. Was ich dann auch sagte, zum Entsetzen meiner Genossen.

Es kam, wie es kommen musste, und beim nächsten Plenum trug ich vor, erstens, warum ich mich geirrt hatte, und zweitens, warum es sich nicht gehört hatte, der mir bekannten Parteilinie zu widersprechen, selbst wenn ich subjektiv davon überzeugt gewesen wäre, nach bestem Wissen und Gewissen geforscht und zu einem richtigen Ergebnis gekommen zu sein. Meine Begründung war ganz genau die des – mir damals natürlich unbekannten – Theologen Söhngen.

Als ich dann bei der Konstituierung des KSV von Rüdiger Safranski als Mitglied der „Zentralen Leitung“ (ZL) vorgeschlagen wurde, kam die Ablehnung der Partei prompt, und zwar mit dem Hinweis auf meine in Sachen Bangladesch bewiesene ideologische Unzuverlässigkeit. Safranski jedoch hob meine vorbildliche Selbstkritik hervor. Und angesichts der breiten Unterstützung für diesen Vorschlag zog die Partei wenn nicht ihre Bedenken, so doch ihr Veto zurück, und ich wurde gewählt.

Leider.

In der Folge habe ich mich – das habe ich schon angedeutet – wie jeder Genosse und jede Genossin an vielen Kritik-Selbstkritik-Diskussionen beteiligt, zuweilen auch als Ankläger.  Ich erinnere mich – und ich denke, das ist verständlich, wenn auch verwerflich – an wenige konkrete Details der Sitzungen, bei denen ich das Wort gegen Genossen führte, dafür relativ genau an die Male, wo ich selbst Opfer der Prozedur war. So wird es den meisten Ex-Genossen gehen, denke ich, und nur so kann ich die selbstgerechte, ja fast empörte Haltung erklären, mit der etwa Rainer Werner über seinen Ausschluss aus den KSV berichtet. Dass er selbst ein gefürchteter Inquisitor sein konnte, daran mag er sich wohl genauso ungern erinnern, wie ich es tue.

Ich versuch’s mal.

Besonders ein Fall ist mir in Erinnerung geblieben. 1976 wurde ich nach Hof geschickt, um als Leiter den schwächelnden Kampfgeist des dortigen, aus Berlin angereisten studentischen Wahlkampfteams zu stärken. Ich führte Frühsport und gemeinsames Frühstücken, gemeinsame Lektüre der Zeitungen, Verdoppelung der Einsätze, auch von Kamikaze-Einsätzen wie der Kundgebung für die deutsche Einheit  an der Mauer im geteilten Dorf Mödlareuth oder Störungen von SPD- und DKP-Veranstaltungen ein – was halt so ein Teamleiter tut, um die Truppe auf Vordermann zu bringen; mit gutem Erfolg. Aber eben auch die Kritik und Selbstkritik. Dabei – und es treibt mir die Schamröte ins Gesicht, wenn ich daran denke – ging es um eine junge Genossin, die ein sehr kleines Kind zuhause in Berlin und Sehnsucht nach ihrem Baby hatte. Sie wollte eine Woche vor Schluss des Wahlkampfs zurück nach Berlin. Bürgerliche Abweichung, klarer Fall: private Emotionen versus proletarische Revolution. Nach der Diskussion – mit Tränen und so weiter – war sie erlöst und heiter und blieb bis zum Schluss mit vollem Einsatz dabei. Ich kann mir das bis heute nicht wirklich erklären, und ich finde es ganz furchtbar. Nicht, weil dem Kind durch diese eine Woche ein bleibender Schaden entstanden wäre, sondern grundsätzlich. Hier bekamen die Ideologie und das Kollektiv Macht über einen menschlichen Ur-Instinkt. Und ich war dabei der Antreiber. Mit bestem Gewissen. Schauderhaft.

Zumal ich es damals eigentlich schon besser wusste.

Ein Jahr zuvor, vielleicht waren es auch zwei Jahre, war ich als Mitglied der ZL und Vorsitzender des Regionalkomitees West-Berlin des KSV nach Köln zitiert worden, um Selbstkritik zu leisten. Es ging um mein Versagen bei der „Bethanien-Kampagne“. Die Partei hatte die Losung ausgegeben, das von der Schließung bedrohte Krankenhaus sollte „von den Massen“ besetzt und dort eine Kinderklinik eingerichtet werden statt des vom Senat geplanten – und bis heute dort residierenden – Künstlerzentrums. Die Massen sollte der KSV mobilisieren. Also ich.

Die universitären Massen hatten aber wenig Interesse an einer Kreuzberger Kinderklinik und empörten sich lieber über die „Isolationsfolter“ gegen die „politischen Häftlinge der RAF“ und den „Justizmord an Holger Meins“. (Es gehört zu den selten angesprochenen Wahrheiten über die 1970er Jahre, dass die RAF an deutschen Universitäten und in den linksliberalen deutschen Medien entschieden populär war.) Der Auftrag, genügend Leute zu mobilisieren, um das von starken Polizeikräften geschützte Bethanien nicht in einer Nacht- und Nebelaktion, sondern im Rahmen einer angekündigten Demonstration zu besetzen, war schlicht und einfach nicht zu erfüllen und wurde wenig später stillschweigend fallen gelassen. Ich hatte jedoch den Fehler gemacht, meine Bedenken gegen die Strategie in einer der wöchentlichen Sitzungen mit der Parteileitung in Berlin zu äußern; die Folge war die Sitzung in Köln.

Da saß also die gesamte Zentrale Leitung im Hinterzimmer einer Kölner Kneipe und forderte Selbstkritik. Dabei saß auch ein Vertreter des ZK. Als ich, um Zeit zu gewinnen, sagte, als Parteimitglied forderte ich zuerst eine Anhörung vor der Partei, sagte die ZK-Vertreterin, meine Mitgliedschaft sei vorübergehend suspendiert worden. Ich weiß noch, wie ich mir eine unwillige Bewunderung nicht verkneifen konnte: Die hatten ihre Hausaufgaben gemacht und an alles gedacht. (Ein ähnliches Gefühl verspürte ich fast vierzig Jahre später, als mir von der Leitung der Achse des Guten Vorwürfe gemacht wurden, auf die ich öffentlich antworten wollte – nur um festzustellen, dass sie mir bereits den Zugang zum Blog gesperrt hatten. Gelernt ist gelernt, dachte ich. Alle Achtung.)

Mir war sofort klar, wie die Sitzung verlaufen würde und ausgehen musste. Mit dem Verlust meiner Ämter, der öffentlichen Selbsterniedrigung und der Verpflichtung, einer neuen Führung bei der weiteren Ausmerzung bürgerlicher Abweichungen zu helfen. Um meine Gedanken zu sammeln, bat ich um eine kleine Pause: ich müsste zur Toilette.

Die Toiletten waren im vorderen Teil der Kneipe. Die Tür stand offen, das Spätsommerlicht strömte von der Straße hinein. Ich dachte: Du kannst einfach aus dieser Tür gehen und hörst nie mehr etwas von diesen Leuten. Du machst dein Examen, baust dir ein bürgerliches Leben auf, bist frei. Und ging nicht hinaus ins Licht, sondern kehrte ins dunkle Hinterzimmer zurück, wo es darum ging, nicht zu schnell und nicht zu langsam Selbstkritik zu üben. Ich durchschaute nämlich den Prozess vollständig. Aber ich blieb dabei. Man kann vielleicht die offene Tür und das Sonnenlicht mit den „Anfechtungen“ vergleichen, von denen Martin Luther spricht. Mir war mein Seelenheil aber wichtiger, und wenn es bedeutete, mich zu Fehlern zu bekennen, die ich nicht als Fehler anerkannte, und mich öffentlich vor Leuten zu erniedrigen, die ich für beschränkt und kleinlich hielt, einschließlich des einen oder anderen damals 150-prozentigen Ex-Lehrers oder Ex-Dozenten, die mich  nun belehren zu können glauben, wie richtige Totalitarismuskritik geht. Die Partei hatte immer Recht… die Kirche ist weiser als ich. Aber das Bild der offenen Tür blieb als ein Versprechen in meinem Gedächtnis haften. Es dauerte jedoch zwei Jahre, bis ich tatsächlich hinaus ins Freie trat.

So war das.

Ach ja, fast hätte ich’s vergessen, der eingangs erwähnte gegebene Anlass: „Posener … verniedlicht die kommunistisch-maoistischen Parteien, indem er sie auf die Funktion von Selbsthilfeorganisation für drogengefährdete Studenten reduziert“, lese ich. Er geht einer „ernsthaften theoretischen Reflexion“ über den Totalitarismus aus dem Weg. Mit einem Wort, er nimmt die Partei nicht ernst. Er nimmt die Theorie nicht ernst. Er hat es versäumt, die Werke des Genossen Stalin Adorno zu zitieren, So weit die ideologische Anklage Rainer Werners.

Aber warum tut er das nicht?

Die Antwort lautet vorerst „Sex und Macht“. Über Sex will sich mein Ankläger nicht auslassen, vermutlich weil er weiß, dass er mich mit dem Vorwurf nicht treffen kann, dafür ist ihm die „Machtausübung“ umso wichtiger, ja der „Vernichtungsfuror“, als dessen potenzielles Opfer sich der gute Rainer bereits sieht: „Ich möchte mir nicht ausmalen, was mit mir geschehen  wäre, hätte diese Partei tatsächlich die Macht im Staate errungen.“ (Du wärst vermutlich nicht ausgetreten, mein Guter, sondern hättest Karriere gemacht: Staatssekretär für Unterrichtsentwicklungsplanung im Erziehungsministerium vielleicht. Oder Bürgermeister von Öhringen.)

Aber woher kommt denn dieser verniedlichte Machthunger, dieser mächtige Vernichtungswille der Führungskader wie Posener und Konsorten gegen Rainer Werner und andere ehrliche Kommunisten? Wir müssen, wenn wir gute Marxisten-Leninisten sein wollen, der klassenmäßigen Grundlage dieses Fehlverhaltens auf die Spur kommen.

