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Der deutsche Michel lässt grüßen

Tage des Zorns, Tage des Abgangs – Ungeheuerliches tut sich derzeit in Ägypten und anderswo in der arabischen Welt. Die Menschen gehen auf die Straße, um nach Jahren der Unterdrückung ihre Grundrechte einzufordern: Freiheit, Selbstbestimmung, Mitsprache und wirtschaftliches Auskommen.

Sie kämpfen gegen die Obrigkeit und deren brutale, zum Teil gekaufte Parteigänger. Dazu bedarf es Mut. Denn wer heute protestiert, kann von Steinen und Kugeln getroffen werden, riskiert also sein Leben. Pulverdampf und Tränengas statt Jasmin. Gerade in Kairo geht es dieser Tage um viel, sehr viel. Vielleicht sogar um alles. Die Stimmung, ja das Wort ist durchaus angebracht, ist revolutionär.

So etwas Historisches sollte selbst bei Außenstehenden Herzrasen verursachen. Doch von einem derartigen Überschwang der Gefühle kann in Deutschland keine Rede sein. Klar, wir blicken durchaus mit Sympathie auf die Fernsehbilder und vertiefen uns mal für ein paar Minuten in den Live-Ticker. Das war’s dann aber auch. Hurra-Rufe, Jubelschreie? Nichts davon zu hören! Begeisterung, offen bekundete Solidarität mit dem Aufstand der Ägypter? Zu viel verlangt! Ein bisschen Euphorie? Wo kämen wir da hin!

Nüchternheit gepaart mit Skepsis ist hierzulande Trumpf. 80 Millionen Realpolitiker, die sich mit Verweis auf die Geschichte die Frage stellen, was auf die gegenwärtige Anarchie denn folgen wird. Es scheint, der deutsche Michel lebt. Jede Veränderung gilt ihm als Zockerei auf eine unsichere Zukunft. Lieber arrangiert man sich mit der Obrigkeit. Der womöglich sogar gewaltsame Umsturz ist ihm suspekt, fast ein Graus. Dabei haben die Deutschen im Osten des Landes vor gut 20 Jahren der Freiheit eigenhändig zum Sieg verholfen. Und damals war das Wohlwollen des Auslands durchaus hilfreich auf dem Weg von der DDR zur Demokratie.

Zugegeben, noch ist keineswegs ausgemacht, wohin die politische Reise gerade in Ägypten geht. Wer kann heute schon ausschließen, dass in ein paar Monaten die gut organisierten Muslimbrüder in Kairo die Macht übernehmen und Friedensvereinbarungen aufkündigen? Vielleicht kehrt die Despotie in Form einer islamistischen Theokratie in die arabische Welt zurück. Womöglich versinkt die ohnehin krisenanfällige Region in Chaos und Instabilität. Aber eine schlafmützige Ohne-mich-Haltung wird solche Entwicklung garantiert nicht verhindern. Wir Deutschen und unsere Regierung sollten aufwachen, die Zeichen der Zeit erkennen und versuchen, sie mitzugestalten. Der Westen lobt sich doch so gern für seine demokratischen Errungenschaften. Jetzt ist die Chance da, Entwicklungshilfe zu leisten. Wir sollten diese historische Möglichkeit auf keinen Fall verpassen, allein um der Glaubwürdigkeit willen.

Und wenn uns dafür der Mut fehlt, wenn uns Vorsicht angebrachter erscheint als tatkräftige Solidarität, dann muss wenigstens den Demonstranten auf den Straßen von Kairo, Amman und Sanaa fest die Daumen gedrückt werden. Damit aus den Tagen des Zorns und des Abgangs Tage der Freiheit werden.

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41 Gedanken zu “Der deutsche Michel lässt grüßen;”

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    @ David Berger

    ich habe mich auf Ihren Kommentar in diesem Thread v. 5.2., 11:15 bezogen. Dort haben Sie geschrieben

    „Da sieht man, dass die Neo-Cons insbesondere die Denkfabrik “Project for a New American Century” auf der Seite der Freiheit waren und sind:“

    Haben Sie etwa „Zionisten“ impliziert?

