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Merah und Breivik: Woher kommt das Böse?

Klaus Kocks hat hier eine wichtige Diskussion begonnen, als er danach fragte, wie man die Tat und die Person des Mörders Mohamed Merah beurteilen soll. Ich bin in einigen entscheidenden Punkten nicht seiner Meinung, obwohl ich ihm in vielem auch zustimme. Deshalb möchte ich hier einigen Fragen nachgehen, die Klaus Kocks hier aufgeworfen hat:

 

https://starke-meinungen.de/blog/2012/03/25/ach-der-mensch-kann-so-grundlich-vergessen-dass-mensch-er-doch-ist/#more-3223

 

 

Vorweg möchte ich daran erinnern, dass wir hier auf „Starke Meinungen“ auch über den Mörder Anders Breivik diskutiert haben. Und die Diskussion fand nicht nur hier statt. Stark vereinfacht könnte man nun sagen: Dieselben Leute, die bei Anders Breivik entschieden die ideologische Natur seiner Taten bestritten und ihn als geistesgestörten Einzelgänger hingestellt haben, sehen in Mohamed Merah einen voll verantwortlichen Agenten des radikalen Islam. Und tendenziell umgekehrt: Viele, die in Breivik einen Agenten der neuen, fremdenfeindlichen Rechten sahen, wollen in Merah einen verwirrten, verirrten Einzelgänger  sehen. Die ideologische Natur einer solchen Ungleichbeurteilung – und hier spiele ich gar nicht auf Klaus Kocks an, um das deutlich zu sagen – liegt auf der Hand.

Gewiss, es kann sein, dass Breivik verrückt ist, Merah aber nicht verrückt war. (Wir werden das nicht mehr erfahren, da die unfassbar dumm agierende französische Polizei dafür gesorgt hat, dass Merah fortan schweigen wird.)  Es kann auch sein, dass Merah ein verrückter war, und Breivik nicht. Ich halte die Frage für wenig interessant. Ich habe hier auf „Starke Meinungen“ die These vertreten, Breivik sei ein „politischer Attentäter“ gewesen, ein „Propagandist der Tat“, und ich stehe dazu, auch wenn ich von den üblichen Verdächtigen dafür kritisiert worden bin. 

https://starke-meinungen.de/blog/2011/07/25/anders-breivik-als-theoretiker-und-propagandist-der-neuen-rechten/

Dasselbe gilt meines Erachtens für Merah, wie es auch für das Mördertrio der NSU – und für die RAF – gilt. Das schließt nicht aus, dass alle oder einige dieser Leute psychisch gestört oder charakterlich deformiert sind oder waren. Dazu komme ich gleich.

Klaus Kocks schreibt:

Ein junger Mann glaubt, der Sache seiner Religion zu dienen, indem er ein Schulmädchen am Zopf fasst und es mit der anderen Hand exekutiert? Er glaubt, dass seine Rache eine heilige sei, weil er glaubt, dass seine Religion es zulasse oder gar wünsche, dass die Ungläubigen zu töten seien. Selbst wenn. Denn der Bezug des Täters auf den Islam und Al Kaida ist nur eine Rechtfertigungspose.

Nur eine Rechtfertigungspose? Das scheint mir eine gewagte These – eine These freilich, die nun, da Merah – den die großartige französische Polizei zunächst frei herumlaufen ließ und dann öffentlich exekutierte – nicht sprechen kann, kaum zu falsifizieren ist. Wenn aber die Ideologie nur „Rechtfertigungspose“ ist, wäre der eigentliche Grund für die Tat im Charakter Merahs – in seiner Psyche – zu finden. Diese These finde ich wenig hilfreich.  Ein paar Verrückte wird es immer geben, was soll man machen?

Klaus Kocks fragt aber im gleichen Beitrag nach dem „absolut Bösen“, und mir scheint, diese Frage ist sehr hilfreich.

Die meisten von uns kennen das „absolut Böse“ eher aus dem Kino als aus dem realen Leben. Hannibal Lecter ist der Prototyp. Die Wissenschaft hat inzwischen bei den real existierenden Hannibal Lecters dieser Welt fast immer eine organische Hirndeformation nachweisen können – zum Beispiel das Fehlen der Spiegelneuronen, die uns den Schmerz anderer Menschen nachvollziehen lassen, die also die biologische Grundlage des Mitleids bilden. Anders als es etwa Sigmund Freud und mit ihm die pessimistische Schule der Psychologie glaubte und glaubt, sind wir nicht alle potenzielle Mörder und Vergewaltiger, die nur durch einen komplexen, anerzogenen psychischen Apparat und ein innerlich wachendes Über-Ich davon abgehalten werden, über unsere Mitmenschen herzufallen. Im Gegenteil. Wir sind von Natur aus programmiert, die Menschenwürde des Nächsten zu achten, was bedeutet, seine Freude und seinen Schmerz wie unsere eigenen Freuden und Schmerzen zu empfinden.

Auf der anderen Seite stehen das Milgram-Experiment und der Großversuch des Nationalsozialismus, die nachgewiesen haben, dass zivilisierte, moralisch erzogene und mit funktionierenden Spiegelneuronen ausgestattete Menschen dazu gebracht werden können, sich wie Sadisten, Vergewaltiger und Mörder zu verhalten. Die entscheidende Phrase hier ist: „dazu gebracht werden können“. Damit Milgrams Versuchsobjekte potenziell tödliche Stromstöße verabreichten, mussten sie durch eine von ihnen anerkannte Autorität im Rahmen einer relativ aufwendigen Versuchsanordnung dazu aufgefordert werden. Damit, wie Klaus Kocks sagt, „mein Vaterland sich dem Völkermord verschrieb“, musste der Staatsapparat unter dem Beifall der herrschenden Elite aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Kirchen den Nazis übergeben, die Opposition erstickt, die öffentliche Meinung gleichgeschaltet, ein Krieg entfacht werden und einiges mehr. So ganz leicht war das nicht. Freilich half den Nazis die Tatsache, dass der Antisemitismus weit über den Kreis der Parteimitglieder hinaus verbreitet und seit Treitschke salonfähig geworden war.

Und hier kommen wir zu einer anderen, entscheidenden Quelle des Bösen.

Uns allen schwant, dass es zwischen einem Mohamed Merah und Hannibal Lecter charakterlich einen Unterschied gibt; aber vielleicht keinen großen Unterschied zwischen Merah und dem Mörder-Trio des NSU. Bei manchen Menschen nämlich bedarf es, obwohl sie psychisch keine deformierten Monster sind, nicht eines organisatorischen Aufwands und des Einsatzes von Respektpersonen, sei es in weißen Kitteln oder braunen Uniformen, damit sie so funktionieren, als würden sie – wie der Schläfer in „The Manchurian Candidate“ – die Befehle einer mörderischen Zentrale ausführen. Sie haben diesen Befehlsgeber in Form einer Ideologie internalisiert. Eine Ideologie kann so mörderisch sein wie etwa der Ehrenkodex, der die Schlächter der „Ilias“ motivierte, sie kann aber auch zur höchsten Menschlichkeit motivieren, vergleichbar der Selbstaufgabe der christlichen Märtyrer. Manchmal beides: Man denke an das Schicksal mancher Kommunisten im 20. Jahrhundert.

Das Böse hat also, scheint mir, drei Quellen: die Biologie, die Organisation und die Ideologie. Genauer betrachtet, sind es nur zwei Quellen, denn Organisationen wie die KPdSU oder die NSDAP, der Gulag und Auschwitz, sind ihrerseits Produkte einer Ideologie.

Daniel Dennett hat Ideologien  – er untersuchte Religionen – mit bestimmten Parasiten verglichen, die sich in den Hirnen ihrer Wirtstiere festmachen und ihr Verhalten steuern. Man könnte Ideologien außerdem mit Viren vergleichen, weil sie ansteckend sind und wie Viren Strategien der Überwindung der Immunabwehr entwickeln, also eine eigene Evolution aufweisen.

Zu den tödlichsten dieser ideologischen Viren gehört der Antisemitismus, der eine interessante evolutionäre Entwicklung durchlaufen hat: als römisch-paganer, dann christlicher Antijudaismus, dann als europäischer Rassenantisemitismus, schließlich heute als Antizionismus und islamischer Antisemitismus. Insofern hat Klaus Kock absolut Recht, wenn er die Reaktion der EU-Außenministerin Catherine Ashton auf den antisemitischen Anschlag von Toulouse geißelt, und er hätte auch an den unsäglichen Auftritt Sigmar Gabriels wenige Tage zuvor in Hebron erinnern können. Das stete Trommelfeuer der „Israelkritik“ schafft nämlich die Atmosphäre, in der ein radikaler Ideologe wie Merah glauben kann, nicht ein einsamer Spinner, sondern vielmehr der Vollstrecker dessen zu sein, was die Mehrheit will; so wie Breivik sich ermutigt zeigte durch die Entwicklung einer islamfeindlichen Bewegung in ganz Europa und sich als Vorhut der kommenden Abwehrschlacht halluzinierte.

Deshalb hat Henryk Broder völlig Recht, wenn er darauf hinweist, dass die Tat Merahs nur vor dem Hintergrund des alltäglichen Antisemitismus zu verstehen ist.  „Aber auch das ist zu perspektiviert“, meint Klaus Kocks. Als hätte man als Jude nicht das Recht, die Dinge aus einer jüdischen Perspektive zu sehen (und als Nichtjude in Deutschland vielleicht sogar die Pflicht).  „Nichts wäre wirklich besser, wenn es nicht-jüdische Schulmädchen gewesen wären.“

Nein, nichts wäre besser, aber dann wäre – wie im Falle Breiviks, dessen Opfer  ja nichtjüdische Schulkinder waren – die Erklärung eine andere. Eine andere und wiederum eine ähnliche: Es gibt wenige von Natur aus böse Menschen; aber böse Ideologien können aus ansonsten normalen, unter anderen Umständen sogar guten Menschen Monster machen. Alles wäre besser, die jüdischen Mädchen (und die tapferen muslimischen Fallschirmjäger, vergessen wir die nicht!) wären am Leben, wäre Mohamed Merah nicht mit dem Virus des radikalen Islam infiziert worden. Deshalb gehören diese Ideologien – Antisemitismus und Rassismus, Nationalismus und religiöser Fanatismus – benannt und bekämpft. Sie sind die gefährlichste Verkörperung des Bösen in der Welt heute. 