„Mir ist aufgefallen, dass in den  K-Gruppen vor allem  Studenten dominierten, die dem  Großbürgertum (teilweise auch dem Adel) entstammten.“

Potztausend!

Und da passt Posener als Enkel großbürgerlicher Eltern, die ausweislich der Erinnerungen seines Vaters nicht einmal arbeiten mussten, sondern von Kuponschneiden lebten – der passt klassenmäßig genau da rein. (OK, seine Familie wurde während der Nazizeit enteignet. Schwamm drüber. Fett schwimmt immer oben.)  Und während die armen quasi-proletarischen gutmütigen Basisarbeiter wie Rainer Werner oder Horst Domdey als Befehlsempfänger fungierten, ohne den klassenmäßig angeborenen Machtwillen der Führungskader, von ihrem Vernichtungsfuror ganz zu schweigen, und ihr ganzes späteres Dasein als schlecht bezahlte Studienräte oder Universitätsdozenten fristen mussten,  haben „die meisten der führenden ‚Genossen’  nach dem Zerfall  der  K-Gruppen  im nachgeholten bürgerlichen Berufsleben häufig  Kommandopositionen in  Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Journalismus erobert.“ Die meisten häufig. Ja, das ist bitter.

„Die Führungskader der K-Gruppen fanden  in allen Lebensphasen  die Position, die ihrer bürgerlichen  Herkunft und ihrem intellektuellen  Anspruch  entsprach.  Dann wäre die  Episode des Marxismus-Leninismus nichts anderes gewesen als ein Trainings- und Fitnessprogramm  großbürgerlicher  Studenten, das sie in die Lage versetzte, die Herrschaft über Menschen zu erproben.“

Was ja Posener immerhin zugibt, schreibt er doch darüber, was er der KPD verdankt. Und lüftet das bis dahin gut gehütete Geheimnis der großbürgerlichen Verschwörung zur „Eroberung der Kommandopositionen“ mittels der „persönlichen Vorteile“, die sie sich als Führungskader verschafft haben. Sozusagen von Kremlkadern zu Wallstreetkadern.

Da haben wir es ihnen gegeben, den herrschsüchtigen Großbürgern, den Lethen und Posener, Semler, Schmid und wie sie alle heißen! Da, da liegt die klassenmäßige Wurzel ihres Unwillens, radikal mit der eigenen Vergangenheit zu brechen! Doch wir, die Verdammten dieser Erde, sozusagen die Proletarier unter den Kadern, die wir eigentlich immer dagegen waren und recht eigentlich die Opfer des Systems, wir verlangen eine tiefgehende Selbstkritik, Tränen, Reue, vielleicht die Aufgabe der „eroberten Kommandopositionen“, die, wenn es mit rechten Dingen zugegangen wäre, nicht den Großbürgern und Adeligen, den Safranski und Schlögel, von Saalfeld und von Plato und wie sie alle heißen, sondern uns gehörten!

Und nun, Genosse Posener? Wie antwortest Du auf die scherwiegenden Vorhaltungen des Genossen Werner?

Au weia.

Das ist Dein letztes Wort?

Nö. Aber fürs Erste soll es genügen. Ich muss mal.

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110 Gedanken zu “Kritik und Selbstkritik;”

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    Schönes Lied: The Night They Drove Old Dixie Down

    Ich kenne es von Joan Baez

    2.Strophe:

    Back with my wife in Tenessee
    And one day she said to me,
    Virgil, quick come see
    There goes the Robert E. Lee
    Now I don’t mind chopping wood
    And I don’t care if the money’s no good
    Just take what you need and leave the rest
    But they should never have taken the very best

    Wer heute diesen Stolz, wie damals der gute Vergil Caine, ausdrückt, ist ein Looser. Besonders für die Bewusstseinsmacher. Für Nietzsche und Bushido auch.

    Mir fehlt die Klassengesellschaft nicht, nur die Kultur des Zu-kurz-gekommen-seins (berechtigt oder nicht) ist ein Markenkern des Liberalismus.Ihr erinnert euch an „relative Armut“?

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    @Stevanovic: Das ist das Ziel der Liberalen: dass es zur reinen Persönlichkeitsfrage wird, wie erfolgreich man ist. Wer nicht erfolgreich ist, will oder kann es nicht besser. Wer aber erfolgreich ist, der hat es sich auch verdient. Erbschaften sind in diesem Programm eigentlich überflüssig, aber abschaffen will man sie dann doch nicht 🙂

    Rainer Werners These ist, dass es neben der Persönlichkeit – die im übrigen auch erst ausgebildet werden muss, was klappen oder scheitern kann – auch eine Herrschaftstechnik (auch ein Arbeitsethos, könnte man ergänzen) gibt, die man in die Wiege gelegt bekommt – oder eben nicht. Die man im Zustand des Ideologen ausprobiert und im fortgeschrittenen Zustand dann erfolgreich umsetzt. So wie die jüngere Generation fitter am Coputer ist als die ältere, sind die Sprösslinge der Erfolgreichen fitter in der Erfolgstechnik als die „Zukurzgekommenen“.

    Ich denke, das ist auch so. Die Frage ist, ob man das ändern sollte oder überhaupt ändern kann. Ich glaube nicht. Aber man sollte es beachten und wenn nötig für einen Ausgleich sorgen.

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    Da der Liberalismus tatsächlich die Klassenunterschiede am effektivsten überwindet, ist die Klassefrage in einer Leistungsgesellschaft eine Persönlichkeitsfrage geworden. Wer mit seinem Status zufrieden ist oder den nächsten Level nicht geschafft hat, kann sich nicht mehr rausreden. Es gibt ja genug Gegenbeispiele. Geht doch. Nietzsches Antwort war genial: Ihr fühlt euch nicht wie der letzte Dreck, ihr seid es. Erfolgreiche haben die entsprechende Persönlichkeit. Deswegen ist die Klassenfrage ein Angriff auf die Persönlichkeit des Erfolgreichen. Da werden nicht mehr die Ahnen zitiert, es wird auf die eigene harte Kindheit verwiesen. Die Klassenfrage stellt seine Position in der Leistungsgesellschaft in Frage. Welcher Liberale mag das schon?

    Das natürlich mit der Umwandlung der Klassenfrage in eine Frage der Persönlichkeit das Gefühl des Zu-kurz-gekommen-seins erst in die niedere Schicht getragen wurde und ihr damit auch der Klassenstolz genommen wurde, ist ein Treppenwitz der Weltanschauungsgeschichte. Keiner sagt mehr: Ich hatte anständige Eltern, ich Arbeite anständig und will auch nicht mehr. Stattdessen gibt es bildungsferne Schichten und unglückliche Kindheiten wo man nur hinschaut. Wenn man ein durchschnittliches Leben führt, muss man sich mindestens auf ein „Schade, dass du nicht mehr aus dir gemacht hast“ gefasst machen. Die Antwort produziert harte Kindheiten wie am Fließband. Noch nie hatte Kinder von Arbeiter und kleinen Angestellten so viele Möglichkeiten und noch nie wurden Arbeiter und kleine Angestellte deswegen so verachtet.

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    @ derblondehans

    Deswegen will man ja, dass die anderen auch alle in den Hort kommen, sprich Ganztagesschule.
    Die einzige Möglichkeit jedoch, allen dieselben Chancen zu geben, wäre, Frauen mit Kindern dazu zu animieren, halbtags zu arbeiten und den Vätern Zulagen zu geben. Wer will wohl das nicht? Richtig, die Industrie. Sie will die meist gut ausgebildeten Frauen und verkauft seit Jahren ein Bild, dass eine Frau, die nicht voll arbeitet, unvollständig wäre.
    Sie haben also mit Ihrer Sozialistenschelte nicht ganz Recht. Sozialisten haben nur vergessen, dass sie früher für den Bürger, auch sein Kind, arbeiteten, während sie heute die besten Erfüllungsgehilfen dafür sind, dass die Familie beschädigt wird über zu geringes Gehalt, die Unmöglichkeit des Alleinverdienens etc. Bei Ihrer Sozialistenschelte vergessen Sie diese unselige Kombination. Daher sitzen die wahren Schuldigen für gestörte Familien mit alleingelassenen Kinder nicht in der SPD, sondern in den Führungsetagen, Banken und Börsen, deren CEO’s sich natürlich eine Frau zu Hause oder vorzügliche Kindermädchen leisten können, und die im Traum nicht daran dächten, ihre Kinder zu verhorten. Und die Politikerin, die für G8 in Bayern zuständig war, hatte ihre Gören beim Steiner. Es ist das, was wahlunwillig und verdrossen macht: Wasser predigen und Wein saufen. Der ewige Hang zur Versklavung der Anderen.
    Sicher ist eine Mutter oder Vater zu Hause, zumindest halbtags, das Beste für die meisten Kinder, denn die Mutter oder der Vater geben dem Kind, was es am meisten braucht: Liebe. Alles Wegreden dieser Tatsache ist ein unappetitliches Lügengebäude. Und Lernschwierigkeiten bei einer großen Zahl dürften die Folge eines Mangels an Zuwendung sein.

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    @ 68er
    „Von daher sind Hausaufgaben schon ein geeignetes Mittel in Gymnasien die Kinder bildungsferner Familien, auszusortieren.“

    Tun sie nicht, nach meiner Erfahrung. Sie sortieren die aus, die a) nicht können und b) nicht wollen. Da ist aus jeder Schicht was dabei.
    Die öde Opferdiskussion. Geht’s Ihnen oder Werner nicht gut? Oder Ziegler, der sich als auch als primär nicht privilegiert bezeichnet und Deutsch und Philosophie studiert hat? Das würde ja die Durchlässigkeit beweisen. Aber ich sehe an manchem Vorschlag, mancher Diskussion, dass der Vorwurf, dem sich ja offenbar Posener aussetzen musste, nie weggeht. Armes Deutschland. Es bräuchte eine quittegelbe Landesflagge mit grüner Nase drauf. Es ist das Land, in dem am meisten mit Neid Geschäfte gemacht werden, Stimmen geholt werden. Das ist victim industry. Die betreiben auch die Ikhban. Kein Wunder, wie hier mancher falsche Affekt zustande kommt.