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    @ Groda schrieb: „Auch schon Voltaire versuchte wohl den”Juden” zum Sündenbock zu machen, das scheint nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich opportun gewesen zu sein.“

    Was wissen schon über Juden? Sie sind nich einmal Jüdin.
    Das hatte Alan Posener treffend in einem Artikel über diesen Antisemiten SteinbergRecherche geschrieben:
    „Aber über Juden schreiben mit Vorliebe Leute, die von Juden und vom Judentum gar keine Ahnung haben.“

    http://hiram7.wordpress.com/20.....semitisch/

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    @David Berger: Wenn ich mich gezwungen sehe, mein schauriges Vaterland, gegen mein nicht weniger schauderbares Mutterland zu verteidigen, werde ich zum Zwangspatrioten.

    Schade, daß Sie erst noch bei Friedrich dem Großen sind.
    Wenn Sie endlich beim Tausendjährigen Reich ankommen würden, dann würde es richtig interessant hier, und sehr spaßig für mich.
    Vermutlich würden alle schnell erkennen, wie weit wir von Europa noch entfernt sind, und die Freundschaft sich offensichtlich auf die zwischen Merkel und Sarkozy beschränkt.

    Na ja, im Elsaß spricht man schon wieder Deutsch und möchte lieber heim ins Reich. Wenigstens ein Fortschritt.

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    @David Berger: A propos Geiselhaft in Preußen?

    Das Verhältnis zu Friedrich litt jedoch schon Anfang 1751, als dieser erfuhr, dass sein neuer Kammerherr sich in Berlin (wo er einen zweiten Wohnsitz unterhielt) auf ein unerlaubtes Wertpapiergeschäft mit sächsischen Staatsschuldverschreibungen (sog. Steuerantizipationsscheinen) eingelassen hatte. Die Sache kam heraus, weil Voltaire sich mit seinem Mittelsmann, dem jüdischen Bankier Hirschel, zerstritten und, nachdem das Geschäft geplatzt war, einen Prozess gegen ihn angestrengt hatte, bei dem es u. a. um den Wert einiger Juwelen ging, die als Sicherheit gedient hatten. Als er versuchte, die Sache mit den Steuerscheinen zu verschweigen, packte Hirschel aus, und Voltaire wurde verdächtigt, er habe einen der beiderseitigen Verträge durch eine nachträgliche Manipulation zu seinen Gunsten verändert. Er vermochte sich nur mühsam aus der Affäre zu ziehen.

    Auch schon Voltaire versuchte wohl den“Juden“ zum Sündenbock zu machen, das scheint nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich opportun gewesen zu sein.

    Armer Friedrich und seine Französischen Freunde.

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    @Alt 68 er: Scheint ein Missverständnis zu sein. Ich wollte eigentlich Ihre differenzierten Äußerungen unterstützen und lediglich auf die Schwierigkeit aufmerksam machen sich, anhand der eignenen inländischen Presse, ein ordentliches Bild der Lage zu machen.

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    @ Alt68er
    Gegenaufklärung, da Sie das Wort Neocon benutzen, meinen aber Zionisten…

    „First, ‘neo-conservative’ is a codeword for Jewish. As antisemites did with big business moguls in the nineteenth century and Communist leaders in the twentieth, the trick here is to take all those involved in some aspect of public life and single out those who are Jewish. The implication made is that this is a Jewish-led movement conducted not in the interests of all the, in this case, American people, but to the benefit of Jews, and in this case Israel.“ (Andrew Sullivan, The Atlantic Monthly)

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    @ Rita E. Groda

    Ich darf doch davon ausgehen, dass Sie mir nicht unterstellen wollen, dass ich mich nur durch „inländische Erzeugnisse“ informiere?

    Auf diesem Blog hatten wir z.B. die Postion von Gil Yaron oder die Links, die David Berger zu den Stellungnahmen von Neocons gegeben hat. Ich will hier nicht x weitere Links auf „ausländische Erzeugnisse“ geben, nur noch einen: Ari Shavit in Haaretz, The Arab revolution and the Western decline http://www.haaretz.com/print-e.....e-1.340967

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    Frau Groda schrieb: „Und deshab hat sich Voltaire auch beim große Friedrich so wohl gefühlt und sich lange Zeit von ihm durchfüttern lassen.“