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72 Gedanken zu “Merah und Breivik: Woher kommt das Böse?;”

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    Off topic, aber dann auch wieder nicht, weil ich hier gelegentlich über die Totalitarismustheorie und ihre Unzulänglichkeit (besonders aus „perspektivierter“ Sicht) gesprochen habe:

    http://www.detail.de/artikel_m.....040_En.htm

    Und, Parisien, ist schon gut. Was MM betrifft: Er hatte den Schreibtisch neben mir zu der Zeit, als die Auseinandersetzung lief. Wir sahen uns jeden Tag. Er sprach nie ein Wort darüber, dass er sich eventuell über meine Kritik an der Linie der Achse ärgerte. Da ist Klaus Kocks aus ganz anderem Holz, auch charakterlich. Und stattdessen wurde eines Morgens einfach mein Zugang zur Achse abgeschaltet. Auch danach – wir waren ja bis vor Kurzem Kollegen – hat er sich nie geäußert. Das finde ich menschlich schofel. Zumal wir Freunde waren, per Du, und ich ihm den Kolumnen-Job bei der „Welt“ besorgt hatte. ich bin nicht narzisstisch gekränkt, ich bin gekränkt. MM ist für mich das Beispiel eines Menschen, der die Ideologie (in diesem Fall der Achse) vor die Freundschaft stellt. Ich hingegen kann zwischen Meinung und Person unterscheiden. Ich mag nicht jeden, dessen Meinung ich teile, und ich bin nicht gegen jeden, der meine Meinung kritisiert. Was ich nicht abkann, das ist Feigheit und Hinterhältigkeit. Offenes Visier, ich wiederhole es. Würde Ihnen auch gut tun.

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    Es geht ja hier nun nicht so recht weiter, nicht wahr? Ich bin mir jedenfalls keiner Schuld bewusst. Schließlich habe ich, Tischler, Soldat oder Banker oder sonstwas, nichts weiter getan, als etwas Positives über MM zu sagen. Das ist nichts anderes, als wenn Professor Kocks Herrn Ackermann verteidigt. Erfrischende Ansicht auf einen geschmähten Sündenbock, dessen Verdienste bei der Bevölkerung untergehen.
    Etwas wirklich Gravierendes wäre, (apropos Merah), über narzisstische Kränkungen zu reden und wie man schafft, diese nach einem Trauerjahr wie für einen Verstorbenen ad acta zu legen. Der Vergleich hinkt nicht, denn irgendetwas stirbt immer in einem bei einer narzisstischen Kränkung. Jeder hat das schon erlebt. Ich halte es, nebenbei bemerkt, für ein grundlegendes Problem von Muslimen, dass sie diese Stelle dann hin und wieder mit Islam, fundamentale Machart, auffüllen, während die meisten von uns Westlern mit der narzisstischen Kränkung leben. Weswegen Broder immer auf dem Recht auf Beleidigung bestand. Eines meiner Rezepte zum Beilegen narzisstischer Kränkungen ist dies: Den Eigenanteil sehen und Verantwortung dafür übernehmen statt Dauerklagen.

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    Lieber Klaus Kocks, ich finde Kocks auch klasse. Auch und gerade dort, wo ich mich an seinen Ansichten reibe. Ich betrachte mich hier auch nicht als Teil einer „Redaktion“. Wenn es aber so wäre, so darf ich darauf hinweisen, dass es in der „Welt“ jedenfalls immer wieder vorkommt, dass Mitglieder der Redaktion gegeneinander schreiben. Der Herausgeber hat sogar einmal einen Feuilletonaufmacher geschrieben, um meiner zuvor im Feuilleton geäußerten Ansicht heftig zu widersprechen, die Totalitarismustheorie Hannah Arendts sei zum Verständnis des 20. Jahrhunderts eher hinderlich. Bei einem Autorenblog finde ich es sogar gut, wenn sich die Autoren aufeinander beziehen und nicht autistisch vor sich her schreiben, so wie ich es gut finde, wenn sich die Autoren mit den Kommentatoren auf Augenhöhe austauschen. Aber wenn Ihnen das nicht passt, werde ich es künftig lassen, auch wenn es einen Verlust für mich bedeutet, mich nicht mit Ihren Gedanken auseinandersetzen zu können, oder doch nur für mich unter der Dusche morgens, was nicht dasselbe ist. Sie wissen ja: die allmählich Verfertigung der Gedanken beim Schreiben. Sei’s drum.
    Inhaltlich kann ich Ihnen nicht ganz folgen. Liegt vielleicht daran, dass ich metaphysischen Erörterungen seit jeher abhold bin. Oder zu doof, Kant zu begreifen.
    Gut, dass Sie sich das mit der Bibel anders überlegt haben, das tatsächlich voller Gebote zum Töten anderer Leute steckt, insbesonders der Gegner des wahren Gottes und des wahren Gottesvolkes; Gebote, an die sich Merah gehalten hat, nur dass er das Gottesvolk anders definiert hat. QED: Religion ist Ideologie, religiöser Fanatismus die Mutter aller ideologischen Fanatismen. Also, noch mal: Kocks ist klasse, finde ich auch.

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    @ Alan Posener
    Lesen Sie mal das:
    „Ja, natürlich war Patrick Dörings Statement über die Piratenpartei wählende Masse im Netz nicht gerade klug. Hier redet ein schlechter Verlierer schlecht über die, die ihm abhold geworden sind, so der Eindruck. Und das von Döring bemühte Konzept „Masse“ umschreibt auch nicht wirklich das, was im Netz vor sich geht. Die „Masse“ war ein wichtiges Konzept für Kulturkritiker wie Siegfried Kracauer im frühen 20. Jahrhundert. Das Internet aber bringt keine Auflösung von Individualität in amorphe Massen mit sich. Vielmehr liefert es jedem Mitglied der Masse die Chance, risikoarm und zeitlich begrenzt aus dieser hervorzutreten und mit einem einzelnen Tweet punktuell zum Meinungsindividuum zu werden. Individualität light, sozusagen.“
    Gutzmer, achgut

    Vielleicht unterschätzen Sie den Leser. Das ist antik. Früher war die Presse „Vierte Macht im Staat“. In Zeiten des Internets darf man den einzelnen Leser nicht unterschätzen.
    Übrigens habe ich auch mal bei einer „Sekte“ gearbeitet. Die Streitigkeiten dort wurden nicht vor den Klienten ausgetragen,und wer das missachtete, musste auch gehen.
    Ich will Ihnen an dieser Stelle etwas zur Atomkraft sagen, bietet sich irgendwie an: Nehmen Sie mal eine Landkarte. Dann überlegen Sie, wieviel Norddeutschland von einem Gau in GB bei dem meist üblichen Westwind abkriegen würde und Süddeutschland bei einem Gau in Nordfrankreich. Wieviel Sinn macht es wohl, deutsche Atomkraftwerke abzuschalten und Atomkraft aus Frankreich zu beziehen? Ich finde, dass das ein Schildbürgerstreich ist. Wir sind überhaupt manchmal ein Schildbürgerland, über das schonmal gelacht wird. Und wir haben für den Schildbürger sogar ein Symbol: Diese ganzen Sonnenpaneele, an denen ich neuerdings mit dem Auto vorbeifahre, die aussehen wie Schilder. Komisch, dass der Bunderbürger immer noch in Gran Canaria morgens seine Poolliege reserviert. Er scheint nicht mitgekriegt zu haben, dass wir ein Sonnenland sein wollen.

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    @ Alan Posener: Ich würde “Ideologie” als falsches Bewusstsein definieren; genauer, als ein Denksystem, das mir die Wirklichkeit falsch erklärt – aber wirklich erklärt, daher auch der Wert der ideologie für den Ideologen. In dieser funktionalen Definition schwindet weitgehend die Unterscheidung zwischen Religionen und anderen Ideologien.

    Das ist mir noch zu wenig transparent, weil offen bleibt, was (in diesem Kontext!) mit Bewusstsein (im Unterschied zu Wissen etwa) gemeint ist: Bewusstsein ist der Raum, in dem Sein und Sollen zusammenfallen, die Maßstäbe für „richtig“ und „gut“ identisch werden – durch entsprechende „Justierung“ des Mensch!

    Dabei hat der Ideologe/ die Ideologie den (gewünschten) Bewusstseinszustand nicht nur antizipiert – er/sie ist Avantgarde -, er/ sie versucht, diesen Bewusstseinszustand „allgemein“ herzustellen. Und die Frage ist – da trifft man dann evtl. auf den Terror -, welche Mittel, welchen Mitteleinsatz die Identität von von „gut“ und „richtig“ dabei legitimiert.

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    @ Klaus Kocks: ein gestandener Publizist macht so was nicht

    Ein „gestandener Publizist“ schreibt allerdings auch nicht auf einem Blog. Stattdessen geht er mit dem Zellulose-Bötchen (vulgo: Käseblatt), auf und in dem er „steht“, (früher oder später) unter. Ahoi!

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    Offenes Visier: Ich hatte das lediglich alles gelesen, das ist alles. Beruf egal. Ich kann lesen, seit ich fünf bin. Wie unter Kocks oben: Sie plaudern manchmal zuviel. Eine „Sekte“ scheint für Sie zu sein, wenn man genug Stil hat, sich innerhalb einer Gruppierung nicht vor dem Leser anzumachen. MM ist sehr freundlich, wissen Sie, auch zu Lesern. Tierschützer übrigens. Setzt sich für das Sumatranashorn ein, das durch die Abholzung von Urwald für Palmwälder für unsere sog. „Bio“-Treibstoffe ausgerottet wird. Eigentlich ist Erdöl BIO, wenn man es ganz genau nimmt, denn es schadet keinem, wenn es aus der Erde geholt wird. Solange nichts passiert, bien entendu, Golf von Mexico. Das nur nebenbei. Kein Insiderwissen. Nur Zusehen, das war alles.

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    Klaus Kocks findet es schließlich zum Abrollen, dass ausgerechnet Alain Posener den geschätzten Henryk M. Broder vor ihm, Kocks, verteidigt. Wenn Kocks sagt, Broder sei zu perspektiviert, dann ist das nicht nur richtig, sondern geradezu ein Kompliment an diesen großen Satiriker. Broder schwingt die Feder als Schwert.Die Achse ist ein Schlachthof. Soll so sein, aber nicht mein Ding. Kollege Posener aber ist ein Plauderer. Dass die sich nicht vertragen haben, wundert mich nicht. So das letzte Wort redaktionsintern. Ich schreibe für Leser, nicht gegen Kollegen.Ich bin Publizist.

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    Ein Kommentator aus dem Prenzelberg, der gerne ohne Gängelung in ungeklärten und unakademischen Diskursen nach Belieben umherirrt, findet es unangemessen, wenn interne Konkurrenzen im themenbezogenen Kommentarbereich die laufende Diskussion behindern. Rüge an Klaus Kocks: unangemessene Gleichsetzung eines Diskussionsforums mit einer Zeitung.

