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Wenn deutsche Haushaltspolitiker in Brüssel als Geister mit am Tisch sitzen

Wir müssen ein neues Wort lernen: den Parlamentsvorbehalt. Was die einen als großen Sieg der Demokratie feiern, halten die anderen für den letzten Sargnagel in der aktuellen Euro-Krise: Kanzlerin Angela Merkel muss künftig den Haushaltsausschuss des Bundestages fragen, was sie für Deutschland in den EU-Krisengipfeln zusagen darf.

Zumindest dann, wenn es über schon Beschlossenes im Deutschen Bundestag hinausgeht. Deshalb auch der derzeitige Hickhack eines sich über sechs Tage hinziehendes Gipfeltreffens.

Montagabend also muss der Haushaltsausschuss erfahren, was die EU in Sachen Griechenland vorhat. Dann kann er gegebenenfalls am Dienstag zustimmen, damit Angela Merkel am Mittwoch in Brüssel dann handeln kann. Wem das kompliziert vorkommt, der täuscht sich nicht: Das ist kompliziert.

Fans des Parlamentarismus sehen darin einen Triumpf der Demokratie und eben auch des Parlamentarismus. Die Abgeordneten nicken nicht einfach nur ab, sondern machen Politik. Endlich!

Wer jedoch weiß, wie in Brüssel verhandelt wird und wie oft Kompromisse in buchstäblich letzter Sekunde zustande kommen, wird sich nur mit Grausen abwenden können. Wie soll das funktionieren, wenn dann auch noch die Haushälter des deutschen Bundestages zustimmen müssen?

So wird es nun zu einer sehr ungewissen Premiere in noch ungewisseren Zeiten kommen. Zwar gelten die Mitglieder des Haushaltsausschusses im Bundestag als in Finanzdingen sehr versiert – versierter jedenfalls als die „normalen“ Abgeordneten. Wie dürftig es um deren Wissen steht, mussten wir leider ja durch die Recherchen eines TV-Politmagazins entsetzt erfahren.

Dennoch nimmt die Komplexität der Euro-Rettung durch diese neuen, vom Parlament nach dem Richterspruch in Karlsruhe erzwungenen Verfahrensweisen noch einmal deutlich zu. Und so kann der Betrachter nur hoffen, dass die Mitglieder des Haushaltsausschusses dieser immensen Verantwortung gerecht werden.

Das bedeutet dann, die Euro-Rettung nicht für innenpolitische Auseinandersetzungen in Deutschland zu missbrauchen. Es bedeutet auch, konstruktiv und schnell zu beraten und zu entscheiden. Und es bedeutet natürlich, kurz- und auch mittelfristig so viel Beratungskapazität aufzubauen und/oder vorzuhalten, um die verschiedenen Aspekte einer derart weitreichenden Entscheidung angemessen bewerten zu können.  Das alles ist momentan nicht immer gegeben und bietet Anlass für Skepsis über dieses neue Verfahren.

Es wäre sehr zu hoffen, dass die Parlamentarier ihre neuen Möglichkeiten verantwortlich nutzen. Dann erwüchse der Exekutive in der Tat  ein noch interessanterer Gegenpart in der Legislative – und uns allen damit ein echter Gewinn an Demokratie und demokratischen Verfahren.

Und auch  der Parlamentsvorbehalt wäre dann ein Sieg der Demokratie, den zu feiern es sich lohnen würde.

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5 Gedanken zu “Wenn deutsche Haushaltspolitiker in Brüssel als Geister mit am Tisch sitzen;”

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    Ich sag immer: Lieber ein etwas komplizierteres Verfahren als Freifahrscheine für einzelne Personen. Wer würde denn ernsthaft einer einzelnen Person – gerade auch Frau Merkel, die ihre Fahne häufig doch in den Wind hängt – die alleinige Entscheidung über jahrhundertelange Verschuldungen zutrauen?

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    $7(sieben)BILLIONEN verloren U.S.Hausbesitzer in den vergangen 5 Jahren am Wert ihres Hauses. Deshalb schulden 1/4 aller Hausbesitzer in USA den Banken mehr als ihr Haus wert ist! Im Staat Nevada (mit der Traumstadt der ‚Germans‘-Las Vegas)-schulden 60% aller Hausbesitzer den Banken mehr als ihre Haus wert ist. In Arizona sind es 46% und im sonnigen Florida 45%. – Auserdem kommt jetzt die Lawine von hoeheren Grundsteuern fuer die Gemeinden… Auserdem hat die „middle class“ 1/3 ihres Aktienanlagenwert verloren seit dem Platzen der Alan-Greenspan-Aktien-Blase 2001. Im allgemeinen haben Inmobilienbesitzer 30% ihres Besitzwertes seit 2007 verloren… 15 Millionen sind „amtlich“ Arbeitslos, weiter 10 Millionen sind arbeitslos ohne amtliche Versicherung oder teilzeit- beschaeftig. 46 Millionen erhalten Lebensmittelhilfe durch „Food stamps“. Welcome to America !

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    Der Parlamentsvorbehalt ist schon eine Zwickmühle in der heutigen Euro-Krise, das stimmt. Aber andererseits hergesehen, zahlt jetzt Deutschland einen Preis für die Entfremdung ihrer Bürger durch …. denselben Bundestag! Allzu oft hat das Parlament gegen den Willen des Volkes und ohne wirkliche Debatte ehemals gestimmt dass jetzt die Executivehände schließlich gebunden sind. Der Executive wurde aufgerichtet weil der Legislative es einfach zu schwerfällig findet eine direkte Politik zu betreiben. Jetzt wird das Parlament selbst ausfinden müssen wie mühsam die Politik wirklich ist.

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    Der deutschen Haushalspolitiker sind wohl die Einzigen, die den Euro-Betrügern noch in die rote Karte zeigen können.

    Man wird uns eines Tages fragen: Warum habt ihr nichts getan gegen die Zerstörung der Demokratie in Deutschland.

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    „Side product“ der Euro-Krise: Zumindest stutzt das Problem die ueberheblische Einbildung dass „Europeos“ noch heute Vorbilder sein sollten fuer die Volkswirtschaftler der Nationen auf anderen Kontinenten. Vielleicht sollten die genialen Denker in Bruessel einmal studieren wie die gerade wiedergewaehlte Praesidentin Argentiniens, Cristina Kirchner, die Ansprueche der fremden Banken kuehl und kuehn weit hinter die Notwendikeiten des argentinisches Volkes „ausrangiert“ hat.

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