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Jetzt beginnt die eigentliche Bewährungsprobe in Ägypten

Es ist vollbracht, das Volk hat Mubarak gestürzt. Der Pharao hat seinen Thron aufgegeben. Ein epochaler Erfolg der Menschen, die seit Wochen zu Hunderttausenden auf dem Tahrir-Platz nach Freiheit riefen und den Despoten zum Teufel wünschten. Wie groß die Verachtung für den alten Mann mittlerweile war, konnte man Donnerstag im Fernsehen sehen: Die wütenden Bürger reckten ihre Schuhe in die Luft – eine Geste, die hierzulande dem Zeigen des Mittelfingers entspricht.

Der Verhasste mag nun der Vergangenheit angehören, eine Ära der Unterdrückung hoffentlich zu Ende gegangen sein. Eine friedliche Revolution beendet die Herrschaft eines orientalischen Despoten – ein historischer Moment für die arabische Welt. Nichts ist mehr wie früher. Alte Gewissheiten sind jetzt Geschichte. Und das darf ruhig mit Beifall begrüßt werden.

Aber damit ist trotz berechtigter Freude noch herzlich wenig für die Zukunft gewonnen. Schon gar nicht für die wohl von den meisten Ägyptern herbeigesehnte bürgerliche Freiheit, geschweige denn für die Demokratie. Denn das Sagen im Staat haben weiterhin Mubaraks alte Parteigänger, allen voran der ehemalige Leiter des Geheimdienstes und jetzige Vizepräsident Omar Suleiman.

Jetzt beginnt die eigentliche Bewährungsprobe für die Aufständischen. Es gilt, den Übergang friedlich zu gestalten, weder Chaos noch Anarchie aufkommen zu lassen und die Wahlen im September gut vorzubereiten. Wahrlich, eine echte Herausforderung. Ob das alles gelingt, weiß heute noch niemand zu sagen. Wie auch? Ägypten kennt keine Rechtsstaatlichkeit in unserem Sinne. Was eine freie Parlamentswahl ausmacht, haben die Menschen noch nie erlebt. Es bedarf einer großen Portion Engagement, politische Strukturen müssen mühsam aufgebaut werden. Dafür ist Anleitung und Hilfe erforderlich, auch von außen. Nur dann kann dieses historische Experiment von Erfolg gekrönt sein. Das Volk muss die Sache in die Hand nehmen, doch von einem auf den anderen Tag ist das unmöglich.

Deshalb wird die Macht wohl vorerst ein Instrument von Mubaraks Schattenmänner bleiben. Das mag eine erschreckende Vorstellung sein, eine zutiefst ernüchternde. Doch im Verbund mit dem Militär ist das alte Establishment vermutlich der einzige Garant dafür, dass das Land nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Und daran kann nun wirklich keinem gelegen sein. Denn von einer solchen Situation würde wohl nur einer profitieren: die Muslimbruderschaft. Dann bestünde tatsächlich die große Gefahr, dass aus Ägypten ein islamistischer Gottesstaat à la Iran wird.

Ein halbwegs geregelter Übergang – das wäre ganz im Sinne Israels. Denn es gäbe Jerusalem die notwendige Zeit, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, politisch und vorsichtshalber auch militärisch. Die Sicherheit des jüdischen Staates bleibt Jerusalems oberstes Gebot. Was jedoch keinesfalls heißt, Israel müsse an seiner südlichen Grenze mit einem heraufziehenden Krieg rechnen. Politiker wie Friedensnobelpreisträger el-Baradei sind zwar alles andere als Freunde.

Aber selbst die Muslimbrüder sind Realpolitiker genug, um es nicht auf einen Waffengang gegen Israel ankommen zu lassen. Die Regierung um Benjamin Netanjahu wird das Terrain neu sondieren, nach Verbündeten unter den veränderten Kräften Ägyptens Ausschau halten müssen. Weil es gilt, Hamas und Hisbollah in Schach zu halten. Die Zeiten werden unbequemer, sicherlich. Allerdings kann der jüdische Staat versuchen, die Geschicke der Region als gewichtiger Player mitzugestalten. Was es dazu braucht? Ein heißes Herz und kühlen Verstand.

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5 Gedanken zu “Jetzt beginnt die eigentliche Bewährungsprobe in Ägypten;”

  1. avatar

    „…Denn das Sagen im Staat haben weiterhin Mubaraks alte Parteigänger, allen voran der ehemalige Leiter des Geheimdienstes und jetzige Vizepräsident Omar Suleiman…“

    Das Sagen hat jetzt Mohamed Hussein Tantawi.
    http://de.wikipedia.org/wiki/M.....in_Tantawi

    „…Aber selbst die Muslimbrüder sind Realpolitiker genug, um es nicht auf einen Waffengang gegen Israel ankommen zu lassen…“

    Es wäre schon eine reale Katastrophe, wenn die neue Regierung die Raketenlieferungen nach Gaza nicht mehr unterbinden würde. Ein bisschen Wegschauen würde genügen und Israel hätte seinen Krieg…

  2. avatar

    „Anleitung und Hilfe erforderlich – auch von ausen!“ Als ob Aegypten nicht schon von tausenden CIA, MI16 und Mossad-Helfern „angeleitet und geholfen“ wird! Und den deutschen „Partei-Stiftungen“… – Alles soll „ganz im Sinne Israels“ weiter gehen. Das sind aber nur fromme Wuensche von einer Minderheit der Menschheit: Die „Denker“ in Westeuropa und ihre „Bosses“ auf der anderen Seite des Nordatlantiks. Die Millarden in Asien und die halbe Millarde in Lateinamerika hegen aber andere Gefuehle: Aegypten soll sich von der „Anleitung und Hilfe“ der Kolonialmaechte befreien – denn Mubarak und Suleiman sind nur die ersten Kolonialagenten welche beseitigt werden sollten. Ohne die Beseitigung aller „Anleiter“ und „Helfer“ von „ausen“ wird keine Nation „unabhaengig“: Die Deutschen wollen das nicht erkennen – und stecken ihre Koepfe in den Sand – und wollen nicht verstehen dass ihre Nation schon seit 1945 und fuer ewige Zeit von U.S. und britischen Militaer besetzt bleibt: Genau so wie Guantanamo/Kuba. Die Deutschen duerfen sich noch nicht einmal erlauben die Atombombemlagerung in ihrer Nation zu untersagen. (Was der Russe weiss: Die Englaender und die Franzosen haben die USA ermutigt ihre Truppen weiter in Deutschland zu stationieren: Nicht als Schutz gegen Russland, sondern weil der forsche deutsche „Einsatz“ in Yugoslawien wieder die uralte Furcht vor dem „starken“ Germany erwacht hat!)

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