    Im Gebot geht es um Mord, ja, aber das wurde von niemandem hier anders verstanden.

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    @ Parisien: „Falls Sie mich beide zusammen dafür wieder auf’s Korn nehmen, weiß ich, dass Sie das missverstehen wollen und bin dann mal weg. Intellektuelle sind manchmal ein Brechmittel, abgehoben.“ Sie sind also beruflich was genau? Fleischer? Tischler? Bäcker? Banker? Soldat?
    Und, auf meinen Rausschmiss bei der „Achse“ anspielend:
    „Sie hatten Ihr Teil dazu beigetragen. Das Triumvirat hat reagiert, während Sie agierten. Einem daraus verzeihen Sie (“mein Freund und Kollege”). Das ist sehr selektiv. Miersch ist okay.“
    Woher kommt Ihr Insider-Wissen? Mir hat das „Triumvirat“ bis heute nicht gesagt, wer genau was wem hinterbracht hat. Und auch den anderen Mitgliedern dieser „Sektenverantstaltung“ (so ein nicht unbedeutender Mitarbeiter des Hauses Springer, meinen Rausschmiss begrüßend) beziehungsweise des „journalistischen Netzwerks“ (Selbstdarstellung der Sekte) wurde das nicht mitgeteilt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass Sie mit offenem Visier hier auftreten.

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    Klaus Kocks findet es unangemessen, wenn Mitglieder einer Redaktion aufeinander ausdrücklich im Blatt Bezug nehmen. Dieser Stil scheint den Prenzelberger Wohngemeinschaften entlehnt; ein gestandener Publizist macht so was nicht. Rüge an Alan Popsener; leichte Rüge an unsere Chefin Margaret Heckel.
    Ferner sollte man klären, in welchen Diskursen man unterwegs ist. Das „absolut Böse“ ist ein Argument aus der Metaphysik des Sittlichen von Kant; es ist a priori – da kann man dann nicht empirisch hinterher hecheln. Und wer wie Posener von „dem“ Grund für das Böse im Singular zu reden weiß, wird nicht mal zum Empirischen zugelassen. Posener ist ein Plauderer. Einen Fehler hat Klaus Kocks dann doch gemacht. Das Gebot aus den Zehn Geboten, um das es geht, hat Luther falsch übertsetzt. Es kann nicht lauten „Du darfst nicht töten!“ Es muss lauten:“Du darfst nicht morden!“ Beides ist moralisch nicht erhaben, das zweite kann straffrei sein. Siehe Abtreibung. Zwischen dem Mord und der Tötung liegt nicht nur die Absicht, der Vorsatz, sondern vor allem die Heimtücke. Jetzt im juristischen Diskurs, nicht mehr im philosophioschen. Ansonsten muß ich sagen, dass ich die Beiträge von Kocks klasse finde. Mal mehr, mal weniger. Aber man kann ja nicht immer nur dem Plauderer zu hören. gez. Klaus Kocks (vera icon).

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    In einem Blogpost auf dasrettende.de habe ich versucht, aus der anthropologischen Perspektive René Girards eine Antwort auf die Frage nach den Ursachen terroristischer Gewalt zu geben. Girard sagte nach den Anschlägen vom 11. September in einem Interview mit Le Monde, dass es ein Denkfehler sei, Konflikte für das Ergebnis nicht zu überbrückender Differenzen zu halten. Seine mimetische Theorie sieht die Ursache für gewaltsame Auseinandersetzungen dagegen darin, dass die Beziehungen zwischen Menschen, Ländern oder Kulturen durch Konkurrenz und Rivalität geprägt sind. Menschen streben nach dem, was schon ein anderer besitzt, und versuchen, dieses notfalls auch mit Gewalt zu erlangen. Ihre Beziehungen beruhen auf der gegenseitigen Nachahmung ihres Begehrens. Terrorismus entsteht Girard zufolge nicht dadurch, dass die Terroristen in einer völlig anderen Welt leben, die nicht mit der unsrigen kompatibel ist. Er wird im Gegenteil hervorgebracht durch ein verzweifeltes Verlangen nach Zugehörigkeit. So verkörpert der Islamismus für Girard das Aufbegehren der „Dritten Welt“, die sich in einer mimetischen Rivalität mit dem Westen um ein Leben in Wohlstand und Sicherheit befindet. Die Konkurrenzbeziehungen des globalisierten Marktes sind für diejenigen eine gute Sache, die als Gewinner daraus hervorgehen. Wenn aber die Gewinner immer die gleichen sind, werfen die Verlierer eines Tages den Spieltisch einfach um.
    http://dasrettende.wordpress.c.....es-terrors

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    Ich finde es problematisch, Ideologie als „falsches Bewusstsein“ zu definieren, weil allein diese Definition voraussetzen würde, dass es ein „richtiges Bewusstsein“ gäbe. Dieses aber würde dann wiederum vom Anhänger des „falschen Bewusstseins“ bei gleicher Definition als Ideologie analysiert.
    Wir befinden uns hier in einem definierten Wertesystem, welches sich dynamisch entwickelt.
    Die Frage stellt sich meiner Ansicht nach eher, ob man Breivik und Merah in einem Atemzug nennen sollte mit den Völkermördern an den Herero und denjenigen, die in Australien „Wilde“ gejagt haben, die zu ihrer Zeit der Meinung waren, „richtig“ zu handeln.

    Interessant ist ja eher, dass im Atemzug von Merah nicht Robert Bales genannt wird, der damit augenscheinlich als „nur verrückt“ zugeordnet wird.

    Hier wird keine ideologische Analogie gezogen.

    Passt es nicht ins Bild des „Terroristen“, wenn jemand Angehöriger einer „ordentlichen Armee“ ist?

    Nur das waren ja die kaiserlichen Truppen und die Wehrmachtssoldaten auch. Eher entsprachen ja die Partisanen unserem heutigen Bild vom Terroristen.
    Und darf man – wenn jemand so böse wie Osama Bin Laden ist – auch mal auf die Anklageschrift verzichten, weil er ja das Böse an sich symbolisiert, wenn man ihn töten will?

    Wo an dieser Stelle ist denn die Grenze der Legitimität, wenn sie nicht aus dem eigenen Wertesystem heraus definiert wird?

    Die Legitimität des Tötens wird als Akt der Selbstverteidigung dargelegt, das war schon im 2. Weltkrieg so, wo ja angeblich „zurück geschossen“ wurde, das spielt sich im Kopf des Breivik ab, der präventiv Norwegen vor dem Marxismus bewahren wollte und deshalb Gutmenschennachwuchs abknallte, das wird bei nahezu jedem dieser Tötungsakte sofern sie nicht als Versehen – sprich: Kollateralschaden – verharmlost werden als Rechtfertigungsthese angebracht.
    So gesehen hat Klaus Kocks dann eventuell doch recht, aber es beantwortet selbstverständlich nicht das „warum“.
    Wenn man davon ausgeht, dass also „Ideologie“ der Grund ist, so stellt sich ja die Frage, warum zum Beispiel Broder nur pöbelt, während Breivik mordet, warum Pierre Vogel nur hetzt, während Merah geschossen hat.
    Der alleinige Grund kann die Ideologie also nicht sein, es bedarf auf jeden Fall anderer Faktoren, um einen Menschen dazu zu bewegen, andere Menschen, die er nicht kennt, die aber aus seinem System heraus fallen, auch körperlich bis zur gezielten Tötung anzugreifen.
    Um es übersichtlicher zu gestalten, sollte man sich vielleicht verfeindete Fangruppierungen von Fußballvereinen anschauen:
    Es wird nur wenige Fans von Schalke 04 und Borussia Dortmund geben, die sich tatsächlich körperlich gegenseitig angreifen würden, aber es gibt einige, die mit Polizeigewalt auseinander gehalten werden müssen aus dem simplen Grund einer anderen Vereinsfarbe.
    Und auch diese werden nur in der Masse die Maske des Zivilen ablegen.
    Eine einfache Erklärung wird es also kaum geben können, auch wenn mir der Ansatz, die Ideologie vom Menschen her zu trennen, für die Analyse erst einmal als hilfreich aber eben längst nicht als hinreichend gefällt.

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    Äpfel mit Äpfeln:
    Am meisten erinnert es an dieses Massaker:
    „When terrorists attack, media analysts go into Sherlock Holmes mode, metaphorically prowling the crime scene for footprints, as if the way to solve the mystery is to add up all the clues. The Mumbai gunmen seized British and American tourists. Therefore, it must be an attack on Westerners!
    Not so, said Newsweek’s Fareed Zakaria. If they’d wanted to do that, they’d have hit the Hilton or the Marriott or some other target-rich chain hotel. The Taj and the Oberoi are both Indian-owned, and popular watering holes with wealthy Indians.
    OK, how about this group that’s claimed responsibility for the attack? The Deccan Mujahideen. As a thousand TV anchors asked Wednesday night, „What do we know about them?“
    Er, well, nothing. Because they didn’t exist until they issued the press release. „Deccan“ is the name of the vast plateau that covers most of the triangular peninsula that forms the lower half of the Indian subcontinent. It comes from the Prakrit word „dakkhin,“ which means „south.“ Which means nothing at all. „Deccan Mujahedeen“ is like calling yourself the „Continental Shelf Liberation Front.“
    OK. So does that mean this operation was linked to al-Qaida? Well, no. Not if by „linked to“ you mean a wholly owned subsidiary coordinating its activities with the corporate head office.
    It’s not an either/or scenario, it’s all of the above. Yes, the terrorists targeted locally owned hotels. But they singled out Britons and Americans as hostages. Yes, they attacked prestige city landmarks like the Victoria Terminus, one of the most splendid and historic railway stations in the world. But they also attacked an obscure Jewish community center. The Islamic imperialist project is a totalitarian ideology: It is at war with Hindus, Jews, Americans, Britons, everything that is other.“
    http://www.familyfriendsfirear.....82975.html
    In memoriam Gavriel und Rifka Holtzberg:
    http://www.chabad.org/news/art.....Killed.htm

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    Zur Komplexität von Ideologie: Klaus Kocks weist in seinem letzten Absatz auf eine schlichte mosaische Regel hin: „Du sollst nicht töten“ hin. Ich vermute, eine solche Regel findet sich in fast allen Ideologien; sie befindet sich also in der Schnittmenge. (Natürlich wird hierbei getrickst, da ja das Töten eine verheißungsvolle Machtausübung ist; also wird manchmal einigen Menschen das Menschsein schlicht abgesprochen, so dass man sie doch töten darf. Aber wenigstens im Prinzip sind sich alle einig).
    Ähnlich auch bei anderen Regeln: Ehrlich sein, nicht stehlen, beim Kindergeburtstag gleich große Kuchenstücke an alle verteilen (hier gibt es ein paar interessante Ausnahmen, wie im Kastensystem der Hindus).
    Im Zusammenschluss solcher Regeln bekommt man eine Art Basis, die sehr simpel ist und von jedem begriffen werden kann. Aus einer solchen Rumpfmoral lässt sich kein Attentat erklären. Die Moral muss zunächst erweitert werden mit allerlei seltsamen Regeln, z.B. dass man jeden Sonntag in die Kirche gehen und beichten muss, oder dass man sich alle naselang gen Osten zu verbeugen hat. Flankiert werden diese Erweiterungen durch entsprechend merkwürdige Erklärungen – Dreieinigkeit, paradiesische Jungfrauen, Zen-Koans usw. Irgendwann entsteht ein hinreichend komplexes System, das geheimnisvoll und reizvoll wirkt. Begibt man sich in dieses Systems, wird man mit der Aufgabe konfrontiert, lebenslang lernen zu müssen. Dafür kann man vom Novizen über den Mönch zum Hohepriester aufsteigen.
    Dait hat das ideologische System einen Komplexitätsgrad erreicht, ab dem etwas sehr Böses geschehen kann: die Abkoppelung vom Rest der menschlichen Gesellschaft, die Bewertung der anderen Außenstehenden als grunfsätzlich andersartig und am Ende die Rechtfertigung des Tötens, d.h. die Pervertierung der Ausgangsregel der Basismoral.

