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Christian Wulff und der Killerinstinkt

Nichts gegen Christian Wulff. Damit man etwas gegen ihn haben könnte, müsste er irgendwo eine Ecke oder eine Kante haben. Hat er nicht. Das bewies er nun auch bei der Wahl zum Bundespräsidenten, als er lächelnd die Demütigung über sich ergehen ließ, zweimal als Prügel-Sack für diejenigen herzuhalten, die eigentlich die Eselin Angela Merkel meinten.

Wie oft hörte oder las man schon vorher die Ansicht, Merkel solle „die Wahl freigeben“, erstens als ob die Wahl, da geheim, nicht frei wäre, und zweitens als hätte sie das Sagen, Wulff aber  keine eigene Handlungsfreiheit in der Sache.

Man stelle sich vor, der Kandidat Wulff hätte sich nach dem zweiten Wahlgang erhoben und erklärt: „Ich verzichte darauf, zum dritten Mal anzutreten und empfehle die Wahl Joachim Gaucks“. Merkel wäre bis in die Knochen blamiert worden, Wulff hätte sich nach Niedersachsen zurückgezogen, von wo er einen Putsch – die späte Rache des Andenpakts – gegen die taumelnde Kanzlerin hätte in Szene setzen können. Aber dazu fehlte ihm der Mut und – wie er schon öffentlich zu Protokoll gab – der Killerinstinkt. Den haben, ausweislich der in jeder Hinsicht verlogenen Kampagne mit Gauck, Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin nun unter Beweis gestellt, und der Beifall fast der ganzen Journaille gibt ihnen Recht. Den bewies damals Angela Merkel, als sie ihrem Förderer Helmut Kohl in den Rücken fiel.

Wie gesagt, nichts gegen Christian Wulff. Außer, dass ein so netter Mann – Lieblingslektüre „Der kleine Prinz“ – nie in die Politik hätte gehen dürfen. OK, „nett“ ist ein relativer Begriff – er hat seine Frau abserviert und gegen eine jüngere eingetauscht. Aber diese übliche Männersauerei – die Alternative ist die Seehofer-Version der Bigamie – ist noch keine Qualifikation für das harte Geschäft des Machtkampfs.

Auch nach Wulffs Wahl geht es in den Medien nicht um ihn, sondern allein um die Frage, wie beschädigt die Kanzlerin ist. Sie ist mit dem schlimmsten Virus infiziert, das es in der Politik gibt. Dem Virus des Versagens. Wulff freut sich bestimmt darauf, ihr als Bundespräsident die Entlassungsurkunde auszuhändigen. Denn er kann sie auf den Tod nicht ausstehen. Aber wer folgt ihr nach? In der CDU hat Merkel so gründlich aufgeräumt, dass weit und breit kein Nachfolger zu sehen ist. Eher bei der CSU. Ich tippe auf den Freiherrn zu Guttenberg. Killerinstinkt hat der schon gleich bei seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister bewiesen. Und wie wird er es anstellen? Ich gehe davon aus, dass die CSU die Koalition an der Gesundheitsfrage zerbrechen lässt. Und dann der SPD ein Angebot macht, das sie nicht ablehnen kann. Das wird auch der FDP insgeheim recht sein. Denn Opposition kann sie zurzeit offenbar besser als Regierung.

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11 Gedanken zu “Christian Wulff und der Killerinstinkt;”

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    Wulffgate=Watergate

    frueher hatte man Tonbaender, heute gibt es die Mailbox:

    „Während Nixon weiterhin die Übergabe der Bänder verweigerte, stimmte er der Übergabe von Abschriften einer großen Zahl von Bändern zu. Sie bestätigten zum größten Teil die Aussagen Deans. Nixon verlor schließlich vor dem Obersten Gerichtshof das Verfahren United States v. Nixon und musste die Bänder herausgeben. Infolge dessen wurde entdeckt, dass ein entscheidender Teil eines Tonbandes, das niemals den Gewahrsam des Weißen Hauses verlassen hatte, gelöscht worden war.“

    Wie sagte schon Ben Akiba:

    Alles schon mal dagewesen 🙂

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    Lieber Posener: Darf ich ein wenig sarkastisch werden?
    tippen Sie nur auf den flotten K.T., oder präferieren Sie den etwar? Oder wollen Sie spaßeshalber Analogien erstellen – wenn Polen jetzt einen (ehemaligen) Grafen zum Präsidenten hat, sollten wir doch mindestens auch mit einem flotten Aristokraten aufwarten können.
    Wollten wir eigendlich nach dem Tausendjährigen nicht eine Republik werden und mit dem aristokratischen Militärgeschmeiss (Pardon) aufräumen. So habe ich das jedenfalls verstanden.
    Bei Ihnen klingt das jetzt ein bißchen so, als wollten wir den alten Kaiser W. wieder haben. Back to the roots halt, wenn`s demokratisch nicht mehr geht.
    Ich halte es lieber mit Tucholsky. “ ….. wenn wir doch jetzt so einen, wie den Ebert hätten ……………
    Nichts für ungut,
    Ihre unermüdliche Landplage

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    @CDU-Jugend
    Typisch für die CDU-ler dieser Tage. Schönreden und nur sehen, was man sehen möchte. Ich hätte den Kommentar ernster genommen, wenn die Einsicht dagewesen wäre, dass auch Christian Wulff instrumentalisiert wurde.
    Der Kandidat von Merkels Gnaden war und ist auch nicht mehr, als der Mittel zum Zweck. Und leider dient dieser Zweck einzig und allein einer Partei, die vergessen hat, dass sie in erster Linie dem Volk und erst dann der Partei verpflichtet ist.

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    Was ist daran schlimm, dass Christian Wulff erst nach dem dritten Wahlgang gewählt wurde? Wollte ihr DDR-Zustände mit 99% der Stimme beim ersten Wahlgang? Was Gauck angeht, war er ja nur Mittel zum Zweck für die SPD, um Merkels Abgang zu beschleunigen und die Linke zum Fall zu bringen. Dass Gauck sich instrumentalisieren ließ, sagt viel über diesen Mann aus…

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    @ Alan Posener: Guttenberg weder arrogant noch ahnungslos.

    Mag situationsabhängig sein. Als Volontär oder Praktikant oder (studentischer) Jobber (ich weiß nicht, welchen Status er damals bei der Welt hatte) riskiere ich vielleicht keine dicke Lippe (zumal, wenn ich weiß/ ahne, dass mein Gegenüber – hehe! – unangenehm werden kann). Bitten Sie ihn doch jetzt mal um eine kleine Recherche. Das wäre die Probe auf’s Exempel.

    Aber ich will aber gar nicht rechten. Ob arrogant-ahnungslos oder nicht – sein „militärisch angemessen“ war jedenfalls ein Sprung ohne Seil. Wie die Entlassung des Generalinspekteurs und des Staatssekretärs ebenfalls. Beide Sprünge hätten tödlich enden können. Für Guttenberg. Und es spricht viel dafür, dass er so enden wird. Und nicht als Bundeskanzler oder dergleichen.

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    Mag sein, daß Wulff der Killerinstink fehlt um das von Ihnen skizierte Szenario durchzuziehen.

    Aber hätte es ein Mann ohne all die für Politiker allgemein für notwendig erachteten Eigenschaften in einer Partei wie der CDU bis zum Ministerpräsidenten gebracht ?

    Vielleicht ist ihm das Amt des Bundespräsidenten einfach lieber.

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    @ Igor W.: Ich schrieb ja: „Man stelle sich vor…“ Und es folgte dann ein Konjunktiv irrealis („hätte“). Aber ansonsten haben Sie wahrscheinlich Recht.
    @ EJ: Ich halte Guttenberg weder für arrogant (er hat sich mal persönlich um eine Recherfrage bemüht, um die ich ihn gebeten habe) noch ahnungslos. Sie verwechseln ihm mit Westerwelle.

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    AP: Ich tippe auf den Freiherrn zu Guttenberg. Killerinstinkt hat der schon gleich bei seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister bewiesen.

    O.K. „Killerinstinkt“ auf einen arrogant-ahnungslosen Bungeespringer ohne Seil anzuwenden – kann man machen.

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    @ Alan Posener.

    Sie widersprechen sich selbst. Ein Putsch von Christian Wulff – einem Mann ohne Ecke und Kante? Wie kommen Sie darauf?
    Die Aufräumungsarbeit der Kanzlerin würde ich nicht überschätzen – da war es nicht so viel aufzuräumen. Koch mit seinem Image wäre nicht wählbar, Rüttgers ist m. E. eine Lachnummer, über Wulf haben wir schon alles gesagt – also bei CDU sah es schon seit Jahren nicht gut aus.
    Auf den Freiherrn zu Guttenberg tippe ich auch schon lange (es sei denn, dass Friedrich Merz wieder auftauchen würde – das wäre ernst!), glaube aber, dass er mit der SPD von Gabriel / Nahles nichts zu tun haben will, eher mit Grünen. Das sollte reichen.

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