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Europa grenzenlos?

Von Eva Quistorp:

Es ist ja heute zum Glück schick, Flüchtlinge sehr freundlich zu empfangen und sich um sie zu kümmern, einiges rührt zu Tränen und fordert volle Bewunderung ein für die sogenannten einfachen Leute, die nie in Talkshows kommen, oder nur als kurzer O-Ton und als exotische Ergänzung der ständigen Promis. Doch faktisch sind wir doch von der größten Völkerwanderung seit dem römischen Reich überrascht und teilweise auch überrollt, alle Institutionen müssten sofort flexibel werden, und es müsste sofort erfasst werden, wo es denn genug anständige Winterquartiere gibt, wo medizinische Dienste, die den Einheimischen nicht noch mehr Wartezeiten bescheren, wo Sozialarbeiter, Lehrerinnen, Erzieher, die wir dringend für mehr Kitas für und mit Flüchtlingskinder(n) brauchen, aber die wollen erst mal wieder streiken.

Das Chaos, das von Merkel geschaffen wurde mit ihrer absolutistischen Entscheidung vorbei an den Ländern und sogar am Kabinett, das Dublin- und dann das Schengenabkommen zu brechen, als große humanitäre Geste der Aufnahme aller syrischen Flüchtlinge, dann der plötzliche Rückzug schon nach einigen Tagen, lässt Sorgen der europäischen Nachbarn entstehen, die ich nicht gleich alle pampig wie Gabriel oder selbstgerecht wie Merkel als nationalistisch und unsolidarisch beschimpfen würde. Schließlich hat es ein jahrelanges Wegsehen gegenüber dem Stellvertreterkrieg in Syrien und gegenüber dem IS-Terror im Irak gegeben, hat Merkel ja einst den Irakkrieg von Bush und Blair unterstützt, schließlich wurden die Warnungen des UNHCR in den letzten Monaten überhört, auch vom Merkelstab, dass das Geld für die Flüchtlingslager – selbst fürs Essen – ausgehen würde. Doch um sich endgültig als die bessere Grüne zu zeigen und als die moralische Supermacht Merkel, sagte Merkel auch noch, nach den ersten Stimmen aus der CSU und CDU, wo denn für die Flüchtlingswelle eine Grenze liege, es gebe keine Obergrenze für das Asyl.

Oh Donnerwort! Wieder ein viel zu einfacher Satz von ihr, den alle Medien nachbeten, ohne nachzufragen, ähnlich wie der Satz, der Islam gehört zu Deutschland, ohne Antwort darauf, ja, welcher? Was für eine treue deutsche Demokratin, kann man denken, die Frau kennt die Gesetze. Doch kennt sie die Geschichte, stellt sie die richtigen Vergleiche historisch an, hat sie nicht ihren Schabowski-Moment gehabt, als sie die Grenzen öffnen ließ per ordre de Mufti und dann auch noch oben drauf, wo mehr als sechs Millionen in den Lagern auf ihren Weg nach Deutschland warten, sagte, das Asylrecht habe keine Obergrenze.

Ich habe mich die letzten Jahre schon gewundert, wie das Asylrecht vollkommen aus seinem historischen Zusammenhang herausgerissen wurde und wie wenig es europäisch abgestimmt wurde auf anständigem humanitärem Niveau. Doch wie kann man das Asylrecht, das 1949 unter dem Eindruck des Holocaust und der Judenverfolgung und der brutalen Verfolgung von Antinazis in Europa geschaffen wurde und in einer Zeit, wo man in den Ruinen Deutschlands im kleinen Bonn wohl an höchstens 10.000 Menschen dachte, nun nach oben hin vollkommen offen für zehn Millionen verdreht werden von der grünen Merkel? Einige Grüne, allen voran die Kirchentagsfrau Göring Eckhart, drohen dann wie sonst immer Frau Roth mit den 60 Millionen Flüchtlingen weltweit, mit den kommenden Klimaflüchtlingen etc.

Ich finde, dass es in vielen Bereichen Grenzen braucht, sonst kippt die Ökologie, sonst kippt der gesellschaftliche Zusammenhang, sonst gibt es keine Privatsphäre mehr, sonst gibt es keine Integrationskraft mehr, auch kein Europa mehr. Das ist keine Panikmache vor Überfremdung, das ist nüchternes Nachdenken über Strukturen und Grenzen von Gesellschaften und Demokratien. Wer nur gegen Mauern redet und gegen Grenzen, redet einer blind neoliberalen Globalisierung das Wort, auch wenn man sich dabei gern links und grün und Pro Asyl gibt. Doch nicht alle Mauern sind wie die in Berlin und nicht alle Grenzen werden so gesichert wie die an der Grenze der USA zu Mexiko.