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    @ Alan Posener:
    „Sagen wir es so: ich habe ihn durchaus anders erlebt.“

    Sie hatten Ihr Teil dazu beigetragen. Das Triumvirat hat reagiert, während Sie agierten. Einem daraus verzeihen Sie („mein Freund und Kollege“). Das ist sehr selektiv. Miersch ist okay.

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    Nachtrag: wer Zweifel hat, ob es um Aufmerksamkeit geht oder die Medien dabei eine Rolle spielen. Al-Jazeera hat die Videos, die Merah gedreht hat. Zum Glück verzichten sie auf eine Übertragung.

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    @A. Posener: Muss man annehmen, dass die Ideologie eine falsche Lehre ist? Oder sollte man das nicht besser offenlassen?

    Ich muss sagen, dass es mich gar nicht besonders interessiert, ob die ideologischen Annahmen des Attentäters zutreffen oder nicht. Bei Antisemitismus un Nationalismus ist es heute einfach, einen breiten Konsens über die Falschheit dieser Ideologie zu erreichen (wobei der Konsens kaum ein geeignetes Kriterium ist, denn es könnten sich ja trotzdem alle irren). Beim Christentum ist das nicht mehr so einfach, und es gibt ja auch christlich motivierte Ideologen und sogar Attentäter. Nun könnte man darüber diskutieren, ob die das Christentum richtig oder falsch auslegen, aber m.E. führt das in der Frage, wie diese Tat entstehen konnte, nicht weiter.
    Wenn wir es also offenlassen, ob die Ideologie, die die Attentäter zu ihren Taten führte, richtig oder falsch ist, sollten wir trotzdem ihre Taten erklären können.

    Ich würde also stattdessen von einer hinreichend komplizierten Lehre vom richtigen Leben, einer Anleitung zu einer exklusiven Moral, ausgehen. Kompliziert und exklusiv muss sie sein, damit sich eine genügend starke Membran bilden kann. (Einfach nur Spaß haben wollen reicht nicht.) Man muss schrittweise vorankommen und erst mit der Tat einen letzten Schritt zur Vollendung vollbringen können.

  19. avatar

    EJ: … nach 200 Jahren deutscher und europäischer Aufklärung, von der die Muslime keine Ahnung haben?

    … auch Mohammedaner sollten wissen, dass man den eigenen Kindern nicht ‚ehrenhalber‘ die Kehle durchschneidet oder wie kürzlich in Toulouse andere Kinder nicht einfach abknallt. Das ist keine Frage der Aufklärung. Sie verharmlosen Gewalt. Ich fasse es nicht.

  20. avatar

    „Eine Ideologie, die gleich noch den Sündenbock mitliefert, bietet in solchen Fällen eine Erleichterung der eigenen Seelenqualen und die Rechtfertigung, die Wut, den Hass endlich einmal “rauslassen” zu können.“

    Und all diese Menschen sind gestörte Narzissten, auf der Suche nach einem Sündenbock:
    http://www.faz.net/aktuell/pol.....98176.html
    ?

    Merah ist einer der seltenen (der einzige?) Märtyrer, von dem ein psychologisches Gutachten vorliegt. Der Gutachter gab nach der Tat ein Interview, der Junge war durchaus bei klarem Verstand. Er hatte ein Unrechtsbewusstsein, war depressiv aufgrund emotionaler Vernachlässigung, legte Wert auf Markenklamotten. Das unterscheidet ihn von Breivik, der nicht mehr klar bei Verstand ist.

    Es klingt alles eher nach Tim K., dem Winnender Amokläufer. Emotionale Vernachlässigung kann man auch mit fehlender Aufmerksamkeit beschreiben. Würden die Medien anders reagieren, hätte Tim K. keine Kinder getötet. Er wollte maximale Aufmerksamkeit. Es war ihm egal, dass es keinen Beifall geben würde. Das wusste er von Erfurt. Diese Form von Aggression wird sich auf Einzeltäter beschränken, weil es keinen Beifall gibt.

    Merah jedoch war sich des Beifalls von gewissen Seiten sicher. Er setzte sich für eine ‚gerechte Sache‘ ein, wollte dem Anliegen der Palästinenser und der Afghanen helfen. Im Namen der Palästinenser wurden 67-jährige Rollstuhlfahrer ermordet und in’s Meer geworfen, Kinder in die Luft gejagt oder als Schutzschilde verwendet, deutsche Flugkapitäne erschossen, Raketen auf Schulen abgeschossen.

    Niemand hat ihnen Einhalt geboten, im Gegenteil. Die Palästinenser bekamen immer mehr Befürworter, man machte Zugeständnis um Zugeständnis und gab viel Geld zur „Unterstützung‘ aus. Zu Möllemann’s Zeiten waren die Unterstützer der palästinensischen Sache noch extrem vorsichtig mit der Forderung, Israel abzuschaffen. Heute steht es in den Statuten der Hamas, mit der man jetzt auch offiziell verhandeln dürfen soll. Terror lohnt sich, je menschenverachtender, desto erfolgsversprechender.

    In Merah’s Kopf war sein Anschlag doch lediglich ein weiterer Beitrag zum Endziel. Das ist der Unterschied zwischen ihm und Tim K. Und das macht diese Ideologie so gefährlich, weil eine Hemmschwelle weniger zu überwinden ist. In meinen Augen eine entscheidende Hemmschwelle.

    Definitionsdebatten dienen nur der Propaganda, wenn wir damit neue Namen für alte Inhalte produzieren. Für mich ist der Unterschied zwischen Tim K. und Merah das, was Posener als Ideologie bezeichnet.

    Warum Antizionismus in meinen Augen ein verkleideter Antisemitismus ist:
    Er hat mal wieder zufällig mit Juden zu tun. Das zweite Symptom möchte ich mit einer Fiktion aufzeigen. Angenommen alles Israelis und Juden dieser Welt hätten endgültig die Nase voll vom Antisemitismus. Sie wandern aus, auf den Mond.

    Wären dann die Palästinenser ein friedvolles, demokratisches und zufriedenes Volk? Würden sie überhaupt die Hamas los? Könnten UN und EU ihre Hilfsmillionen auf andere Bedürftige verteilen?

    Und dann der gesamte arabische Raum. Würde es dem Volk unseres Holocaust-Leugners Ahmadinedschad auch nur einen Deut besser gehen? Würden die rivalisierenden Großmächte Saudi-Arabien und Iran aufhören, die islamischen Länder in ihrem Wettbewerb zu radikalisieren und zu zerreissen? Gäbe es einen echten arabischen Frühling? Könnte Jordanien endlich wieder wählen, weil es keine von den Großmächten angestachelte und finanzierte Islamisierung zu fürchten hätte?

    Die maghrebische Jugend in Frankreich, wäre Ihnen geholfen? Und Deutschland, welche Probleme wären hier gelöst.

    Ich fürchte, alle würden gebannt auf den Mond starren. Neue Protokolle kämen auf den Markt, die erklären, dass die Welt jetzt vom Mond regiert wird. Unmengen NGOs und UN-Hilfsorganisationen würden gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen auf den Mond ziehen und exklusiv berichten. Ein Einkehrrecht für alle Palästinenser und wer es sonst noch will, würde oberstes Gebot des Völkerrechts. Und zwar eindeutig entschieden, von welchem Experten auch immer. Sonst wäre das Paradies auf dem Mond ein Apartheidsparadies.

    Drumont ist insofern interessant, weil er während Dreyfus den Antisemitismus nach Algerien exportierte. Dort hatte er kurzzeitig politischen Erfolg, ansonsten war er eine Niete. Aber er schaffte es, Progrome in einer friedlich lebenden Gemeinschaft anzuzetteln. Es ist nicht der Islam, es ist der Antisemitismus.

    Meinen „völkischen“ Denkansatz habe ich übrigens nicht aus der deutschen Geschichte. Eine Aufsatzsammlung aus der Dreyfus-Zeit, in der sich Gelehrte und Politiker gegen den Antisemitismus wandten, hat mich auf den Trichter gebracht. Darin wurde u.a. volkswirtschaftlich aufgezeigt, welche Folgen der Progrom-Antisemitismus für die russische Volkswirtschaft hat. Zola, Clémenceau, die Liberalen im Preußischen Abgeordnetenhaus – sie sind meine Denk-Vorbilder. Damals hatten die Nazis noch nicht zugeschlagen, das erleichtert das klare Denken.

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    @ EJ:
    „Wie viele Deutsche sind dagegen aufgestanden? (Dagegen aufgestanden – nach 200 Jahren deutscher und europäischer Aufklärung, von der die Muslime keine Ahnung haben?)“

    Einige. Die Weiße Rose, von Stauffenberg, Bonhoeffer, von Galen, Pater Rupert Maier, weitere. Sie kamen nicht durch. Im Iran kommt die Opposition auch nicht durch.

