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Artikel 6 GG darf nicht beschnitten werden

In der Auseinandersetzung um die Beschneidung von muslimischen und jüdischen Jungen hat der Bundestag mit überwältigender Mehrheit sich selbst aufgefordert, eine entsprechende gesetzliche Grundlage zu erlassen. Dabei existiert sie schon. Und zwar in Gestalt des Artikels Sechs im Grundgesetz.

Der Jurist Reinhard Merkel hat in der „Süddeutschen“ vom Samstag erklärt: „Dem schärferen Blick wird auf Dauer nicht verborgen bleiben, was die angekündigte Regelung … ist: ein jüdisch-muslimisches Sonderrecht. Das bezeichnet einen Sündenfall des Rechtsstaats.“ Starke Worte. Und blanker Unsinn. Sicher braucht man nicht einmal einen „schärferen“ Blick, um zu erkennen, dass es sich hier um ein Sonderrecht für Muslime und Juden handelt (nicht um ein „muslimisches“ oder „jüdisches“ Recht). Man muss aber völlig blind sein, um darin einen „Sündenfall“ des Rechtsstaates erkennen zu wollen. Gibt es doch allenthalben Sonderrechte für die diversen christlichen Konfessionen – zum Beispiel das Recht, in den von ihnen betriebenen karitativen Einrichtungen das sonst in der Republik geltende Arbeitsrecht nicht anzuwenden, das Recht, sich den Zehnten vom Staat eintreiben zu lassen; das Recht, in eigener Verantwortung Unterricht in den öffentlichen Schulen zu erteilen; das Recht, in Rundfunkräten über das Programm der staatlich betriebenen Medien mitzubestimmen und so weiter und so fort. Mag sein, dass die entsprechenden Gesetze allgemein formuliert sind; faktisch aber gelten sie nur für Religionsgemeinschaften, die sich wie die größeren christlichen Kirchen als Körperschaften konstituieren. Auch das geplante Gesetz über die Beschneidung wird allgemein formuliert sein und dennoch fast ausschließlich von Juden und Muslimen in Anspruch genommen werden.

Der Hinweis auf die rechtlich verbrieften Privilegien der Kirchen entkräftet auch den Einwand Necla Keleks und anderer „Menschrechtsfundamentalisten“, die im GG verbrieften Freiheitsrechte seien immer „Individualrechte“; es gebe keine Kollektivrechte, die gegen diese Individualrechte ausgespielt werden könnten; notfalls müsse der Staat durch „zügige und forcierte Integration“ diese Individualrechte gegen die religiösen Gemeinschaften und die religiös geprägten Familien durchsetzen. Womit Necla Kelek (die ich persönlich mag und als Autorin schätze) eben die Frage des Artikels 6 GG berührt.

Hier ist der Wortlaut des Artikels:

 

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Entscheidend für unsere Diskussion ist Absatz 2. Die Pflege und Erziehung der Kinder, heißt es, ist „das natürliche Recht der Eltern“. Das schließt die religiöse, weltanschauliche und moralische Erziehung ein. Katholiken erziehen ihre Kinder zu Katholiken, Protestanten zu Protestanten, Muslime zu Muslimen, Juden zu Juden, Zeugen Jehovas zu Zeugen Jehovas, Scientologen zu Scientologen, Atheisten zu Atheisten. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ob die Kinder auch als Erwachsene Christen, Muslime usw. bleiben, ist eine andere Frage; außer Frage dürfte aber sein, dass diese frühkindliche Indoktrination tiefe Spuren hinterlässt. Diese Indoktrination, das habe ich in meinem allerersten Kommentar zum Thema Beschneidung in der „Welt“ festgestellt, konstituiert als „Beschneidung der Herzen“ (wie sie Jesus forderte) einen viel grundlegenderen Eingriff in die Persönlichkeit – und also in das Persönlichkeitsrecht – der Kinder als die äußerlich bleibende, wenn auch sicher nicht folgenlose Operation am Penis. Trotzdem wird die religiöse Erziehung  nicht nur geduldet, sondern vom Grundgesetz implizit „unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“  gestellt, was erstens sonst für kein Grundrecht gilt und zweitens, Herr Merkel und liebe Necla Kelek, faktisch auf ein Sonderrecht für zwei Kollektive hinausläuft: Für die Familie erstens; und zweitens für die Religionsgemeinschaften, die ja die Sitten, Bräuche, Riten, Feiern und Dogmen bestimmen und tradieren, die über die Eltern den Kindern zur zweiten Natur werden sollen.

Auch die Religionsfreiheit (Artikel Vier GG) ist übrigens kein reines „Individualrecht“ im Sinne Necla Keleks, weil die freie Religionswahl und  die in Absatz 2 garantierte  „freie Religionsausübung“ voraussetzen, dass es Kirchen, Moscheen, Synagogen, Priester, Imame und Rabbiner (und ja, auch Schächter und Mohels) gibt. Das heißt, die Religionsfreiheit ist auch eine Kollektivfreiheit der Religionsgemeinschaften, so dass etwa die katholische Kirche das Recht behält, homosexuelle Praktiken, Sex vor der Ehe, Verhütung,  Ehescheidung usw. als Sünde zu bezeichnen, auch wenn diese Dinge vom Gesetzgeber ausdrücklich erlaubt werden; die Zeugen Jehovas dürfen ihren Kindern beibringen, dass die Evolution eine Irrlehre ist, auch wenn sie Teil des Lehrplans an staatlichen Schulen ist; Juden und Muslime dürfen Tiere auf eine Weise schlachten, die den sonst gültigen Vorschriften fürs Fleischgewerbe nicht entspricht usw. usf.

Zurück aber zum Artikel sechs. Warum gibt es ihn? Noch in der Weimarer Republik wurde der entsprechende Verfassungsartikel (119) damit begründet, die Familie sei „die Keimzelle des Staates“ und diene „der Erhaltung und Vermehrung der Nation“. Diese Begründung fehlt in der Verfassung der Bundesrepublik. Zu Recht. Denn die Erfahrung mit der Diktatur zeigte, dass die Familie auch – ja vor allem – wichtig ist als Keimzelle des Widerstands gegen den Staat. Darum ist jede totalitäre Ordnung bemüht, die Familienbande aufzulösen, Kinder als Spitzel gegen ihre Eltern zu gewinnen, Eheleute und Liebespaare dazu zu bringen, sich gegenseitig zu denunzieren und zu desavouieren. Man denke an die beklemmende Szene „Der Spitzel“ in Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“, an Costa Gavras’ film „Das Geständnis“, basierend auf dem Buch von Artur London, an Winston Smith und Julia in Orwells „1984“ usw. usf. Zu den widerlichsten Episoden der Kampagne gegen Martin Luther King gehört das Abhören seines Hotelzimmers durch das FBI und das Zuschicken der Bänder, auf denen er mit einer anderen Frau zu hören ist, an seine Ehefrau Coretta. Man denke aber auch daran, wie die Familie etwa für die Geschwister Scholl einen Raum des Schutzes und des Vertrauens bildete; oder an die Familie Gauck in Rostock.

