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„Geil, jemand hat mein Fahrrad geklaut!“

Wer als gelernter James-Dean-Fan den fünfzigsten Geburtstag hinter sich gelassen hat und auf die Sechzig zugeht, sieht, wie sich der Horizont verdunkelt.

Es naht die Gefahr, dass in der U-Bahn jemand aufsteht und seinen Platz anbietet. Man fürchtet sich in jedem Taxi, dass der freundliche Araber sich umdreht und sagt: „Na, Oppa, wo Du wolle?“ Junge Frauen, denen man auf der Straße erst auf die Bluse und dann ins Gesicht starrt, erwidern den Blick und lächeln ohne Arg. Man trägt seine alten Klamotten und plötzlich ist die Hose, die man eigentlich nur noch zur Gartenarbeit tragen wollte, wieder cool.

Wenn sich diese Anzeichen apokalyptisch verdichten, weiß der Mann: Du wirst alt.

Und befragt er sein Herz, so ist er froh um jede Hübsche, die nach der alten Anmachroutine schlank „Nein!“ sagt.

Spätestens dann beginnt für den gelernten James-Dean-Fan der Lebensabschnitt mit den Überlegungen, wie man trotz einsetzender Demenz und notorischer Lendenschwäche immer noch als zeitgemäß, jung, modern, krass, cool erscheinen könnte.

Man könnte den Joop machen und nach einem erfüllten Familienleben das Ufer wechseln. Aber mal ehrlich, ein unwürdiger Greis, das ist doch auch nur ein Scheiß. Man könnte den Münte machen und sich eine Geliebte aus der Generation der eigenen Enkel nehmen. Schon wieder ein unwürdiger Greis, schon wieder ein… Sie wissen schon.

Man könnte als kettenrauchender Hanseat das Marketing einer erschlafften Wochenzeitung übernehmen und den selbsternannten Bundespräsi geben. Diese Altersbosheit, das wäre schon was, aber das geht ja nicht voraussetzungslos.

Wer von uns war in seinem früheren Leben schon mal ein so ungeliebter Bundeskanzler wie seinerzeit Schmidt Schnauze? Man könnte verzweifeln, aber wenn die Not am größten, ist die Hilfe am nächsten. Wenn Du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her, pflegt meine Frau Mama zu sagen.

Und hier ist meine Idee: ich trete der Piratenpartei bei. Das ist die Partei der Internet-Generation. Sie fordert das unzensierte Netz. Sie möchte im Netz keine Eigentumsvorbehalte. Schon gar nicht bei geistigem oder künstlerischem Eigentum. Jeder soll alles kopieren dürfen. Ideen, Musik, Kunst, alles eben. Das Ganze hat etwas wundervoll Urkommunistisches: alle dürfen alles.

Die Piraten sind hipp. Und ich könnte es tragen. Störtebecker hatte den gleichen Vornamen und ein erfrischendes Hobby: „stürz den Becher!“  Jetzt kommt Seeräuberromantik auf. Alte Männer, das sind die Jungs von der Hanse, die wir, die Likedeeler, nach Strich und Faden berauben. Auch das ist Urkommunistisch: Likedeeler meint, alles fair (zu gleichen Anteilen) aufteilen.

Diebstahl als fair trade, echt stark. Die Internet-Piraten sind die Vitualienbrüder unserer Tage: von den Reichen nehmen, den Armen geben. Die Reichen, das sind zum Beispiel die Unternehmen der Musikindustrie. Der frühere VIVA-Chef Dieter Gorny, Nestor der deutschen Kreativwirtschaft, ist sich nicht zu blöd, als Oberverbandsmufti für die Sony-EMIs dieser Welt einzustehen. Und der ist natürlich gegen die Piraten.