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    Die „Zukurzgekommenen“ werden seit Nietzsche von den Erfolgreichen und Talentierten der jeweiligen Zeit mit bestem Gewissen belächelt. Aber wenn man es schlecht finden würde, dass jemand „zu kurz gekommen“ ist, dann würde man dafür sorgen, dass er es weiter nach vorne schafft. Man könnte ihn z.B. einfach nach vorne schieben und sich selber hinten anstellen. Aber nein, das will man ja auch nicht, das wäre ja schade um das schöne Talent, das man selber hat und auf das die Welt gerade gewartet hat. Und weil man selber weiter vorn sein will, warum denn nicht, und um weiter vorn sein zu können, muss es andere geben, die weiter hinten sind; das ist wie beim Wettrennen. Und auch, weil es sich einfach schön anfühlt, den anderen auf den hinteren Plätzen das Zukurzgekommensein zu attestieren.

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    @68er

    … in meiner Schulzeit waren Hortkinder, im Vergleich zu anderen, durchweg leistungsmäßig schlechter. Ein Kind ist/wird dann benachteiligt, wenn Eltern nicht ihrer ureigensten Verantwortung – der Kindererziehung – nachkommen, nachkommen können oder gar nachkommen dürfen, wie etwa von den Sozialisten gefordert. Stichwort ‚Lufthoheit über Kinderbetten‘. Eine unsägliche SPD-Forderung.

    Daher sollten Eltern den Staat verpflichten damit sie dieser Aufgabe gerecht werden können. Und nicht umgekehrt.

    Der sozialistischen ‚BRD‘ geht Kindererziehung einen feuchten Kehricht an.

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    ….„kleinbürgerlicher Individualismus, daher mangelndes Vertrauen in die Arbeiterklasse“ – ja. Schuldig im Sinne der Anklage. 🙂
    Die Zeiten haben sich sehr geändert; was früher in dieser Hinsicht als schlecht/gut galt, gilt heute als gut/schlecht. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang, dass auf der Wikipediaseite von Rüdiger Safranski so gar nichts von seiner früheren Tätigkeit in der Partei zu lesen steht.

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    @Stevanovic
    „Wenn „Checks and Balances“ über dieses Gremium nicht funktionieren, dann lasst uns ein neues suchen.“
    Ja bitte – aber dringend! Auch dieses Sommertheater (Snowden – Freiheitskämpfer) hat mir wieder klar gemacht, auf welche Weise wir einerseits sondiert und andererseits ruhiggestellt werden. „Alternativlos“ sagte ja bereits alles.
    @Lyoner: Ich glaube, so langsam haben Sie’s: Amechanía verhindert Kinder. Denn Hilflosigkeit gibt’s auf jedem Komfortniveau.

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    @ Parisien und blond

    Der Nutzen von Hausaufgaben ist wirklich sehr grenzwertig.

    Ich selbst bin 13 Jahre zur Schule gegangen und habe danach studiert. Mir haben meine Eltern, so gut wie nie bei den Hausaufgaben geholfen. Das habe ich immer selber machen müssen oder ich habe mich mit Mitschülern ausgetauscht. Der eine half bei Englisch, ich half bei Mathe… Deshalb helfe ich meinen Kindern nur dann bei den Hausaufgaben, wenn sie mich ausdrücklich darum bitten. Ansonsten rate ich ihnen erfolglos, sich mit ihren Mitschülern zum Austausch zu verabreden. Leider gibt es solche Lerngruppen – soweit ich es bei meinen Kindern sehe – fast gar nicht mehr. Die anderen Kinder machen ihre Hausaufgaben entweder alleine, weil sie es können, andere sitzen den ganzen Nachmittag mit Mama oder Papa gemeinsam vor den Aufgaben, aber ein gemeinsames Lernen bzw. Arbeiten wird nicht gelernt. Es geht darum, die besten Noten zu bekommen und der Sitznachbar wird im Zweifel als Konkurrent wahrgenommen und nicht als „Mitschüler“.

    Von daher sind Hausaufgaben schon ein geeignetes Mittel in Gymnasien die Kinder bildungsferner Familien, auszusortieren. Und es entlastet die Schule ja auch. Bei Gymnasialklassen mit ca. 30 bis 33 Kindern, ist es hilfreich, wenn man den einen oder anderen im laufe der Jahre, wegen erwiesen schlechter Leistungen aus der Klasse kicken kann. Meistens sind das ja auch die dunklen Typen oder die die eh keine Markenklamotten haben und das Image der Schule runterziehen. Um die ist es ja auch nicht schade, da die Eltern sich ja eh nicht um die Schule kümmern und sich nicht einbringen.

    Was ich an asozialen Kommentaren von so manchem Lehrer zufällig aufgeschnappt habe, macht mir Angst und Bange.

    Jeden Tag die Hausaufgaben zu kontrollieren, empfinde ich nicht als meine Aufgabe. Dafür werden die Lehrer bezahlt und wenn meine Kinder ihre Aufgaben nicht machen, erwarte ich eine entsprechende Rückmeldung des Lehrers. Wie sollen meine Kinder sonst lernen, für ihre eigene Arbeit Verantwortung zu übernehmen. Wie gesagt, ich bin seit ca. 30 Jahren aus der Schulpflicht entlassen und sehe es nicht ein, mich täglich um die Schulaufgaben meiner Kinder zu kümmern.

    Meine Kinder müssen dadurch zwar in Kauf nehmen, dass sie im Vergleich mit dem einen oder anderen Mitschüler mit Rundumbetreuung etwas schlechtere Noten haben, aber – da haben schon einige drauf hingewiesen – gute Noten in der Schule sind kein Garant für ein erfolgreiches, geschweige denn glückliches Leben.

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    ….vielleicht ist es, wie hier in den Kommentaren gesagt wurde, nicht fair, den Erfolgreichen ihren Erfolg vorzuwerfen. Aber noch viel weniger fair ist es, den Erfolglosen ihre Erfolglosigkeit vorzuwerfen.

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    Nur ganz kurz und etwas oberflächlich: Der erste Teil Ihres Textes gefällt mir sehr gut. Ich kann jetzt gut Ihren „tiefen Schrecken“ nachfühlen, von dem Sie vorher gesprochen hatten, der sich hier auf die Manipulierbarkeit des Menschen richtet.
    Der zweite Teil gefällt mir nicht so gut. Hier sind Sie sehr in Rage, viel mehr, als es der Text Rainer Werners verdient hätte. Auch wenden Sie rhetorische Mittel an, für die ebenfalls die Devise „Gelernt ist gelernt“ gelten kann.

    Großbürgerliche Kinder üben das Machtspiel im Idealismus, um es später, im Erwachsenenleben, in der Wirklichkeit anzuwenden. Kleinbürgerliche Kinder (wie Herr Werner und ich) stehen daneben und fühlen sich übertölpelt bzw. zu kurz gekommen. Natürlich kann man sich darüber sehr lustig machen, das kann man immer. Aber was genau ist daran kritikwürdig? Doch eher die Großkotzigkeit der Großbürgerlichen, finde ich.

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    @Parisien

    Die Forderung der Berliner – ausgerechnet dort – ‚Bildungsexpertin‘ Hausaufgaben abzuschaffen, ist der beste Beleg, dass Intelligenz nicht zwangsläufig Voraussetzung für Bildung ist.

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    @Parisien
    welch ein Popanz um Intelligenz! Aber typisch für die Gesellschaft der Zukurzgekommenen. Wenn man an sich nichts vorzuweisen hat, versucht man wenigstens mit Intelligenz zu punkten. „Mei bin ich gscheit, des nimmt mir keiner weg“, denkt der Kleinbürger – bis die Demenz einsetzt!
    Kein sonderlich tragfähiges Konzept fürs eigene Ego und den eigenen Nachwuchs, der ja immer häufiger ausbleibt in diesen Kreisen. Weit verbreitet war mal die Erkenntnis vom gescheiten Professor, der sich im Leben als Volltrottel erwies. Nicht jede Intelligenzbestie ist automatisch auch lebenstüchtig und sozial eingebunden, man denke nur an aktuelle Nerds! Als Rattenfänger oder nützliche Idioten kann man sie aber schon gebrauchen.

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    @Lyoner

    Sloterdijk nicht gelesen, aber der Satz fasst meinen Eindruck schön zusammen. Amechanía? Alle Bourn Out/ Depressions Fälle, die ich kenne, hatten dieses Gefühl. Depression ist nicht Volkkrankheit, weil wir zu viel arbeiten. Fragen sie Menschen, wie viele gewichtige Optionen im Leben sie glauben zu haben. Kurz nach dem Erkennen des goldenen Käfigs, erfolgt der Selbstmord im Vogelbad. The Right To Choose ist eine Frage der geistigen Stabilität, für einzelne, wie für Gemeinschaften.

    Wenn eine „Balance of power“ oder „Checks and Balances“ in einem System nicht gegeben ist, dann sind die teilnehmenden Organe Teil einer Aufführung, die den Entscheidungsweg verschleiern soll. Der Wechselkurs zum Ausland ist stabil (in Mali leben die Menschen schlechter), deswegen wagen wir es nicht, die Aufführung zu unterbrechen, auch wenn mal, wie in der Geheimdienstaffäre, das Licht im Theater flackert. In der Eurokrise habe ich auch noch applaudiert, jetzt hat sich der Zynismus (Sicherheit ist ein Supergrundrecht) ausgebreitet. Ja, auch ich habe meinen Anteil.

    Wenn „Checks and Balances“ über dieses Gremium nicht funktionieren, dann lasst uns ein neues suchen. Das meine ich unironisch, Gremien bewähren sich in Krisen und in Deutschland sind wir noch nicht mal so richtig drin. Spätestens dann wird sich die Sinnfrage stellen: Wozu betreiben wir die Quasselbuden? Ich wage die These, dass sich der Parlamentarismus in der BRD in einer ähnlichen Krise befindet, wie der Euro. Die Exekutive kontrolliert ihn über die Parteien, die Judikative nimmt ihm Arbeit ab; wenn es nicht passt, umgeht der Geheimdienst Gesetze, die komplizierten Sachen regelt ohnehin die EU. Sehen sie den Bundestag in einer stärkeren Rolle als die englische Monarchie? Dann lieber Beckenbauer als Bundeskaiser.

