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Die Ukraine lebt, Europa auch

Trump kann die Ukrainer nicht zu dem zwingen, was Putin in drei Jahren brutalstem Krieg nicht geschafft hat: zur Selbstaufgabe, zur Kapitulation. Erst recht, wenn wir Europäer sie nun mit allem unterstützen, was geht. Auch mit eigenen Soldaten. Als Bollwerk gegen einen großen Krieg Russlands gegen ganz Europa. Und das Trumpsche Weltdiktat.

Vor dem Wiederamtsantritt von Donald Trump habe ich hier im Blog geschrieben, dass man vor ihm keine Angst haben müsse und dass Putin, Xi und die anderern Diktatoren und autoritären Führer ihn ernst nehmen würden. Ich habe mich schwerst geirrt. Man muss vor dem, was er bereits angerichtet hat, allergrößte Angst haben. Ohne Not und Verstand hat er schon vor den nun begonnenen Gesprächen mit dem Kreml-Kriegsherrn, die man nicht Verhandlungen, erst recht nicht Friedensverhandlungen nennen kann, die Freiheit und Existenz der Ukraine und die Souveränität Europas aufs Spiel gesetzt. Genauer gesagt: Er hat es versucht. Aber er hat seine Rechnung ohne die Ukraine gemacht. Und hoffentlich auch ohne Europa.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer werden sich keinem Diktat beugen, weder von Putin noch von Trump noch von sonst wem. Sie haben seit dem 24. Februar 2022 heldenhaft Widerstand geleistet gegen die vermeintliche russische Übermacht und diese weit zurückgeschlagen, bis auf russisches Territorium. Und tun es immer noch. Mit zunächst nur sehr begrenzter und immer noch bei weitem nicht ausreichender westlicher Unterstützung. Die Ukraine ist – unter größten Opfern – weiterhin ein freies, souveränes, demokratisches Land. Teil unseres freien Europas. Einige Regionen sind besetzt und werden es wahrscheinlich für lange Zeit bleiben. Aber das ändert nichts daran.

Europa darf sich und die Ukraine nicht verraten

Europa, die Europäische Union, würde sich verraten, wenn es die Ukraine jetzt im Stich lässt, da sich die Führer der USA und Russlands daran machen, aus eigener Macht Europa wie 1945 in Jalta aufzuteilen. Und Putin, der sich endgültig auf der Siegesstraße wähnt, weil Trump sich ihm bereitwillligst unterwirft, sich wie sein Vorbild Stalin wieder ganz Osteuropa krallen will.

Deshalb ist es gut und notwendig, dass sich die Anführer der großen europäischen Staaten in Paris darauf verständigt haben, Trump und Putin nicht das Feld zu überlassen, sondern die Ukraine weiter zu unterstützen und endlich, endlich die Sicherheit des Kontinents in die eigenen Hände zu nehmen. Das wird ein extrem weiter,  teurer, komplizierter Weg werden. Aber er muss ab sofort beschritten werden, wenn Europa nicht genauso untergehen will wie die Ukraine.

Eine gemeinsame Armee und Schutztruppe für die Ukraine

Es braucht so schnell wie möglich eine europäische Armee, einschließlich Großbritannien. Mit den britischen und französischen Atomwaffen als Abschreckung und einer gemeinsamen Rüstungsindustrie. Als erstes eine Schutztruppe einer Koalition der Freiwilligen zur Absicherung einer Waffenruhe in der Ukraine. Und zur Sicherung Europas, zuvorderst der baltischen Staaten, Polens, aber auch Rumäniens und Georgiens, gegen weitere Angriffe Russlands. Europa als stärkster Wirtschaftsraum hat die Kraft dazu. Es fehlt nur der gemeinsame politische Wille.

Ernst zu nehmende Militär- und Sicherheitsexperten rechnen damit, dass Russland nach einem Waffenstillstand an der Front im Osten und Süden der Ukraine seine dann dort nicht mehr benötigten Truppen binnen weniger Monate neu aufstellen kann, um zum Beispiel gegen Litauen loszuschlagen. Um zu testen, ob Trump es ernst meint und die Nato dann entgegen ihrer Beistandsverpflichtung dem angriffenen Bündnisland nicht zur Hilfe eilt. Damit wäre für Putin das Feld offen, anschließend weitere Nato-Staaten anzugreifen. Das westliche Bündnis in der bisherigen Form wäre Vergangenheit. Europa jedoch nicht schutzlos, wenn es jetzt handelt.