    Lesen Sie erst einmal die „Correspondance“ von Voltaire, übrigens ein Meisterwerk der französischen Literatur; Voltaire wollte in die Schweiz zurück (wo er wohnte, bei Genf, damals noch nicht französisch, der Ort ist heute als Ferney-Voltaire bekannt), der alte Fritz hatte Voltaire regelrecht in Sanssouci als Geisel behalten, und wollte ihn nicht gehen lassen…

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    Mir stellt sich eine seltsame Frage, bei der mir vielleicht hier andere helfen könnten.
    Unser Milität ist in Afghanistan eingesetzt, umd die Freiheit unsere Landes am Hindusch zu verteidigen.Wir möchten den Afghanen Frieden und Demokratie bringen und die nichtmoderaten Taliban zurückdrängen.

    In Ägypten brauchen wir kein Deutsches Militär um unsere Freiheit zu verteidigen, Dekokratie, nach welchem Muster auch immer, möchte das Ägyptische Volk selber.
    Unsere Freiheit ist auch in Ägypten nicht gefährdet, wenn nicht fundamentalistische Kräfte die Gunst der Stunde zu nutzen wissen.

    Wäre es nicht klüger unsere Freiheit am Nil mit demokratischer Hilfe jeglicher Art zu verteidigen, als nur mit Heckler und Koch?
    Die Frage ist vielleicht besonders blöd, aber ich hoffe einfach darauf, daß es hier etliche, weit klügere gibt, die mich hier aufklären können.

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    @Alt 68 er: Es ist wirklich fatal, wenn man sich bei der eigenen Meinungsbildung nur an die „inländischen Erzeugnisse“ hält.

    Ich hatte mir, mit der Zeit immer ratloser, nach den aktuellen ausländischen Printmedien umgesehen, und wurde noch wesentlich ratloser. Man muß tatsächlich alle Möglichkeiten der Kommunikation ausnutzen, um einen halbwegs objektiven Blick auf die Situation in Ägypten zu bekommen. In der letzten Woche hat man uns in Deutschland z.B. ein vor Furcht schlotterndes Israel vorgeführt. Während die Rede des Israelischen Präsidenten, so man gewillt war sie nachzulesen, sehr vernünftig war und von Respekt für den Willen zur Selbstbestimmung der Ägypter bestimmt war. Ebenso konnte man lesen“ Frau Merkel kritisiert „explizit“ den amerikanischen Präsidenten, was ich hier so nicht gelesen hatte – womöglich habe ich es aber überlesen.

    Was im Klartext heißt, man muß nicht nur sehr gut informiert sein, was die Position der vielen Länder zur Weltlage betrifft, man muß auch noch detektivische Fähigkeiten besitzen, um selektiv an die jeweiligen Informationen zu kommen.

    Nach meiner „Meinung“, kann man sich eine eigene Meinung nur noch bilden, wenn man die Fähigkeit und Lebenserfahrung besitzt, Situationen selber zu beurteilen. Wenn man sich auf die Profis der Meinungsbildung verläßt ist man hoffnungslos verloren.

    Als ich z.B. erstmalig die Bilder der Demos aus Ägypten sah, die Versuche der Demonstranten die Armee auf ihre Seite zu ziehen, dachte ich reflexartig an Ungarn. Dann an Tschechien und Polen. Und inzwischen erinnern sich viele daran.Und das Glück, an das Sie uns erinnert haben, das man eben auch haben muß.

    Der schreckliche Henryk schrieb kürzlich “ Wer sein Herz noch nicht gegen einen iPod nano eingetauscht hat …….. der muß den Mut des Ägyptischen Volkes bewundern und diesem Volk die Möglichkeit zu gestehen, sich seine neuen Lebensgrundlagen so zu gestalten, wie es dies will. Wir können helfen und vielleicht raten, ansonsten ist das nicht unsere Sache, auch wenn es uns mit betrifft.

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    @David Berger: Und deshab hat sich Voltaire auch beim große Friedrich so wohl gefühlt und sich lange Zeit von ihm durchfüttern lassen.
    Und die Hugenotten sind hier geblieben.

    Und die, die Meinungs- und sonstge Freiheit suchen, ersuchen um Asyl in Deutschland, ebenso Diejenigen, deren Heimat ihnen keine ausreichende Existenzgrundlage bietet.