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    @ Stevanovic

    erst mal chapeau! chapeau! an Sie und die Mitstreiter, die an diesen Hundstagen kühlen Kopf bewahren (wie machen Sie das?) und derartig differenziert diskutieren.

    Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie, wenn Sie einen Salon betreten, gleich schauen, ob es da Hintertürchen gibt, durch die Sie sich im eventuell oder im Notfall (wenn an den Genitalien aus pädagogischen Gründen Gewichte befestigt werden sollen) auch davonstehlen könnten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Ausmaß Ihrer Ironie, Ihren Sarkasmus oder Ihrer Vogelperspektive richtig einschätzen kann, trotzdem eine ernstgemeinte Frage: Gibt es und auf welcher Ebene eine balance of power? Kann sein, dass ich übersehen oder falsch gelesen habe, aber ich habe den Eindruck, dass Sie sich und uns in einem Status der, so Sloterdijk, amechanía sehen, „in welcher der Mensch um das gebracht ist, was ihn aus griechischer Sicht erst ganz zum Menschen macht, nämlich die Fähigkeit zur Riposte gegen Angriffe, die Ausstattung mit Handlungsoptionen oder, um zeitgenössisch zu reden, der vollbesitz seiner agency. Sobald der Mensch in der amechanía versinkt, gerät er in den Zustand, der schlechterdings nicht menschengemäß scheint.“ – Erstaunlich finde ich, dass wir, so Propheten wie Alan Posener, doch bitte Vertrauen (credit) in das System setzen, dessen Spielregeln, so Adam Smith die amoralischen Individuen oder, Parisien hat darauf hingewiesen, die Psychopathen setzen und/oder mißbrauchen. Da hülfe nur noch Katholizismus? Da ich religiös unmusikalisch bin, habe ich diese Wahl nicht.

    @ Parisien

    Sie haben recht; die Dame hat gequirlte Scheiße im Kopf. Nomen – Allmend-inger – est omen. So einfach ist das manchmal.

    @ Alan Posener

    Ich finde es interessant, dass Personen, die so Ich-schwach, aus welchen individualpsychologischen Gründen (motherless child, fatherless child, Brüderhorder) auch immer, waren, sich mit intellektuellen Exo-Skeletten zu Wegweisern machen wollen. Einige Parallelen zum Katholizismus stimmen, bereit sein (aber warum?) für ein sacrificium intellectus, extra ecclesiam nulla salus, andere nicht, diese Tribunale sind nicht zu vergleichen mit der Ohrenbeichte, vielleicht mit Inquisitionen, die ihre Zangen zeigt. Nicht hinreichend erklärt scheint mir, wie und warum Sie sich derartig quälen ließen bzw. genossen haben, andere zu quälen.

    Vielleicht könnten Sie noch den einen oder anderen Gedanken über die Wahlverwandtschaft des Axel-Springer-Verlags zu „Konvertiten“, zu marxistisch-leninistischen-trotzkisten-maoistischen alten Kadern und/oder fellow traveler anhängen. Wie wurden Sie dort rekrutiert? Wen aus den alten Seilschaften konnten Sie rekrutieren? Gibt es eine Parallele, dass gerade neokonservative think-tanks diese Kader von Untoten reanimierten?

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    Der gute Junge ist übrigens mein heimlicher Lieblingssohn, begabt in einigen Dingen, u.a. im Knüpfen von Kontakten in allen Schichten und vielleicht sogar der Intelligenteste von allen Kindern, denn schlechte Lehrer und langweiligen Schulstoff zu verweigern, sagt noch nichts über Qualitäten aus. Außerdem: Wer in Kunst sich entfaltet, statt die starren Vorgaben des Lehrers zu erfüllen, bekommt höchstens eine drei.

    Das nächste OT aus diesem einfallslosen Land:
    http://www.welt.de/vermischtes.....chlag.html

    Dass mal einer auf die Idee kommt, Haschisch zu legalisieren und die Hatz auf Rauchen zu beenden und dafür die Grenze für Alkoholkonsum auf 21 Jahre hochzuschrauben, braucht man wohl nicht zu erwarten. Hotels und Gastronomie würden das mit aller Macht verhindern, denn Alkohol verkaufen ist viel netter als Vorhänge waschen, und Oma und Opa schlafen gern im rauchfreien Zimmer, dafür prügeln sich die Enkel oder werden verprügelt. Und das sagt einer, der nie gehascht hat, der aber sieht, dass Hasch im Gegensatz zu Alkohol nicht aggressiv macht. Und auch nicht unbedingt wehrlos.

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    @ Moritz Berger
    Ihre Betrachtungen über deutsche Privatschulen könnten zwar stimmen, doch vergessen Sie dabei, dass Privatschulen auch Stipendien für Begabte aus nicht passenden Schichten bereithalten.

    Ich möchte Sie lieber mit einem Artikel konfrontieren und hierbei mit einer Tante, die meint, über Gleichmacherei täte sie dem Land einen Gefallen.

    Vorher aber möchte ich Sie und andere Interessenten mit folgender Erfahrung konfrontieren:
    Hochintelligente Frau heiratet wegen durch Krieg eingeschränkter Auswahl minder bemittelten Mann: Heraus kommt ein Hochintelligenter, ein Mischling, der sich spätert mausert und ein kapitaler Versager. Der „Versager“ bekommt später ein sehr intelligentes Kind. Der Hochimtelligente bekommt mit intelligenter Partnerin zwei intelligente Kinder und einen Versager, der ihn quälend an den eigenen Vater erinnert und den er gelegentlich am liebsten grün und blau geschlagen hätte, was er sich natürlich wohlweislich verkneift. Der Unterschied zwischen diesem uninteressierten Leistungsverweigerer und den anderen ist nicht etwa, dass mit ihm keine Hausaufgaben gemacht wurden, nein, der Unterschied ist, dass nur mit ihm Hausaufgaben gemacht wurden, die oft endlos waren, da es zunächst eine Stunde dauerte, das verbockte Desinteresse zu überwinden. Die anderen Kinder waren längst fertig und hatten außer Hausaufgaben meist noch darüber hinaus etwas gelesen, das sie interessierte.
    Zusammenfassung: Die Intelligenz mendelt. Jede Familie kann davon ein Lied singen.
    Für Politiker bedeutet das an sich, dass die Intelligenten, die sich in der Schule zu Tode langweilen, eigene Schulen brauchen.
    Statt dessen betreiben sie Gleichmacherei und benutzen die Intelligenten als Sozialarbeiter für die anderen, lassen sie auch schon mal in der Schule die Hausaufgaben der anderen unbezahlt beaufsichtigen und solche Dinge. Daraus entsteht kein gutes Land. Das ist linke Menschenbastelei und Gleichmacherei. Intelligenz mendelt. Und jetzt lesen Sie den Quark mal. Wenn die Hausaufgaben wegfallen, lesen die Intelligenteren zu Hause Bücher und Zeitungen. Linke Gleichmacher kapieren das nicht. Sie schöpfen ihre Existenzberechtigung aus einer Lüge: Dass alle gleich wären. Und aus einer Mentalität: Dass man die Besseren am besten bestraft. Ab 1938 steckte man die Besseren ins KZ. Daher würde man bei manchen Leuten am liebsten wissen, was Opa gemacht hat oder Papi.
    Auf jeden Fall hat derblondehans nicht mit allen seinen Betrachtungen unrecht.
    http://www.welt.de/politik/deu.....hheit.html

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    Apropos Existenzangst:
    Sie multiplizieren Ismael und seine Brüder mit acht, dann haben Sie schon 64, die in acht 220qm-Wohnungen leben, alles finanziert von Bayern und BW, während die Immobilienpreise so gestiegen sind, dass die Töchter von Roland Ziegler (der sich keine größere Wohnung leisten kann) mit zwei Kindern in Ein-Zimmer-Apartments hausen. Das macht Existenzangst. Man sollte sich davor hüten und an die Macht der Vernunft glauben. Aber langsam fällt das schwer.
    Ich wusste gar nicht, dass im Kosovo immer noch Bürgerkrieg ist.
    Vielleicht ist das Paper von JP Morgan doch in einigen Punkten richtig. Ich muss noch einmal darüber nachdenken.

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    Erklärung für Nicht-Frankophone:
    boisson=Getränk
    marcel: ein mec, der sich nicht scheut, ein feingeripptes Unterhemd zutragen und nichts darüber.

    Jetzt die Arroganz darin: Der Pariser bezeichnet den Ricard/Pernod als ein Proletengetränk, dass man, wenn man auf sich hält, nur im Sommer an der Côte d’Azur konsummieren darf. Der „marcel“ dagegen trinkt das toujours und betäubt damit seine Existenzangst, so er die hat.

    @ KJN
    Existenzangst? Na gut, wenn Sie es so empfinden. Mir macht Existenzangst, wenn Staaten in Staaten und Firmen alles über mich speichern, auch mein Innerstes, meine Herkunft, meine Freunde, denn dann bin ich effektiv nicht mehr. Nichts gehört mir mehr.

