
Zum ersten Mal unterstützen Basar-Händler und regimenahe Studenten den Freiheitswillen des Volkes und demonstrieren landesweit auf den Straßen. Israel zeigt Solidarität, während aus Europa nur laue Unterstützung kommt. Das islamistische Regime wankt.
Es war nur eine Frage der Zeit: zivilgesellschaftliche Freiheitsdemonstrationen im Iran sind wieder da. Aufgeflammt im Basar von Teheran haben die Proteste innerhalb kurzer Zeit wieder unterschiedliche Teile des Irans und unterschiedliche Teile der iranischen Gesellschaft erreicht.
Während des 12 Tage-Krieges zwischen Israel und dem iranischen Regime bekam ich in Gesprächen mit Freunden und ehemaligen Journalistenkollegen oft diese Frage gestellt: Wann flammen wieder kraftvolle Proteste im Iran auf? Meine Antwort darauf war, dass diese unweigerlich wieder entstehen werden, aber dass ihre Wurzeln immer in innenpolitischen Entwicklungen begründet sind. Politische Unterdrückung, Korruption, Misswirtschaft und alltägliches Elend ist es, was die Iraner immer auf die Straße getrieben hat und es jetzt erneut tut.
Den Händlern haben sich Studenten an den Universitäten angeschlossen. Mindestens zwei Aspekte in der Art der Proteste dieser beiden sozialen Gruppen sind außergewöhnlich und damit historisch: Der Basar ist ein in sich geschlossenes gesellschaftliches Ökosystem – man interagiert mit anderen Teilen der Bevölkerung, weil das Kunden sind, die Lebensmittel, Teppiche und Stoffe oder Schmuck kaufen, aber sozial und kulturell verbindet diese unterschiedlichen Iraner wenig bis eigentlich nichts.
Die Basaris sind Verkäufer und als solche wollen sie den Status Quo halten. In den letzten Zügen der konstitutionellen Monarchie schlossen sie sich mit Streiks und temporären Geschäftsschließungen der Revolution an, halfen den islamistischen Rückschritten und wurden dafür fürstlich belohnt, weil ihre Geschäfte weiter florierten. Bis die Inkompetenz dieser Diktatur auch ihr Tagesgeschäft erreichte. Die Basaris haben im Zuge von Protesten gegen dieses Regime auch schon mal gestreikt, aber zum ersten Mal ist ihr Widerstand nun politisch motiviert. Zum ersten Mal zeigen sie Sympathien für Reza Pahlavi, den Sohn des letzten Shah und politische Integrationsfigur.
Auf den wirtschaftlichen Kollaps folgt der des Regimes
Woran liegt dieses Novum? Die iranische Währung befindet sich nicht einfach nur im freien Fall sondern sie wurde kaputt dirigiert in einem maroden Wirtschaftssystem. Der iranische Rial steht heute bei 1.390.000 zu einem (!) US – Dollar. Der Kollaps der Währung geht voraus, und der Kollaps der Diktatur folgt.
Eine der vielen Fehlkalkulationen der Ayatollahs und der Revolutionsgarden war zu glauben, dass die Verachtung für ihre Rückständigkeit, ihr systematisches und systemisches Herunterwirtschaften eines stolzen Landes nicht irgendwann ihre eigenen Reihen erreichen würde. Was uns zur nächsten sozialen Gruppe der Studenten an beispielsweise der Shahid-Beheshti-Universität in Teheran bringt. Auch sie sind auf den Straßen und demonstrieren gegen das Regime. Auch sie haben das zuvor schon getan, aber zum ersten Mal solidarisieren sie sich mit Reza Pahlavi. Seine Integrationskraft hat auch diese Gruppe erreicht, die normalerweise an solchen Bildungseinrichtungen beispielsweise zu Nuklearwissenschaftlern des Regimes ausgebildet werden.
Soziale Gruppen, die eigentlich in der Nähe des Regimes stehen, wollen dieses Regime nicht mehr. Dort wo die iranische Zivilgesellschaft seit vielen eindrucksvollen Protestwellen schon immer gestanden hat – bei politischer und wirtschaftlicher Freiheit – stehen sie jetzt auch. Die Demonstrationen gehen in den dritten Tag und sie entwickeln stetig an Dynamik. Schon jetzt sind es landesweite Protestkundgebungen in Isfahan im Landesinneren und im Nordwesten und Nordosten des Iran. Der Marionetten-Präsident Pezeshkian hat einen “nationalen Dialog” angekündigt als Kosmetik, während Revolutionsführer Khamenei, der Langzeit-Despot, wie immer seine Revolutionsgarden losschicken und auf Menschen schießen lassen wird – nur sind es dieses Mal eben auch die eigenen Unterstützer.
Israel hat die Schwächen der Führung aufgezeigt
Ein zusätzliches Makel, das die Ayatollahs und Revolutionsgarden nicht mehr einfangen können. Etwas anderes kann dieses Diktatur auch nicht mehr einfangen: seinen eigenen Luftraum. Das entschlossene Handeln der Israelis im vergangenen Sommer gegen das Nuklear- und Raketenprogramm und die iranischen Sicherheitsapparate und Nuklearwissenschaftler hat offen gelegt, wie schwach in Infrastruktur, in Reaktion und in größenwahnsinniger Selbstüberschätzung dieses Regime ist. Es ist ein Papiertiger, der aber immer noch das iranische Volk unterdrückt.
Die ganze Welt weiß es seit den israelischen Luftschlägen und verdeckten Operationen, deren Ergebnisse sichtbar wurden. Und das ist der dritte Aspekt als Novum in diesen aktuellen Entwicklungen: der X-Account des Mossad hat in persischer Sprache Solidarität mit den Demonstranten getweetet, sie bestärkt und ihnen versichert sie zu unterstützen. Das ist historisch. Noch nie dagewesene und von Empathie getragene Unterstützung für ihren friedlichen Freiheitskampf. Sichtbar bekundet, weil die Israelis die Lufthoheit des iranischen Regimes gebrochen haben, ihnen einen tief sitzenden Schock zugesetzt haben und in ihren Angriffszielen in diesem Sommer einzig und allein diese Diktatur im Visier hatten.
Es ist eine Solidarität und Unterstützung, die sich die Iraner immer auch von Europa gewünscht haben, aber der alte Kontinent kann nur Beschwichtigung. Umso emotionaler, stärker und auch effektiver ist deswegen die Unterstützung aus Israel.
Wie wird es jetzt im Iran weitergehen?
Seit der historischen Frau, Leben, Freiheit – Bewegung waren die Proteste nie vollständig weg – im Gegenteil, sie ergriffen alle Teile des Irans, im Stadtbild in den iranischen Städten sind unverschleierte Frauen mit ihren offenen Haaren Normalität und die Iraner haben ihr vollständiges Freiheitswerk noch nicht erreicht. Auch deshalb werden sie nicht aufgeben.