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    … nun ja. Vielleicht sollte man den Deutschen östlich der ehemaligen Demarkationslinie zugute halten, dass sie sich ihre Freiheit nach 56-jähiger, rechter wie linker, sozialistischer Diktatur, eben doch selber erkämpft haben.
    .
    Da bekommt denn so manch ehemals westlich der Demarkationslinie lebender Warmduscher neidisch feuchtblanke Augen, weil er nun von einer Ex-FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda und von Blockflöten und der Betonkopfriege der ‚Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands‘ der ‚DDR‘, nun im Bundestag, ‚gelenkt‘ wird.
    .
    Es ist ein Sieg der einfachen Menschen gewesen. Gekennzeichnet durch den Volksaufstand 1953 in der ‘DDR’, den Aufstand in Ungarn 1956, den Prager Frühling 1968, diverse Aufstände und ‘Solidarno??’ in Polen u.s.w..
    .
    Einschließlich ein Sieg der von kommunistischen Lumpen ermordeten, erschossenen und inhaftierten Millionen Menschen im gesamten Ostblock. Und ganz wichtig: der Doppelbeschluss der NATO vom 1979 und die ‘organisierte Misswirtschaft’ im gesamten RGW – und nix anderes.
    .
    Zu Ägypten. Es wird nicht enden wie im Iran – es wird weitaus schlimmer kommen!
    Im Iran gab ’s weder Handy’s noch Internet. Es war ein Kampf zwischen Sozialismus und dem Schah. (Sozialismus und Islam sind sich ähnlich.)

    Internet und Handy ihrer Glaubensbrüder in Europa zeigen was sie in Ägypten, der arab. Welt überhaupt, ausgenommen die reichen Ölstaaten, nicht haben: Sozialhilfe für alle, blonde Schlampen zum ‚eingliedern‘, Respekt der Ungläubigen bis zur Angst, Gefängnisse zum Urlaub machen und Kindergeld!
    .
    Und genau das wollen die jetzt auch! Aber weil die ‚islamische Mentalität‘ so etwas auch nicht in 1000 Jahren niemals zulassen wird, heißt die Antwort ganz einfach: R E I S E F R E I H E I T ! (nun ratet mal wohin?) Rückt mal schon zusammen – es wird eng!

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    @David Berger: Die wahren Demokraten, die Arbeiter sind dann nach Deutschland gegangen, um dort zu arbeiten, und der FDP beizutreten.

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    Rita Groda schrieb: „Revolution nach französischem Muster von 68″.

    Genau, deshalb sind Cohn-Bendit & Co. alle satte Bourgeois geworden. War zwar zu jener Zeit noch nicht geboren, aber 1968 war keine Revolution, eher der pubertäre Aufstand der goldenen Jugend von Neuilly-sur-Seine und des 16. Arrondissements von Paris. Anfangs 1968 titelte Le Monde: “ La France s’ennuie“ (Frankreich langweilt sich). 5 Monate später könnten sich die „Rebellen“ ein Freudenfest auf Kosten des Volkes leisten. Auf der Strecke sind die wahre Revolutionäre sprich die Arbeiter geblieben, die es nicht wie die Salon-Revolutionäre bis zum Aufsichtsrat von großen Konzerne gebracht haben (das gleiche gilt für Deutschland mit Rot-Grün). Die größten Reformer waren immer die Konservativen, siehe De Gaulle, Disraeli oder Bismarck.

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    @ David Berger
    Nun, ein Erfolg hat wie immer viele Väter, Fortuna, wie die Lebenklugen unter uns wissen, gehört auch dazu. Wie Ihnen Frau Groda schon auseinandergesetzt hat, hat die „Strasse“ (sei es zuerst in Polen, zum Ende in der DDR)nicht unwesentliches beigetragen, um dem System Sand ins Getriebe zu bringen, es zum Stolpern, Straucheln zu zu bringen, wodurch unsterbliche „Fehlleistungen“, z.B. Schabrowskis grandiose „Fehlinformation“, dass die Grenze ab sofort geöffnet sei, zustande kamen. Ob diese „Strasse“ damit Heldenstatus hat, das überlasse ich Ihrem Urteil, will Sie jedoch en passent fragen, ob Sie überhaupt etwas Gutes an Deutschland finden können.
    Lesen Sie den Bericht auf SPON über die Münchener Sicherheitskonferenz, auf den ich verlinkt habe. Eigentlich hätte ich mir eine Paraphrase ersparen können. Dieser Bericht ist ein derartig trauriges Dokument eines heuchlerischen, bigotten, scheinheiligen, opportunistischen „Westens“, eine Zusammenkunft sklerotischer Machthaber, dass man eine Parallele zu den alten Männern des Warschauer Paktes gar nicht zu ziehen bräuchte. Hat nur noch die Botschaft an die arabische „Strasse“ gefehlt: Ich liebe — ich liebe doch alle — alle Menschen.
    Ich liebe doch — ich setze mich doch dafür ein.

