Was soll man sagen? Dieser Song ist perfekt. Eine Hymne auf die Männerfreundschaft – nicht als schwitzige, bierselige, lautstarke Überkompensation verklemmter Kleinbürger, sondern als etwas fast Griechisches; und etwas von stiller Einfalt, edler Größe liegt in diesem total entspannten Song, der gewiss von Sonny Rollins‘ Saxofon-Partien lebt, aber doch auch von Jaggers Text.
Als er ihn schrieb, war Mick Jagger fast 40; lange nicht zu alt für Frauengeschichten, aber alt genug, darüber zu lächeln. Da steht er also in der Tür und schaut den Mädchen nach. „I see the girls go by dressed in their summer clothes“ hieß es in „Paint It Black“; aber da musste er den Kopf abwenden, um nicht von Trauer und Depression überwältigt zu werden. Hier fragt er sich, worum es bei ihren Unterhaltungen über Männer geht, baut sich selbst daraus eine Geschichte, die vielleicht stimmt oder auch nicht. Übrigens kenne ich das: Unser Garten liegt an einer Promenade, und wenn ich da im Liegestuhl sitze, unsichtbar hinter der Hecke, kommen Mädchen und Frauen vorbei, und fast immer geht es bei ihren Gesprächen um Männer: „Also, dann sagt er mir, dafür bin ich nicht zu haben.“ „Echt? Wie meint er das? Ich meine, er ist doch sonst …“ „Nicht? Ich meine, er könnte auch mal an mich …“ Und schon sind sie außer Hörweite, und wer „er“ und wofür er nicht zu haben ist und warum, das werde ich nie erfahren, und es ist ganz OK so.
„Ich warte nicht auf eine Frau / Ich warte nur auf einen Freund.“ Wobei das Wort „nur“ irreführend ist. Freundschaften wie die von Mick Jagger und Keith Richards – und überhaupt unter den Mitgliedern der Rolling Stones – sind etwas sehr Besonderes. Und indem er sagt, er brauche jemanden, bei dem er sich ausweinen und den er beschützen kann, geht Jagger weit über das hinaus, was Männer gemeinhin unter Freundschaft verstehen; dazu brauchen sie gewöhnlich eine Frau (jedenfalls wenn es straighte Typen sind); Jagger aber meint, genau dafür ist weder eine „Lady“ da, noch eine Hure, noch ein Beichtvater – ein „jungfräulicher Priester“; in der Jugend sei die Liebe ein Spiel, als Erwachsener brauche man einen Freund.
„A smile relieves a heart that grieves“: ein Lächeln erleichtert ein trauerndes Herz. Die Zeile stammt aus einem Gedicht von Robert Graves, der zugleich mahnt: „One hard look / Can close the book / that lovers love to see“: Ein harter Blick kann auf immer die Geschichte einer Liebe beenden, alles zerstören; das sei „todtraurig“. So ist der Song durch das Nichtaussprechen der Mahnung zugleich ein Kommentar über das stets von Konkurrenz, Eifersucht, Neid, Drogen, Rücksichtslosigkeit und Egoismus bedrohte Freundschaftsverhältnis zwischen Jagger und Richards, zwischen Männern überhaupt.
Watching girls go passing by
It ain’t the latest thing
I’m just standing in a doorway
I’m just trying to make some sense
Out of these girls passing by
The tales they tell of men
I’m not waiting on a lady
I’m just waiting on friend
A smile relieves a heart that grieves
Remember what I said
I’m not waiting on a lady
I’m just waiting on a friend
Don’t need a whore, I don’t need no booze
Don’t need a virgin priest
But I need someone I can cry to
I need someone to protect
Making love and breaking hearts
It is a game for youth
But I’m not waiting on a lady
I’m just waiting on a friend
Das Tenorsaxofon im Stück ist von Sonny Rollins? Nicht gewusst und hätte ich auch nicht erkannt. Ein toller Song und ein gutes und wichtiges Thema gerade in diesen Zeiten ist Männerfreundschaft und das männliche Selbstverständnis. Würde ich gerne mehr drüber lesen.
Freundschaft ist Glauben.