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Über den linken Kamm geschoren

Für Gregor Gysi ist die Sache ganz einfach. Dass der Verfassungsschutz 27 von 76 Bundestagsabgeordneten der Linken – darunter fast die komplette Führungsriege – beobachten lässt, sei „ballaballa“, meint der Fraktionschef. Die Behörde habe schlicht eine Meise.

Auch für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich gibt es keinen Grund zu zweifeln. Der Verfassungsschutz komme nur seinem gesetzlichen Auftrag nach, wie der CSU-Politiker betont. Schließlich existierten „erhebliche Hinweise“, dass die Linke verfassungsfeindliche Tendenzen habe. So weit, so schlüssig.

Das Problem ist nur: Bei den unter Beobachtung stehenden Damen und Herren Volksvertreter handelt es sich mehrheitlich nicht um Politiker, die für radikale oder gar extremistische Positionen bekannt sind. Vielmehr sind neben Gysi ostdeutsche Reformer und Realos wie Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, Fraktionsvize Dietmar Barsch und Parteivizechefin Katja Kipping im Visier des Kölner Amtes. So drängt sich der Verdacht auf, die betroffenen Abgeordneten werden einfach mal so über einen links-fundamentalistischen Kamm geschoren.

Mehr noch. Inzwischen erhärten sich die Hinweise, dass nicht nur „beobachtet“, sondern auch gezielt „überwacht“ wird. Im Klartext heißt das: Der Verfassungsschutz sammelt zum einen öffentlich zugängliches Material, aber zum anderen werden die Links-Politiker auch „nachrichtendienstlich“ bearbeitet. Dazu gehört zum Beispiel der Einsatz von V-Leuten. Da muss dann schon die dringende Frage nach Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit gestellt werden. Und sie beantwortet sich fast von selbst: übers Ziel hinausgeschossen.

Nun ist diese Feststellung jedoch kein Alibi für die Linkspartei, sich in Gänze als verfolgte Unschuld zu gerieren und selbstgefällig von „Generalverdacht“ zu schwadronieren. Denn ohne Zweifel gibt es Mitglieder und Strömungen – sei es im Marxistischen Forum, bei der Kommunistischen Plattform oder in anderen radikalen Gruppierungen –, die der hiesigen freiheitlich demokratischen Grundordnung, der sozialen Marktwirtschaft, dem Parlamentarismus und vielen staatlichen Institutionen kämpferisch ablehnend bis militant feindlich gegenüberstehen. Und diese Kreise sinnieren schon gerne mal, Hammer und Sichel fest in der revolutionären Hand haltend, über eine neue Gesellschaftsordnung. Ganz klar, ein Fall für den Verfassungsschutz.

Aber Gysi, Pau und die anderen gemäßigten Genossen sind nun mal, nach allem, was über sie bekannt ist, weder dumpfbackige kommunistische Klassenkämpfer noch kriegerische Umstürzler. Im Gegenteil, es handelt sich um frei gewählte Parlamentarier einer zugelassenen Partei. Wer sie ohne triftigen Grund unter Beobachtung des Staates stellt, sie womöglich sogar mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht, der betreibt politische Panikmache, die demokratische Prinzipien zumindest infrage stellt.

Dafür hat man den Verfassungsschutz nicht geschaffen. Er soll Informationen sammeln über Bestrebungen, die nachweislich gegen unsere Grundordnung gerichtet sind. Daran muss sich die Behörde halten. Sonst verliert sie Wesentliches – zum Beispiel rechtsterroristische Strukturen im Stile des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ aus den Augen. Das wäre nicht nur ballaballa, sondern vor allem brandgefährlich.

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2 Gedanken zu “Über den linken Kamm geschoren;”

  1. avatar

    Wer beobachtet dich ? Auch das soll hier vorsaetzlich an Jedermann angedeutet werden ! Die Geheimdienstler suchen immer mehr „Subjects“ welche sie beobachtungsfaellig erkennen. Wahrscheinlich werden von verschiedenen Geheimdiensten der BRD, der USA und NATO – eine ganze Auswahl von deutschen Politikern beobachtet. (You can’t lose money anticipating this!). In USA herrschte von 1924 bis zu seinem Tod, „the Director“ J. Egar Hoover: Er verblieb „the Director of the Bureau“ waehrend Praesidenten kamen und gingen: Roosevelt, Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon. Keiner hatte den Mut ihn zu entfernen – weil er alle wissen lies, das er „beobachtet“ – und alle oder ihre Angehoerigen hatten „Suenden“ auf ihren „file“. Roosevelt, Eisenhower, Kennedy hatten alle „extra-marital“ relationships. Johnson und Nixon waren „dirty“ Politicos. Truman war mal in die Pleite gegangen. — Die Linke in BRD ist keine Gefahr fuer die Interessen der USA – fuer welche die BRD Organe wirklich arbeiten. Das Problem fuer die USA in BRD sind „unabhaengige“ Bundeskanzler – wie Schroeder welcher keine deutsche „Partner“ in den Irak sandte, und danach mit Putin die Oelpipeline in der Ostsee baute. Und jetzt besonders Merkel – erst unwillig fuer NATO-Schutz in Lybien, und jetzt mit ihrer bolschewistischen Idee einer „Finanztransaktionssteuer“: Vielleicht ist sie doch eine unerkannte rote Agentin gegen die „Marktwirtschaft“ ?

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    @ Christian Böhme

    „Denn ohne Zweifel gibt es Mitglieder und Strömungen – sei es im Marxistischen Forum, bei der Kommunistischen Plattform oder in anderen radikalen Gruppierungen –, die der hiesigen freiheitlich demokratischen Grundordnung, der sozialen Marktwirtschaft, dem Parlamentarismus und vielen staatlichen Institutionen kämpferisch ablehnend bis militant feindlich gegenüberstehen.“

    Wer der sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie in der BRD praktizieren, kritisch gegenüber steht, verlässt keineswegs unsere freiheitlich demokratische Grundordnung.

    Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, dass das Grundgesetz keine bestimmte Wirtschaftsverfassung vorschreibt. Man kann sogar die Abschaffung der „sozialen Marktwirtschaft“ fordern und dafür kämpfen, solange man das Sozialstaatsprinzip und die allgemeine Handlungsfreiheit nicht unangemessen einschränkt.

    http://de.wikipedia.org/wiki/W.....gsgerichts

    http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv004007.html

    Also nicht vergessen, Sozialismus ist im Rahmen des Grundgesetzes möglich und erlaubt!

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