  16. avatar

    Herr Böhme schrieb: „Es scheint, der deutsche Michel lebt. Jede Veränderung gilt ihm als Zockerei auf eine unsichere Zukunft. Lieber arrangiert man sich mit der Obrigkeit. Der womöglich sogar gewaltsame Umsturz ist ihm suspekt, fast ein Graus. Dabei haben die Deutschen im Osten des Landes vor gut 20 Jahren der Freiheit eigenhändig zum Sieg verholfen.“

    Mei, ist das peinlich widersprüchlich: erst verunglimpfen Sie die Deutschen als obrigkeitshörig veränderungsfeindlich und dann erinnern Sie an die Freiheits-Demonstrationen in Ostdeutschland. Was denn nun?

  17. avatar

    @David Berger: jetzt blicke ich aber überhaupt nicht mehr durch. Bitte, wo sind hier Linke, bzw. wer, und wo sind hier“Gute“?
    Momentan sehe ich – zu meinem größten Bedauern keine guten“Gutmenschen“, nicht einmal die grünen Moralisten.
    Und die Deutschen Menschenrechtler-Aktivisten müssen nach Ägypten ausgewandert sein – man hört gar nichts.

  18. avatar

    @David Berger: Bei aller Skepsis dem eigenen System gegenüber, mit Verlaub, der DDR-Diktator Honnecker wurde durch das eigene DDR-Volk, mit seinen Demos, nebst den eigenen, äußerst gemeinen Genossen erfolgreich beseitigt.

    http://www.focus.de/politik/de.....a-dann-auf
    wiedersehen_aid_445007.html

    Gebe Ihnen nicht Unrecht, wir hätten gerne positive Helden, denn den einzigen positiven, den man zu Recht nennen könnte, wäre Eisler gewesen; unglücklicherweise war das ein einfacher und ehrlicher Kommunist, der aber, seltsamerweise – sowohl im Westen, aber auch ganz besonders in der DDR – bewußt und bis heute totgeschwiegen wird.

    Ohne die Zustimmung der Alliierten hätten wir die Wiedervereinigung selbstverständlich nie hin bekommen, das ist überhaupt keine Frage.
    Der Druck der Strasse aber hat ein ohnehin ökonomisch marodes System vollends in die Knie gezwungen. Ich persönlich hatte lange das Gefühl, daß die DDR-Führung ganz froh war, über diese Lösung. Wie hätte sie den Leuten auch vernünftig erklären können, daß Parteipropaganda und Wahrheit nicht identisch sind. Die darauf folgende Revolte des Volkes wäre etwas schlimmer ausgefallen, als die friedliche Variante des Volkes.
    Was unsere verehrte Kanzlerin, bei ihrem statement gestern vermutlich übersehen hat – wir hatten 1989 überhaupt keine Zeit um uns langsam an die neue Situation zu gewöhnen. Das Zeitfenster war winzig, Gorbatschow wackelte bedrohlich, wie lange das russische Militär tatenlos zusehen würde, sowohl in Moskau, als auch in Deutschland war fraglich. Und Herr Kohl mußte nur mit einer demokratisch gesinnten Runde Diskussionen führen, nicht mit Herrn Mubarak, respektive Honnecker. Das ist schon ein großer Unterschied zu Ägypten.

    Aber, wissen Sie was – in Ägypten gibt es doch eine Revolution nach französischem Muster von 68. Da sind zum ersten Mal Studenten und Arbeiter zusammen auf die Straße gegangen, anders als in Deutschland. In Ägypten geschieht dies jetzt ebenfalls.

    Vive la révolution! In allen Ländern, wo Menschen friedlich um ihre Würde und Freiheit kämpfen.

