Die Parole wird gerne im Munde geführt. Doch als der frühere Ostbeauftragte Marko Wanderwitz jetzt wegen ständiger Angriffe von rechtsaußen aufgab, bekam er wenig Unterstützung. Schon gar nicht aus seiner CDU. Die kuschelt in Thüringen und Sachsen lieber wie Brandenburgs SPD mit dem BSW, das genauso extremistisch ist wie die AfD.
Marco Wanderwitz ist ein mutiger Mann. Seit 2002 sitzt er im Bundestag ein. Fünfmal gewann der Anwalt und Vater von vier Kindern im sächsischen Erzgebirge, einer Hochburg der AfD und anderer rechtsextremer Gruppierungen, ein Direktmandat. Sein bestes Ergebnis waren 49,6 Prozent. 2021 eroberte dann ein AfDler den Wahlkreis. Ein Mentekel. Denn als Ostbeauftragter der Regierung von Angela Merkel hatte Wanderwitz, anders als seine Vorgänger und sein SPD-Nachfolger Carsten Schneider, von dem man wenig hört, keine klaren Worte gescheut. Viele seiner Landsleute aus der ehemaligen DDR seien „diktatursozialisiert“, sagte er, was ihm viel böses Blut einbrachte. Und er forderte von seiner CDU absolut klare Kante gegen die AfD.
In einem Interview, das ich kurz vor der Bundestagswahl 2021 mit ihm für „Politik & Kultur“, die Zeitung des Deutschen Kulturrats, führte, beklagte er: „Im Osten gibt es zuviele Problembürger. Einen Teil kann man erreichen, indem man ihnen den Spiegel vorhält und ihnen sagt: Wir reden gerne über eure Probleme, auch die der Vergangenheit. Aber wir müssen auch darüber reden, dass es nicht zur Grundverfasstheit der Demokratie gehört, Rechtsextreme zu wählen, nur weil ich dagegen bin, dass eine Windmühle vor meinem Haus stehen soll.“
In der sächsischen CDU isoliert
Das wollten und wollen die Angesprochenen nicht hören. Und auch viele in der Ost-CDU und seinem sächsischen Landesverband nicht, von denen etliche noch immer mit der AfD liebäugeln. Auch jetzt, nachdem die Koalitionsgespräche in Sachsen mit dem BSW gescheitert sind und Ministerpräsident Kretschmer auf der Suche ist nach Stimmen für seine Wiederwahl mit seiner CDU/SPD-Minderheitsregierung. Trotz der völlig eindeutigen Absage von Parteichef Friedrich Merz gegen jede Zusammenarbeit mit der Rechtsaußenpartei.
In der sächsischen CDU fühlte sich Wanderwitz mit seinen offenen Worten zunehmend isoliert. Das gab er auch bei meinem Interview vor drei Jahren zu verstehen. Mit Kretschmer hat er sich schon lange überworfen und den Kreisvorsitz aufgegeben. Was ihm aber noch viel mehr zu schaffen machte, waren die ständigen Angriffe von AfDlern und anderen aus dem rechtsextremen Lager. Weshalb er nun ankündigte, im Februar nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren und sich aus der Politik zurückzuziehen, „Ich muss meine Familie und mich körperlich und seelisch schützen“, sagte er der Lokalzeitung Freien Presse. „Die Angriffe der brutalen Schreihälse sind immer heftiger geworden.“ Vor allem, seit die AfD in die Parlamente einzog.
Seine Partnerin Yvonne Magwas, immerhin Bundestagsvizepräsidentin, hatte schon im Sommer verkündet, dass sie nicht mehr antritt. Das gesellschaftliche Leben sei in den letzten Jahren erheblich rauer geworden, inbesondere in Sachsen; betrieben von „rechtsradikalen Feinden der Demokratie“, schilderte sie in einer persönlichen Erklärungen ihre Erfahrungen. „Es wird gelogen, diskreditiert, gehetzt; die Demokratie und ihre Institutionen werden von AfD, Freien Sachsen, III. Weg, NPD und wie sie alle heißen, Tag für Tag systematisch in Frage gestellt mit dem Ziel, sie abzuschaffen. Als Ageordnete steht man dabei ganz besonders im Feuer.“ Sie habe „viel an Beleidigungen, Bedrohungen, aber leider auch an Gleichgültigkeit erlebt“, klagte Magwas.
Zuviel Gleichgültigkeit
Das gilt leider auch jetzt. Obwohl schon etliche Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker sich wegen ständiger Angriffe von rechts zurückgezogen haben, wurden die Ankündigungen von Magwas und Wanderwitz meist schultzerzuckend hingenommen. Obwohl sie ein weiterer Warnruf sind. Solidarität und Unterstützung gab es eher aus anderen Parteien, von Grünen und aus der SPD, aber kaum aus der CDU.
Die schmeißt sich derweil im Osten an das BSW ran, obwohl Wagenknechts Führerinnenpartei, vor allem was die Putin-Hörigkeit betrifft, aber auch die Ablehnung freiheitlicher westlicher, demokratischer Werte und der „Elite“, den Antiamerikanismus incl. Gegenerschaft zur Nato und die Migrationsfeindlichkeit, sich kaum von der AfD unterscheidet. Weshalb manche in der CDU inzwischen überlegen, ihrer Partei den Rücken zu kehren.
Denn es ist ja nicht zu erklären, weshalb zumindest die Bundes-CDU unter Merz inzwischen eine klare Brandmauer gegen die AfD errichtet hat und es einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die Linke gibt (obwohl die etwa in Thüringen unter Bodo Ramelow ziemlich sozialdemokratisch geworden ist). Aber keine ebenso klare Abgrenzung zu Wagenknechts Partei. Obgleich die schon von ihrer Konstruktion her nach stalinistischer Manier völlig undemokratisch ist.
„Wenn unser Land diesen Weg weiter geht“, schreibt die scheidende Bundestagsvizepräsidentin Magwas in ihrer Abschiedserklärung, „wird es dunkel und kalt – darüber sollten sich mehr Menschen Gedanken machen. Es braucht Herz, Verantwortungsgefühl und Gemeinsinn. Von Vielen.“
Ludwig Greven ist freier Journalist und Autor. Er war Innenpolitk-Chef der „Woche“ und Politikchef und politischer Autor bei Zeit online. Er beschäftigt sich besonders mit Gesellschaftspolitik, Migration, Integration und der Verteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde.
AfD, BSW et al. sind ja nicht aus einer Art Urzeugung entstanden, sondern das traurige Ergebnis der bürgerfernen, zynischen Politik der letzten 15 Jahre. Ich halte wenig davon, die Vergessenen – vor allem die im Osten – zu diffamieren und deren Lebenswirklichkeit zu ignorieren. Solange es keine schonungslose Aufarbeitung des Politikversagens der vergangenen Jahre – Corona, hausgemachte Flüchtlingskrise, Korruption und Vetternwirtschaft in den Ministerien, Primat der Ideologie gegenüber dem Pragmatismus etc. – gibt, werden die Ränder weiter gestärkt. Dass Wanderwitz und seine Partnerin das Handtuch schmeißen, ist verständlich, denn wie lange kann man sich diesen Anfeindungen aussetzen?