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    @68er
    Hat mir gut gefallen, ihr Beitrag. (Besonders das institutionalisierte rumspringa bei den Amish – tröstende Information für Eltern adoleszierender Kinder.) Allgemein: Die Bandbreite des erlaubten Verhaltens im Großbügertum ist schlichtweg größer. Wenn man (wie EJ) nach Chancengleichheit/Chancengerechtigkeit fragt: Bereits in Adelsfamilien gab es immer Exzentriker und die wurden stets mit durchgeschleppt, wenn sie nicht erfolgreich waren. Weil man es sich leisten konnte. Der Vorteil ist, daß Exzentrizität – abweichendes Verhalten – auch Voraussetzung dafür ist, sich zu profilieren, etwas zu erfinden, ein Unternehmen zu gründen, Künstler zu werden etc. Extroversion und Erkennbarkeit – die aber eben auch „in die Hose“ gehen kann und abgefangen werden muss. Der Großbürger kann sich leisten, seinen Kindern mehr Verhaltensspielraum / Risikobereitschaft zuzugestehen. Das Klima ist entspannter und es wird mehr gelobt. Und so können die 5- 10 %, die damit erfolgreich werden, die Dynastie weitertragen und die anderen mitschleppen. Das Sozialsystem ist innerfamiliär. Daß z.B. wir beide als Kleinbürgerkinder uns diesen Verhaltensspielraum selber nicht so zugestehen oder zugestanden haben – Sie haben es ja beschrieben – wird so verständlich (und genauso das Hoffen auf den Staat).
    Wir konnten das Risiko für uns – und unsere Eltern – gar nicht eingehen, sind überhaupt weniger sorglos. Existenzangst ins kleinbürgerlich. (Man denke z.B. an die kleinbürgerliche angstbesetzte Diskussion um Facebook & Co.)
    Und das korrelliert nicht direkt mit Geld, Besitz – aus genannten Gründen.
    Ja, Sozialismus ist für Habenichtse eine ernste Sache und keine Spielwiese für Bürgerkinder in der rumspringa – Phase. (Wie ernst, haben wir ja gesehen..)
    Ich weiß nicht, ob wir alle per Gesellschaftsorganisation Großbürger werden können und ob das überhaupt wünschenswert ist – wir haben durch die Öffnung der Unis in den 70ern, 80ern heute einen Akedemikerüberhang, der sich gewaschen hat und in der Folge eine Proletarisierung akademischer Arbeitsstellen – daher auch (in Deutschland) die Bologna-Verschulung der Studiengänge. Es gibt also immer eine Gegenreaktion, die die Gleichmacherei (naturgesetzlich?) konterkariert.
    So gesehen ist der von mir angeführte Positivismus in den Focus-Ausgaben eigentlich urdemokratisch – wie der USA-Positivismus.
    Sie schreiben: „Sozialisation ist dann am erfolgreichsten, wenn man die Menschen zunächst durch Erziehung und die Einbindung in sichere Strukturen prägt und ihnen dann die Möglichkeit gibt, sich “freiwillig” für oder gegen die eigene Gruppe zu entscheiden.“
    Genau das ist auch meine Erkenntnis – aber gibt es überhaupt noch „eigene Gruppen“ – z.B. die Amish, für oder gegen die man sich entscheiden kann, wenn man alles gleichmacht: staatliche Schulpflicht, Zivilreligion, Auflösung der traditionellen Familie (Wie – du ziehst nur Kinder groß?), Baby-Krippen, Marginalisierung von Religionen, Anti-Orthodoxie, Beschneidungsverbot, Homo-Ehe…)
    Übertreibt man nicht – in vielleicht bester Absicht – die Gleichmacherei? Meine Prognose: Macht man so weiter, bleibt nur „erfolgreich“ und „nicht erfolgreich“, „bestanden“/“durchgefallen“, „oben“/“unten“.
    Das wird also weitere Konflikte heraufbeschwören. Es gibt m.E. nur ein Rezept dagegen: Pluralität.

  22. avatar

    @ Moritz Berger, EJ, AP und 68er

    Es gibt auch Leute, die wegen (hier geistig) nobler Familie eine brillante Ausbildung machen und heute CEO wären, die aber so intelligent sind, dass sie das alles nur ankotzt, Netzwerke, connections, das ewige Streben an die Schaltstellen der Macht der Machtbesessenen, die am Ende nur kleine Elektriker sind, die an den Lichtern der Anderen drehen, die sie oft höhnisch Subalterne nennen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Matthieu_Ricard

    Bon week-end!
    @ Jean-Luc
    Darauf eine boisson de marcel, den unübertroffenen Ricard?

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    Lieber Moritz Berger: Danke für Yü Gung. Den hatte ich glatt vergessen. Aber die Parabel gibt einen Einblick in unsere damalige Geisteshaltung.
    Was nun den „Glauben“ an den (Neo-)Liberalismus betrifft: Sie erinnern mich doch ein wenig an den wortklaubenden Totengräber in „Hamlet“, über den der Prinz sagt: „How absolute the knave is.“ Wenn Sie meine Einträge hier gelesen haben (und das haben Sie ja), dann wird Ihnen nicht entgangen sein, dass ich nach der Krise von 2008ff keineswegs gemeint habe, die Anhänger des freien Marktes könnten einfach so weiternmachen wie bisher, ohne ihre Grundannahmen und Ableitungen zu überprüfen. Wiederholt habe ich hier und in der „Welt“ zum Beispiel gesagt, dass man Keynes wiederentdecken müsse – bzw. Obama dafür gelobt, dass er eine keynesianische Politik betriebt, und die neoliberale Schulweisheit Merkels als tödlich für die Eurozone kritisiert. Also Gemach.

  24. avatar

    @ Moritz Berger

    Die Beispiele sind schon nicht schlecht. Ich war letztens auf eine Konfirmation bei Freunden, die in einem bekannten deutschen Großkonzern arbeiten. Da wurde dann auch über Schüleraustausch gesprochen. Ich als dummes Arbeiterkind habe gedacht, dass mache man, um die Sprache zu erlernen und seinen Horizont zu erweitern. Die Mutter der Konfirmandin erklärte mir aber, dass man in einem guten Internat wertvolle Netzwerke knüpfen könne. Fand ich irgendwie strange, aber so denkt man heute wohl.

    Bei Witten-Herdecke fällt mir ein, dass der Gründungsdirektor Konrad Schily der Bruder von Otto Schily ist. Die beiden kommen aus einem bürgerlichen Haushalt aus Bochum. Der Vater war Hüttendirekor des Bochumer Vereins. Otto Schily vertrat dann als Anwalt zunächst u. a. Horst Mahler, dessen Vater überzeugter Nationalsozialist und Arzt war. Auch Horst Mahler war bei der KPD/AO zuvor jedoch Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und Waffenbruder der schlagenden Verbindung Landsmannschaft Thuringia. Später wurde Schily durch die Verteidigung der Pfarrerstochter und ebenfalls Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes, Gudrun Ensslin, bekannt.

    Wenn man in einer Familie als erster an eine Universität gehen darf und sich dort politisch umtreibt, trifft man so manchen, der aufgrund seines Elternhauses, seiner bisherigen Erziehung und Bildung sowohl inhaltlich als auch der Form nach, erheblich überzeugender für den Sozialismus eintreten kann, als man selbst sich dies zutraut.

    Ich habe die Leute beobachtet, wie sie in der Lage waren, sich auszudrücken, wie sie ein Gespür für Hierarchien hatten, und wie sie letztlich auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren. Sie hatten damals lange Haare, zerrissene Jeans und kämpften für den Sozialismus in der SPD, der GRÜNEN-Hochschulgruppe oder dem SHB. Aber sie kämpften, wenn es sein musste und der eigenen Parteikarriere nutzte, auch für den populistischen Oskar Lafontaine. Was mich schon damals hätte stutzig machte, war, dass sie alle einen schicken Golf oder gar Passat von Papi oder Mami gestellt bekamen, wegen geschickter Verlustvorträge, Ansparabschreibungen oder ähnlichen Steuertricks Bafög bezogen, neben dem Studium nicht arbeiten mussten und ihr Bafög nach dem Studium mit den entsprechenden Vergünstigungen auf einen Schlag zurück zahlen konnten.

    Heute sind die „Genossen“ bei Roland Berger, Daimler Benz oder Siemens und fühlen sich vielleicht noch irgendwie „links“. Tatsächlich sind sie aber wieder da gelandet, wo sie der Papa schon immer sehen wollte, in der erfolgreichen Karriere. Der sah damals die Eskapaden des Filius mit kritischem Wohlwollen und kommentierte sie vielleicht mit dem Bonmont

    „Wer mit 20 Jahren nicht Sozialist ist, der hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch ist, hat kein Hirn.“

    Die Jungs sollten sich die Hörner abstoßen so, wie bei den Amish People in der Zeit des „Rumspringa“ wenn die Kinder vor ihrer Erwachsenentaufe eine Zeit lang ohne die strengen Verbote der Gemeinde leben dürfen, elektrische Geräte und Autos benutzen und sich Alkoholexzessen hingeben dürfen.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Rumspringa

    http://www.youtube.com/watch?v=yC6iy6egzkU

    Sozialisation ist dann am erfolgreichsten, wenn man die Menschen zunächst durch Erziehung und die Einbindung in sichere Strukturen prägt und ihnen dann die Möglichkeit gibt, sich „freiwillig“ für oder gegen die eigene Gruppe zu entscheiden.

    In der Zeit des Studiums wird vielleicht das Radikale und Bedrohliche der jugendlichen Thesen ein wenig kritisiert, der Erfolg als Studentenführer bzw. das Engagement in der Gruppe und deren Wirkungsmacht wird von den Eltern aber meist mit einem gewissen Stolz zur Kenntnis genommen.

    Wenn man aber als Arbeiterkind auf die Universität geht, entspringt das politische Engagement für die soziale Sache eher aus der eigenen Sozialisation, dem Wissen, dass ein Studium ohne Studiengebühren, keine Selbstverständlichkeit ist. Aus dem Wissen, dass ein Elternteil zur Finanzierung des Studiums ohne Bafög einen Nebenjob angenommen hat, und nicht aus einer Trotzreaktion gegen das eigene Elternhaus oder die eigene Orientierungslosigkeit im Drogenrausch.

    Sozialismus ist keine Spielwiese für reiche Leute Kinder!

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    @EJ

    @ Moritz Berger

    Was haben CEOs mit Großbürgertum zu tun?