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    Das ist typisch für Polemik und Heuchelei seitens der Linke. Wenn die Konservativen an der Macht sind, wirft man denen vor untätig oder zu tätig zu sein; sie machen „grundätzlich“ alles falsch, wie im Fall George W. Bush. Sind die „Progressiven“ am Ruder, können sie jeden Krieg erklären (Afghanistan, Bosnien, etc.). Sie haben das Segen des Gutmenschentums, weil sie eben vom Geburt her „die Guten sind“. Als ob es gute und schlechte Kriege gäbe.

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    @ Alt 68er

    Ihr Vergleich mit 1989 ist fehl am Platz. In Tunesien wurde der Diktator durch das Volk gestürtzt. Im Fall der DDR war der Druck der Strasse nicht ausschlaggebend (das hören die Deutschen ungern, weil sie seit 1933 positive Helden brauchen), sondern die Übereinkunft der Allierten mit der Sowjetunion. Dank Frankreich, Grossbritannien und der USA wurde der Aufstand von 1989 nicht blutig niedergeschlagen. Man einigte sich mit Gorbatschow, weil es eben eine europäische Angelegenheit war.

  21. avatar

    Unser sehr verehrter Herr Außenminister hat uns gerade überdeutlich klar gemacht, wie wenig er an der Aufklärung des Volkes interessiert ist, und ebenso, wie viel an den Verlautbarungen dran sein muß, Herr Mubarak könnte möglicherweise nach Deutschland kommen.

    Vielleicht plant er einen gemeinsamen, Erholungsurlaub mit dem o.g. Herren, den er ganz bestimmt nach den nächsten Kommunalwahlen benötigen wird. Es bleibt abzuwarten, ob wir dann auch die nächsten 30 Jahre mit Notstandgesetzen regiert werden.

  22. avatar

    Weshalb wurde die Überschrift:

    „…Ägypten: Wo bleibt die Euphorie der Deutschen?…“

    in

    „…Der deutsche Michel lässt grüßen…“

    geändert?

  23. avatar

    President George W. Bush on November 2003: „Are the peoples of the Middle East somehow beyond the reach of liberty? Are millions of men and women and children condemned by history or culture to live in despotism? Are they alone never to know freedom and never even to have a choice in the matter?“

    Da sieht man, dass die Neo-Cons insbesondere die Denkfabrik „Project for a New American Century“ auf der Seite der Freiheit waren und sind:

    „Some are concerned that a truly open election will encourage the likes of the Muslim Brotherhood. We agree that is a concern. But, unless we expect Mubarak and his son to hold on to power indefinitely – despite all the corruption, dysfunctionalism, and anger his rule engenders in Egypt itself – this is a risk supporters of democracy must take. And this risk is more manageable now in the context of progress toward democracy rather than later, in the context of increased popular resentment and civic frustration.“ (Gary Schmitt)

    http://www.newamericancentury......050510.htm

  24. avatar

    @Don Altobello
    Ich schließe mich 68 er an und bedanke mich für Ihren Beitrag

    @Josef

    „Bundesempörungsbeauftragte Claudia Fatima Roth hat sich zu Wort gemeldet. Von mir aus kann man sie nach Kairo schicken und gegen Nofretete austauschen.

    Niveauloser und dümmer geht kaum.

    @Hänschen Klein

    Sie machen Ihrem Namen alle Ehre

    „Ähnliche Vorgange gabs unlängst im Iran und was hat sich dort geändert? Nichts.“

    Genau solch ein Denken ist es, dass Herr Böhme meint.
    Deutsche Mentalität: Es hat sich nie was geändert, es ändert sich nix, und auch in Zukunft wird sich nichts ändern. Wofür soll ICH dann was tun?

    @Uniquolol

    „Euphorie angesichts der unendlichen Gewalt, der Toten und der völlig unklaren, instabilen Lage? Vielleicht doch etwas viel verlangt…“

    Ihre Euphorie könnte durchaus dem Versuch der Ägypter gelten, sich aus bestehenden Verhältnissen zu befreien. Für SIE vielleicht zu viel verlangt… aber der deutsche Pessimismus ist ja legendär.