Frau Merkel und die Grünen, die ja offensichtlich auf eine Regierungskoalition hinsteuern, müssen die großen Fragen sowohl der Finanzkrise wie der Flüchtlingskrise und der Frage, wie die Kriege im Nahen Osten und Nordafrika beendet werden, wie die Grenzen Europas und der einzelnen Länder gesichert werden mehr im europäischen Dialog diskutieren und weniger opportunistisch naive Illusionen über ein grenzenloses Europa verbreiten.

Eva Quistorp ist Germanistin, evangelische Theologin, Politologin, 68erin und Lehrerin, Buchautorin. Mitgründerin der Grünen 1979, der Frauen für Frieden, der Böllstiftung und von attac; Geschäftsführerin des Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung, Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen 1986-88, Europaabgeordnete 1989-94.
Beraterin von european womens college und UNWOMAN, der globalen Klimaallianz, Bürgerrechtlerin und freie Publizistin.

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4 Gedanken zu “Europa grenzenlos?;”

  1. avatar

    Mich rührt da nichts zu Tränen. Ich glaube, dass ist das Problem in Deutschland, Filme von Migranten-Kindern in Zeitlupe, hergestellt in den Fälscherwerkstätten der linken Medien und das Frauenwahlrecht, das ist unser Unglück.

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    @ Polaroid

    Was Sie schreiben, ist hanebüchen. Das würde den in einem Land geborenen und aufgewachsenen Menschen jegliche Sicherheit zerstören. Nachdem linksgerichtete Interessengruppen schon lange an Kirche und Familie sägen, würde dann hier der Schutzraum Staat angegriffen und die Identifikation mit ihm.
    Das hätte Folgen, von denen mir einfallen:
    Verweigerung, weiter Kinder in die Welt zusetzen, die dann unsicherer und haltloser wäre.
    Emigration in Staaten, wo solch hanebüchener Unsinn nicht in dieser Form präsent ist.
    Und man sage nicht, diese Staaten gäbe es nicht: Weder China noch Russland würden sich solchen Schmarrn gefallen lassen.
    Aufstände und Terrorismus, denn wo kein Staat, da auch kein Gehorsam, keine Regel.
    Ungezügelte Ausbreitung der islamischen Religion, der Sie vermutlich angehören, wie man an Ihrer Interpunktionsschwäche ablesen kann.
    Als Vorstufe zum Terrorismus Demonstrationen verschiedenster Gruppen mit Gewalteinsatz etc.

    Wenn Sie doch kein(e) Muslim(a) sind, haben Sie einfach nur den A**** o****.

    @ Don Geraldo
    Schließe mich an.

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    Ich liebe diesen Blog, weil ich mich an Autoren wie Herrn Posener gerne reibe.

    Zu Ihnen fällt mir leider nichts ein, ich wüste nicht was ich schreiben sollte.

    Sie haben mir allem das Sie schreiben recht.

  4. avatar

    Ich habe eine Frage an sie: Warum denken sie, haben Menschen die in Deutschland geboren wurden ein stärkeres Recht in Deutschland zu leben, als jemand, der irgendwo anderes geboren ist.
    Wir leben doch in einer liberalen Marktwirtschaft, die davon lebt, dass zumindest in der Theorie jeder durch seine Leistungskraft alles erreichen kann. Der einzige legitimierte Grund für Ungleichheit sollte in Deutschland die Leistungsfähigkeit sein.

    Sie sagen also, dass unbegrenzte Zuwanderung würde „unsere“ Kultur zerstören. Daher sage ich, wir testen alle 7 Milliarden Menschen auf der Welt, darauf wie gut sie in „unsere“ Kultur passen. Am besten durch einen einfachen Ankreuzbogen. Und dann nehmen wir die 80 Millionen, die am besten abgeschnitten haben und die dürfen dann in Deutschland leben. Keine Vorteile für diejenigen, die in Deutschland geboren wurden. und immer wenn einer der 80 Millionen ablebt, wird sein Platz ausgeschrieben, und derjenige Bewerber, der am besten in „unsere“ Kultur passt, wird angenommen.

    Nur so und wirklich durch überhaupt keinen anderen Weg, könnte man sagen, es darf nicht jeder einfach nach Deutschland kommen und hier leben, weil er nicht in die Kultur passt. Nur weil ich in Deutschland geboren wurde, passe ich noch lange nicht besser in die Kultur als jemand der anderswo geboren wurde.

    Sie sehen, will man auf der Basis unserer liberalen Werte eine Zuwanderungsbegrenzung mit dem Argument der Kulturbewahrung einführen, dann könnte das Kompliziert werden, vor allem weil ich Multikulturelle Faktoren gar nicht erwähnt habe.

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