Natürlich ist der demokratische Staat nicht mit einem totalitären Staat gleichzusetzen, obwohl er sich zuweilen, wie der Fall King zeigt, ähnlicher Methoden bedient. Er ist aber gerade deshalb nicht mit einem totalitären Staat zu vergleichen, weil er seinen Einflussbereich beschränkt, weil er anerkennt, dass die Familie vor dem Staat steht, wie die Grundrechte, und dass der Staat die Familie schützen muss. Selbst wenn es um so etwas Fundamentales wie Mord oder so etwas Banales wie ein Verkehrsdelikt geht, können Eheleute vom demokratischen Staat nicht gezwungen werden, gegeneinander auszusagen: der Schutz der Familie ist wichtiger als die Ermittlung der Wahrheit oder die Herstellung des Rechtsfriedens.

Mir persönlich behagt vieles nicht, was in religiösen  – und nichtreligiösen – Familien den Kindern vermittelt wird; aber noch unbehaglicher ist die Vorstellung, dass sich der Staat im Zuge der „forcierten Integration“ in die frühkindliche Erziehung einmischt und das richtige Denken durchsetzt.

Eltern machen im Zuge dieser Erziehung und der sonstigen Erziehung unzählige Dinge falsch. Um sich eine Vorstellung davon zu machen, reicht es, einmal die Erziehungsratgeber-Ecke Ihrer Buchhandlung aufzusuchen. Wenn sie aber nicht das Kindeswohl grob verletzen, soll sich der Staat nicht einmischen. Es steht nun außer Frage, dass die Zirkumzision zwar eine Körperverletzung ist, wie jeder körperliche Eingriff. Die Frage ist jedoch, ob sie – als Teil der religiösen Erziehung im weitesten Sinn, der Einführung in die religiöse Gemeinde und ihre Regeln, die den Eltern obliegt – dem Kindeswohl derart schadet, dass ein Eingriff des Staates notwendig ist. Dafür gibt es nur sehr wenige Hinweise. Es berichten prozentual weniger jüdische und muslimische Männer über die Traumatisierung durch die Zirkumzision, als katholische Männer über die Traumatisierung aufgrund von Onanieverboten und dergleichen durch katholische Priester, oder katholische Frauen über die Traumatisierung aufgrund der körperfeindlichen Erziehung durch katholische Nonnen (ich rede ausdrücklich nicht vom Kindesmissbrauch). Wahrscheinlich haben mehr Kinder Schäden durch grausige Märchen, brutale Videospiele, übertriebenes Fernsehen, die Pornosammlung ihrer Väter und das Gezeter ihrer Mütter davon getragen als durch die Zirkumzision. Da die Angemessenheit ein wichtiger Grundsatz des Rechtsstaates ist, muss man fragen, ob ein staatliches Eingriffsrecht in die Elternrechte aller muslimischen und jüdischen Familien, um Eltern davon abzuhalten, ihre männlichen Kinder beschneiden zu lassen – das wäre in der Tat eine „Sonderbehandlung“ und ein „Sündenfall des Rechtsstaats“ – gerechtfertigt werden kann, um der möglichen Traumatisierung einiger weniger Kinder zuvorzukommen.

Die Antwort ist: Nein.

Der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Absichten gepflastert. Der Weg in einen Staat, der „forciert“ alle Bürger seinen Vorstellungen – den Vorstellungen der Mehrheit – anpasst, beginnt mit dem Verbot eines religiösen Brauchs, der in der Tat irrational, archaisch, blutig und darum schwer zu verteidigen ist, und mit der damit verbundenen Aushöhlung des Erziehungs- und Sorgerechts der Eltern. Diesen Schritt sollte der Rechtsstaat auch zu seinem eigenen Schutz nicht tun. Der Artikel sechs sollte nicht beschnitten werden.

 

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141 Gedanken zu “Artikel 6 GG darf nicht beschnitten werden;”

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    @ derblondehans: Das beanspruchen schon EJ und APo für sich.

    Naja, APOs Razor funkelt nach wie vor. Aber die Schneide braucht dringend einen Schliff. (Vielleicht will er ja zu den Trockenrasierern konvertieren.)

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    @Parisien
    „Man sollte meinen, dass zumindest Atheisten sich dessen Mantel nicht umhängen sollten“

    Möchten Sie mir ihre Vorstellung vom Atheisten anvertrauen?

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    @ dbh

    Man sollte meinen, dass zumindest Atheisten sich dessen Mantel nicht umhängen sollten:

    „Faith and reason

    William of Ockham believed „only faith gives us access to theological truths. The ways of God are not open to reason, for God has freely chosen to create a world and establish a way of salvation within it apart from any necessary laws that human logic or rationality can uncover.“

    aus Wikipedia

    Ich bin u.a. auch ein Anhänger von J.Dimon. Ich finde es großartig, wie er für einen Ramschpreis Bear Stearns kaufte und die Regierung dazu brachte, das abzusichern. So wird man nicht einseitig. Cleverness muss bewundert werden, Demut aber auch.

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    @ dbh
    Sie sind offenbar (alle, die sich mit jemandem schmücken) ornamental. Statt ihre eigene Position zu vertreten und ihre eigenen Worte sprechen zu lassen, verschaffen sie sich eine anerkannte Autorität, am allerliebsten aus dem Sektor mutiger Häretiker, seiner Zeit weit voraus, als Rückendeckung und wähnen sich avantgardistisch.
    Posener ist viel zu komplex und manchmal zu eigenständig, um sich hinter Ockham zu verstecken.

  5. avatar

    jmb: Als Vertreter von Ockhams Position …

    … Ockham-Jünger? das geht nicht. Das beanspruchen schon EJ und APo für sich.

    Mein Gott, wie viel ‚einzig Rechtgläubige‘ gibt ’s denn noch?

  6. avatar

    @derblondehans
    Einen Versuch war’s zumindest wert.
    Es gibt einen Aufsatz zu IVI, dem „Institut für vergleichende Irrelevanz“, nett geschrieben, vielleicht nach Ihrem Geschmack, einfach mal googeln?

  7. avatar

    Für’s Weekend:
    Es ist lange her, dass ich etwas so Bezauberndes gelesen habe. Das A’lo, dass sie Männerhasserin nannte, hat uns einen Gefallen getan. Man braucht ein paar Feinde, Frau Sibylle, um so eine Eloge verfassen zu können. Chapeau!:
    „Ich liebe Männer, zugegeben ein wenig mehr, wenn sie nicht in Gruppen auftreten oder hupen. Ich habe sie sehr gerne, wenn sie frieren oder schwitzen, wenn sie Angst haben und lieb zu ihren Kindern sind, wenn sie stolpern oder nachdenklich in den Himmel schauen. Ich habe sie gerne, wenn sie sich vor dem Tod fürchten oder Sorge haben, sie könnten nicht klug genug sein oder schön genug. Wenn sie sich fragen, was sie auf der Welt sollen, ob es einen Sinn im Leben gibt, und warum ausgerechnet sie nicht wissen, welchen. Ich liebe Männer, wenn sie essen und trinken, wenn sie sich in Anzügen albern vorkommen, wenn sie schlecht singen oder ihren Computer streicheln.“
    http://www.spiegel.de/kultur/g.....52744.html

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    @blonderhans
    Sie haben einen Link auf ein jpeg bereitgestellt, der drei martialische Gestalten mit Feuerwerfern zeigt und dazu vermerkt, das sei Aufklärung. Das Niveau, auf dem ich gerade diesen Disput führe, ist ein anderes, möchte ich anmerken. Ich bin gerne bereit diesen Disput zu führen, vor allem nachdem ich Poseners mariologische Dialektik (Maria) gelesen habe. Sartre hat unseren Disput unter dem Titel „Kritik der dialektischen Vernunft“ geführt. Als Vertreter von Ockhams Position nehme ich diesen Dialog gerne auf, aber wir sollten ihn sprachlich, dh. intellektuell führen, weil wir uns sonst wohl mit 3D-Spielchen im Stile von ihren drei Gestalten auseinandersetzen müssten, wozu ich wiederum nicht bereit bin.

