Machen wir es kurz: Dies ist ein dummer Song. Und dass ihn so viele Leute mögen (mich eingeschlossen), zeigt, wie dumm wir sind. Aber dazu komme ich gleich.
In diesem Song (den Text findet man am Ende dieses Essays) schlüpft Newman wie so oft in die Haut, ja unter die Haut eines anderen Menschen, ich ist also hier sowieso ein anderer, in diesem Fall ein chauvinistischer und dummer Amerikaner. Nicht, dass es keine chauvinistischen und dummen Amerikaner gäbe, aber dieser ist dümmer als die Polizei, ja als die amerikanische Nuklearstrategie erlaubt.
Die basierte nämlich auf Abschreckung: Jeder, der uns angreift, muss damit rechnen, dass wir ihn vernichten, bevor wir zulassen, dass er unsere Art zu leben, unsere Existenz als Staat gefährdet.
Deshalb wurde die Atombombe nie gegen Amerikas Gegner – in Vietnam etwa – eingesetzt. Lieber steckte man eine Niederlage ein. Denn Domino-Theorie hin, Erniedrigung her, die Vietcong gefährdeten nie die Existenz der USA.
Deshalb drohte John F. Kennedy nicht mit der Atombombe beim Bau der Berliner Mauer: richtigerweise schätzte er Walter Ulbrichts Bauwerk als Defensivmaßnahme ein, kein antifaschistischer Schutzwall zwar, sondern ein Notverband, um das Ausbluten der DDR zu verhindern. Hingegen empfand er die Stationierung sowjetischer Atomwaffen auf Kuba als existenzielle Bedrohung und riskierte einen Atomkrieg, um deren Abzug zu erzwingen.
In diesem Song aber verkörpert der Sänger die Vorurteile, die amerikanische Linke über Republikaner wie Barry Goldwater, Richard Nixon oder Donald Trump haben, und die europäische Linke über Amerikaner haben.
Der Sänger versteht nicht, warum niemand die USA mag; Wir sind vielleicht nicht vollkommen, aber verdammt noch mal, wir geben uns Mühe. Aber nein, selbst unsere alten Freunde machen uns fertig. Ja, unser Geld nehmen sie gern, aber von Dankbarkeit keine Spur. Von Respekt sowieso nicht.
So weit, so Trump. Aber dann:
Schmeißen wir doch die Atombombe, dann können sie zusehen, wo sie bleiben. Weg mit London, weg mit Paris, rumms, mehr Platz für dich und mich, du kriegst’n Kimono, ich krieg italienische Schuhe. OK, Australien lassen wir übrig, wir wollen doch keinem Känguru wehtun, da bauen wir ein Disneyland, Surfen gibt’s da auch.
Das ist natürlich in jeder Hinsicht Quatsch. Selbst wenn man „Australien übriglässt“, geht Australien unter: Nevil Shute beschrieb 1957 in seinem Roman „On the Beach“, wie ein Atomkrieg die Welt bis auf Australien verwüstet hat. Die Bewohner begehen mit den von der Regierung zur Verfügung gestellten Pillen Massenselbstmord, bevor die radioaktive Wolke den Kontinent erfasst.
Und bei allem Zorn, den es in den USA nicht erst seit Trump über die undankbaren und hyperkritischen Freunde und Verbündeten gibt, auf die allein der Sänger die Atombombe schmeißen will, nämlich Europa, Kanada, Afrika und Südamerika; von den Gegnern Russland und China, Korea oder Vietnam ist ja nirgends im Lied die Rede: Außer im Spaß sagt das niemand, hat das auch der chauvinistischste und dümmste Wähler der Republikaner nie ernsthaft gedacht, und solchen Blödsinn dem rechten Gegner zu unterstellen, heißt ihn der Lächerlichkeit preisgeben, ohne seine Argumente auch nur anzuhören.
Man könnte sich nun denken, dass Randy Newman hier ein doppeltes Spiel spielt; dass er sich eigentlich im Song über jene lustig macht, die den Song gut finden, weil sie ernsthaft meinen, er treffe die Geistesverfassung ihrer Gegner.
Aber das ist, glaube ich, zu sehr um die Ecke gedacht. Nein, der Song ist, leider, leider selbst dumm.
Warum mag ich ihn dann? Ich weiß nicht. Es hat etwas Befreiendes, dieses „Boom goes London, boom Paree …“ Indem man das schunkelnd mitsingt, zum Rhythmus einer bayerischen Blaskapelle, verliert die Apokalypse etwas von ihrem Schrecken. Gehn wir Tauben vergiften im Park, gehn wir Städte vernichten bei Randy Newman. Bumms.
No one likes us
I don’t know why
We may not be perfect
But heaven knows we try
But all around
Even our old friends put us down
Let’s drop the big one
And see what happens
We give them money
But are they grateful
No, they’re spiteful
And they’re hateful
They don’t respect us
So let’s surprise them
We’ll drop the big one
And pulverize them
Asia’s crowded
And Europe’s too old
Africa’s far too hot
And Canada’s too cold
And South America stole our name
Let’s drop the big one
There’ll be no one left to blame us
We’ll save Australia
Don’t want to hurt no kangaroo
We’ll build an all American amusement park there
They’ve got surfing, too
Boom goes London
And boom Paris
More room for you
And more room for me
And every city the whole world round
Will just be another American town
Oh, how peaceful it’ll be
We’ll set everybody free
You’ll have Japanese kimonos, baby
There’ll be Italian shoes for me
They all hate us anyhow
So let’s drop the big one now
Let’s drop the big one now