Was soll daran kreativ sein, wenn man für das Recht auf geistiges Eigentum kämpft? Schließlich ist der fairste trade, wenn man gar nichts zahlt, oder? Lieber schnell geklaut als lange gearbeitet. Diese Bande von Dollardiktatoren in den Plattenfirmen scheffelt Millionen mit Musikschund, aber wehe man lädt sich mal irgendwo einen Song runter. Dann rücken sie mit dem Staatsanwalt an. Markenpiraterie, heißt es dann.

Die Antwort der Piraten ist selbstbewusst: na klar, Piraterie. Eigentum ist Diebstahl, Privateigentum ist sozial parasitär. Das steht schon im Grundgesetz, das das Eigentum allen dienen soll. Allen soll alles gehören! Und nichts ist zu zensieren, auch die übelste Kinderpornografie nicht. Na klar, ist das nicht hübsch für die kleinen Bengel in dem Filmchen, aber etwas Schwund ist immer, wenn es um große Ideen geht. Das mit dem Verbot der Zensur steht auch im Grundgesetz.

Die Piraten treffen sich in meiner Stadt in einem echt krassen Internet-Cafe. Da schlag ich jetzt regelmäßig auf. Nein, ich fahre nicht mit meinem Daimler vor. Ich habe mir für achthundert Schleifen ein Alurad gekauft. Und als ich gestern rauskam, war mein Rad geklaut. Erst wollte ich, noch ganz alter Adam, nach der Polizei rufen.

Zum Glück ging mir rechtzeitig auf: das macht ein Pirat nicht. Eigentum ist doch Diebstahl. Mir war klar, jetzt ruhen alle Augen auf mir; ich muss voll cool bleiben. Also habe ich laut in mein neues Cafe gerufen: „Geil, jemand hat mein Fahrrad geklaut!“

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11 Gedanken zu “„Geil, jemand hat mein Fahrrad geklaut!“;”

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    „Anmachroutine“ – wieder eine „neues“ deutsches Wort gelernt! Das kommt aus der Mentalitaet der „Bueromaennchen“ und „Bierkaempfer“. Aber es ist interessant zu lesen, das nicht alle deutsche Maenner nur ihr Auto als erotisches Wesen betrachten. International wird der deutsche Mann nur in der Mittelstaffel klassifiziert: In meinen Studienreisen habe ich mal kuenstlerischen Damen mit internationaler „Erfahrung“ befragt – in verschiedenen exotischen Wallfahrtorten, und alle hatten die gleiche „Erfahrung“ von ihrer Praxis als Kuenstlerinen: Nummer Eins ist der „Italiano“ – dabei zogen sie etwas die Schultern hoch – als ob sie romantisch umarmt wuerden. Die Schweizer sind grosszuegige Saubermaenner. Na, ja, der Deutsche, geht schon, aber leider tollpatschiges „Starkermanngetue“. Der USA Ami: Langweilig! Japaner – auch dann formal hoeflich. „Naehe“ ist nicht die Sache der Ostasiaten.– Wenn einer etwas von Frauen versteht – und das dauert leider lange – der spuert sofort das stille Signal welches von ihr ausstrahlt und liest das dann auch in ihren Augen. Der Mann mit Erfahrung tut dann aber so als ob er nur eine hoefliche Freundschaft wuenscht – und das macht die Frau dann verrueckt und sie selbst wird dann etwas andeuten wie: „Du bist der Einzige der es nicht mit mir versucht hat! Warum? (sagt die Deutsche). Die Lateinamerikanerin wird wirklich beleidigend: „Juan, du bist so ein grossartiger Caballero (Gentleman)!“ Lieber Klaus – du solltest dich ueber dein Altersglueck freuen, jetzt verlangt keine mehr: „Klaus, morgen brauchst du nicht zu arbeiten, dann koennen wir die ganze Nacht machen!“ Dann ist es schon besser man kann sie alle anlaecheln als freundlicher alter Herr und sich sagen: „Ich kann mir das schon vorstellen wie das mit dir waere. Aber ich bin nur alt aber nicht ein Narr: Ich veliess das Kampfeld unbesiegt!“