  9. avatar

    Wer „guten Willens“ ist, könnte anfangen, darüber nachzudenken, dass es um Symbolik geht und weniger um konkrete Handlungen.
    Die Beschneidung in einen rein symbolischen Akt zu verwandeln,ohne dass ein Messer die Haut ritzt, wäre bereits ein Akt der Vernunft.

  10. avatar

    @ Backhaus
    „Wer dem Kind nicht den Risiken der Anästhesie ausliefern möchte, würde auf die Beschneidung verzichten, andere könnten dem mosaischen Gesetz folgen?“

    Die Dämmerschlafanaesthesie ist kaum mit Risiken behaftet und wird von Kinderzahnärzten praktisiert. Wenn Winnetou sonst schon nicht viel kann, Medizin kanner.

  11. avatar

    Zu meiner Kultur gehört, dass ich Anderen ihre Kultur lasse, soweit das möglich ist. Wir sind uns ja wohl einig, dass es sich hier nicht um eine Verstümmelung handelt, im Gegensatz zur afrikanischen Unsitte der Mädchenbeschneidung, die man nicht als Kultur, sondern als animalistisches Ungetüm bezeichnen muss. Wenn man über letztere genauer nachliest, kann man feststellen, dass sie in ehemals englischen und deutschen Kolonien seltener ist als in katholischen, also französischen oder belgischen, und in Ländern mit muslimischer Mehrheit übernommen wurde, woraus man den Schluss ziehen kann, dass sie der damals deutlich mehr körperfernen katholischen Kirche bzw. ihren angehörigen Ländern nicht wichtig war und dem Islam sogar gut in den Kram passte.
    Aber hier, bei Knaben, handelt es sich nicht um eine Verstümmelung, sondern um etwas, das, wie die langen Diskussionen enthüllten, Vor- wie Nachteile hat, also nicht eindeutig einzuordnen ist.
    Der Umstand, dass hier Juden UND Muslime betroffen sind, ist ein glücklicher, da er sämtliche sonst klaren Frontlinien in diversen Kreisen durcheinander purzelt und man sich genauer damit auseinandersetzen musste.
    Wenn der Gesetzgeber hier gegen die Eigenheiten der beiden Religionen eingreifen würde, könnte er auch gegen die Herstellung von kosherem Fleisch tätig werden. In der Folge könnte er ebenso gut alle christlichen, jüdischen und muslimischen Feiertage abschaffen und eigene bringen, den ersten September als Karfreitag der Glühbirne (auf die Auferstehung warten wir), den Tag der Einführung des Euro und vor allem den Saubermanntag. Der letzte deutet an, dass eine Saubermannideologie noch am ehesten in die Richtung 33ff geht. Auch der „Plansoll“ mit über 80 olymischen Medaillen lässt aufhorchen. Es wäre daher aus meiner Sicht nicht nur eine unethische, sondern eine quasi nationalsozialistische Entscheidung, so tief in das Definitionswerk der anderen Religionen einzugreifen, und verbietet sich m.E. aufgrund der Geschichte. Viele Inseln? Werden ohnehin praktiziert, Amerika hier großes Vorbild. Und die Schulpflicht sollte man in der Tat wieder durch die Bildungspflicht ersetzen, da letztere von Herrn Hitler abgeschafft wurde, um alle kontrollieren zu können. Juden allerdings durften diese Schulen nicht besuchen.
    Sie, EJ, Backhaus und RZ, sind zweifellos auf dem schlechteren Trip als ich, der ich trotz Vorbehalten die ethische Kurve kriegte. Aber RZ wird vermutlich noch länger darüber nachdenken und ist für Überraschungen gut. Einen erholsamen Freitag, Sabbat und Sonntag wünsche ich denen, die das hier verfolgen und mich hoffentlich nicht missverstanden haben, denn weder wollte ich irgendwen mit Hunden vergleichen (wobei ich selbst Hunde als gleichwertig betrachte und, wenn mein Hund aus einem reißenden Fluss nicht herauskäme, würde ich vermutlich mein Leben für ihn riskieren), noch Winnetou spielen (wobei ich daran erinnern möchte, dass die Indianer einiges besser machten als die Brutalos, die sie mit dem anderen Holocaust überzogen). Ich wollte lediglich das Dünnwissen der meisten Politiker und selbsternannten Tier- wie Menschenschützer karikieren. Da ich mich lebenslang gedanklich auf insularen Wegen bewegte und dadurch das Glück hatte, ähnliche Menschen, eigenständige Denker, kennen zu lernen (in dieser Hinsicht bevorzugter Autor: Stefan Zweig), fällt die heutige gesellschaftskonforme Dünnbrettbohrerei mir natürlich auf. Man kann sie schön in talkshows besichtigen oder bei KZ (siehe Broder).
    Übrigens hat es etwas Erheiterndes, über sich selbst zu lesen und eins zu wissen: Die kennen dich nie. Die wissen nicht, wie du denkst, weil du alles neu durchdenken kannst und vor allem eigenständig. Hugh, ich habe gesprochen, euer Greenhorn. Und ganze liebe Grüße von G’d, aka Allah. He’s smiling.

  12. avatar

    @ Backhaus: „die wahre Mutter“

    Abgesehen davon, dass es sich dabei auch nur um eine Verantwortungsverlagernung und nicht wirklich um eine Problemlösung handelt – sind es nicht Mütter, die (ihre) Töchter beschneiden?

    Religion, sofern man sie „hat“, rechtfertigt für alle alles! Meine Mutter hätte mich notfalls – ich bin notgetauft – auch mit oder in kochendem Wasser getauft (aber, selbstverständlich, weil „unwirksam“, weder mit oder in kalter noch mit oder in kochender Milch).

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    @ Backhaus: „“ethische” Tendenz im deutschen Rechtsverständnis“

    Wobei es eine nicht zu übertreffende Ironie ist, dass keine Ethik, auch keine in Anführungsstrichen, die willkürlichkeit und Abstrusität der Beschneidung selbst rechtfertigen kann. Und Beschneidung eben deshalb die Berufung unmittelbar auf Gott bzw. göttliches Gebot nötig macht.

