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Es steht Spitz auf Knopf

Von Wolfgang Köhler, Wirtschaftsjournalist und Autor des Bestsellers „Crash 2009“:

Europa kann sich nicht länger an den Notwendigkeiten, die mit einer einheitlichen Währung einhergehen, vorbeimogeln

Die Finanzmärkte haben Europa herausgefordert. Mit dem schwächsten Land hat es angefangen, mit dem hochverschuldeten Griechenland. Zunächst hätte noch die Möglichkeit bestanden, das Land in eine geordnete Insolvenz samt Umschuldung seiner Kredite zu begleiten. Doch das hätte wohl dem partnerschaftlichen Geist der Europäischen Union widersprochen. Deshalb haben sich die Mitgliedsländer zum Schwur entschlossen: Wir stehen einander bei.

Weil die Finanzmärkte diesen Schwur nicht recht ernst nahmen, gerieten nach den griechischen auch die Staatsanleihen anderer Euro-Mitgliedsländer unter Druck, und mit ihnen immer stärker auch der Euro. Jetzt mussten die Euro-Staaten nachlegen, um das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung zu bewahren. Dieses Vertrauen ist immerhin nicht irgendein Beiwerk, sondern das Fundament einer jeden Währung.

Fällt der Euro, dann gewännen die Mitgliedsländer mit der jeweils eigenen Währung zwar auch ein Stück nationaler Souveränität zurück; im Kampf gegen die Spekulation an den Finanzmärkten und gegen die Folgen der hohen Staatsverschuldung aber könnte der nationale Egoismus die europäische Integration und am Ende gar die Globalisierung beenden. Denn dann dürfte den in die Enge getriebenen Politikern beinahe jedes Mittel Recht sein, um das erreichte Wohlstandsniveau zu verteidigen. Der Schutz des eigenen Landes gegen die Widrigkeiten des internationalen Wettbewerbs – gemeinhin als Protektionismus bezeichnet – könnte zur ultima ratio werden.

Verlockende Aussichten bietet diese Möglichkeit nicht, zumal in Europa mit seinen lange gepflegten Feindschaften. Schließlich konnte man noch im letzten Jahrhundert feststellen, wie dünn die Tünche der Vernunft und Zivilisation über der schroffen Oberfläche der Irrationalität ist.

Die Herausforderung für die europäische Politik besteht nun deshalb darin, ihre Entschlossenheit zur Verteidigung des Euro unter Beweis zu stellen – und zugleich zu verdeutlichen, wie ernst die Mitgliedsländer ihr Projekt der wirtschaftlichen und politischen Integration nehmen. Bislang war die These, eine gemeinschaftliche Währung benötige auch eine gemeinschaftliche Wirtschafts- und Finanzpolitik, nur eine These. Jetzt fordern die Finanzmärkte, diese These zur Grundlage der künftigen Entwicklung des gemeinsamen Währungsraumes zu machen.

In dieser Situation hilft nun auch kein Lamentieren über die außer Rand und Band geratenen Finanzmärkte mehr. Die sind, was die internationale Politik sie hat werden lassen. Konsens ist, dass die Finanzmärkte reglementiert werden müssen. Aber ehe dieser Konsens auf breiter, internationaler Basis in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden kann, kann der Euro schon in Schutt und Asche spekuliert worden sein. Deshalb muss die Politik beweisen, dass sie auch unter den gegenwärtigen, widrigen Umständen ihre Aufgaben erfüllen und ihre Ziele erreichen kann.

Konkret heißt das: Die 16 Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion müssen weitere Teile ihrer nationalstaatlichen Souveränität an gemeinschaftliche Institutionen abgeben, die zum Teil erst noch geschaffen werden müssen. Die nationalen Wirtschaftspolitiken müssen abgestimmt und koordiniert, die Haushalte klaren Regeln unterworfen und deren Einhaltung akribisch kontrolliert werden.