    Kritisch sehe ich vor allem die Interventionsversuche des Westens, der nicht müde wird auf die im Westen ausgebildeten Verbündeten (z.b. Offiziere) hinzuweisen um damit vermutlich den Eindruck von Kontrolle erwecken zu wollen.
    Da schließe ich mich Herrn Nied an:
    „denn letztlich muss das Ägyptische Volk entscheiden, wie es weitergehen soll“
    Das ist alleiniger Sinn und Zweck einer Demokratie. Egal wie diese aussieht und im Anschluss dem Westen schmeckt.

  25. avatar

    @David Berger: Das war die Antwort Friedrich Wilhelms IV auf die Deutsche Revolution 1848:

    „Jeder deutsche Edelmann, der ein Kreuz oder einen Strich im Wappen führt [1], ist hundertmal zu gut dazu, um solch ein Diadem aus Dreck und Letten der Revolution, des Treubruchs und des Hochverrats geschmiedet, anzunehmen.“

    Ebenso meinte er:“ ……gegen Demokraten helfen nur Soldaten.“

    Bisher scheint die Ägyptische Armee noch nicht besonders Deutsch zu reagieren, und wir hoffen, daß dies auch so bleibt

  26. avatar

    Schlechte Zeiten für die selbsternannte Weltverbesserer à la SPD & Grüne: wenn die Araber ihre Freiheit selbst errungen, was ich sehr hoffe, hat die Linke keine Opfer mehr um sich politisch zu profilieren. Davon lebt sie. Von Leichen, das war deren Stamm- und Startkapital. Deshalb sind die so leise derzeit.
    Ich wünsche den arabischen Völkern, dass sie sich nie wieder von der Linke und Grünen politisch instrumentalisiert lassen. Seid kein Opfer (das hätten die Gutmenschen gern), sondern Macher ihres Schicksals.

  27. avatar

    Wat denn, wat denn!?
    Auf einmal solln ma wieda Euforie..??
    Nee, also – warum das?
    Buh.
    Hör auf, zu bloggen.

    Warum sollte man zurzeit euphorisch sein?
    Gibt es irgendeinen Anlass, nicht mit angehaltenem Atem die Berichte aus Ägypten und der Region mitzuverflolgen, bei denen man den Menschen alles, alles Gute wünscht, aber so gar nicht sicher sein kann, wie es ausgeht?

  28. avatar

    @ Don Altobello

    danke für Ihre Beobachtungen. Vous etes un homme, einer Augen und Verstand im Kopf hat. Empirie und Maß.

  29. avatar

    „…Wo bleibt die Euphorie der Deutschen?…“

    Euphorie angesichts der unendlichen Gewalt, der Toten und der völlig unklaren, instabilen Lage? Vielleicht doch etwas viel verlangt…

    Außerdem: Scholl-Latour warnte erst kürzlich vor zu viel Unterstützung, der Protest könnte sonst in den Verdacht geraten, westgesteuert zu sein…

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    In Ägypten gibt es Unruhen, Bürgerkrieg in den Hauptstädten und die westlichen Ländern finden zu keinem gemeinsamen Standpunkt. Die einen, wie Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon fordern sofort freie Wahlen, während Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi Mubarak den Rücken stärkt. Vielleicht ist das auch ganz gut so, denn letztlich muss das Ägyptische Volk entscheiden, wie es weitergehen soll. In meinen Augen ist dieser Mohamed ElBaradei nur einer, der jetzt auf den fahrenden Zug aufspringen will um mal schnell ein Präsidentenamt abzustauben. Der ist in meinen Augen auch nicht demokratisch legitimiert.

  31. avatar

    Ägypten: Wo bleibt die Euphorie der Grünen, die fünfte Kolonne der Amerikaner in Deutschland.

    Bundesempörungsbeauftragte Claudia Fatima Roth hat sich zu Wort gemeldet. Von mir aus kann man sie nach Kairo schicken und gegen Nofretete austauschen.

  32. avatar

    Pardon, in meinem Beitrag hat sich ein Fehler eingeschlichen. Ich meinte natürlich:
    – Die Menschenkette um das Nationalmuseum herum, um zu gewährleisten, dass vom Regime bezahlte und andere Plünderer davon abgehalten werden, die nationalen Schätze zu beschädigen, zu zerstören oder zu stehlen.