    In der ganzen Angelegenheit geht es eigentlich nicht darum, Beschneidung in’s Gesetz zu bekommen. Gott selbst muss rein. Es geht nicht mal mehr um eine Gesetzesformulierung, sagen wir, à la GG: In Verantwortung vor Gott und den Menschen beschließen wir … Das Gesetz muss Gott selbst und unmittelbar sprechen lassen. Das ist, genau genommen, die Forderung, die in der Beschneidungsdiskussion gestellt wird.

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    Was würde ein Rat weiser judischer Schriftgelehrter vorschlagen, wenn er im Sinne hätte, die Beschneidung abzuschaffen? Im Streit um ein Baby zwischen zwei Frauen, gab es ein salomisches Urteil, indem die wahre Mutter, um Gewalt von dem Kind abzuhalten, ihren Mutterschaftsanspruch aufgab. Ist so etwas denkbar?
    Wie wird der Kompromissvorschlag der Ethikkommission gesehen? Dem Kind eine örtliche Beteubung zuzumuten,geht wohl in die salomonische Richtung. Wer dem Kind nicht den Risiken der Anästhesie ausliefern möchte, würde auf die Beschneidung verzichten, andere könnten dem mosaischen Gesetz folgen?
    Wer guten Willens ist, könnte zu dieser Lösung JA sagen?

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    Die Problematik die Parisien mit seiner Winnetou-Goldberg-Position oben anrührt, drückt einen Kulturpessimismus aus, der zwar auf die lange Sicht recht behält, die Erfahrungen der Geschichte aber nicht „produktiv“ verwurschteln will. Um des Friedens Willen kann man das akzeptieren, aber aus politischer Sicht, wäre das der Stillstand schlechthin, das (ewige) Kreisen um die Sonne, mehr aber auch nicht. Dann sollten wir uns alle eine Insel suchen und auf primitiv machen? So viele Inseln haben wir aber nicht, und deshalb bleibt diese Haltung eine (neoprimitive) alberne Luxushaltung und auch nicht mehr, die aktuell gerne in zoologischen Gärten präsentiert wird, aber ansonsten bestenfalls als Immunisierung per se angesehen werden kann, dh. wenn man seine persönliche Ruhe für den Weltfrieden halten möchte?
    Wer die „ethische“ Tendenz im deutschen Rechtsverständnis fortschreibt, darf sich nicht wundern, wenn er damit wieder eines Tages auf die „Schnauze“ fällt. Wie die „moralinsauere“ Position vernünftig gestärkt werden könnte, und wie man damit die Frage der Beschneidung in der Familie, bzw. in der Glaubensgemeinschaft auflöste, wäre mehr Symbol wagen, weniger Blut vergießen und weniger „ethisches“ Schwanzwedeln veranstalten?

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    @EJ
    „Idiosynkrasie, Eigenheiten – Kultur“
    Ich versuche es mal anders herum:
    Denken Sie mal über Ihre Identität nach: Warum sind Sie selber so, wie Sie sind?
    1. natürlich, weil Sie so geworden sind (nicht trivial)
    2. ich vermute, sie legen viel Wert, auf Bildung (mehr als ich vermutlich): Woher kommt das wohl? Vorbilder im Elternhaus, bei Lehrern etc. (auch Anti-Vorbilder sind denkbar)
    3. Sie haben diese Werte angenommen und hoch gehalten – auch gegen Widerstände – sonst wären Sie nicht da, wo Sie sind
    4. Wie haben Sie das gemacht? Sie haben sich Symbole gesucht und sich daran geklammert. Vielleicht eine bestimmte Geschichte? Ein reales Vorbild? Jedenfalls etwas, daß Sie von anderen unterscheidet. Von wem wollen Sie sich unterscheiden? Von denen, die Sie nicht gut finden, meistens, weil Sie die fürchten (vielleicht weil sie Sie „runterziehen“ könnte, oder anderes)

    Sie sprachen von den „Besonderheiten“ der deutschen Geschichte: Wird Ihnen klar, was Sie verlangen?

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    @KJN: Parisien ist nachhaltig wie ein Pulsar: schubweise sauer bis zur Ungenießbarkeit, aber beruhigt sich dann regelmäßig wieder und wird dabei regelmäßig originell. Ich selber bin immer auf der Suche nach Ruhe und muss mich tatsächlich erstmal fürs WE ausklinken. Aber das Thema wird uns wohl erstmal erhalten bleiben; Herr Posener feuert ja einen Artikel nach dem anderen dazu heraus.

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    @ KJN

    „Und ich füge @ KJN hinzu“ – das ziehe ich natürlich sofort zurück. Ihre Nachtruhe ist mir, selbstverständlich, heilig. Sleep well in your Bettgestell!

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    @ j.m.backhaus

    OK. Once more und ohne spitze Klammern.

    j.m.backhaus: Da der deutsche Staat ein sehr hohes Interesse an Gemeinschaft und Paternalismus besitzt, räumt er ja dem Schutz der Gemeinschaft, sei es in der Familie oder in einer religiösen Körperschaft eine hohe Priorität zu, was wohl das Wort von der Gleichheit vor dem Gesetz brechen wird und dazu führt, das menschliche Gesetz weiter auszuhöhlen und in der Zukunft weitere Probleme ähnlicher Art nahelegt.

    Das trifft den Punkt. Und ganz gleich, ob das Problem per Sondergesetz für Familien in religiösen Gruppierungen “gelöst” wird oder durch generell weitgehenden Rückzug des Rechts – genauer gesagt: des Individualrechts ((Art.1-19 GG) – aus der Familie, es wäre – zumal vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte – ein Zivilisationsbruch. Ein Einbruch der “Kultur” ins Recht, der sich gerade zu allererst an denen rächen könnte, die er begünstigen soll!

    Und ich füge @ KJN hinzu:

    Wie unterscheidet sich, was Sie „Identität, Prägung, Zugehörigkeitsgefühl, Marotten“ nennen, von dem, was ich oben (das Wort „Idiosynkrasie“ vermeidend) „Kultur“ nenne. Kaum bis gar nicht. Oder? Und wie wollen Sie diese, womöglich konfligierenden, „Kulturen“ einhegen? Oder auch die, womöglich alles niederwalzende, Dominanz einer „Leitkultur“ vermeiden.

    Ohne alle Polemik (und in Wiederholung entsprechender Fragen Roland Zieglers) gesagt: Aus meiner Sicht müssen Sie sich Ihre „Identität, Prägung, Zugehörigkeitsgefühl, Marotten“ entweder als pure Nettigkeit und Harmlosigkeit vorstellen oder Sie haben eine Vorstellung davon, auf welcher Basis sie koexistieren können.

    Die Erfahrung – ein Kriterium nach Ihrem Geschmack, denke ich – die Erfahrung sagt uns, dass der Konflikt bzw. der Versuch zu dominieren, bisher immer das Nächstliegende war. (Nicht zuletzt diese Erfahrung – „Wir Nazis!“ – begründet meine Skepsis gegen die oben so genannte „Kultur“.) Warum soll das Ihrer Meinung nach jetzt anders sein? Weil Identität und Prägung usw. gar nicht mehr so zwingend sind, wie sie vorgeben zu sein? Weil sie schon „aufgeklärt“, eigentlich nur noch Folklore sind?