  2. avatar

    Gratuliere!
    Köööööstlich Ihr Artikel, Herr Kocks!
    Weiter so, dann kann die Midlife-Crises ruhig noch warten! 😉

  3. avatar

    Dann kaufen Sie sich doch eine größere Festplatte, da passen dann 20000 Stunden Fahrrad drauf und bei einem weiteren Diebstahl werden Sie nur noch müde lächeln und sagen: Geil, ich habe eine Privatkopie.
    Wie, das geht nicht?
    Sehen Sie, jetzt haben Sie es verstanden.

    Die Musikindustrie sollte sich beim Thema Kindesmissbrauch nicht so weit aus dem Fenster lehnen, denn

    http://en.wikipedia.org/wiki/Virgin_Killer
    http://www.youtube.com/watch?v=-M_F5xw5Md4
    http://de.wikipedia.org/wiki/Gary_Glitter

    Und der Abmahnwahn muss auch endlich mal gestoppt werden. Ich verteile doch auch nicht meine CDs auf der Straße und mahn denjenigen ab der sie dann findet und aufhebt.

  4. avatar

    Sehr bedauerlich, dass Sie sich offenbar gar nicht mit den Zielen der Piratenpartei beschäftigt haben. Denn sonst wüssten Sie, dass wir weder die Abschaffung des Urheberrechts fordern noch die Freiheit, im Internet absolut alles tun zu dürfen. Auch geistiges Eigentum wollen wir nicht verbieten!

    Uns geht es um einen fairen Ausgleich zwischen digitalen Gütern und dem Interesse des Autors einerseits, und den Nutzern andererseits. Insbesondere sollen Forschung und Kultur nicht durch Monopole gehindert werden, und Privatleuten soll die faire Nutzung eines digitalen Guts möglich sein, ohne immer wieder aufs neue zur Kasse gebeten zu werden.

    Uns geht es um ein Internet ohne Zensur und ohne anlasslose Überwachung – keineswegs aber um ein Internet, in dem man alles tun darf. Rechte und Gesetze sollen im Internet so gelten, wie sie auch ausserhalb des Internets gelten. Aber ein Recht auf Privatsphäre gehört dazu. All diejenigen, die ansonsten unverdächtig sind, sollen ihre Kommunikation und ihr digitales Leben ohne Überwachung, Protokollierung und Spitzeltum im Internet führen dürfen.

    Aber es ist ja einfacher und populärer, in das ewig gleiche Horn der Raubmordkopierwarner zu tuten, anstatt sich mit der Materie zu beschäftigen.

