Die Bibel gibt es in allen Größen und Preislagen (und online sogar umsonst). Sogar im gottlosen Ostdeutschland findet der Reisende in fast jedem Hotelzimmer eine Ausgabe des Neuen Testaments als Gegenprogramm zum Nachtangebot stöhnender Hausfrauen beim DSF.
Es gibt die Luther-Bibel und die Benedikt-Bibel, die Bibel illustriert von Merian und von Hundertwasser. Es gibt allerlei Filme, von Cecil B. DeMilles großartigen „Zehn Geboten“ bis hin zu Mel Gibsons aramäischem Splatter-Epos von der „Passion Christi“. Es gibt unzählige Bibel-Comics und die Bibel in „gerechter Sprache“, wo Gott nicht „der Herr“ genannt wird, weil das sexistisch klingt, sondern „ErSie“, was nicht sexistisch, sondern nur noch absurd klingt.
Kurzum: die verbreitete Unkenntnis der Bibel bis hinauf in Kreise, die es besser wissen müssten (so behauptete die frühere EKD-Chefin Margot Käßmann in der Bild-Zeitung, auf der Reise nach Bethlehem sei Maria von einem Mann begleitet worden, der „nicht ihr Ehemann“ gewesen sei, und meinte von jenem anderen Joseph, er habe von mageren und fetten Jahren in Ägypten geträumt), dürfte kaum einem Mangel an populären Versionen der den Christen heiligen Texte geschuldet sein.
Oliver Wurm sieht das anders. Im März 2009 blätterte der katholische Journalist und Medienberater „zufällig“, wie er sagt, „in einer handelsüblichen Bibel“. Nach wenigen Seiten fielen ihm die Augen zu. Den Grund fand der 39-Jährige nicht etwa im intensiven Networken am Abend zuvor, sondern in der Typographie: „Alles war gleich gewichtet und monoton gelayoutet. Es bot sich keinerlei Erholung für die Augen und wenig Orientierung.“ Wie üblich in einem Buch halt.
Problem erkannt, Problem gebannt. Wurm beschloss, Abhilfe zu schaffen. Er besorgte sich vom Katholischen Bibelwerk Stuttgart den Text des Neuen Testaments in der ökumenischen „Einheitsübersetzung“ und machte sich zusammen mit dem Art Director Andreas Volleritsch daran, das Buch wie ein Magazin zu layouten – und zwar, wie es in den Presse-Informationen heißt, „Psalm für Psalm“, was eine umso erstaunlichere Leistung darstellt, als es im ganzen Neuen Testament keinen einzigen Psalm gibt.
Fotos gab es naturgemäß auch nicht. Aber hier wurde gefettet, dort aufgeblasen, und zwar „frei von allen theologischen Zwängen“, wie Wurm betont. Sprich: die Macher hoben hervor, was ihnen wichtig schien.
Das ist allerdings ebenso fragwürdig wie der Verzicht auf Erläuterungen und Anmerkungen. Da die Autoren der Texte seit fast 2000 Jahren tot sind, weiß man nicht, welche Stellen ihnen wichtig waren. Hervorheben heißt Interpretieren. Soll man das Leuten überlassen, die den Unterschied zwischen Vers und Psalm nicht kennen?
Das Ergebnis kann sich aber sehen lassen: das Neue Testament als Magazin. Genau das Richtige für den Friseur. Oder für die Bahn oder das Flugzeug; und so soll das 244 Seiten starke Magazin (zum Vergleich: der „Spiegel“ hat so um die 160 Seiten) zum Preis von 9,20 Euro demnächst an Kiosken und Bahnhofsbuchandlungen erhältlich sein. Die gesamte Bibel in der Einheitsübersetzung mit Anmerkungen bekommt man für 9,90 Euro, aber eben nur in der langweiligen Buchfassung.
@alan posener: dass sie meine beschwerde freigeschaltet haben, buche ich dann unter „souverän“ ab. über alles andere läßt sich trefflich streiten, keine frage.
im übrigen: ich habe neben der „friseur-ausgabe“ noch eine weitere hier und würde ihnen die dann doch noch gerne mal zukommen lassen. wenn sie mögen, schicken sie mir doch eine postanschrift an info@oliverwurm.de
@ Oliver Wurm: Schön, dass Sie inzwischen wissen, was der Unterschied zwischen Vers und Psalm ist. Schön auch, dass Sie Ihr Magazin inzwischen mit Fotos schmücken. In der Fassung, die Sie mir schickten, waren keine enthalten. Was ich irgendwie einleuchtend fand, da Jesus damals keine Pressefotografen dabei hatte. Dass Sie ausgerechnet die Spiele in Oberammergau für eine angemessene bildliche Repräsentation des Lebens Jesu finden – nun, das buche ich unter Psalm, Vers usw.