  33. avatar

    Ich habe in dieser Woche viel CNN geguckt und es gab dabei einige Momente, in denen ich sehr gerührt war und sogar solche, die man fast euphorisch und hoffnungsvoll nennen konnte, wenn ich z.B. Folgendes gesehen oder gelesen habe (nur ein Auszug):
    – Die Menschenkette um das Nationalmuseum herum, um zu verhindern, dass vom Regime bezahlte und andere Plünderer davon abgehalten werden, die nationalen Schätze zu beschädigen, zu zerstören oder zu stehlen.
    – Die Protestierer, die Islamisten in ihre Schranken gewiesen haben, wenn diese begonnen haben, ihre Parolen zu skandieren, ebenso die Rufe, die bezeugten, dass sie friedlich demonstrieren wollten und von Gewalt nichts halten (dadurch und durch andere Maßnahmen haben sie gezeigt, dass die Eskalation vom Regime betrieben wurde).
    – Das Kontern der Versuche des Regimes, das die öffentliche Ordnung zusammenbrechen lassen wollte, was dazu geführt hat, dass die Bürger z.B. begonnen haben, den Verkehr selbst zu regeln und die Sicherheit, so gut es geht, selbst zu gewährleisten.
    – Das gemeinsame Protestieren von Menschen, die im normalen Leben wenig bis gar nichts gemeinsam haben, aber eines teilen: den Wunsch, sich nicht mehr von einer verbrecherischen Polit-Kamarilla rumschubsen und nach Belieben unterdrücken zu lassen. Vor allem der Mut, sein eigenes Leben für die Freiheit aufs Spiel zu setzen, hat mir sehr imponiert.
    – Der Organisationsgrad diese bunt zusammengewürfelten Truppe war beeindruckend, so z.B. die Ausweiskontrollen auf den Plätzen, um zu verhindern, dass Geheimdienstleute oder Polizisten in Zivil „agent provocateur“ spielen können.
    Alles in allem empfinde ich höchsten Respekt vor diesen Menschen. Man sollte sich nicht von Umfragen beirren lassen, die bezeugen sollen, wie islamistisch die Leute angeblich geprägt sein sollen, die hier für ihr gutes Recht auf freie Wahlen protestieren. Wenn ich an so manche bundesdeutsche Umfragen denke, zu Themen wie z.B. der Todesstrafe oder Israel, so könnte ich auch oft genug an der demokratischen und menschlichen Gesinnung meiner Mitbürger hier zweifeln. Trotzdem ist das kein vernünftiges Argument für die Einführung oder Beibehaltung einer Autokratie. Angesichts bundesdeutscher Politik- und Demokratieverdrossenheit wären wir die letzten, die das Recht hätten, die Begeisterung der Ägypter für ein demokratisches Ägypten in Zweifel zu ziehen.
    Warten wir´s doch einfach mal ab. Solidarität könnten die Ägypter allerdings gerade gut gebrauchen.

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    Hätten die Journalisten und die Deutschen nicht mindestens eine Woche im Koma gelegen und somit in ihrer demokratischen Funktion völlig versagt, dann gäbe es evtl. diese Euphorie.
    Unseren Politikern und damit Mubaraks Unterstützern dürfte wohl der Komplettausfall der Medien recht gewesen sein.

  35. avatar

    Nein der deutsche Michel ist völlig überrascht worden,weil er nicht verstehen kann,
    dass weder die Politik noch die Medien
    nichts vom Drama in den Ländern berichtet haben.
    Kein Außenminister hat ein Wort verloren.
    Keine Presse oder Fernsehen hat vom Drama in Nordafrika berichtet.
    Nun schauen alle gebannt was da geschieht.
    Nun kommen die Medien und wollen alles gewußt haben?
    Politiker haben nie aufs Volk geschaut,
    wie bei uns auch.
    Alles schaut nur nach den so angeblichen wichtigen Diktatoren der Länder.
    Die wurden behandelt wie gekrönte Könige.
    Milliarden wurden in diese Länder geschoben.
    Wo ist unsere Presse die aufdeckt?
    Sie ist schon lange auf falschen Pfaden
    und sucht sich selber.
    Ihre Arbeit muß heute Wikilieaks machen.
    Dafür wird Wikileaks noch beschimpft.
    Früher bekamen die Presse solche Berichte zur Veröffentlichung.
    Heute gehen sie zu Wikileaks.

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