  5. avatar

    Ich kann mich Justus nur anschließen und gerade zur Musikindustrie beifügen:
    Die Musikindustrie gleicht mittlerweile selber organisierter Kriminalität. Es werden Sternchen (Dank Vitamin B, der richtigen Kleidergröße und freizügig gezeigtem Vorbau,der grade älteren Herren gefallen dürfte, die gerne zuerst einen Blick auf die Bluse werfen und dann noch ein Lächeln erwarten)verkauft, die zu anderen Zeiten den Vorwurf der Prostitution zu aller Ehre gereicht hätte. Der Konsument von Musik wird nicht nur übergangen, tatsächliche Künstler werden ausgeschlossen aus diesem Possenspiel. Künstler die aus dem Raster fallen, weil sie bloß Talent mitbringen, dem Jugendwahn jedoch nicht gerecht werden, die zwar ihr Instrument beherrschen, nicht aber das Flirten mit der Kamera, die werden gar nicht erst erwogen.
    Was kann diese musikalischen Missstände ändern, wenn nicht das zu Fall bringen einer gigantischen Industrie, die herausgefunden hat dass sich der Anschein von Musik, in Massen zu Tode produziert, benutzen lässt um so dann kurzfristig angelegt dennoch genug Abnehmer zu finden, ohne dafür Musiker zu brauchen?
    Ganz klar: Musik und „Vermarktung“ zurück an den Verbraucher und Musikschaffenden geben. Dem eigentlich Eigentümer: Denn seien Sie doch mal ehrlich: Der Songwriter geht finanziell an einem von z.b. Raab oder Bohlen promoteten Song im Vergleich zu den Prominenten Marktschreiern relativ leer aus.
    Es werden Ideen von unbekannten Künstlern gestohlen, um dann damit Geld zu machen (illegal aber selten nachweisbar), Studiosänger werden unterbezahlt benutzt um sie auf offener Bühne und im TV mit Models zu ersetzen (moralisch fragwürdig)
    Das Recht dieser Industrie, Ansprüche zu stellen wo sie selber vorher zur Gewinnmaximierung jede Form von Anspruchsdenken auf ein Minimum reduziert hat ist in gleichem Maße Unrecht, wie das, was Sie hier anprangern. Für mich bekommt diese Industrie dank eines Mediums das dem Volk eine Stimme zurückgegeben hat (schön in dem Zusammenhang, nicht wahr?)die Quittung für jahrelangen Raubbau an Kunst und Musik.
    Musik hat es immer gegeben, sie ist ein Teil des Menschen, menschliches Grundbedürfnis. Und das geht über dumpfe kleine Tittenmäuschen (Mir fehlt beim besten Willen ein besseres Wort) hinaus.
    Auch nach dem Zusammenbruch dieses Mafiasystems Musikindustrie hinaus wird es Musik geben, nur dann endlich wieder von Menschen, die es leben und die nicht am Fließband produzieren und zum effektiven Verkauf Teenagerträume ausbeuten und Konsumenten für dumm verkaufen. Es gäbe für mich kaum etwas wünschenswerteres

  6. avatar

    Diebstahl? Urheberrecht? So etwas sollte man nicht durcheinanderwerfen, wenn man schon versucht, was sarkastisches aufs Papier zu bringen.

  7. avatar

    Schau einfach mal über deinen Bildzeitungs-Tellerrand, da gibt es eine schöne, große Welt zu entdecken 😉

  8. avatar

    Klaus Kocks schrieb: Zum Glück ging mir rechtzeitig auf: das macht ein Pirat nicht. Eigentum ist doch Diebstahl. Mir war klar, jetzt ruhen alle Augen auf mir; ich muss voll cool bleiben. Also habe ich laut in mein neues Cafe gerufen: „Geil, jemand hat mein Fahrrad geklaut!“

    Äusserst amüsanter Artikel!

  9. avatar

    Piraten fordern die Einschränkung des Urheberrechts und nicht die Abschaffung. Das derzeitige Ziel ist es die Urheber und Konsumenten zugunsten der Verwertungsgesellschaften völlig zu entmachten und das ist falsch. Urheber sollen von ihrer Kunst durchaus noch leben können 😉
    Vieleicht kommen sie einfach mal zu einem Stammtisch der Piraten und lassen sich da erklären um was es eigentlich geht, anstatt hier halbgaren Unsinn in die Welt hinauszublasen.
    Wenn ihnen das auf ihre „alten Tage“ ausreicht dann steht es ihnen natürlich frei unwissend zu bleiben.
    Gruß,
    Justus

    P.S.: Übrigens finden wir es wirklich Scheisse wenn die Dokumentation von Kindesmissbrauch (das ist die Bezeichnung die die Opfer statt Kinderpornografie lieber benutzen würden, Kinderpornografie ist doch etwas verharmlosend) einfach nur zensiert wird.
    Statt Zensur fordern wir das Löschen dieser Inhalte und die konsequente Strafverfolgung der Täter.

    Wer Zensur bei dokumentiertem Kindesmissbrauch fordert schützt die Täter und ist in meinen Augen ein mieses Dreckschwein!

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