Nur unter diesen Bedingungen hat die riskante – um nicht zu sagen: waghalsige – Strategie, die Schuldenkrise mit der Aufnahme von noch mehr Schulden zu bekämpfen, überhaupt eine Erfolgschance. Dazu gehört auch, dass die Euro-Länder einander notfalls unterstützen. Beispielsweise dadurch, dass Deutschland bei seinen Staatsschulden höhere Zinsen akzeptiert, damit Griechenland – und womöglich noch andere Länder – nicht pleitegehen müssen.

Gelingt dieser Prozess, dann hat Europa die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Wenn nicht, gerät der Kontinent womöglich in eine noch viel gefährlichere Krise.

Wolfgang Köhler arbeitete zunächst viele Jahre als Wirtschaftsredakteur in unterschiedlichen Printmedien, zuletzt bei der „Wirtschaftswoche“ und bei der „ZEIT“. Seit 1996 arbeitet er freiberuflich in Düsseldorf.

Den erfahrenen Finanzjournalisten hat die aufkommende, damals noch sogenannte „Kreditkrise“ schon früh alarmiert. Deshalb hat er bereits 2007 mit Recherchen für ein Buch über die Krise begonnen, das bereits Monate vor der Lehman-Brothers-Pleite unter dem Titel „Wall Street Panik“ auf den Markt kam. Die FAZ zählte das Buch seinerzeit zu den vier wichtigsten Büchern über die Krise. Und in der „Frankfurter Rundschau“ hieß es: „(…) Gerade der unbefangene Leser, der nicht jeden Tag Wirtschaftszeitungen liest, versteht jetzt die Finanzkrise. Insofern erinnert das Buch an den großen John Kenneth Galbraith. Der hat Nichtökonomen Wirtschaft erklärt – und wurde zum Bestsellerautor (…).“

Ein Jahr später legte Köhler mit „Crash 2009“ ein zweites Buch nach, das die Ursachen und Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise, insbesondere auch ihre Ideengeschichtlichen Hintergründe, noch weiter ausleuchtet.

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2 Gedanken zu “Es steht Spitz auf Knopf;”

  1. avatar

    Was? Globalisierung beenden? Warum nicht? Immer her damit! Dann kann Amerika so viel Krieg machen, wie sie wollen.

  2. avatar

    Herr Köhler schrieb: Die Finanzmärkte haben Europa herausgefordert.

    Na ja, zunächst haben gewisse Euro-Staaten, die Finanzmärkte durch eine unseriöse Schuldenpolitik herausgefordert. Und dann haben die Schuldenmanager von Griechenland es verpasst, Mitte 2009 den geringen Credit-Spread der griechischen Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen zu nutzen um wenigstens einen Teil ihrer Schulden vorzeitig abzulösen. Sie haben buchstäblich wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt und erst auf den letzten Drücker gehandelt, wie wenn Kreditklemme nicht ein wichtiges Wort der Jahre 2008 und 2009 gewesen wäre.

    Daß griechische Staatsanleihen mit horrenden Abschlägen gehandelt werden kommt übrigens schlichtweg daher, daß niemand bereit ist, mehr dafür zu zahlen.

    Allerdings wurde in den US-Medien das Thema Griechenland stark gepusht und der Propagandabegriff PIIGS (Portugal Irland Italien Griechenland Spanien) geschaffen, um die Kreditwürdigkeit einiger Euro-Staaten in Frage zu stellen. Diese Propagandaschlacht hat auch zum Ziel, dem Euro jegliche Zukunft abzusprechen. Auf US-Internetforen, die täglich von 100.000 Investoren besucht werden, glauben nach Umfragen 2/3 bis 3/4 der Abstimmenden, daß der Euro eigentlich tot ist. Euro, das war mal, ist dort der überwiegende Tenor.

    Bezüglich der von Ihnen geschilderten Folgen des Wegfalls des Euros stimme ich Ihnen zu.

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