    @ Alan Posener:
    Meine Großmütter wussten das nicht, schon weil sie nicht Englisch konnten. Meinen einen Großvater kannte ich nicht. Mein anderer war an der Ostfront. Ob er dort geholfen hat, Juden zu erschießen, bleibt sein Geheimnis. Wir hatten das schon vor Weihnachten.
    Vielleicht missverstehen Sie und EJ meins, weil ich das zu schlecht formuliert habe. Ich will darauf hinaus, dass der antizionistische und antisemitische Islamismus und die Zeit vor dem Nationalsozialismus sich vergleichen lassen. Und dass es beängstigend ist, wie Iran diese Reflexe nutzt und theoretisch das Mittel zur Eliminierung Israels baut. So betrachtet muss ich mich auch selbst widerlegen. Die Deutschen (und Österreicher) wussten alle vom Antisemitismus, der sich ab ca. 1870 aufbaute und von den dazugehörigen Pogromen,und sie wussten alle von der Kristallnacht. Von den KZ’s und den Erschießungen an der Ostfront wussten aber nicht alle. Das Problem liegt daher m.E. davor,als alle Bescheid wussten und niemand etwas tat.
    Falls Sie mich beide zusammen dafür wieder auf’s Korn nehmen, weiß ich, dass Sie das missverstehen wollen und bin dann mal weg. Intellektuelle sind manchmal ein Brechmittel, abgehoben.

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    EJ: Roland Ziegler: Er ist der Auserwählte, der Gute, und die anderen, die, die er töten will, das sind die zu Vernichtenden, die Bösen.

    Genau. Die uralte Erkenntnis sollte man schon mal festhalten: Das Böse kommt aus dem Guten. Das sagt nicht alles, aber schon ziemlich viel.

    … ich meine, das ist nicht richtig. Das ist/wäre reine Selbstüberhöhung.

    Jeder Mensch hat die Wahlfreiheit zwischen gut und böse; das ist, wie schon geschrieben, die einzige Freiheit die der Mensch tatsächlich hat.

    Der Mensch wählt also selber (s)eine Ideologie, rechts wie links, oder entscheidet sich für (s)eine Religion, oder ob er kriminell sein möchte. Oder alles zusammen.

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    @Parisien: Ja, Ihr Versuch bietet einen guten Ansatz: Ideologie als Lehre mit absolutem Wahrheitsanspruch. Aber als Lehre von was? Als Lehre vom guten Leben? Vom guten Essen und Trinken? Oder wie man sich menschlich verhält? Wohl kaum, es geht darum, das Leben richtig zu führen, zu richtigen Urteilen zu kommen, sich richtig zu verhalten. Gott – oder einem Pendant – nahe zu sein. Dies alles scheint für Ideologen eine schwierige Kunst zu sein, für die man komplizierter Unterweisung bedarf. Wenn man die Ideologie dann einigermaßen beherrscht, ist man eingeweiht in ein Geheimnis; man gehört einem exklusiven Zirkel an, man hat an Wert gewonnen. Von innen betrachtet sehen alle außerhalb des Zirkels schwach und dumm aus; man sieht aus dem Inneren nach draußen; alles da draußen kommt einem fremd und abstoßend vor. Nach einer gewissen Zeit gelangt man vielleicht zu der Ansicht, dass man selber, im Inneren der neuen Zelle, ein richtiges Leben führt, und die da draußen, die das falsche Leben führen, für ihre Sünden bestraft gehören. Und so kommt man vielleicht von der Ideologie zur Tat. So lässt sich die Verbindung aus Ideologie-Virus und Zelle vielleicht beschreiben.

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    @ Parisien: Die Deutschen immerhin wussten in Teilen nicht, was mit den Juden passierte. Das wird zu Unrecht in Frage gestellt. Ein Teil der Deutschen wusste es nicht. Muslime wissen von ihrer Ideologie, und zu wenige stehen dagegen auf.

    Hören Sie auf, uns mit schiefen Vergleichen was unterjubeln zu wollen! Verkaufen Sie uns nicht für dumm! – Die Deutsch kannten die Ideologie ebenfalls. Sie war ihr tägliches Brot. Wie viele Deutsche sind dagegen aufgestanden? (Dagegen aufgestanden – nach 200 Jahren deutscher und europäischer Aufklärung, von der die Muslime keine Ahnung haben?)

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    @ Parisien: „Miersch aber, Tierfilmer und Hundehalter – viva Hummel – scheint mir ein sehr gutartiger Mensch zu sein…“ Sagen wir es so: ich habe ihn durchaus anders erlebt.
    Ihr Vergleich der Muslime heute mit den Deutschen 1933ff., bei dem die Deutschen besser wegkommen, ist allerdings so hanebüchen, dass mir die Spucke wegbleibt. Ich nehme an, sie hatten auch einen Opa, der zwar PG war, aber kein Nazi, und der Juden half? Aber Spaß beiseite: Lesen Sie Longerich, dann werden Sie einen solchen Blödsinn nicht mehr so ohne weiteres verzapfen:
    http://www.buecher.de/shop/hol...../20762913/

    @ Alle: Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, die Ideologie von der Person zu entkoppeln. das heißt, ich kann eine Argumentation – etwa – als antisemitisch kritisieren, ohne dass ich demjenigen, der diese Argumentation vorbringt, der sozusagen Symptome der Erkrankung zeigt, unterstelle, Antisemit zu sein. Deshalb ist das Gerede von der „Auschwitzkeule“ so schädlich. Man sollte gegen Menschen in der Regel keine Keule verwenden. Gegen bestimmte Ideologien und Ideologeme schon. Ach ja, und wenn wir schon dabei sind: Ich würde „Ideologie“ als falsches Bewusstsein definieren; genauer, als ein Denksystem, das mir die Wirklichkeit falsch erklärt – aber wirklich erklärt, daher auch der Wert der ideologie für den Ideologen. In dieser funktionalen Definition schwindet weitgehend die Unterscheidung zwischen Religionen und anderen Ideologien.

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    Über Breivik habe ich http://www.gesine-palmer.de/fi.....nifest.pdf hier etwas veröffentlicht. Da geht es um den Zusammenhang mit seiner religiösen Weltsicht. Die Idee, eine Ideologie als „Virus“ zu betrachten, ist nicht schlecht. Es gibt aber wohl Grund zu der Annahme, dass meist noch andere Triebkräfte dazu kommen, bis jemand böse wird. An dieser Stelle führt der Hinweis auf das Milgram-Experiment weiter. Und völlig aus der Luft gegriffen ist, sofern die Psychologie betroffen ist, Freuds Pessimismus wohl nicht. Um Böses NICHT mit zu tun, braucht man zuweilen sehr sehr starke Kräfte, Vereinzelung und Verachtung auszuhalten. Denn vielen wird es ungemütlich mit einem Menschen, der nicht mit-hetzt. Martyrium als ein extremes Gutes hinzustellen, ist selbst iedologisch bedenklich. Nicht, wenn jemand von sich aus ein Martyrium nicht scheut, um nicht Böses zu tun. Aber wenn man das Martyrium selbstidealisiert, appelliert man immer zuerst an die destruktiven und autodestruktiven Kräfte, die es in allen Menschen neben den konstruktiven und kooperativen gibt. Und nur die Idealisierung eines Lebens in Freiheit schafft gelegentlich so viel Kraft, dass es zum weitgehend Nichtbösen, zum gelegentlich Guten, und evtl. auch mal zu der Bereitschaft, dafür was in Kauf zu nehmen, reicht. Wer hingegen über andere Gesinnungsprüfungen verhängt (also generell und bevor man herausfinden muss, warum der und der das und das getan hat), der appelliert schon wieder ans Böse. Da liegt ein Problem, das uns weiter zu schaffen machen wird.

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    „Was ist eine Ideologie?“, fragt Roland Ziegler. Versuch: Eine Ideologie ist eine Lehre, die sich von ihrer absoluten Richtigkeit überzeugt zeigt und von einer größeren Gruppe angenommen wird, denen die Ideologie höher steht als die Vernunft oder sie selbst oder auch die Zweifel ihrer Gegner. Eine Ideologie wird schädlich, wenn sie ihre Ziele mit Unterdrückung der Gegner, verbalen Attacken oder tätlichen Angriffen durchsetzt.
    Zwischen der Ideologie der Nationalsozialisten und dem Antisemitismus des Islamismus sehe ich Unterschiede: Der Antisemitismus bestand schon lange. In einer relativ kurzen Zeit (12 Jahre) wirkte er sich im Holocaust letal für 6 Mio Juden aus. Dann war Deutschland am Boden. Der neue mörderische Antisemitismus der Islamisten ist jetzt schon ca. 40 Jahre alt (München). Er fordert immer wieder neue Opfer und erscheint mir pogromartig. Das Gefährlichste an ihm ist m.E. das Fehlen von Reue, hier zum Beispiel der Bruder von Merah, der „stolz“ auf die Tat von Merah ist. Die fehlende Einsicht in Schuld, also Schuldunfähigkeit (siehe Türkei bezüglich Armeniern) bei gleichzeitig einem großen Pool an „zornigen jungen Männern“ (Heinsohn) macht ihn so gefährlich. Die Deutschen immerhin wussten in Teilen nicht, was mit den Juden passierte. Das wird zu Unrecht in Frage gestellt. Ein Teil der Deutschen wusste es nicht. Muslime wissen von ihrer Ideologie, und zu wenige stehen dagegen auf. Das Stück eines muslimischen Autors vom Site des Zentralrats der Muslime, das Hannes Stein und Jörg Lau gleichzeitig verlinkt haben, ist eine Rarität. Es ist primär Aufgabe der Muslime und nicht unsere, die friedfertigen Elemente des Islam herauszuarbeiten und die aggressiven, fremdenfeindlichen zu unterdrücken.

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    @ Roland Ziegler: Er ist der Auserwählte, der Gute, und die anderen, die, die er töten will, das sind die zu Vernichtenden, die Bösen.

    Genau. Die uralte Erkenntnis sollte man schon mal festhalten: Das Böse kommt aus dem Guten. Das sagt nicht alles, aber schon ziemlich viel.

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    @Katrin Kemmler

    Chère Madame,

    wollen Sie hier wie im Bankensector ein ranking einfuehren??

    „Von den genannten Ideologien ist der Antisemitismus die größte Bedrohung.

    Und wenn ich diesen Satz von ihnen lese:

    Genau DAS muss man mal sagen dürfen,..

    dann denke ich leider an ähnliche Saetze die ich oftmals in der Vergangenheit in deutschen Gaststaetten und Bars gehoert habe….. allerdings mit anderen Inhalte !!!

    Damit begannen immer Ausfuehrungen wie : Hitler hat doch auch die Autobahn gebaut und unter Hitler waere dies nicht passiert und etc bis zum direkten Antisemitismus.

