Der politische Stil in Deutschland erreicht immer neue Tiefpunkte – oder die Stillosigkeit neue Höhepunkte. Damit ist nicht einmal die von fast allen Seiten würdelos betriebene Debatte um das Amt und die Person des Bundespräsidenten gemeint.
Es geht eher um Reste von Anstand im parteipolitischen Konkurrenzkampf. Bislang gehörten zum Wettbewerb der Parteien vor allem der Austausch von Argumenten und inhaltliche Zuspitzungen. Natürlich geht es gelegentlich auch robust zu oder wird etwas persönlicher. Dass eine Partei aber das Treffen der anderen sabotiert, ist neu: Mit grundsätzlicher Billigung der Bundeskanzlerin für ihr Vorgehen verkündete Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer im Saarland genau während der Rede des FDP-Vorsitzenden beim liberalen Dreikönigstreffen das Aus für die Jamaica-Koalition an der Saar.
Die inhaltlichen Beweggründe sind dabei nachvollziehbar und Leistungen wie Auftreten der FDP im Saarland kläglich.
Aber: Das war dort seit Wochen bekannt und spätestens Mitte Dezember 2011 offensichtlich. Mit einem Hauch von Respekt vor demokratischem Wettbewerb und einem – immerhin noch! – Bundes-Koalitionspartner hätte frau zwischen Dezember und Februar praktisch genauso gut jeden anderen Zeitpunkt wählen können, um ihre durchaus verständliche Entscheidung zu begründen.
Dies am Freitag, den 6. Januar, um 12.20h zu tun, war schlechter Stil, der den Eindruck erweckt, es sei vor allem um gehässige Maximierung des Schadens für einen Konkurrenten gegangen. Die Saar-FDP (in irgendwann wieder besserer Verfassung) zu brauchen kommt die Saar-CDU-Vorsitzende hoffentlich nicht wieder in die Lage. Denn: Statt eines roten Partners sollte die noch amtierende Ministerpräsidentin die rote Karte bekommen.
Schlechter Stil in der Tat! Das Ergebnis nicht nur für die FDP sondern auch für die anderen Parteien blamabel. Für die FDP insbesondere, weil der mainstream sie gerade aussortiert: Die FAZ schreibt über den „Untoten“ Westerwelle und räsoniert bereits über die ehemalige FDP. Was fehlt auch hier? Guter Stil! Was fehlt noch? Distanz zum mainstream – das geht natürlich nicht, wenn man selbst ein Teil desselben ist. Was fehlt daher ganz besonders? Ein deutscher Journalist von Format, der den Mut hat, sich gegen den Zeitgeist zu stellen. Einstweilen bleibt nur die NZZ. Grüße von Hartmut Schmidt
My God – Dios mio – Mon Dieu – wer erwartet denn „Stil“ von Deutschen ?
ich find das unmöglich, was die gemacht hat. man trifft sich immer zweimal, das weiss doch jeder! die wird sich schön wundern, wenn es neuwahlen gibt!
…manchmal wird Politik gekonnt auch zwischen den Zeilen gemacht: Die CDU hat sich von der FDP verabschiedet, auch auf Bundesebene, und das mit lautem Getöse (- und dies ist nur ein scheinbarer Widerspruch). Momentan sieht nichts nach schwarz-gelb für 2013 aus. Im „Trend“ (‚Welches Schweinderl hätten’s denn gern?‘) liegt momentan eher schwarz-grün (vgl. R67 e.a.). Ich persönlich fand die Terminierung des Scheiterns ‚frech‘, amüsant und daher passend. CSU und FDP gleichzeitig in den Schatten zu stellen, wann gelingt das schon so präzise? -> Ein politisch viel interessanterer Dreikönigstag als ohne diese Intervention. Klar, wenn eine auf dem Boden liegt (FDP), soll person nicht auch noch darauf herumtreten, aber seit wann interessieren sich Parteien im Wahlkampf für Knigge und Co?