    Gegenfrage:

    Was verstehen Sie unter Großbürgertum=

    http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fb%C3%BCrger

    Die Bourgeoisie?

    oder sind es die Similauner:

    „Im elitären Männerzirkel der Similauner kraxeln unter Führung von Reinhold Messner Manager wie Hubert Burda, Jürgen Weber, Herbert Hainer und René Obermann.“

    http://www.manager-magazin.de/.....49392.html

    Vuelleicht finden Sie das heutige Großbürgertum beim Winterpolo in St. Moritz:

    http://www.polostmoritz.com/en.....trait.html

    Oder vielleicht sind das die Trustees der Uni Witten-Herdicke

    http://www.uni-wh.de/en/networ.....-trustees/

    Oder die Eltern der Odenwaldschüler, des Salem Internats, der Birkle Schule oder http://www.louisenlund.de monatliche “ Gebühren “ > 2000 €

    Die “ zukünftige Elite “ finden Sie auch in Bayern im:

    http://www.schloss-neubeuern.de/de/index.html

  26. avatar

    Nachtrag..
    So scheint mit – heute – der Neokapitalismus mit 68er-Furor betrieben zu werden.
    – Wobei man die Opfer in staatlicher Obhut versucht ruhigzustellen.

  27. avatar

    EJ: … Großbürgerliche Großzügigkeit oder kleinbürgerliches Versöhnlertum? – OK. Was auch immer, ich will’s nicht stören. …

    … genau. Wahrscheinlich gucken s’e jetze gemeinsam Frauenfußall …

  28. avatar

    „..ich glaube..“
    .. möchte wirklich nicht beim Disput alter, wo auch immer gewachsenen Eliten stören – zugegeben, ein bisschen juckt es mich doch (zukurzgekommen?): Ich „glaube“ auch an den Kapitalismus – im Sinne von: ich vermute, daß er „am ehesten die Klassenunterschiede einebnet und am meisten Chancen schafft“ (Posener). So, wie man „glaubt“, daß physikalische Gesetze gelten – bis sie erweitert werden (Νewton -> Einstein). „Glauben“ kann auch „hoffen“ heißen, in diesem Falle hoffen, daß aus dem Kapitalismus – im Sinne von „freie Marktwirtschaft“ – kein tatsächlicher -ismus, nämlich eine Ideologie gebaut wird. Deswegen meine Intervention.
    Nochmal: Ich meine, wo Menschen zusammenkommen, gibt’s Handel /Kapitalismus. Wenn es allerdings einigen wenigen gelingt, die Mehrheit (durch Gehirnwäsche = Ideologie) zu dominieren, läuft etwas verkehrt. Dann entsteht die Gefahr, daß das Kind Marktwirtschaft mit dem Bade Kapitalismus ausgeschüttet wird.
    Ich habe viel persönlichen Kontakt und Diskussion mit derzeit 55-70-Jährigen aus der 68er-Zeit und bemerke eine wesentliche Unterschiede zu der Generation, zu der ich mich zähle (40-55): Die wirtschaftliche wie weltanschauliche Wirklichkeit ist bereits sehr unterschiedlich, aber meine Generation („Generation Golf“) scheint in der Folge der dominanten 68er anscheinend nicht in der Lage zu sein, sich bemerkbar zu machen (ich versuche das gerade mit meinen begrenzten Möglichkeiten). Die „Grünen“, in der Folge der 68er waren nie eine ernstzunehmende ideologische Kraft und werden es auch nicht werden. So scheint mit – heute – der Neokapitalismus mit 68er-Furor betrieben zu werden.
    Ich halte das für nicht ungefährlich.

  29. avatar

    Lieber Herr Posener,

    ich vergaß Mao:

    YÜ GUNG VERSETZT BERGE

    Es gibt ein altes chinesisches Gleichnis, die Parabel „Yü Gung versetzt Berge“. Darin wird erzählt, daß in alten Zeiten im Norden Chinas ein Greis aus den Nördlichen Bergen namens Yü Gung („Närrischer Greis“) lebte. Den Weg, der von seiner Haustür nach Süden führte, versperrten zwei große Berge: der Taihang und der Wangwu. Yü Gung faßte den Entschluß, gemeinsam mit seinen Söhnen diese Berge mit Hacken abzutragen. Ein anderer Greis namens Dschi Sou („Weiser Alter“) lachte, als er sie sah, und meinte: „Ihr treibt aber wirklich Unfug; ihr paar Leute könnt doch unmöglich zwei solche riesigen Berge abtragen!“ Yü Gung antwortete ihm: „Sterbe ich, bleiben meine Kinder; sterben die Kinder, bleiben die Enkelkinder, und so werden sich die Generationen in einer endlosen Reihe ablösen. Diese Berge sind zwar hoch, aber sie können nicht mehr höher werden; um das, was wir abtragen, werden sie niedriger: Warum sollten wir sie da nicht abtragen können?“ Nachdem Yü Gung mit diesen Worten die falsche Auffassung Dschi Sous widerlegt hatte, machte er sich daran – ohne auch nur im geringsten zu schwanken -, Tag für Tag die Berge abzutragen. Das rührte Gott, und er schickte zwei seiner Boten auf die Erde, die beide Berge auf dem Rücken davontrugen.

    http://www.infopartisan.net/ar.....21_324.htm

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    Lieber Herr Posener,

    es ist für moch immer wieder überraschend wie Nichtökonomen faszinierend sind vom Neoliberalismus.

    Und Sie vermischen hier (unbewußt???) Termini wie liberal und neoliberal!!!!

    Ihr Zitat:
    Was mich betrifft, so bin ich gerade deshalb ein Neoliberaler, weil ich glaube, dass die liberale Wirtschaftsform am ehesten die Klassenunterschiede einebnet und am meisten Chancen schafft.“

    Und wenn ich dann noch lese:

    ….ich glaube“…..,

    dann hat diese Bewunderung schon fast religiösen Charakter, wobei wir dann schon wieder bei der Kirche und dem Kommunismus wären.

    Aber ich bin sehr liberal (aber nicht neoliberal!!!)und will Sie nicht bekehren 🙂

    Glauben Sie weiter an den Neoliberalismus,

    der Glaube kann Berge versetzen, so heißt es schon in der Bibel.

    In dem Zusammenhang hier ein Hinweis auf eine Publikation:

    “’Von verrückten alten Männern, die Berge versetzen wollten’ Die Überzeugungskraft der Worte Maos” in: Überzeugungsstrategien (A. Chaniotis, A. Kropp, C. Steinhoff Hrsg.) Heidelberger Jahrbücher Band 52, Heidelberg: Springer Verlag, 2008, 38-60.“

    🙂

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    @ Alan Posener

    KPD und DKP

    Klar. Gefechtseifer.

    Rainer

    Großbürgerliche Großzügigkeit oder kleinbürgerliches Versöhnlertum? – OK. Was auch immer, ich will’s nicht stören. 😉

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    Lieber EJ, zwei kleine Korrekturen:
    1) Rainer Werner und ich waren nicht in der DKP. Sie DKP war unser Todfeind. Wir waren in der KPD (vormals KPD/AO) bzw. in deren Studenten verein KSV.
    Tatsächlich unterschieden sich KPD und DKP neben der Ideologie vor allem im Habitus. Die DKP war geprägt von Arbeitern und Kleinbürgern, die KPD von Studenten und Großbürgern. Was sicherlich einen Teil von deren Attraktivität ausmachte.
    2) Was mich betrifft, so bin ich gerade deshalb ein Neoliberaler, weil ich glaube, dass die liberale Wirtschaftsform am ehesten die Klassenunterschiede einebnet und am meisten Chancen schafft. Ich glaube, dass es Rainer auch so geht.
    Wir beide sind ja Lehrer gewesen und haben gesehen, wie die wohlmeinende Hätschelung von angeblich benachteiligten Kindern die Benachteiligung letztlich nur zementiert. Was heute selbstvertändlich ist: Fördern UND Fordern, das war, als wir beide in der Schule anfingen, eine Minderheitenposition. Die, nicht zufällig, gerade von Ex-Maoisten wie wir es waren, vertreten wurde, denen es ja nicht darum ging, „den Arbeitern zu helfen“, sondern sie zu „ermächtigen“. Diesen Movens erkenne ich bei Rainer in allem, was er schreibt.
    Dass ich seine Positionen ein wenig dogmatisch finde, weiß er ja, weil wir uns immer wieder treffen iund unterhalten. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass er als Lehrer immer gegen die noch starke sozialfürsorgliche Linke ankämpfen musste, während ich in der „Welt“ eher in einer Umgebung arbeite, die eher rechts von der Mitte angesiedelt ist. Daher richtet sich mein rebellischer Impuls immer wieder auch dagegen.

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    @ 68er

    Wenn ich Herrn Werner richtig verstehe, wirft er Posener auch nicht seine Herkunft als solche vor sondern stellt lediglich fest

    Stellt Werner lediglich fest? Er kritisiert. Er verlangt von APO (und seinesgleichen) ausdrücklich Aufrichtigkeit. Was ist das anderes als die Aufforderung an APO (et. al.), seine bisherigen Aussagen kritisch zu prüfen und endlich „die Wahrheit“ zu sagen. Und welche „Wahrheit“ ist das? Die alte!

    dass die Führungskader oft aus der Bürgeschicht stammten und heute in großen Teilen in dieser wieder einflussreiche Positionen bezogen haben. Denn es waren – so habe ich ihn verstanden – ja die “Bürgerlichen” in der Führungsebene, die damals dem einfachen – teils nicht bürgerlichen Fussvolk – erklärten, dass dieses von einem falschen bürgerlichen Denken befallen sei.

    Und? Warum erzählt Rainer Werner uns das? Worüber klärt er uns damit auf? Haben die Von-und-Zus ihre Namen gewechselt, um ihre Herkunft zu verbergen? Ist APOs Herkunft nicht immer wiederkehrendes Thema seiner Publizistik? Macht Rainer Werner eine irgendwie überraschende Tatsachenfeststellung? Deckt er irgendein Geheimnis auf? – Nichts dergleichen! Rainer Werner übt Kritik! Und übt Kritik in den Kategorien der alten DKP-Denke: Die Bürgerlichen waren die Halunken und Abstauber und die Bürgerlichen sind die Halunken und Abstauber.