    Sie sprechen in einem Atemzug von Identität und Marotte – warum ist dann die Forderung, nicht mehr aus überkommenen obskuren Motiven an den Geschlechtsteilen kleiner Kinder herumzuschnitzen, so völlig verkehrt? – Blutopfer (wenn’s denn sein muss) auch für für eine Marotte. Das meinen Sie doch nicht. Oder? – Vage habe ich etwas vor Augen. Aber ein halbwegs konturiertes Bild wird daraus nicht … als wollten Sie auf eine mehr oder weniger (wörtlich:) gesetzlos konfliktfreie Selbst-Eigentümer/Identitäten-Utopie hinaus.

  20. avatar

    @EJ
    „Ich kenne bisher nahezu nur Stimmen von Berufsreligiösen und Funktionären, deren Job es ist (und in deren Interesse es sein muss), dergleichen zu behaupten…[..dass die Gläubigen daran glauben, dass ihr Seelenheil an der fristgerechten Entfernung dieses Hautschnipsels hängt]“
    Also Berufsreligiöse und Funktionäre, der ZdJ und der ZdM verfügen die Beschneidung in Deutschland und alle jüdischen und muslimischen Eltern halten sich aus Angst daran. Da muss doch der Staat eingreifen..
    Eieieiei..
    EJ, bitte durchatmen, spazierengehen, Ohrensessel, gutes Buch, vielleicht ein Glas Wein vom (beschnittenen) Winzer..

    Ich glaube Parisien ist jetzt „nachhaltig“ sauer und Roland Ziegler will seine Ruhe..

  21. avatar

    @EJ: Es wäre schön, wenn Ihr Optimismus zutrifft. Ich kann es nicht beurteilen. Die Plausibilität spricht aber tatsächlich für Sie und nicht für die „Experten“.

  22. avatar

    EJ … wie … Aufklärung funktioniert.

    Und sie funktioniert! Das können Sie gerade auch den Wisch-und-weg-Bemerkungen Parisiens wie den Texten Broders entnehmen. Wer muss bzw. wer kann im Ernst danach sein Kind noch beschneiden lassen?

    … warum pilgern Sie nicht nach Mekka und tun sich kund?

    … In nomine EJ, et R.Z, et Backhaus Sancti … Omen.

    *rofl*

  23. avatar

    @ EJ
    Ihre vorige Einlassung zeigt deutlich genug, dass Sie nur stänkern. Ich meine, dass „der Kaiser“ nüchtern ist und manchmal von den falschen Leuten beraten wird. Im Falle des Chips handelt es sich außerdem um eine klassische ABM (dachte, Sie wären eher links?)
    Dann fürchte ich, dass er in solchen Dingen immer daneben liegen muss, weil Politiker gar keine Zeit haben, sich detailliert mit so etwas zu beschäftigen, vor allem in Wirtschaftskrisen. Ihr dämlicher letzter Vergleich gehört an sich gelöscht. Wenn der auf WO stünde, würde ich den melden. Ich antwortete lediglich auf Alan Posener. Verfeindet? Ja, ich sollte Sie ignorieren und Sie mich auch.

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    @EJ
    Sie ließen ja nicht locker, darum sei es. (der Beitrag mit den spitzen Klammern).
    Zunächst stimme ich Posener zu, Artikel 6 darf nicht beschnitten werden, wobei ich nicht erkennen kann, wieso dies zur Disposition stünde.
    Aber einige Gedanken möchte ich mir schon erlauben.
    Zunächst scheint eine allgemeine Unsicherheit zu bestehen, was den Umgang mit dem Wort betrifft.
    Als Nominalist habe ich keinerlei Probleme mit Sätzen wie diesen:
    … und Gott war das Wort und das Wort war in Gott. Fragen Sie mich nicht wo das steht, aber in meiner Sozialisation muss das mal eine Rolle gespielt haben, und es wurde in meiner Erinnerung bewahrt.
    Wenn Posener Reinhard Merkel “ins Gefecht” schickt, tut er dies sehr geschickt, dieser spricht vom “Sündenfall des Rechtsstaats” und Posener hält ihn, wegen vermeindlicher Präzedenzfälle, für blind.
    Was stört mich daran?
    Der Obersatz, Logik ist so was wie das Wort, das in Gott wohnte, fehlt und müsste heißen, vor dem Gesetz sind alle gleich, was gerade für das Strafgesetz nicht von unerheblicher Bedeutung ist.
    Es wäre nun fair, sich an diesem Obersatz explizit zu probieren. Es handelt sich bei ihm um ein moralisches Gebäude, da er für jeden gleichermaßen gelten soll. Das deutsche Recht dagegen, dass sich sehr stark an den ethischen (“was gut ist für uns als Gemeinschaft”) Bedürfnissen des Gesamtgebildes „Staatsvolk“ zu orientieren pflegt, bereitet mir aus historischen Gründen gewisse Probleme mit ihm zu operieren, und ließ wohl manch andere deshalb auch verzweifeln (Shoa, Dialektik der Aufklärung), weil es implizit eben ethische Traditionen bevorzugt.
    Was R. Merkel tut ist (Verzeihung) blöd, indem er einen nur schwer verständlichen Ausdruck „Sündenfall des Rechtsstaats“ verwendet. Wer soll das verstehen? Sie wissen ja, mein Gedächtnis ist noch gut, aber alles lange her…, und ich habe noch so einen Restreflex bei dem Begriff „Sünde“ in Klagen zu verfallen.
    Sünde, Vergehen, Verstoße: gegen was verstieße ein Spezialgesetz für Muslime und Juden? Es verstieße gegen das Wort von der Gleichheit vor dem Gesetz, es verginge sich an der Logik, am Wort, dass jeder Bürger, der eine Körperverletzung begeht, mit Sanktion durch den Staat bedroht ist. Nur ist dieses Wort für religiöse Mitbürger nur Menschenwort, also im Grunde nachrangig(?), vielleicht sogar der eigentliche „Sündenfall“? Wer weiß? Für die, die das Wort besitzen, also das eigentliche Wort des Glaubens, ist die Welt der Ort der Gemeinschaft, und Gemeinschaft ist das Ziel? Also kann doch so ein daher gelaufenes Wort von der Gleichheit vor dem Gesetz, dazu ein weltliches, nur von unappetitlicher Natur sein? Dass dieses unappetitliche Wort, als Grundlage der weltlichen Gemeinschaft ihre Existenz mitsichert, übersehen die Religiösen dabei ein bisschen, ob das Blindheit ist, will ich einmal dahingestellt sein lassen.
    Was sich aber alle ständig leisten ist, dass sie miteinander und gegen einander streiten und argumentieren, wie mit ihnen umgesprungen wird, nicht mittels der Logik, sondern mittels des herzlichen Wortes vom Glauben, das nicht von dieser Welt zu sein scheint, und das schätze ich, speziell als Nominalist nicht übermäßig.
    Da der deutsche Staat ein sehr hohes Interesse an Gemeinschaft und Paternalismus besitzt, räumt er ja dem Schutz der Gemeinschaft, sei es in der Familie oder in einer religiösen Körperschaft eine hohe Priorität ein, was wohl das Wort von der Gleichheit vor dem Gesetz brechen wird und dazu führt, das menschliche Gesetz weiter auszuhöhlen und in der Zukunft weitere Probleme ähnlicher Art nahelegt.

