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EIN ZERBROCHENER KRUG NAMENS WULFF

Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht. Die Geschichte des Christian Wulff scheint besiegelt. Jene Journalisten, die ihm einst hofierten, haben ihn nunmehr  gerichtet. „Wer mit uns“, soll dorten das Motto lauten,“ im Aufzug nach oben fährt, fährt mit uns auch wieder nach unten.“ Eine Mediendiktatur? Zeit, wieder in die Kochstraße, an den historischen Sitz der BILD zu ziehen, und zu brüllen: „Enteignet Springer!“ Gemach. Das Urteil der gesamten Presse wird immer vernichtender: Wulff ist seinem Amt weder geistig noch moralisch gewachsen. Ich halte ihn nicht für bestechlich, aber die „Gratwanderung am Rande der Wahrheit“ (FAS) schmerzt.
 
Statt das höchste Amt vor Schaden zu bewahren, verbirgt er, in diesen Anschein hat er sich gebracht, womöglich regelrechte Straftaten hinter dem Amt. Anonyme Schecks zum Hauskauf statt Grundbucheintrag eines normalen Kredits? Handschläge am Telefon statt ordentlicher Verträge? Es werden Vorgänge eingeräumt, wie sie der unbedarfte Krimi-Leser nur als Geldwäsche kennt. Geschenkter Doktortitel und Wulff-Laudatio für einen Unternehmer, und dann ins dessen Luxus-Betten nächtigen? Fototermine des Ministerpräsidenten für eine Fluggesellschaft und dann Upgrades beim privaten Urlaub? Überhaupt Lebensstile, die der Bussi-Bussi-Halbwelt zuzurechnen sind. Preußische Pflicht war mal was anderes. Würdelos.
 
Wulff beschützt nicht das Amt, sondern sich hinter ihm. Wir erleben kein Ende mit Schrecken, sondern einen Schrecken ohne Ende. Im Rosenkrieg zwischen Präsidenten und Chefredakteuren gewinnt nicht der Glanz der Macht, sondern die Macht der Druckerschwärze.  Zeit, die Frage zu stellen, wie ein solcher Mann so weit kommen konnte. Die Antwort liegt in einer Kumpanei von Medien und Politik, die irgendwann zerbricht. Siehe Brunnen und Krug. Wie aber war das, als der Krug noch brav Wasser holte?
 
Wulff bediente in großem strategischen Kalkül die Presse mit privaten Geschichten, von denen er hoffen durfte, dass sie ihm eines Tages nutzen würden. Lange bevor seine Scheidungsabsichten deutlich wurden, fand der Illustriertenleser eine tränenreiche Geschichte über treu sorgende Väter. Darunter Christian Wulff und seine Tochter, der sein ganzes Herz gehöre. Von der Mutter schon damals keine Spur. Jahre später ist Wulff in neuen Händen, nennt eine Patch-Work-Beziehung zu einer glamourösen PR-Beraterin sein eigen, und das Publikum gibt seinen Segen. So inszeniert man Scheidungen in einem eher braven Bundesland als katholischer Konservativer.
 
Das Rezept heißt: „Built by BILD!“ Das stammt, seien wir ehrlich, nicht aus der Union, sondern von Gerhard Schröder, der auf „BILD und Glotze“ baute. Und damit ist der Schlüssel zu Wulffs gesamten Streben gegeben. Wulff ist ein Parvenue, den vor allem eines antreibt im öden Hannover an der Leine: so sein,  wie sein ewiges Vorbild, der großartige Medienkanzler Gerd Schröder. Die Parallelen zwischen diesen beiden Aufsteigern gehen bis in groteske Details.
 
Überhaupt befolgt Wulff sozialdemokratische Muster der Machterhaltung. Diese richten ihn dann auch. Die moderne Öffentlichkeitsarbeit für Politiker ist in den USA und England begründet worden, für Bill Clinton und Tony Blair. Was in Hannover und Berlin ein Olaf Glaeseker war, Wulff Presse-Adlatus also, das waren hier Dick Morris und Alaistair Campbell. Mit beiden bin ich persönlich befreundet, beide waren erfolgreich, und beide folgen einer verhängnisvollen Theorie.
 
Blairs „spin doctor“ Alaistair Campbell hat mir mal in einer Kontroverse über Pressearbeit seine beiden Grundregeln im Umgang mit unliebsamer Presse ins Gesicht geschrien: „Immediate complaining and talk to the bloody propriertors right away!“ Das eine Kampfansage. Sie klingt im Deutschen noch etwas sanfter: „Beschwere Dich beim kleinste Verdacht einer ungewollten Recherche immer sofort und rede dann immer sofort mit den verdammten Besitzern der Medien!“ Verachtung gegenüber Journalisten, die ihren wirklichen Job machen. Verachtung der Pressefreiheit.
 