    Daher beschleicht mich immer ein Unbehagen, wenn ich hoere:

    „Genau DAS muss man mal sagen dürfen“

    Ich vermute dass sie einer juengeren Generation angehoeren, die diese Stammtischgespraeche nicht miterlebt hat…

    Und wenn sie sich persoenlich nicht ueber David Warren aufregen:

    „Obama ist einer der mächtigsten Männer der Welt, da muss ich mich nicht aufregen. Es kann auch Rassismus sein, einen Menschen aufgrund seiner Hautfarbe für besonders schutzbedürftig zu erklären. Das meine ich nicht gegen Sie persönlich, sondern es ist ein Phänomen, das ich länger schon erstaunt beobachte. Ich kenne Asiaten und Afrikaner, denen die Rassismus-Schützer viel mehr auf die Nerven gehen. Denn sie sind stolz auf ihre Identität und wollen kein Mitleid oder automatisch gleich mit denen befreundet sein. Da sitzen noch viele Scheren in den Köpfen.“

    Sorry dann muss ich leider auch von ihnen annehmen, dass sie vielleicht auch noch eine Schere im Kopf haben.

    Es heisst doch in der deutschen Sprache:

    Wehret den Anfaengen

    un dies gilt auch in meinen Augen ,das man solche rassistischen Anspielungen wie sie David Warren vertritt nicht als “ leichte Denunziationen “ beschreibt.

    In dem context faellt mir immer wieder das Zitat von Pastor Niemoeller ein:

    „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
    Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
    Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
    Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

    Wir sollten daher sowohl nach links wie auch nach rechts schauen und fruehzeitig die Gefahren erkennen.

    Was den Dreyfus-Antisemitismus betrifft, der war in Frankreich und in Europa bereits vorher vorhanden…

    Man hat in verwissenschaftlicht:

    de.wikipedia.org/wiki/Édouard_Drumont

    Und wenn sie dann zu Charles Maurras gehen:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Maurras

    dann werden sie auf den rechten Fluegel in Frankreich aufmerksam:

    http://maurras.net/

    http://tempsreel.nouvelobs.com.....batim.html
    Nationalismus und Antisemitismus waren immer schon twins

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    @ Katrin Kemmler Wenn man die forenfüllende Schuldfrage außen vor lässt, könnte man die ganze Geschichte weniger emotional betrachten.

    Genau! Warum sollte uns „die ganze Geschichte“ eigentlich jucken. Vielleicht könnte man, zum Zwecke der Ent-Emotionalisierung, „die ganze Geschichte“ gleich ganz vergessen. Scheiß auf Geschichte! Scheiß auf Moral! Konzentrieren wir uns auf „Eigeninteresse“ und „Eigenverantwortung“!

    Genialer Gedanke, Frau Kemmler! Und so zeitgmäß neoliberal!

    Fragt sich nur, Frau Kemmler, wer das Subjekt des Eigeninteresses und der Eigenverantwortung ist, die Sie propagieren. Ich (z.B.) würde mich mit Ihnen (z.B.) nur sehr ungern in ein solches eigeninteressiertes und eigenverantwortliches Subjekt teilen. Mein eigenes „Eigeninteresse“ und meine eigene „Eigenverantwortung“ sind ganz andere als Ihre, fürchte ich.

    Was mach’mer nu? Ohne Geschichte und Moral? Noch weiter deregulieren? Noch weiter privatisieren? Woher kommt das Böse? Keine Frage für Sie, Frau Kemmler. Oder?

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    @ Alan Posener:
    Ich wusste irgendwie, dass das kommt. Aber deswegen sage ich ja „selten“. Hitler können Sie nicht rechnen, denn der hatte einen Deutschen Schäferhund. Ich würde auch Halter von Rottweilern oder Kampfhunden nicht unbedingt hier einordnen. Wer einen Wachhund braucht, ist eine besondere Spezies. Bleiben wir bei Katze oder Pferd, das ist leichter. Was M&M betrifft: Die stellen Extremisten dar: Das sind einzelne menschenhassende Militante von PETA. Miersch aber, Tierfilmer und Hundehalter – viva Hummel – scheint mir ein sehr gutartiger Mensch zu sein, der mit ideologischen Verfehlungen von GRUPPEN! von Tierschützern aufräumen will. Ein normaler Tierschützer und PETA sind nicht dasselbe. Apropos Ideologie: Wenn Tierschutz von einem normalen Reflex zur Ideologie ausartet, ist er primär Ideologie. Lassen Sie es mich so sagen: Jemand, der viel mit Tieren zu tun hat (außerhalb von Nutztier-Schlachttier-Business), ist m.E. geordneter. Ein Pferd z.B. spürt jede Regung. Aggressionen und Ängste machen ihm Angst. Schön dargestellt, wie eng der Zugang sein kann in „The Horsewhisperer“. Und wunderbar unwiederholbar beschrieben in „Die wundersame Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ von Lagerlöf. Vielleicht sollte man das in Grundschulen vorlesen.
    Dass Haushunde bei Islamisten verpönt sind, passt durchaus zu allem anderen. Sie haben nur Nutzhunde gezüchtet (Saluki und Afghanen als Jagdhunde, Kangal als überaus scharfen Wachhund).

    @ Roland Ziegler:
    „Denn es gibt ja auch gute Ideologien: Buddhismus, Humanismus, Wissenschaftsgläubigkeit u.ä. sind auch Ideologien, aber doch wohl keine bösen.“
    Humanisten sind auf jeden Fall oft belesene, gebildete Individualisten. Und ich glaube, dass dies im Buddhismus auch möglich ist. Die Wissenschaft heute dagegen – sie sehen das an der Klimadebatte – ist zu Ideologien pervertiert. Ein Wissenschaftler ist primär neugierig, danach ist er abhängig von Geldgebern, die oft eine Richtung vorgeben. Diese Wissenschaft z.B. ist durchideologisiert und damit nicht mehr unabhängig. Wenn sie aufgrund von Lobbyinteressen kostspielige Fehlentscheidungen trifft, die Ihnen oder mir an den Geldbeutel gehen – siehe die Wärmedämmung, die manchen Alten hauslos machen könnte – ist man nah bei böse.

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    Katrin Kemmler schrieb: „Am Ende hasste Hitler sein antisemitisches Volk …“

    Das ist genau die Art von völkischen Pauschalurteile, die der Nährboden für die Entwicklung des Hasses von Breivik/Merah waren.

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    „Natürlich dürfen Sie als Deutscher Israel kritisieren. Aber wenn Sie ein falsches Wort bezüglich Hebron sagen, auch wenn Sie sich noch so solidarisch mit den von palästinensischen Raketen beschossenen Israelis zeigen, dann laden Sie moralische Schuld am Mord von Schulmädchen auf sich.“

    So?

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    Richards Rhodes setzt sich in seinem Buch Die deutschen Mörder auch mit dem Thema auseinander: Was machte normale Bürger [..] zu Massenmördern von Kindern und ihren Eltern?

    Er stützt sich dabei auf eine Theorie von Lonnie Athens Gewaltentwicklung durch Gewaltsozialisation http://en.wikipedia.org/wiki/Lonnie_Athens.
    Der gewaltgeprägte Sozialisationsprozess unterteilt sich nach Lonnie Athens in vier Stufen oder Stadien, die er (1) Brutalisierung, (2) Aggressivität, (3) Gewalttätigkeit und (4) Bösartigkeit nennt. Jede Stufe muss vollständig durchlaufen werden, um die nächste zu erreichen. Das Durchlaufen der drei folgenden Stadien (2) – (4) geschieht aufgrund von Entscheidungen. Menschen werden also nicht aus Zufall, sondern aus eigenem Entschluss gewalttätig.

    Das erste Stadium der Gewaltsozialisation, die Brutalisierung, enthält laut Athens drei verschieden Erfahrungen
    (a) gewaltsame Unterdrückung beziehungsweise Unterwerfung
    (b) persönliches Schreckerlebnis
    (c) Gewalttraining

    Hier steht etwas mehr über Athens Theorie und Schlussfolgerungen daraus.

    Wenn Jugendliche in der wichtigen Phase der Adoleszenz in der richtigen Peer-Group leben, wenn sie guten Umgang haben, ist ein zentraler Baustein für ein gelingendes Erwachsenwerden gelegt. Die Wir-Stimmen und die Sie-Stimmen müssen dem Jugendlichen Bestärkung geben und ihn in seinen Fähigkeiten fördern. Der zweite wichtige Baustein ist die Integration ins Berufsleben. Wenn dadurch Anerkennung ermöglicht wird, kann abweichendes und kriminelles Verhalten verhindert werden. (Quelle: http://www.katho-nrw.de/upload.....arbeit.pdf)

    Ich schreibe dies deshalb, weil ich denke (und dies wird ja oft geleugnet), dass es eine gesellschaftliche Aufgabe ist, diese gewaltgeprägte Sozialisierung zu unterbrechen bzw. anzuprangern.

    Jetzt habe ich auch ein wenig mehr von Necla Kelek gelesen und einige Aussagen von ihr besser einordnen. Für mich sollte es erst in zweiter Linie um eine Islamkritik gehen. Die Frage ist: Wie stehe ich zur Gewalt?

    So kann es für mich auch nicht richtig sein, Terrorakte als Gegenreaktionen zu rechtfertigen und somit eine Gewaltspirale in Gang zu setzen.

    Am Wochenende habe ich bei achgut.de (Hannes Stein) diesen Link gefunden Ein Aufsatz von Muhammad Sameer Murtaza http://islam.de/20027

    @Parisien: Bis zu diesem Satz: @ Kerstin: Sie sind nicht gemeint. Es sind Extreme gemeint. fühlte ich mich überhaupt nicht angesprochen. Zunächst habe ich mich nicht zu den Anschlägen von Toulouse geäußert, denn ich wollte mehr darüber erfahren.

    Persönlich empfinde ich den Text von Gunnar Heinsohn als Mißbrauch. Werden alle Kinder alleinerziehender Mütter Mörder? Nein, sicher nicht. Außerdem sind mir die Aussagen zu stark aufs Geld reduziert.

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    Zentral scheint mir die Frage nach der Funktion der Ideologie für den Täter zu sein. Warum baut er aus der Ideologie ein ganzes System, das ihn dann zu seinen Taten veranlasst? Was hat er davon?

    Hier gibt es m.E. eine klare, einfache Antwort, die keinesfalls originell ist, aber trotzdem gegeben werden muss: Er fühlt sich mit seinem System besser, weil er dadurch eine wesentliche Aufwertung seiner selbst erfährt. Er ist der Auserwählte, der Gute, und die anderen, die, die er töten will, das sind die zu Vernichtenden, die Bösen. Er bewertet die Situation also genau andersherum als wir, die wir ihn als den Bösen und seine Opfer als Gute bewerten. Auch eine solche Pervertierung der moralischen Maßstäbe der Umgebung lässt sich nur mit den dicken Membranen einer Terorzelle durchführen.