  25. avatar

    @ Roland Ziegler: „dass die Gläubigen daran glauben, dass ihr Seelenheil an der fristgerechten Entfernung dieses Hautschnipsels hängt“

    Woher wissen Sie das? Ich kenne bisher nahezu nur Stimmen von Berufsreligiösen und Funktionären, deren Job es ist (und in deren Interesse es sein muss), dergleichen zu behaupten.

    Wie ich schon mal sagte: Welche zuverlässige Auskunft kann der Papst oder der Chef meiner Erzdiözese oder der Diözesan-Bischof oder der Ortsgeistliche oder etwa auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken über das geben, was ich als Katholik (zum namenlosen Fußvolk gehörig) glaube oder nicht glaube.

    Soll heißen: Warum Sind Sie, was unsere Diskussion und ihre mögliche Wirkung betrifft, so – um im Sujet zu bleiben – kleingläubig? Oder anders gesagt/ gefragt: Was meinen Sie denn, wie anders Aufklärung funktioniert.

    Und sie funktioniert! Das können Sie gerade auch den Wisch-und-weg-Bemerkungen Parisiens wie den Texten Broders entnehmen. Wer muss bzw. wer kann im Ernst danach sein Kind noch beschneiden lassen?

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    Noch etwas ging mir dabei durch den Kopf: An sich glaube ich mehr an „geistige Beschneidung“. Wenn ich aber als Christ, der ich gegen meinen Willen wurde, diese nahe lege, bin ich sehr nahe bei Paulus. Außerdem bewege ich mich in der Nähe von Bonhoeffer, der Juden unfertig fand. Bei aller Liebe, aber das Detail war verkehrt. Deswegen entschloss ich mich, trotz einem gewissen Widerwillen als Mediziner, die Ansicht zu vertreten, dass sie, die beiden anderen monotheistischen Religionen, bzw. ihre Mitglieder, selbst darüber befinden müssen. Alles andere wäre Zwangsmissionierung, entweder christliche oder staatlich-atheistische.

    Daher liegen Sie auch m.E.verkehrt, Roland Ziegler, aber Ihre Ansichten sind mit dem, was Sie schrieben, als wir über Familie, KiTa’s etc. stritten, kongruent. Ich hoffe, Sie bleiben nicht so.

    Ich wurde verdonnert zu einem christlichen Dasein, weil mir ein schweres Unglück widerfuhr. Wenn es Ihn doch gibt und man sich zu sehr mit ihm auseinander setzt, schickt er einem möglicherweise zum Testen zu irgendeiner Zeit den Teufel. Zu sehen, ob man Ihn sofort vergisst. Ich aber stritt Zeter und Mordio mit ihm, nicht so eloquent wie der alte Hiob, aber nicht weniger intensiv. Das Unglück kehrte sich ins Glück. Seitdem bin ich nicht mehr so sicher, dass es Ihn nicht gibt. Auf jeden Fall bin ich Ihm vorsichtshalber verbunden. Und ich kann an sich machen, was ich will, Ihn auch mal vergessen z.B.

    Aber ich habe nie ein Ticket für ihn gekauft. DBH kauft eher Tickets an einer Biglietteria für Bibelsprüche. Wenn ich ein Ticket gekauft habe, dann den Zweifel. Und den Zweifel muss ich hier ins Feld führen, wenn ich über etwas nachdenke, was andere Glaubensrichtungen angeht und was ich vielleicht nicht verstehe.

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    Um die Ausnahmesituation zu erläutern, die die Aussetzung des Rechtsvollzugs rechtfertigt: Der große „Exodus – Movement of Jah People“ wäre ja nicht mal das Schlimmste. Viel schlimmer und obendrein realistischer wäre der massenhafte Rechtsbruch hierzulande, den man dann ja entsprechend massenhaft zu ahnden hätte. Den staatlichen Finanzen würde das vielleicht guttun, aber dem Recht nicht. Hinzu kommt, dass die Bescneidungen dann nicht mehr im Krankenhaus, sondern in den Gotteshäusern mit den zweifelhaftesten Methoden und Instrumenten vollzogen würden. Klar, auch daran wäre die Religion schuld, aber das hilft den entzündeten Jungs auch nicht weiter. Ich hatte es mir am Anfang der Diskussion nicht vorstellen können, aber inzwischen zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Gläubigen daran glauben, dass ihr Seelenheil an der fristgerechten Entfernung dieses Hautschnipsels hängt. Koste es was es wolle. Gnadenlos, aber so ist es.

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    @ KJN „Marotten, suchen Sie sich was aus“ 😉

    Lieber nicht. Sonst muss ich mit Parisien demnächst (seine Vergleiche prüfen) und kleine Kinder schächten.

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    @ Parisien: „wie ich das meinte“

    Sie meinten, so wenig wie vom Tierschutz verstehe der der Staat etwas vom Menschenschutz, vulgo: von den Menschenrechten. – In Ihrem Staat mag das so sein. In meinem hoffentlich nicht.

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    @ Alan Posener
    „Nur hilft das Kupieren von Menschenschwänzen nicht gegen Schwanzbruch. Überhaupt bezweifle ich, dass Juden “dauernd mit dem Schwanz wedeln”.

    Lustig. Im Gegensatz zu EJ, der ja seine monströse Talibantheorie verteidigen muss, haben Sie (und Backhaus) verstanden, wie ich das meinte. Übrigens hatte ich schon den Eindruck, dass Juden, im Gegensatz zu Muslimen, verbal gern wedeln, aber vielleicht bin ich auch verdorben von einem sonnigen „Freund und Kollegen“.

    Ja, Schächten. Zunächst sollte man mal den Ausdruck abschaffen, er ist schrecklich und erinnert an Schacht. Wenn wir das Thema Schächten hier diskutieren – und das wird wohl bald kommen – werde ich hundertprozentig mit Schweinetransportern auffahren. Das Thema gehört in den Bereich: „Wer im Glashaus sitzt“….

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    Zur Schuldfrage: Ja, wir machen uns mitschuldig an den durch die Beschneidung ausgelösten Schmerzen und Problemen, wenn wir das Recht auf Unversehrtheit der Jungs nicht durchsetzen. Damit müssen wir leben, und es ist auch nicht so schlimm: Die eigentliche Schuld an diesen Problemen tragen nicht wir bzw. unser Staat, sondern die, die diese Beschneidung anordnen.

    Zur Abwägung (@ Apo): Mir scheint, dass die Unversehrtheit des kindlichen Körpers wichtiger ist als die Religions- und Elternfreiheit, so dass sich die Waage bei der Abwägung auf dieser Seite herabsenkt. Wenn ich mich irre, ist alles in Butter und kann so weitergehen wie bisher. Aber was, wenn ich recht habe?

  32. avatar

    @EJ
    „Was haben Sie statt Vernunft auf Ihrer Seite?“
    Nicht „statt“ Vernunft, sondern Vernunft plus X, wie der Golf Plus oder Aspirin plus C.
    X kann sein Identität, Prägung, Zugehörigkeitsgefühl, Marotten, suchen Sie sich was aus 😉

    Ich würde es nicht gegeneinander auffahren, solange es andere nicht tun.