Methode Wulff. Als die WELT eine Geschichte über eine Halbschwester Wulffs bringen will, die er in seiner Biografie sorgsam ausgespart hatte, droht der Bundespräsident im Amtssitz zunächst dem Redakteur, beschwert sich dann in der Chefredaktion, dann im Vorstand des Verlages. Es kommt noch besser: von Bundeskanzlerin Merkel will er die Handynummer der Verlegerwitwe Friede Springer haben, um auch hier intervenieren zu können. Talk to the bloody proprietor!
 
Die Kreditaffäre läuft nach dem gleichen Muster. Und Wulff ist sich seines Geheimrezeptes so sicher, dass er seine Drohungen sogar der Mailbox anvertraut. Routinefehler. Das Ganze hat auch dann noch Methode, als schon abzusehen ist, dass der Krug bricht. In seiner larmoyanten TV-Entschuldigung spricht Wulff davon die Medien künftig „als Mittler stärker einbinden“ zu wollen.
 
Ein fundamentales Fehlverständnis der Pressefreiheit. Medien sollen eben nicht von der Politik eingebunden werden. Gelobt sei das Land, in dem sich Medien nicht einbinden lassen. Gelobt sei das Land, in dem Medien sich ihre Unberechenbarkeit erhalten. Und wenn der SPIEGEL schon auf den Ohren sitzt, so soll die investigative Presse wenigstens im Boulevard blühen.
 
Ich werde als gelernter Altachtundsechziger in der alten Kochstraße (die heutzutage zu meinem inneren Vergnügen den Namen von Axel Springer und von Rudi Dutschke trägt) keinen Rosenstrauß abgeben, aber der BILD-Mann Blome hat schon eine exzellente Figur abgegeben. Lob des Staatsbürgers für ein Haus, das ansonsten auch schon mal fünf gerade sein lässt!
 
Der Wulffsche Krug ist nicht zerbrochen, weil er mehr oder weniger schwere Fehler „in einer emotionalen Situation“ begangen hat, die man im Allgemein-Menschlichen durchwinken könnte. Der Krug zerspringt, weil die Methode Wulff die Verfassung bricht. So droht dem Salami-Präsidenten ein tragisches Ende, Dorfrichter Adam im Schloss Bellevue. Am Ende doch eine Staatskrise, insofern die Posse des Spin Doctoring den Staat zur Posse werden lässt.
 

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7 Gedanken zu “EIN ZERBROCHENER KRUG NAMENS WULFF;”

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    Viele meinten, ich bis dato auch, daß das Bundespräsidentenamt eigentlich überflüssig sei. Man würde sich viel Ärger und das Gehalt (vor allem die Ruhegehälter der Zurücktretenden) sparen.
    Wenn ich mir so die Verteilung der Anzahl der Kommentare zu den verschiedenen Themen (Wirtschaft, Außenpolitik, Personalien) und die Häufung bei den letzteren ansehe, komme ich aber ins Grübeln.
    Ich vermute, niemand der hier Schreibenden würde zugeben, sich eine moralische Instanz zu wünschen, aber es ist doch wohl so, daß bei der Affäre irgendwas penetrant aufstößt, was alle umtreibt. An einer Stelle verliert die „5“ nämlich ihre Identität, aber wo?

    – Ist es bei dem günstigen Kredit vom reichen Freund, der für die Krankenschwester, den Polizisten, den „Arbeiter“ unerreichbar ist? Glaube ich nicht. Das wäre eher eine arrogante Geringschätzung der intellektuellen Fähigkeiten zumindest der mir bekannten Krankenschwestern und Polizisten, die eine solche Neid-Triebabfuhr à la „Bild“ überhaupt nicht nötig hätten.

    – Übernachtung in „Luxus Betten“ von vielleicht begünstigten Freunden/Lobbyisten? Wenn er es zugibt und im Amt damit aufhört, könnte man das doch eigentlich auch vergessen.

    – Eine Sache allerdings nehmen die Krankenschwester, der Polizist (und ich) krumm und das sind die Vertuschungsversuche von Anfang an und dieser unbedingte Wille, ohne „Macken“ zu da zu stehen, worauf ja auch der Autor hinwies.