Krieg ist jetzt

Europa ist im Krieg: Das war seit dem russischen Großeinmarsch in die Ukraine mehr eine Floskel, um die Hilfslieferungen und -zahlungen gegenüber der eigenen skeptischen, widerwilligen bis ablehenden Bevölkerung zu rechtfertigen. Aber es ist nicht erst jetzt bittere Realität.

Im Bundestagswahlkampf merkt man davon zwar so gut wie nichts. Der dreht sich mit seinen Quartellen und Showeinlagen weiter, als wäre nichts passiert. Doch die neue Regierung wird die Landesverteidigung und die Verteidigung Europas sofort zur allerobersten Priorität machen müssen. Die Bundeswehr dafür instand zu setzen und wiederaufzurüsten, einschließlich einer neuen Wehrpflicht und Reservisten, wird Hunderte Milliarden kosten. Ohne eine noch viel größeres Sondervermögen, sprich: hohe neue Schulden und Sonderabgaben wird das nicht gehen. Und es wird harte Umschichtungen und Einschnitte im Bundeshaushalt verlangen.

Merz muss der Bevölkerung reinen Wein einschenken

Vor der Wahl am Sonntag wird und kann Merz als voraussichtlicher neuer Kanzler den Bürgern diese Wahrheit nicht sagen. Es würde nur noch mehr Wähler in die Fänge der Putin-Parteien AfD und BSW und der Linken treiben. Aber gleich nach der Wahl muss er sie verkünden und die Politik seiner Regierung ganz danach ausrichten, neben dem Wiederertüchtigen der Wirtschaft als ökonomischer und finanzieller Basis auch für die Rüstungsindustrie und anderen notwendigen Reformen etwa in der Migrationspolitik.

Am ehesten würden Merz und die Union ein solches Selbstverteidigungsprogramm wahrscheinlich mit Habecks Grünen umsetzen können. Es ist allerdings unsicher, ob es dafür reichen wird. Und unabhängig davon ist möglicherweise für die gewaltigen Aufgaben eine Art Regierung der nationalen Einheit einschließlich SPD (und ggfs. der FDP) nötig, um den pazifistischen Flügel der Sozialdemokraten einzubinden und ruhig zu stellen.

Es wird ohnehin genügend Proteste geben von den Putin-Freunden, den Ohne-Michels der verstaubten Friedensbewegung und allen, die meinen, die Stürme der Zeit würden an ihnen vorüberziehen, wenn sie nur in gewohnter Manier den Kopf einziehen und in den Sand stecken. Werden sie aber nicht. Merz, der schon im Proteststurm gegen seine Migrationsoffensive gestanden hat, wird auch das hoffentlich durchstehen. Und seinen Vorgänger ganz schnell vergessen machen.

Slava Ukraini!

Zum Abschluss und Mutmachen der übersetzte Text der ukrainischen Nationalhymne:

Ruhm und Wille der Ukraine sind noch nicht tot,
das Schicksal wird uns zulächeln, junge Brüder;
unsere Feinde werden wie Tau in der Sonne zugrunde gehen,
wir, Brüder, werden im eigenen Lande herrschen.
|:Seele und Leib werden wir für unsere Freiheit opfern,
und wir werden zeigen, Brüder, dass wir zum Kosakengeschlecht gehören.:|
Brüder, stehen wir auf für eine blutige Schlacht vom San bis zum Don,
wir werden niemandem erlauben, in unserem Heimatland zu herrschen;
das Schwarze Meer wird immer noch lächeln und Großvater Dnipro sich freuen,
unserer Ukraine wird das Schicksal wieder gnädig sein.
|:Seele und Leib werden wir für unsere Freiheit opfern,
und wir werden zeigen, Brüder, dass wir zum Kosakengeschlecht gehören.:|
Beharrlichkeit und harte Arbeit werden sich bewähren,
das Lied der Freiheit wird durch die Ukraine klingen;
das Echo wird von den Karpaten widerhallen und durch die Steppen donnern,
der Ruhm der Ukraine wird sich unter den Völkern verbreiten.
|:Seele und Leib werden wir für unsere Freiheit opfern,
und wir werden zeigen, Brüder, dass wir zum Kosakengeschlecht gehören.:|

Ludwig Greven ist freier Autor und Anhänger einer wirklichen Friedensbewegung

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