  33. avatar

    @EJ: Ja, ich halte die Situation für eine extreme Ausnahmesituation. Viel mehr noch als Abtreibung und anders als bei Folter, bei der es keine jammernden Bevölkerungsgruppen gibt, die mit ihrer Abwanderung drohen, wenn wir sagen: Hier ist Folter verboten. Der einzige Grund, warum ich so liebenswürdig bin, ist der, dass ich keine Polizei in Moscheen und Synagogen sehen und eine Abwanderungswelle provozieren will. Deeskalationsstrategie, wenn Sie so wollen. Ich weiß, dass damit das Recht in gewisser Weise einknickt, halte das aber für unvermeidlich und verorte v.a.D. die Schuld daran bei den Religionen, die einmal mehr aufgefordert sind, diesen Ausnahmezustand zu beenden und sich dem hiesigen säkularen Recht unterzuordnen.

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    @ J.M. Backhaus: Wenn Sie schon Ockham zitieren: Der war, mit seinem berühmten Rasiermesser, für die Beschneidung jeglicher Theorie… Im Ernst aber: Das Argument, wenn wir die Beschneidung erlauben, mmüssen wir alles erlauben, habe ich zwar selbst verwendet, es ist aber falsch, genau wie das Gegenargument, wenn wir die Beschneidung verbieten, handelt es sich letztlich um das Verbot des Judentums und darüberhinaus um einen Anschlag auf die Religion schlechthin. Der demokratische Rechtsstaat ist eine Veranstaltung, bei der Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden und Kompromisse gesucht werden. Darum ist er allen Fundamentalisten verhasst.
    @ Parisien: Interessant, Ihr Boxer-Beispiel. Nur hilft das Kupieren von Menschenschwänzen nicht gegen Schwanzbruch. Überhaupt bezweifle ich, dass Juden „dauernd mit dem Schwanz wedeln“. Im Ernst: das entscheidende Beispiel aus der Tierwelt ist die Praxis des Schächtens. Ganz wohl ist mir nicht dabei, aber da ein Verbot jüdisches und muslimisches Leben hier stark erschweren würde, halte ich es für vertretbar, ja geboten, die tierschutzrechtlichen Bestimmungen hier aufzuweichen. Hier gilt im Grunde genommen: Was ist uns wichtiger? Also – siehe oben – eine Abwägung. Und – siehe oben – das muss nicht grundsätzlich und immer zugunsnten der Religion ausfallen. Die Mormonen zum Beispiel mussten die Polygamie aufgeben, um in den USA nicht mehr als verfassungsfeindliche organisdation verfolgt zu werden. Was ich unverständlich finde, aber aus der Zeit und der damals vorherrschenden Sexualmoral heraus zu verstehen. Es wandeln sich nämlich die Wertbegriffe nicht nur der Religionen, die durch den Staat zivilisiert werden, sondern auch des sich selbst zivilisierenden, aufgeklärten Staats.

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    @ Parisien: „Religionsfreiheit begründet sich auf der Religionsfreiheit des Einzelnen. Der Gesetzgeber hat sich ‘rauszuhalten, weil er von Religion i.d.R. genauso wenig versteht wie von Tierschutz. Es sollte alles dem Einzelnen überlassen bleiben, auch die Rute des Hundes oder der Schenkelbrand, dem Individuum und seinem Urteilsvermögen.“

    Religion – Tierschutz – Knabenbeschneidung – „die Rute des Hundes oder der Schenkelbrand“. – Welchem Käfig sind Sie denn entsprungen? Sonst aber alles in Ordnung. Oder?

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    @ Roland Ziegler: „Vorschlag von Kocks … sehr charmant“

    Es ehrt Sie, die Angelegenheit so zu sehen. Aber ich glaube nicht, dass wir hier in erster Linie liebenswürdig und entgegenkommend zu sein haben.

    Zwischen symbolischer Politik und symbolischem Recht liegen Welten. Im Gegensatz zu symbolischer Politik kann symbolisches Recht nur die radikale Ausnahme sein, kann nur den unlösbaren bzw. den nur tragisch (also, ob so oder so, immer nur „mit Schuld“) lösbaren Konflikt betreffen. Geht es im Falle der Beschneidung darum?

    Ist der Verzicht auf die Beschneidung Unmündiger unzumutbar? Macht – bzw. im Konjunktiv: machte – uns bzw. den Gesetzgeber das Beharren auf einem Beschneidungsverbot schuldig? Glauben Sie das im Ernst? Oder ist es nicht genau umgekehrt?

    Wie es aussieht, geht es selbst im Falle der Abtreibung, freundlich gesagt, oft eher um „spätrömische Dekadenz“ bzw., deutlicher, oft eher um gedankenlos bequeme, im Prinzip viehisch inhumane Praxis als um die im Gesetz gemeinte (extreme) Notlage. Was meinen Sie, wie viel von solcher DDR- Gesetzgebung und DDR-Rechtspraxis, in denen kaum etwas war, wie es schien und scheinen sollte, wir uns (noch) leisten sollten – bzw. leisten können, bevor sie zur Gewohnheit werden? Folter ist verboten, „hart anfassen“, Schlafentzug, Dauerhocken, Dauerstehen, permanente Musikbeschallung und Waterboarding aber schon. In diesem Stil etwa?

    Nein. Wenn Beschneidung möglich sein soll, dann offen und klar gesetzlich geregelt – und aus dem Grundgesetz begründet. Beschneidung ist so möglich. Oder sie ist nicht möglich. Tertium non datur.

    @ KJN: „zu denken die Vernunft auf der eigenen Seite zu haben“

    Sie denken das nicht? Ich habe Sie, wenn auch eher scherzhaft – Stichwort „unvernünftig“, schon mal gefragt: Was haben Sie statt Vernunft auf Ihrer Seite?

    @j.m.backhaus

    Hier Ihr Text!

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    @Parisien
    Ich schließe mich Ihnen gerne an.
    Persönlich handhabe ich das schon lange so, als mein ganz pesönlicher Religionsberater in eigener Sache.

    Bin gespannt, wie sich das kulturell hier weiter entwickelt. Nur die alimentierten Kostgänger/Nutznießer werden wohl nicht stillhalten und uns weiterhin umsorgen und umhegen?
    Ein enger Begriff von Totemtismus verlangt Exogamie (Frazer), was natürlich nicht vorliegt und irgendjemand wird schon festlegen, was Religion ist und was nicht. Nun isses aber genug für dieses Mal…

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    @KJN: Klar gibt es ein deutsches Judentum, es gibt auch ein deutsches Brauchtum, das reichlich Ohrfeigen verteilt hat, um die Jungs zu kernigen deutschen Männern zu erziehen. Na und? Wenn es den Juden und Muslimen gelingt, das Bundesverfassungsgericht davon zu überzeugen, dass ihre Beschneidungspraxis vom GG gedeckt wird, ist alles in Ordnung. Den Freunden der Ohrfeige ist dies nicht gelungen, also musste das deutsche Brauchtum Federn lassen.