    Warum macht Wulff das? Ich vermute, das ist die anpasserische Ängstlichkeit der Babyboomer.
    Christian Wulff ist unwesentlich älter als ich, also meine Generation. In der Nachhut der 68er Rebellen und ideologisch eher unauffällige Anpasser. Ich habe Anfang der 80er MSB-Leute noch kennengelernt und ich wäre auch mit ihnen auf den Friedensdemos mitmarschiert, wenn mir, ehrlich gesagt, deren Rigorismus nicht so unsympathisch gewesen wäre. Noch heute fällt mir bei dieser Generation auf, entweder immer noch ganz links oder aber jetzt ganz rechts (oder religiös-fanatisch, was auf’s gleiche hinaus läuft, der Wahrheitsfetischismus ist auch der gleiche).
    Die Kritik geht aber eher an meine Generation. Darauf gekommen bin ich durch die Äußerung einer jungen Dame von der Piratenpartei (ich weiß nicht mehr, wer), die da lakonisch analysierte: Unsere Gesellschaft hat keine Fehlertoleranz, was solche Karrieren produziert. Wenn sich also meine Generation weiter „schleifen“, optimieren, verbiegen lässt, wird sie eben auch weiter kuschen, taktieren und vor lauter neurotischer Fehlervermeidung wirkliche Fehler, einen nach dem anderen, machen. Sie gehört dann komplett auf die Couch und nicht ins Bundespräsidentenamt.

    Von daher war der Vorschlag „Sloterdijk for President“ von Lyoner eigentlich gar nicht so schlecht, der sprach doch von „verlorener Stolzkultur“ hierzulande.

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    Wenn es nach der Beurteilung von jan z. volens geht, ist ja jetzt alles in Ordnung, wo die Deutschen die Zitadelle des Preußentums geschleift haben und endlich menschlich-menschelnd geworden sind.

    Herr Kocks, Sie kennen ja das politische Personal, das unserer Republik zur Verfügung steht. Ist Wulff denn eine große, dumme Ausnahme oder ist er ein typischer Vertreter dieser Generation mit seinem Hedonismus, seinem Neoliberalismus, seiner politisch-moralischen Desorientierung. Gibt es noch politische Sozialisationen, die dem Zeitgeist widerstehen, Persönlichkeiten mit einem Fundament und der Einstellung „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“?

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    „Hey – look – the Germans are normal after all – just like everybody else!“ – das waere die Reaktion am Potomac und an der Thames- but nobody is watching!. All diese „Tragoedien“ im eregten Denken der Germans, welche noch der „preussischen Pflichterfuellung“ nachtraeumen (am Brunnen vor dem Tore …, na ja, 2012 am anderen Tor – in der dynamischen Bundeshauptstadt!). Die Lateinamerikaner waeren aber schockiert (davon hoert man sowieso nicht im „Sueden“!)- denn korrupte „Politicos“ wie „machos“ sind Markennamen im traditionellen „folclore latino“. – Auf jeden Fall, ist es auserhalb Deutschland fuer das Publikum eine erleichternde Beruhigung, dass es kein „preussisches Pflichgefuehl“ im der heutigen BRD ueberlebt- auch nicht in der ehemaligen Reichshauptstadt. — Da Sie den Alastair persoenlich kennen, mal anfragen: Seit zwei Wochen scheint die weltweite britische Propagandamachiene BBC TV – seltsam entfernt von ihrer bisherigen Kampagne gegen Lateinamerika: Ploetzlich eine grossartige Docu-Nachricht ueber die kuehne Aktion der brasilianischen Umweltschuetzer gegen die illegale Abholzung im Amazonas, und ein hochjubelndes Docu ueber die Gefaengnis-Symphony-Orchester in Venezuela, wo jungendliche Verbrecher zur paedogogischen Reform zu Musikern ausgebildet werden (Sieh youtube ORQUESTA SINFONINCA PENITENCIARIA SONAMBO). Die Frage – ist der Grund die jetzt entstehende Einheit in Suedamerika gegen die britisch-besetzten Malvinas/Falklands – welche als argentinisch gefordert werden ? – Zurueck zum Thema: Die Faelle Wulf und Gutenberg zeigen der Welt die „menschliche“ Seite der Germans: They ain’t UEBER ALLES after all!

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    Hoffentlich hält Wulff durch und verweigert Unterschriften zu verfassungswidrigen Verträgen , etwa zum ESM.

    Kohl hat im Rahmen eines Beratervertrags mehrere Jahre 800.000 DM pro Jahr von Kirch bekommen. Das behauptet Pispers in „Bis neulich“. Er hätte dafür das gesamte Programm geschrieben. (Ironie !)

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