    (Und warum muss Rainer Werner auch heute noch so denken? Das ist die Frage, die ich („listig“/ implizit) auch dem neoliberalen APO stellen wollte bzw. gestellt habe. Rainer Werner denkt auch heute noch so, weil er als Extrem-Neoliberaler den Chancenausgleich, den Transfer, die Chancengerechtigkeit nicht denken will und kann. Im Prinzip heißt es deshalb für ihn noch heute: Die Bürgerlichen/ das Bürgerliche – weg damit! Sonst habe ich, Rainer Werner, ich, der Zukurzgekommene, nie eine Chance. – So kann man sich selbst auf’s Kreuz legen!)

    @ Moritz Berger

    Was haben CEOs mit Großbürgertum zu tun?

    (Habe die Hütte voller Besuch. Kann evtl. nicht antworten.)

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    @Parisien

    Island sollte man sich genau ansehen. Dort gibt es viele, die etwas von der Pike aufbauen.

    Wenn man so bankrott war und noch ist….

    dann beginnt man wieder von Null

    „Was aus dem im Jahre 2000 angekündigten[38] „Weg in eine Wasserstoffwirtschaft“ wird, ist fraglich, da der Staat seit 2008 zahlungsunfähig ist“

    aus:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Island

    http://www.indexmundi.com/g/g......&l=de

    Dennoch es ist interessant die Entwicklung im
    “ Labor Island “ zu verfolgen:

    http://icelandicecon.blogspot.de/

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    „Chancengleichheit.. Öffnung und Durchlässigkeit der Gesellschaft..“
    Nischen schaffen und, ähem.. Zuwanderung (wg. Inzucht). Die gibt es nämlich auch geistig-intellektuell. Das „Diversity“-Gequatsche gewisser Großunternehmen jedenfalls ist bisher nichts anderes als Imagepflege. Wie der eine oder andere indische CEO.

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    @ Moritz Berger
    „Vielleicht ist dies dann der Fall, wenn z.B. der CEO es zuläßt dass sein Sohn oder seine Tochter eine Handwerksberuf ergreift statt in Stanford oder Oxbridge zu studieren.“

    Das können Sie nicht von einem CEO verlangen.
    Mit dem Golf-Handicap liegen Sie in den USA richtig. Über die Einstellungspraxis bei Porsche las ich, allerdings schon vor sechs bis sieben Jahren, dass man mit Golf gar nicht ankommen durfte, weil das zu viel Zeit wegnimmt.
    M.E. – sagte ich schon – kriegt man das so nicht gebacken. Die Politik mit ihren Forderungen und Versprechungen erweckt die Illusion einer Durchlässigkeit, die aber nur über mehrere Generationen gegeben ist bei langsamem Aufstieg. Die einzige Art, schneller etwas zu werden, ist „mach’s selber“, etwas lernen und eigene Firma. Studium ist die Falle, Handwerk die Lösung. Island sollte man sich genau ansehen. Dort gibt es viele, die etwas von der Pike aufbauen.

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    @Moritz Berger

    Das haben sie schön beschrieben.

    Bildung hilft, die Codes zu durchschauen. Bildung ist kein Garant, die Codes zu beherrschen. Sie ist eine Chance. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    „Ohne Harvard/ St. Gallen oder und INSEAD sind Ihre Chancen gering in dsie Nomenklatura zu gelangen.“

    Stimmt so nicht ganz, die Uni (die muss sein, FH ist ab der Mitte der Leiter kritisch) ist nur bei Konzernvorständen wichtig. Es kommt aus die Soft Skills an.

    Wer hinter dem Satz „Es kommt aus die Soft Skills an“ Teamfähigkeit vermutet, der hat sie nicht.

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    @EJ

    Zu diesen Ausführungen:

    „Dazu, wie solche Chancengleichheit meiner Meinung nach herzustellen wäre, habe ich mich selbst gar nicht explizit geäußert. Im Sinne dessen, was ich über Großbürgerlichkeit und Osmose gesagt habe, halte ich nicht materielle Transfers, sondern Bildungstransfers, praktisch also zunächst und vor allem Bildungspolitik für die wirksamste, für die wahrscheinlich einzige wirksame (und langfristig preiswerteste) Sozialpolitik.

    (Und was den Bildungstransfer betrifft, müsste ich, genaugenommen, eigentlich von Kulturtransfer sprechen.“

    eine Feststellung:

    Trotz Bildungstransfers (im engeren Sinn) wir habe heute mehr Abiturienten und Akademiker in .de als vor 40 Jahren, hat sich die “ Nomenklatura “ in .de nur sehr geringfügig verändert.

    Wenn Sie sich die CV´s der Manager heute anschauen, dass nur sehr wenige “ Quereinsteiger “ vorhanden sind.

    Und wenn Sie als Quereinsteiger das “ Pech “ haben sollten, dass Ihre Ehefrau bei den Assessmentgesprächen nicht den “ großbürgerlichen Standards “ Ihres zukünftigen CEO´s jo mei…

    dann müssen Sie sich scheiden lassen 🙂

    Erst als gestandener CEO können Sie sich erlauben auch Ihre Sekretärin zu heiraten.. siehe Schrempp, Mohn und andere.

    Und nicht zu vergessen, Sie brauchen auch möglichst eine sehr niedrige Zahl an handicaps 🙂 beim Golfen.

    Um die Situastion pragmatisch zu beschreiben:

    Ohne Harvard/ St. Gallen oder und INSEAD sind Ihre Chancen gering in dsie Nomenklatura zu gelangen.

    Die des “ Kaisers-neue-Kleider-Philosophie “ beherscht immer noch die Rekrutiertungsprozesse in unserer Nomenklatura.

    Daher frage ich mich auch, ob nur der
    “ Bildungstransfer “ ausreicht, um eine Öffnung und Durchlässigkeit der Gesellschaft zu erreichen.

    Vielleicht ist dies dann der Fall, wenn z.B. der CEO es zuläßt dass sein Sohn oder seine Tochter eine Handwerksberuf ergreift statt in Stanford oder Oxbridge zu studieren.

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    @ EJ

    Die Spezifizierung war für jemanden wie mich, der das Milieu des Posener und des Werner eben nie kannte, nötig. Vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. Die kleine Scham und Verlegenheit, die kenne ich sehr genau und weiß daher, was Sie meinen. Die Erinnerung daran führt dazu, dass ich den Großkotzrolexneureichbonzen, der Radtschio sagt, unfreundlich korrigiere, den Kellner jedoch sehr diplomatisch, damit er merkt, dass ich ihn vor der Blamage vor der Schicht, die Sie beschreiben, bewahren will. Es saßen schon etliche Kellner und Aushilfen am späteren Abend an unserem Tisch und lernten das Wesentliche über die Bildung des italienischn K, was in jobs, die mit Küche zu tun haben, wichtig ist. Heißt für mich, man muss die, die es nicht besser können, versuchen, mal zu fördern, freiwillig. Sobald die Politik das einfordert, höre ich damit eher auf, autoritätsresistent. Freiwillig habe ich schon manchem geholfen.
    Das erste, das man Schamerfüllten beibringen sollte, ist, dass sie Fehler machen können, aber zulassen müssen, dass sie korrigiert werden. Die Hauptgefahr für „Kleine“ heute sehe ich in dieser medial übersteigerten Makellosigkeit. Die Duchess von Cambridge bestellt sich ihre Friseuse. Man sieht ihr nicht an, dass sie gerade entbunden hat. Nun gut, das ist die Duchess. Aber es gibt unzählige einschüchternde Beispiele von Makellosigkeit.
    Sie haben also Recht, wenn Sie das so genau differenzieren.
    Andererseits müssen Sie jedoch den Hauptadressaten hierbei ansprechen: Das Fernsehen. Wenn ein allgemeines Interesse an höherer Bildung bestünde, wäre das Fernsehen das Instrument Numero 1, weil es die meisten erreicht, im Gegensatz zu Schule. Ich stelle aber fest, dass lediglich ein Interesse daran besteht, Fachidioten heranzuziehen und den Rest zu mehr oder weniger willenlosen Konsumenten zu formen.
    Lesen Sie die links von Berger bei Kocks.

    Und noch etwas anderes, sehr Spezifisches: Man beklagt des öfteren, man habe zu wenig Ärzte. Dann sollte man doch den Numerus Clausus abschaffen, oder? Dann hätte man zu wenig Plätze. Ja gut, muss man daraus schlussfolgern, dann muss man eben zwei, drei neue medizinische Fakultäten aufbauen. Oder? Statt einem Bahnhof, der diesen irrsinnigen run um Sekunden unterstützt, also einen Bahnhof, der Speditionen hilft? Dann hätte man statt dessen eine medizinische Fakultät in Stuttgart bauen sollen und eine dritte in Schöneberg statt einem Flughafen? Statt dessen klagt man, baut Prestigeobjekte und importiert Ärzte.

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    @ EJ

    Sorry, ich glaube sie sehen das etwas einseitig. Es ist ja nicht nur Herr Werner, der in dem „Parteiverfahren“ Vorwürfe gegen Herrn Posener erhebt. Im Gegensatz zu Posener macht er dies nicht denunziatorisch, er kramt – anders als Posener – keine konkrete Begebenheiten hervor sondern argumentiert auf einer eher psychologisierenden Ebene, die man sicherlich kritisieren kann.

    Im Moment reagiert Herr Werner ja gar nicht, was mir eigentlich gut gefällt. Denn nichts ärgert die „Genossen“ mehr als wenn man sie nicht ernst nimmt.
    Das macht es den jetzt radikalbürgerlichen bzw. radialliberalen „Genossen“ zwar einfacher, den Stab über Herrn Werner zu brechen, und die Reihen wieder zu schließen. Aber diese Haltung ist auch immer Vorbild für die Schwankenden und zieht die bekannten „ad homi-dinkenskirchen“ Argumentationsmuster nach sich, die darauf abzielen, den Exkommunizierten als Lumpen darzustellen, der schon vor 40 Jahren ein ganz böser Geselle war. Die Parallelen zu Snowden liegen für mich auf der Hand.