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    @Roland Ziegler
    „Gerade die Multikulturalität unserer Gesellschaft bietet einen Grund, sich über die allgemein verbindlichen Gesetze Gedanken zu machen.“
    Zustimmung.
    Aber gab es nicht mal so was, wie ein deutsches Judentum („Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland..“ so, oder so ähnlich Christian Wulff)?
    Fällt das unter „Multikulti“, so wie z.B. in den USA?
    Wegen „Multikulti“ alte eigene Rechte infrage stellen? Diese Ihre Logik erschließt sich mir nicht.

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    Was ich über die dünnen Kenntnisse von Politikern und selbsternannten Tierschützern sagte, trifft auch auf das Thema Narkose zu: Eine Vollnarkose ist zweifellos nach wie vor mit Risiken behaftet und ein Eingriff für sich. Auch eine Infiltreationsanaesthesie (Leitung über einen Nerven) ist sehr schmerzhaft. Daher empfehle ich allen, die auf diesem Sektor aktiv sind, sich über den Dämmerschlaf, beispielsweise mit Dormicum, fachkundlich beraten zu lassen. Im Dämmerschlaf merkt der Patient nichts, und er erinnert sich auch an nichts. Im Dämmerschlaf kann man zusätzlich eine Leitungsanaesthesie setzen, die aber bei einem so kleinen Eingriff unnötig erscheint.
    Diese Methode müsste allerdings von einem Kinderarzt oder einem Kinderanaesthesisten durchgeführt werden, der sich mit der Dosierung auskennt. Ein Urologe, der ja meistens nur Erwachsene behandelt, dürfte sich damit nicht genügend auskennen.

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    @KJN: Gerade die Multikulturalität unserer Gesellschaft bietet einen Grund, sich über die allgemein verbindlichen Gesetze Gedanken zu machen. Was Sie überheblich nennen, würde ich als eine Entwicklung von Selbstbewusstsein der liberalen Demokratie bezeichnen, die ihre eigenen Werte nicht aufgeben muss, um andere Kulturen aufnehmen zu können. Und die anderen Kulturen müssen fairerweise gesagt bekommen, welche Anpassungsleistung sie konkret vollbringen müssen, wenn sie hier im Einklang mit den Gesetzen leben wollen.

    @j.m.backhaus: Bei Ihrer Frage muss ich passen; ich habe diesen Vorschlag lediglich von Herrn Kocks übernommen (und auch andernorts gelesen). In diesem Vorschlag wird behauptet, dass auch die Abtreibung grundsätzlich verboten ist, aber gerichtlich nicht verfolgt wird. Ob das so stimmt, weiß ich nicht, wenn es aber zutrifft, sollte es auch für die Beschneidungen einen entsprechenden Weg geben.

  42. avatar

    Mal ein verwegener Ausflug in die Tierwelt:
    Tierschützer sorgten dafür, dass Hunden, z.B. Boxern, die Rute nicht mehr coupiert werden darf. Seitdem sind Veterinäre vermehrt mit der Rutenfraktur des Boxers beschäftigt, die sehr schmerzhaft ist und selten heilt. Das Coupieren der Rute hatte ursprünglich einen ganz humanen Grund: Dem Boxer, der die ganze Zeit wedelt, die Fraktur zu ersparen. Der Starrsinn von Politikern in Kombination mit dem Unverstand der Tierschützer verhindert, dass das Verbot zurückgenommen wird.
    Ähnlich wird es werden mit dem Ersatz des Schenkelbrandes durch den Chip, da der Chip wandert, so dass z.B. ein Pferd reitunfähig werden kann. Der Schenkelbrand ist unschädlicher.

    @ Backhaus
    Von Totem schreiben Sie und von quasi ererbtem Merkmal. Das greift zu kurz, denn dann könnte man ja statt dessen einen jüdischen, muslimischen oder christlichen Chip einsetzen. Es ist etwas anderes, und ich glaube, dass es dieses ist:
    Moses. Und Abraham.
    Sich über Einzelteile davon hinwegzusetzen, bedeutet theoretisch, dass man sich über alle anderen Einzelteile hinwegsetzen kann. Dann kann man gleich das ganze Gerüst abschaffen, kosheres Essen bzw. halal etc.
    Das machen manche, aber privat. Manche gehen in die Synagoge oder Moschee nur noch zu bestimmten Gelegenheiten, wie wir zu Taufen, Beerdigungen und Weihnachten antreten. Aber das ist privat geregelt. Und so muss es m.E. bleiben. Die Bilder des Babys müssen wir aus dem Kopf verbannen. Sie müssen es, was sie längst tun (siehe auch KJN) allein und einzeln aushandeln oder entscheiden. Es darf sie aber auch kein Rabbiner/Imam dazu zwingen. Religionsfreiheit begründet sich auf der Religionsfreiheit des Einzelnen. Der Gesetzgeber hat sich ‚rauszuhalten, weil er von Religion i.d.R. genauso wenig versteht wie von Tierschutz. Es sollte alles dem Einzelnen überlassen bleiben, auch die Rute des Hundes oder der Schenkelbrand, dem Individuum und seinem Urteilsvermögen. Und kontrovers belesen kann sich das Individuum heute allemal. Man braucht hier nicht Nanny Staat oder Papa Gesetz, man braucht etwas viel Wichtigeres: Toleranz für den, der es anders macht, gegenseitige Toleranz.
    Und das war er, Voltaire, der leider verkehrt herum hier mit hineingezogen wurde: Ein leidenschaftlicher Verfechter der Toleranz, die er, als junger Mann zu Gast in London, dort kennenlernte, wo sie geboren wurde: In England.

  43. avatar

    Kann es sein, dass die Kritik an der Beschneidung nur wegen des Kölner Urteils virulent wurde, aber in der Ethnologie (Frazer, Levi-Strauss -LS-, u.a.) bereits initialisert wurde?
    So könnte ich nun auch Poseners „schmuggelnde“ Andeutung aus dem letzten Thread verstehen.
    Es heißt bei LS (das wilde Denken, 168) z.B.: „Die Doppeldeutigkeit des Totemtismus ist real. […] er ist eine Grammatik, die bestimmt ist, zu einem Lexikon zu verkümmern. Im Unterschied zu den anderen Klassifizierungssystemen, die vornehmlich konzipiert sind (wie die Mythen) oder vollzogen (wie die Riten), ist der Totemtismus fast immer gelebt, dh. er haftet an konkreten Gruppen oder konkreten Individuen, weil er ein erbliches Klassifikationssystem ist.“
    In diesem Kontext wäre die Beschneidung für die jüdische Religion als zu erhaltender Ritus doppelt erforderlich, um dem Druck aus der Ethnologie ausweichen zu können. Ist für die rechtliche Bewertung der Beschneidung als „schützenswert“ bedeutsam, ob es sich um „ein ideelles Glaubensmaterial“ handelt oder ist künftig, analog zur Beschneidung, jeder Ritus als schützenswert anzusehen? Eine Frage, die der Gesetzgeber wohl beantworten muss und die auf eine komplexe Fragestellung verweist, Spezialgesetz hin oder her. Ockham pflegte häufig sinngemäß zu sagen: Die Wahrheit wird, wenn sie hin und her gewendet wird, stärker zum Leuchten kommen. So sei es denn.

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