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    Ich hätte doch gern vorab eine exakte Definition des Wortes „Ideologie“, bevor ich diesen Allgemeinbegriff als Ursache für Morde akzeptieren würde.

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    Stimme in weiten Teilen zu, ein Einwand:
    Meines Erachtens liegt an der Wurzel solcher mörderischer Akte eine mörderische Wut, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach aus einer narzisstischen Kränkung oder Traumatisierung speist.
    Zu einer solchen Kränkung und Traumatisierung könnte im Fall Merah der alltägliche Rassismus ausgereicht haben, der in Frankreich den Angehörigen des „Maghreb“ entgegenschlägt, und den Merah vermutlich seit frühester Kindheit „wegstecken“ musste.
    Wenn jetzt meinetwegen noch ein cholerisches Temperament hinzukommt UND eine Ideologie, die ihm die erwünschte Rechtfertigung liefert, halte ich solche Taten für möglich.

    Auch in Nazi-Deutschland vermute ich eine kollektive Kränkung und Traumatisierung, aus der traditionell gewalttätigen deutschen Erziehung allgemein, und den historischen und wirtschaftlichen Ereignissen nach dem Krieg im Besonderen.

    Von Breivik weiß ich zu wenig, seine „Macke“ muss wohl im familiären Bereich liegen.

    Eine Ideologie, die gleich noch den Sündenbock mitliefert, bietet in solchen Fällen eine Erleichterung der eigenen Seelenqualen und die Rechtfertigung, die Wut, den Hass endlich einmal „rauslassen“ zu können.

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    Ich halte die Erklärung, böse Ideologien wären wie Viren, nicht für ausreichend, vielleicht für vorläufig. Ein Nachteil dieser Erkärung ist, dass unklar bleibt, wie aus einer Infektion eine böse Tat entsteht, denn nicht alle, die mit dem Virus des Antisemitismus/Islamphobie/Nationalismus etc. infiziert sind, begehen böse Taten. Allenfalls könnte man sagen: Der „Virus“ bildet eine notwendige Bedingung für die spezifische Tat, die wir erklären wollen; es müssen aber weitere Bedingungen hinzukommen.

    Ein anderer Nachteil ist, von der anderen Seite betrachtet, dass nicht klar ist, wann eine Ideologie zu einer bösen Ideologie wird. Denn es gibt ja auch gute Ideologien: Buddhismus, Humanismus, Wissenschaftsgläubigkeit u.ä. sind auch Ideologien, aber doch wohl keine bösen.

    Was ist überhaupt eine Ideologie? Eine aus den Fugen geratene Idee oder ein Schema? Ein automatisiertes Denkschema? Eine Anleitung zu denken? Denkmuster benötigen wir, um uns schnell zu orientieren; in diesem Sinne ist niemand ideologiefrei. Ideologien prägen unser Verhalten von Beginn an, wir kommen nur in seltenen Teilbereichen unseres Lebens – dann, wenn wir die Grundlagen unseres Verhaltens reflektieren – in klarere Gewässer, aber auch dann benötigen zur Reflektion automatisierte gedankliche Techniken.

    Ideologien sind also Denkanleitungen. Ich glaube, dass nicht die „böse Ideologie“ als solche die Erklärung darstellt, sondern die Art & Weise, wie die Denkanleitung vom Täter verwendet wird. An irgendeiner Stelle in seinem Denken nutzt er eine Ideologie – die natürlich passend sein muss – zu speziellen Zwecken, um sich zu orientieren, und baut daraus eine Vorstellungswelt. Dieser Vorgang kann konstruktiv werden, aber auch total abwegig, destruktiv und bösartig. Natürlich ist die Denkanleitung dafür verantworltich, aber eben nur zum Teil. Eine Anleitung, gerade wenn sie nur generelle, allgemeine Regeln bietet, kann man auf verschiedenen Wegen befolgen. Was also muss hinzukommen, dmait aus der Anleitung ein Terrorakt entsteht?

    Ein Merkmal fällt ins Auge, das alle Attentäter vereint: ihre Isolation. Sie sind entweder Einzeltäter oder in einer sehr engen Gruppe, die sozusagen eine sehr dicke Membran zur gesellschaftlichen Außenwelt unterhält. Der Reifeprozess einer Ideologie setzt Isolation oder jedenfalls dicke Membrane voraus. Die Ideologie ist demnach der Samen, die Isolation kommt als Brutkasten hinzu.

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    „Deshalb gehören diese Ideologien – Antisemitismus und Rassismus, Nationalismus und religiöser Fanatismus – benannt und bekämpft. Sie sind die gefährlichste Verkörperung des Bösen in der Welt heute. “

    Danke. Genau DAS muss man mal sagen dürfen, auch wenn es offensichtlich weh tut in Deutschland. Von den genannten Ideologien ist der Antisemitismus die größte Bedrohung. Als ob seine Irrationalität Diagnose und Gegenaufklärung nicht schon schwierig genug machte, mutiert er auch noch raffinierter als ein Grippevirus vom Vogel zum Schwein.

    Bleiben wir beim Grippevirus-Vergleich, denn niemand käme auf die Idee, den Vogel oder das Schwein dafür verantwortlich zu machen. Ebenso wenig mache ich die akut antisemitsch Infizierten für den Virus verantwortlich. Ich weise lediglich auf das selbstschädigende Potenzial einer Infektion hin. Sollte jemand auf die Idee kommen, wegen einer mit Vogelgrippe verbundenen ‚Keulung‘ in Hysterie zu geraten: Bitte ganz ruhig bleiben und vor dem Abbiegen einen Blick in den Rückblickspiegel werfen. Am Ende hasste Hitler sein antisemitisches Volk so sehr, dass er es vollständig gekeult sehen wollte. Das ist die bittere Realität, der Führer wollte seine Verführten vernichtet sehen, und wenn sie noch so brav keine Juden mochten.

    „Als hätte man als Jude nicht das Recht, die Dinge aus einer jüdischen Perspektive zu sehen (und als Nichtjude in Deutschland vielleicht sogar die Pflicht).“

    Willkommen in der Schuldfalle, die uns in Deutschland den Teufelskreis des sekundären Antisemitismus beschert. Kein Mensch hat gerne eine moralische Pflicht, die sich aus einer pauschalen Schuld ableitet. Wenn die Schuld auch noch mit einem so perversen wie einmaligen Verbrechen verbunden ist, regt sich emotionaler Widerstand. Verständlich und nachvollziehbar. Also überlassen wir den Kampf gegen den Antisemitismus den Juden. Und damit wiederum gehen uns immer die Juden mit dem Antisemitismus auf die Nerven.

    Die deutsche Realität ist doch, dass jeder öffentliche Nichtjude sich auf den ZdJ, Israel oder Broder beruft, wenn er überhaupt einmal wagt, etwas als antisemitisch zu diagnostizieren. Die deutschen Nichtjuden empfinden Antisemitismus als größte anzunehmende Beleidigung und vergessen sich im wahrsten Sinne des Wortes angesichts dieser ungeheuerlichen Diffamierung. Leider gibt es inzwischen auch Deutsche, die den Kampf gegen Antisemitismus für andere Eigeninteressen instrumentalisieren. Das macht die Situation nicht besser, im Gegenteil.

    Wenn man die forenfüllende Schuldfrage außen vor lässt, könnte man die ganze Geschichte weniger emotional betrachten. Und als deutscher Nichtjude erkennen, dass es ein vitales Eigeninteresse gibt, sich vor Antisemitismus zu schützen. Denn der hat den Antisemiten noch nie gut getan. Dreyfus hat la Grande Nation über Jahrzehnte gespalten wie nie zuvor, uns hat die Ideologie beinahe zerstört, das russische Volk hat sich heute noch nicht von seinen Progromen erholt. Wir in Deutschland müssen keine Juden mehr vor uns schützen, die passen auf sich selber auf. Aber wir sollten uns selbst schützen. Vor dieser kruden Ideologie, die uns schon einmal verführt und in den Abgrund gerissen hat. Statt Schuld sollten wir über Verantwortung nachdenken, über Selbstverantwortung.

    Aktuell haben wir in Deutschland einen sekundären Antisemitismus, der sich auf der politischen Achse nicht verorten lässt. „Das muss man doch endlich mal sagen dürfen“ bei Polenz, „Rückrad“ bei Gabriel, Begeisterung für Achmadinedschad im youtube-Channel von ZDF.

    Warum ist das Antisemitismus? Da will niemand Juden vergasen, das sind keine Nazis, unbestritten. Doch wir finden zwei Hauptsymptome des Antisemitismus wieder, die den christliche, der russische Progrom-, der französische Dreyfus- und der nationalsozialistische Rassen-Antisemitismus verbindet: es handelt sich wie zufällig um Juden, und ist von bemerkenswerter Selbstvergessenheit gekennzeichnet. Im Folgenden beschrieben am Beispiel der jüngsten Sensation auf dem Weltparkett:

    Opium für zwei Völker

    Deutschland hatte einmal eine Antonia Rados, doch sie lebt nach einem misslungenen Start beim öffentlich-rechtlichen ZDF, wo sie das „heute-journal“-Team um Claus Kleber verstärken sollte, inzwischen in Paris.(1) Auch Ulrich Tilgner hat das ZDF verlassen (2) und berichtet inzwischen für die Schweiz. Er hätte dem ZDF-‚Anchor Man‘ Claus Kleber eine kleine, aber wichtige Information geben können: „dass nicht Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad, sondern Ajatollah Ali Chamenei der starke Mann im Iran sei.“(3)

    Der durch die Wahlen geschwächte Ahmadinedschad überlegt sich in Teheran, wie er wieder Sympathien beim Volk gewinnen kann. Da fallen dem Holocaustleugner die geliebten Deutschen ein, er bewilligt Claus Kleber zum iranischen Neujahrsfest ein seit zwei Jahren angefragtes Exklusiv-Interview. Kleber eilt herbei, macht sein sorgfätig vorbereitetes Interview, eilt wieder zurück und verkündet dem deutschen Volk: „…die Verhandlungen dauern unendlich lang, wir haben eine Dreiviertelstunde miteinander geredet, kein Zugeständnis.“

    Verhandelt. In wessen Auftrag? Wir, das deutsche Volk haben ihn mittels GEZ-Zwangsgebühren gewählt, er versteht sich als unser Präsident und verhandelt mit dem ebenso demokratisch gewählten Präsidenten einer wirtschaftlich implodierenden Republik. Die beiden haben ein ähnliches Verständnis von Volk, Demokratie und Menschenrechten. Nur so lässt kann man sich folgende Erleuchtung erklären:
    (5)

    Unser Präsident musste sich „rausreden“, das nennt man echte Augenhöhe. Aber was zählen Menschenrechte oder Demokratie, da sitzen zwei beisammen, die ihre Völker kennen und wissen, was diese wirklich brauchen. „Herr Präsident,“ sagt unser Präsident, „die Welt schaut auf dieses Interview.“ Das tut gut, wir sind wichtig.