    Wenn ich Herrn Werner richtig verstehe, wirft er Posener auch nicht seine Herkunft als solche vor sondern stellt lediglich fest, dass die Führungskader oft aus der Bürgeschicht stammten und heute in großen Teilen in dieser wieder einflussreiche Positionen bezogen haben. Denn es waren – so habe ich ihn verstanden – ja die „Bürgerlichen“ in der Führungsebene, die damals dem einfachen – teils nicht bürgerlichen Fussvolk – erklärten, dass dieses von einem falschen bürgerlichen Denken befallen sei.

    Die gläubigen „Nicht-Bürgerlichen“, die ja gar nicht wussten, was richtiges Bürgertum ist, mussten den Wissenden natürlich glauben. Das ganze kommunistische Gedankengebäude wurde ja von den Bürgersöhnen Marx, Engels und Lenin erdacht. Ich finde, der Hinweis auf diese Paradoxie, die sich auch in den von Herrn Werner zitierten Lebenswegen spiegelt, ist auch heute noch legitim. Besonders wenn man weiß, dass nicht alle der damals Aktiven sich aus eigenem Antrieb – sondern zum teil auf klandestinen Sohlen – in die „linken“ Strukturen eingeschlichen oder diese gar gegründet haben.

    Daher sind aus meiner Sicht die psychologisierenden Vermutungen von Herrn Werner doch noch recht wohlwollend. Der Vorwurf, die „Bürgerlichen“ in den Führungsebenen hätten sich vom Streben nach Sex und Macht leiten lassen, ist ja weniger verwerflich als die Interpretation, sie seien zum Teil tatsächlich die CIA- und MI6-Agenten gewesen, die man schon damals in jedem zweiten „Genossen“ zu sehen meinte und hinter jeder Ecke vermutete.

    Die Strategie des „Divide et Impera“ der Geheimdienste, funktionierte schon damals sehr gut.

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    @ Parisien

    Sie haben mich anscheinend gründlich missverstanden.

    Ich habe nichts gegen das Erben, ordentliche Besteuerung vorausgesetzt. (Sagen wir: Grosso modo akzeptiere ich den einschlägigen status quo.) Vom Erben bzw. von dem FDP-Papier habe ich nur gesprochen, um zu demonstrieren, was der (neo-)liberale Rainer Werner in seiner Anklage gegen APO eigentlich genau verlangt und wie er vorgeht.

    Mit der Erwähnung des FDP-Papiers parodiere ich Rainer Werners heutige Position. In Verlängerung dessen, was Rainer Werner sonst so auf dem Blog schreibt, dürfte es ihm kaum schwerfallen, etwas wie das erwähnte FDP-Papier zu unterschreiben. Tatsächlich tut er aber genau das Gegenteil. Und das in einer kaum zu überbietenden Weise.

    Er verlangt nicht etwa Erbschaftsbesteuerung oder gar den Verzicht auf das materielle großbürgerliche Erbe. (Was für einen Liberalen schon ein ziemliches Dingen wäre. Aber davon spricht er gar nicht.) In der Kritik seiner DKP-Vergangenheit verlangt er gleich den Verzicht auf die – quasi angeborenen, osmotisch inkorporierten, mit der Muttermilch eingesogenen – überlegenen großbürgerlichen Fähigkeiten geistiger, seelischer und sozialer Art. Er verlangt radikalste Selbstverleugnung.

    Heißt: Rainer Werner übt die Kritik seiner K-Gruppen-Vergangenheit exakt im Stil seiner K-Gruppen-Vergangenheit. Die mit ihrer Überlegenheit (wie schon immer) führenden Adligen, die Großbürger, die Bürgerlichen waren die schlimmen Finger. Er verlangt heute (etwa von Alan Posener) exakt die auf Selbstverleugnung zielende Selbstkritik, die schon damals in seiner K-Gruppe verlangt wurde. Und er untergräbt und verleugnet damit die von beiden, Rainer Werner und Alan Posener, heute eingenommene (neo-)liberale Position.

    Das herauszustellen, war vor allem mein Ziel (das ich offensichtlich nicht erreicht habe).

    Was ansonsten mich betrifft: Dass der radikal (neo-)liberale Rainer Werner in der Abrechnung mit seiner Vergangenheit zum alten radikalen DKP-Kommunisten re-mutieren muss, nehme ich („naiv“) als Indiz dafür, dass es sich bei der von Rainen Werner beklagten Chancen-Ungleichheit tatsächlich um ein ernst zu nehmendes Problem handelt und frage Alan Posener, wie denn das Problem zu lösen ist/ wäre, ohne zu den DKP-Methoden Rainer Werners zu greifen.

    Dazu, wie solche Chancengleichheit meiner Meinung nach herzustellen wäre, habe ich mich selbst gar nicht explizit geäußert. Im Sinne dessen, was ich über Großbürgerlichkeit und Osmose gesagt habe, halte ich nicht materielle Transfers, sondern Bildungstransfers, praktisch also zunächst und vor allem Bildungspolitik für die wirksamste, für die wahrscheinlich einzige wirksame (und langfristig preiswerteste) Sozialpolitik.

    (Und was den Bildungstransfer betrifft, müsste ich, genaugenommen, eigentlich von Kulturtransfer sprechen. – Ich setze das in Klammern, weil es in den OT-Bereich führt und ich es auch bis einschließlich Montag nicht diskutieren kann.

    Der Großbürger – und, bitte, das ist eine Metapher!: – beherrscht sozusagen die Kunst, inmitten der großbürgerlichen Party seine gesamte Kleidung zu wechseln, ohne dass er sich selbst oder irgendjemanden der sonstigen Gäste in Verlegenheit bringt. Demgegenüber ist das tägliche Brot der Underdogs und der Zukurzgekommenen (in jeder materiellen und immateriellen Beziehung) Verlegenheit und Scham.

    Großbürgerlichkeit ist mit Geld nur schwach korreliert ist. Das hat APO schon gesagt. Ich würde noch hinzufügen: Die Korrelation mit Intellekt ist ebenfalls nur gering. Beide sind nicht conditio sine qua non. Unvergleichlich hoch ist demgegenüber die Korrelation mit einer sehr breiten (aber nicht notwendig sehr tiefen) Kultur. Es gibt (tendenziell) keinen großbürgerlichen Lebensbereich, der nicht „kultiviert“ ist – siehe oben: die Metapher! Deshalb kennt der Großbürger das tägliche Brot aller niedrigeren/ „niederen“ Schichten, Verlegenheit und Scham, nicht. Was auch immer der Großbürger tut, er tut es kultiviert. Das schafft eine großbürgerliche Welt, APO hat es angedeutet, die man kennen und der man vertrauen kann – Weltkenntnis und Weltvertrauen.

    Etwas in der Art wäre das Ziel des von mir gewünschten/ geforderten Transfers – in der Erreichbarkeit utopisch, aber Richtung gebend. (Und die Frage ist, ob wir mit der „Schamlosigkeit“ der Pop-Kultur, die eindeutig eine Nachahmung in obigem Sinne ist, die richtige Richtung eingeschlagen haben.))

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    Cher Apo,

    merci….

    wann folgt der Artikel ueber den exorcism und nicht zu vergessen die flagellants…. 🙂

    Und waren sie nach nach ihrem Austritt aus der kommunistuschen Kirche auch auf dem Pilgerweg nach Compostella ? 🙂

    Ihre memories erinnern mich an meine memories, die allerdings nicht so lustig waren ……

  43. avatar

    @ EJ

    Ihre „Osmose“-Betrachtungen sind mir fremd, und zwar deswegen, weil ich klein war und arm und größer werden konnte in diesem System, das Sie schmälern:
    Es waren drei Dinge dafür notwendig: Eine gewisse Intelligenz, aber mehr noch, viel mehr, Fleiß und das Bewusstsein, dass man damit nicht gleich Chef werden musste. So viele Chefposten wie Sehnsüchte der Leute nach Größerem gibt es gar nicht. Und wenn Papa eine Schreinerfirma aufbaut oder eine Apotheke oder einen Hof und gibt die an den Sohn/Tochter, falls der/die dasselbe lernt, ist das völlig normal. Auch Dönerbuden werden an die Söhne vererbt, oder? Wenn das anders wäre, würde nie wieder jemand in Versuchung kommen, etwas aufzubauen.
    Ich meine, Ihre Sehnsüchte, andere mehr teilhaben zu lassen, sind zwar ehrenwert, doch sie sind heute gewiss auch von einer Seite erwünscht, der Sie vielleicht gar nicht so positiv gegenüber stehen: Großindustrie. Großindustrie hätte doch am liebsten, dass es keine Kleinen und Mittleren mehr gäbe und alle bei ihr versklavt werden können mit weniger Arbeitmehmerrechten und weniger Urlaub: Z.B.
    http://www.freie-berater.info/blog/archive/743
    Abschaffung der Demokratie ist auch dabei. Daher blasen Sie in ein Horn, das sich m.E., wenn gegen das Bürgertum, gleichzeitig gegen den Mittelstand und die Mittelschicht richtet, die immer die Demokratiegaranten waren, und bei Erfüllung Ihrer Träume wären ganz andere die Profiteure, als die, die Sie im Auge haben. Wer das begreift, bemüht sich lieber ein wenig, als auf Transfers oder nachgeworfene Durchlässigkeit in Form von Quoten zu warten. Bei deutschen (und auch französischen) Muslimen ist dieses Bemühen in den letzten Jahren deutlich sichtbar angewachsen.
    Was ich dazu noch erwähnen möchte, ist die Beobachtung, dass es in den vorigen beiden Jahrhunderten i.d.R. zwei Generationen brauchte, um wirklich aufzusteigen. Man bemühte sich aber. Wenn Leute im sogenannten Prekariat über drei Generationen stecken bleiben, hat das mehr damit zu tun, dass ihnen zu viel nachgeworfen wurde, meine ich, als mit einer Verweigerung, sie teilhaben zu lassen. Wählergeschenke haben die Mentalität verdorben, wenn nach Geschenken gewählt wird statt nach sinnvoller Politik und insbesondere Außenpolitik. Geschenke und Selbstbegünstigung sind eine unheilvolle Kombination. Sie werden Passive, Faule nie nach oben holen. Andere können sich sehr viel erarbeiten, gerade mit MiHi. Man sieht das ja an Polen recht gut.

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