„Schluss mit der Langeweile beim Bibellesen!“
Das habe ich mir auch gesagt und eine Reimbibel (meines Wissens die Erste seit dem Mittelalter) verfasst. Untertitel: Heitere Aufklärung über den christlichen Aberglauben. Es gibt dazu eine umfangreiche Internetseite: http://www.reimbibel.de
Den Ungläubigen scheint meine Reimbibel zu gefallen.
Mit Verlaub, lieber Alan, die Bibel ist ein Meisterwerk der Welt-Literatur. Man muss ja nicht bibelfest sein, um dieses rätselhaftes und faszinierendes Werk zu bewundern. Dass die Fanatiker die Bibel missbrauchen, kann die Bibel nichts dafür:
“Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr zieht über Land und Meer, um einen einzigen Menschen für euren Glauben zu gewinnen; und wenn er gewonnen ist, dann macht ihr ihn zu einem Sohn der Hölle, der doppelt so schlimm ist wie ihr selbst.” Mt 23,12
Lieber Herr Posener,
schade, dass Sie eine an Sie persönlich adressierte Mail hier wie eine offizielle „Presse-Information“ darstellen und auch noch ohne Freigabe der Zitate daraus zitieren – genüsslich zitieren muss man ja wohl sagen.
Umso erstaunlicher, da ich in einer zweiten Mail explizit darauf hingewiesen hatte, dass mir in der Eile (Sie brauchten damals schnell möglichst viele Informationen…) ein paar Fehler unterlaufen sind (Ja, u.a. in der Tat die Verwechslung von Vers und Psalm).
Aber der hämisch rote Faden („Soll man das Leuten überlassen, die den Unterschied zwischen Vers und Psalm nicht kennen?“), auf dem Sie Ihren Artikel aufbauen, wäre durch eine Korrektur der Zitate oder eine schlichte Rückfrage unter Umständen nicht mehr haltbar gewesen. Tot recherchiert, wie das ja bei uns in der Branche so schön heisst…
Aber wissen Sie was? Geschenkt!
Erlauben Sie mir nur noch abschließend einen Hinweis.
Sie schreiben: „Fotos gab es naturgemäß auch nicht.“
Die gibt es sehr wohl!
Die Ausgabe ist bebildert mit Fotos der aktuellen Passionsspiele in Oberammergau. Um das heraus zu finden, hätte ein Blick auf die Homepage (www.bibelalsmagazin.de) schon genügt. Dann hätten Sie im übrigen auch festgestellt, dass in der von mir offiziell veröffentlichten Presseinformation auch nichts von „Psalm für Psalm“ steht.
Ich wollte Ihnen eigentlich noch eine Ausgabe zukommen lassen. Aber das Exemplar lege ich dann besser beim Friseur ums Eck aus. Denn im Gegensatz zu Ihnen – ich gehe mal davon aus, dass Ihr Hinweis „Genau das richtige für den Friseur“ durchaus despektierlich gemeint war – finde ich das gar nicht schlimm. Bei meinem Friseur liegt im übrigen auch die WamS.
In diesem Sinne,
bleiben Sie scharfzüngig.
Oliver Wurm
Genauso gut kann man einen schwarz-weißen Dokumentarfilm neu verfilmen und in 3D oder HD in die Kinos bringen. Es bleibt dennoch derselbe Inhalt. Solche christliche Mission hätte ich hier nicht erwartet. Bekommen Sie Geld für die Bewerbung des Magazins mit etwas Pseudokritik (oder das Ostdeutschland-Bashing)? Fehlt nur noch ein Amazon-Banner für die Online-Bestellung.
Wenn man sich überhaupt die Bibel zu Gemüte führt, dann aus dem Glauben an die göttliche Offenbarung in der Heiligen Schrift oder aus wissenschaftlichem Interesse. Für mich gilt Letzteres und auch die andere Motivation findet in der Bibel den Inhalt und nicht das Layout interessant.
Also daß es im NT keine Psalmen gäbe, mß man nicht so sehen. Das stimmt höchstens, wenn man nur das als Psalm ansieht, was im Buch der Psalmen steht. Wenn man aber Psalm als Poesie über Gott ansieht, dann findet man sowas durchaus auch im NT, da gibt es einige Lobgesänge und dergleichen…
nd Interpretation hat man mit jeder Bibelübersetzung. Wenn jetzt jemand hingeht und dem Ganzen noch seine eigene Note verpasst durch den Schriftsatz, wieso nicht? Ob sich das Ganze durchsetzen wird steht auf einem anderen Blatt. Ob die Bibel allerdings nur durch einen anderen Schriftsatz interessanter wird… naja.