    Die Welt schaut auf die Fernsehansprache von Ajatollah Ali Chamenei, aber das wird schon kein Deutscher merken. Wir merken ja auch nicht, wer uns wirklich regiert und die internationale Weltlage aushandelt. Hauptsache unser Präsident weiß darum, und das tut er. Denn der Ganze-Welt-Satz geht im ungewohnt unflüssig über die Lippen, in der Hinsicht ist ihm sein iranisches Pendant überlegen, der lügt ohne mit der Wimper zu zucken.

    Überhaupt nimmt Kleber uns, sein Volk ernster als der Ahmadinedschad das seine. Die Kollegin zu Hause darf ihn sogar fragen, ob sein Verhandlungspartner durch die letzten Wahlen nicht geschwächt sei. Im Iran wisse man nie nichts Genaues, da wurden welche gewählt die eigentlich für etwas anderes stehen als das, wofür sie gewählt wurden. Das ist ja fast wie in Deutschland.

    Die internationale Ausbeute dieser Verhandlung entspricht Deutschlands Rolle in der Außenpolitik. Eine Meldung bei Radio China International, dass der Iran versichert, keine Atombombe zu bauen.(6) Eine kleine Ergänzung beim Nouvelle Observateur im Bericht über Ayatollah Ali Khameini, in der man die Aussage „„Wenn Ahmadinedschad eine Bombe bauen möchte oder will, wird er das bekanntgeben. Und er wird auch keine Angst vor jemandem haben.“ vorsichtshalber in den Konjunktiv übersetzt.(7) Und wir schaffen es nach Azerbejan.(8) Der World Jewish Congress meldet die Holocaust-Leugnung nach Israel, aber auch den sonst so schreibfleißigen Israelis ist es nur zwei müde Meldungen wert.(9) Über die Resonanz im arabisch-sprachigen Raum wissen wir, mal wieder, nichts.

    In Deutschland gibt unser Präsident Interviews, von Seiten der Exil-Iraner und Experten erhält er Kritik: (10)

    Das Interview ist nicht nur im Iran ein ungeheurlicher Erfolg (ist er das?), dank Holocaust-Leugnung hat unser Präsident auch sein Volk hinter sich gebracht. Zwar ist Ahmadinedschad gemessen an den Kommentaren bei youtube jetzt Deutschlands beliebtester Politiker – nachvollziehbar, lasst uns endlich den Holocaust vergessen und den Juden wieder an allem die Schuld geben.(11) Doch er ist nicht mittels GEZ-Gebühren wählbar, das haben die beiden zuvor ausgehandelt: jeder behält sein Volk. Und bedient es mit seiner Lieblingsreligion, dem Antisemitismus.(12) Der von allem Eigeninteresse ablenkt und die Geister so verwirrt, dass wir gerne weiter unsere Stimmzettel in Form von Gebühren abgeben.

    Ein kleiner Verdacht tut sich auf: das ist alles vom Mossad inszeniert, um das unberrechenbare Deutschland auf dem internationalen Parkett ruhig zu stellen. Denn wer kann uns jetzt noch ernst nehmen? Außer dem geschwächten iranischen Präsidenten, der liebt uns sogar. Der wirklich an der Macht sitzende Ajatolla wird über die deutsche Schützenhilfe seines Neujahrs-Fest-Rivalen gelächelt haben.

    (1) http://www.spiegel.de/kultur/g.....49,00.html
    (2) http://www.sueddeutsche.de/kul.....n-1.260493
    (3) http://www.noz.de/lokales/5923.....-implosion
    (4) http://www.youtube.com/watch?v.....re=mh_lolz
    (5) http://www.ksta.de/html/artike.....7231.shtml
    (6) http://french.cri.cn/781/2012/03/20/444s274354.htm
    (7) http://tempsreel.nouvelobs.com.....menei.html
    (8) http://en.trend.az/regions/iran/2005754.html
    (9) http://www.israelnationalnews......27YvHghdlk
    (10) http://www.bild.de/politik/inl......bild.html
    (11) http://Antonia%20Rados%202010:.....zmzR2GTl48
    (12) http://www.youtube.com/watch?v.....re=mh_lolz

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    @ Parisien: „Sie werden selten einen mordenden Zoologen, Tierschützer, Ornithologen oder auch nur Pferde-, Hunde- oder Katzenhalter finden.“ Gewagt. Hitler war Vegetarier und Hundeliebhaber. Und es lassen sich bestimmt weitere Beispiele finden. Da bin ich – ausnahmsweise – ganz bei Maxeiner & Miersch, die in manchen Tier- und Naturschützern eine gehörige Portion Misanthropie entdecken. Denn natürlich kann auch der Naturschutz zur tödlichen Ideologie mutieren. Denken Sie an den Una-Bomber. Denken Sie an den Mörder von Pim Fortuyn. Nein, da begeben Sie sich auf einen Holzweg.

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    „auch das ist zu perspektiviert“. Ja, aber für Kocks‘ Argumentation, nicht für Broder, lieber Herr Posener.
    (Bemerkungen vom Rande gleich am Anfang abhaken)

    Ich fragte mich angesichts von Merah (und von Atta und und und) ob Religion (nicht an sich, aber Aspekte davon, oder bestimmte Ausprägungen) nicht eine gleiche Wirkung hat, wie bestimmte Drogen normale Menschen zu Psychopathen machen, ohne Empathie, ohne Skrupel.

    Jede Zielhaftigkeit, die sich durch nichts mehr ablenken lässt, dürfte so einen Tunnelblick hervorrufen, dann wird nur noch wahrgenommen, was einen im Zielfinden unterstützt, alles andere wird ausgeblendet. Es liegt in der Natur des Menschen. Das was hier eingreifen kann, ist eine entsprechende Sozialisation und eine funktionierende soziale Umgebung.

    Nein, das ist keine Entschuldigung für die Täter oder gar für die Taten. Das sind simple Analyseversuche. Eine Gesellschaft muss Sanktionen kennen, sonst gibt es nicht mal annäherungsweise die oben angeführte „funktionierende soziale Umgebung“. Aber machen wir uns nichts vor. Schuld und Unschuld sind akademische Fragen, oder Euphemismen anhand dessen sich unser Rechtssystem eine künstliche Rechtfertigung für das richtige Rüstzeug zu der funktionierenden Gesellschaft schafft. Aber machen wir UNS das nicht vor, wenn wir dazu in der Lage sind (intellektuell und moralisch stabile Menschen). Ansonsten behandeln wir das als esoterisches Wissen, exoterisch beharren wir auf die schönen Hülsen „Unschuld“ und „Schuld“, sonst bricht das wichtige System zusammen.

    My fifty cent.
    CK.

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    „Aber ich bin über den unverhältnismäßigen Fokus auf israelische Menschrechtsverletzungen besorgt. Israel sollte keinen Freifahrtschein erhalten. Absolut nicht. Aber der Rat sollte das gleiche Maß an Aufmerksamkeit auch auf schwere Verletzungen der Menschenrechte richten, die durch andere Staaten verursacht werden.“ (UN-Generalsekretär Kofi Annan über den UN-Menschenrechtsrat)
    aus: http://www.achgut.com/dadgdx/i.....rechtsrat/

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    Ich störte mich eher an diesem hier, das Sie, Alan Posener, im Prinzip in meinem Sinne beantworten:

    Kocks: „Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das gegen die Natur und damit auch seine Natur aufsteht, aufzustehen hat. Er muss seine Triebe der Idee der Menschheit unterordnen, hat der gute alte Kant gesagt. Sonst ist er halt nur ein Tier in Hosen und manchmal halt eine Bestie. Der Mensch ist ein Projekt gegen die Natur. Ich habe diesen Gedanken immer gemocht. Und verstehe ihn mit jedem Terrorakt besser.“

    Es soll gestörte „Einzeltäter“ in der Tierwelt geben, Tiger z.B., die Menschen anfallen. Einem Skorpion oder einer Giftschlange jedoch ist keine Absicht zu unterstellen, wenn man drauftritt und diese Arten sich wehren.
    Das Tier hat keine Ideologie. Sein männliches Wesen kann ein anderes töten wegen eines weiblichen Partners nach einem fairen Kampf. Es jagt sich schon mal das Futter ab, wenn es knapp wird. Instinkt.
    Aber die Ideologien, auf die Sie hier verweisen, machen den Menschen schlechter als das Tier, weil er ohne Grund tötet, eben aus Ideologie, im islamistischen Umfeld nicht um zu überleben, sondern bei bewusster Planung seines eigenen Unterganges, ein Unterschied zum NS, aber nicht zur japanischen Kriegsführung mit Kamikaze.
    Daher darf man Mensch und Tier nicht vergleichen. Die Natur macht das Tier zu einem besseren Wesen, weil es unschuldig ist und bleibt. Auch ein Hai, der einen schwimmenden Menschen mit Seehund verwechselt, ist unschuldig. Die Lawine, die den Prinzen Johan-Friso ins Koma versetzt hat, ist daran nicht schuld, „denn“ – wie Goethe schrieb – „unfühlend ist die Natur“. Goethe meinte das herabsetzend, aber heute möchte man meinen, er würde selbiges Gedicht nicht mehr so schreiben.
    Ich würde eher sagen, dass Ideologie auch greifen kann, weil sich der Mensch zu weit von der Natur entfernt hat. Sie werden selten einen mordenden Zoologen, Tierschützer, Ornithologen oder auch nur Pferde-, Hunde- oder Katzenhalter finden. Die Gefühle, des Menschen, entfernt von der Natur (und dem Kern der Religionen – dem Guten, auch bei den Sufis im Islam zu sehen) können zum Bösen pervertieren. Der Focus auf den Besitz und die Politik verleiten dazu. In diesem Fall ist auch der Westen schuld. Sein ewiges singling out Israels trägt dazu bei.

  44. avatar

    Deshalb gehören diese Ideologien – Antisemitismus und Rassismus, Nationalismus und religiöser Fanatismus – benannt und bekämpft. Sie sind die gefährlichste Verkörperung des Bösen in der Welt heute.

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